TE Bvwg Beschluss 2021/7/15 W237 2203862-1

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Veröffentlicht am 15.07.2021
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Entscheidungsdatum

15.07.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z1
AsylG 2005 §7 Abs1 Z2
AsylG 2005 §7 Abs4
AsylG 2005 §8 Abs1 Z2
AVG §18 Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z1
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §31 Abs1

Spruch


W237 2203862-1/12E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. Martin WERNER über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, gegen die Erledigung des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 11.07.2018, Zl. 4304407-171399936:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG iVm § 18 Abs. 3 AVG als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Begründung:

1. Feststellungen:

Mit als Bescheid bezeichneter Erledigung vom 11.07.2018 (im Folgenden auch: Bescheid) erkannte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem – die deutsche Sprache fließend beherrschenden – Beschwerdeführer den mit Bescheid des Bundesasylamts vom 13.03.2003 zuerkannten Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 ab und stellte gemäß § 7 Abs. 4 leg.cit. fest, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.). Weiters erkannte es dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zu (Spruchpunkt II.), erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III.), erließ im Sinne des § 10 Abs. 1 „Ziffer 1“ AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 „Ziffer 1“ FPG (Spruchpunkt IV.), stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG iVm § 46 FPG die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation fest (Spruchpunkt V.) und legte gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt VI.).

Die im Verwaltungsakt befindliche Urschrift des Bescheids bezeichnet auf der letzten Seite „ XXXX “ in einwandfrei leserlicher Druckschrift als Genehmiger. Über diesem Namen befindet sich folgender, mit blauem Kugelschreiber angefertigter Schriftzug:

Sonstige Hinweise bzw. Vermerke enthält die Urschrift nicht.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl adressierte diese Erledigung an den damaligen Vertreter des Beschwerdeführers, der dagegen Beschwerde erhob. Der Beschwerdeschriftsatz sowie der Bezug habende Verwaltungsakt wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 21.08.2018 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.

2. Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem Verwaltungsakt bzw. der darin aufliegenden Urschrift des angefochtenen Bescheids, dem Rückschein sowie den Angaben des Beschwerdeführers, gegen welchen behördlichen Akt sich seine Beschwerde richtet. Dass der Beschwerdeführer die deutsche Sprache fließend beherrscht, ergibt sich aus seiner entsprechenden Angabe in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 06.02.2018 und ist angesichts seines langjährigen Aufenthalts im Bundesgebiet nachvollziehbar.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

1. Im Anwendungsbereich des § 18 AVG wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes der Grundsatz aufgestellt, dass jede Erledigung zu genehmigen ist, und zwar durch die Unterschrift eines (hiezu berufenen) Organwalters. Damit wird der wichtige Grundsatz zum Ausdruck gebracht, dass die Identität des Menschen, der eine Erledigung getroffen und daher zu verantworten hat, für den Betroffenen erkennbar sein muss. Die "Urschrift" einer Erledigung muss also das genehmigende Organ erkennen lassen (vgl VwGH 10.09.2015, Ra 2015/09/0043).

Unabhängig von der Frage, welchen Voraussetzungen die schriftliche Ausfertigung einer Erledigung zu genügen hat (externe Erledigung), muss daher die – interne – Erledigung selbst von jenem Organwalter, der die Behördenfunktion innehat, oder von einem approbationsbefugten Organwalter genehmigt worden sein. Fehlt es an einer solchen Genehmigung, liegt kein Bescheid vor (VwGH 11.11.2014, Ra 2014/08/0018).

Gemäß § 18 Abs. 3 AVG sind schriftliche Erledigungen vom Genehmigungsberechtigten mit seiner Unterschrift zu genehmigen; wurde die Erledigung elektronisch erstellt, kann an die Stelle dieser Unterschrift ein Verfahren zum Nachweis der Identität (§ 2 Z 1 E-GovG) des Genehmigenden und der Authentizität (§ 2 Z 5 E-GovG) der Erledigung treten. Im vorliegenden Fall wurde kein derartiges Verfahren nach E-GovG durchgeführt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Unterschrift im Sinn dieser Vorschrift ein Gebilde aus Buchstaben einer üblichen Schrift, aus der ein Dritter, der den Namen des Unterzeichneten kennt, diesen Namen aus dem Schriftbild noch herauslesen kann; eine Unterschrift muss nicht lesbar, aber ein "individueller Schriftzug" sein, der entsprechend charakteristische Merkmale aufweist. Die Anzahl der Schriftzeichen muss der Anzahl der Buchstaben des Namens nicht entsprechen (vgl. für viele VwGH 07.11.2019, Ra 2019/14/0389; 20.04.2017, Ra 2017/20/0095 mwN). Der Verwaltungsgerichtshof hielt aber wiederholt fest, dass eine Paraphe keine Unterschrift ist (vgl. VwGH 07.11.2019, Ra 2019/14/0389; 04.09.2000, 98/10/0013 und 0014; s. auch Hengstschläger/Leeb, AVG § 18, Rz 23 mwH).

2. Der Schriftzug auf der im Verwaltungsakt aufliegenden Urschrift des angefochtenen Bescheids erfüllt die Merkmale einer Unterschrift nicht:

2.1. Zwar muss die Anzahl der Schriftzeichen einer Unterschrift der Anzahl der Buchstaben des Namens nicht entsprechen, doch besteht der Nachname der genehmigenden Person im vorliegenden Fall aus drei Silben und insgesamt zehn Buchstaben. Die Bescheidurschrift ist hingegen nur mit einem kurzen Schriftzug abgezeichnet, dem keine irgendwie geartete Buchstabenfolge zu entnehmen ist. Es handelt sich lediglich um den nach rechts oben geschwungenen – insoweit erkennbaren – Buchstaben „B“, an den eine einfache, zum Teil über den ersten Buchstaben verlaufende Schlaufe anschließt.

Damit liegt jedenfalls kein Buchstabengebilde vor, aus dem der Name der genehmigenden Person auch in Kenntnis desselben noch in irgendeiner Form herauslesbar wäre. Aus dem Schriftzug ist nämlich mit Ausnahme des Anfangsbuchstaben kein einziger (weiterer) Buchstabe erkennbar, der auch nur ansatzweise zur Klärung der Identität der genehmigenden Person beitragen würde (vgl. im Gegensatz dazu VwGH 19.02.2018, Ra 2017/12/0051, wo im zugrundeliegenden Fall die ersten Buchstaben eines Namens mit sechs Buchstaben deutlich erkennbar waren; es liegt somit im gegenständlichen Fall auch keine infolge eines starken Abschleifungsprozesses abstrahierende Linie vor, aus der – im Lichte sonstiger erkennbarer Buchstaben – auf weitere Buchstaben geschlossen werden könnte).

2.2. Der Schriftzug der Abzeichnung der Urschrift stellt damit eine bloße Paraphe dar, die nach der Rechtsprechung keine Unterschrift ist.

3. Der (als Bescheid bezeichneten) Erledigung der belangten Behörde vom 11.07.2018 fehlt es mangels Unterschrift des genehmigenden Organs und eines Hinweises auf eine elektronische Genehmigung sohin an der Bescheidqualität, weshalb sich die Beschwerde gegen eine als Bescheid absolut nichtige Erledigung richtet. Dies hat den Mangel der Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zu einem meritorischen Abspruch über das Rechtsmittel zur Folge; das Verfahren über die Aberkennung des Status des Asylberechtigten ist stattdessen nach wie vor vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl anhängig.

Die Beschwerde ist daher als unzulässig zurückzuweisen (vgl. auch BVwG 26.05.2020, W234 2127997-2; 16.07.2020, W237 2225489-1; 26.03.2021, W112 2217194-1 ua.).

4. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen.

Der Spruch und die (nachfolgende) Rechtsmittelbelehrung sind nicht in die russische oder tschetschenische Sprache zu übersetzen, weil der Beschwerdeführer die deutsche Sprache fließend beherrscht (§ 12 Abs. 1 BFA-VG).

5. Ergänzend ist festzuhalten, dass das Bundesverwaltungsgericht die vorliegende (Formal-) Entscheidung erst nach einer bei Weitem zu langen Verfahrensdauer trifft, die in keinem Verhältnis zur (lediglich geringen) Komplexität der gegenständlichen Rechtssache steht. Die Zurückweisung der Beschwerde mangels Vorliegens eines Bescheids hätte schon im Sinne der Verfahrensökonomie umgehend nach Beschwerde- und Aktenvorlage ergehen müssen, um einen zügigen Abschluss des – sohin immer noch offenen – Verfahrens vor der Verwaltungsbehörde gewährleisten zu können.

Die Verzögerung in der Erlassung des vorliegenden Beschlusses liegt in der alleinigen Verantwortung des entscheidenden Richters, weil die mangelnde Unterschrift bzw. die bloße Paraphenqualität des die Bescheidurschrift abzeichnenden Schriftzugs bei einer ersten Aktendurchsicht nach Einlangen in der Gerichtsabteilung nicht auffiel. Die Zurückweisung der Beschwerde ist angesichts der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aber gleichwohl zwingend.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab; zudem fehlt es auch nicht an einer Rechtsprechung und die zu lösende Rechtsfrage wird in dieser auch nicht uneinheitlich beantwortet. So entspricht es ständiger, einheitlicher Rechtsprechung, dass eine Paraphe keine Unterschrift darstellt, wobei die Beurteilung, was (noch) eine Unterschrift darstellt, stets einzelfallbezogen ausfallen muss.

Schlagworte

Genehmigung Nichtbescheid Organwalter Unterschrift

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W237.2203862.1.00

Im RIS seit

11.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

11.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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