TE Bvwg Erkenntnis 2021/7/16 W196 1300185-2

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Veröffentlicht am 16.07.2021
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Entscheidungsdatum

16.07.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z4
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §7 Abs1 Z1
AsylG 2005 §7 Abs4
AsylG 2005 §8 Abs1 Z2
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z3
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch


W196 1300185-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ursula SAHLING als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch ZEIGE Zentrum für Europäische Integration und Globalen Erfahrungsaustausch, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.06.2018, Zl.741763900-170542951, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der erste Satz des Spruchpunktes I. wie folgt zu lauten hat:

„Der dem Beschwerdeführer mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 06.10.2009 zuerkannte Status des Asylberechtigten wird gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aberkannt.“

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der russischen Föderation und Angehöriger der Volksgruppe der Tschetschenen, stellte am 01.09.2004 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Mit Bescheid vom 08.02.2006 wurde sein Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 7 AsylG (aF) abgewiesen und seine Abschiebung für zulässig erklärt. Der dagegen erhobenen Beschwerde wurde stattgegeben und mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 06.10.2009, D4 300185-1/2008/20E, wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 12 AsylG (aF) der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Begründet wurde dies damit, dass aufgrund der Rebellentätigkeit des Beschwerdeführers in beiden Tschetschenienkriegen und seiner Mitwirkung in der Maschadov-Verwaltung von einer Verfolgung durch russische bzw. prorussische Kräfte auszugehen sei.

3. Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 07.09.2017, 041 HV 62/2017, wurde der Beschwerdeführer, welcher bereits zuvor fünf Mal strafgerichtlich verurteilt worden war, wegen des Vergehens der Sachbeschädigung gemäß § 125 und wegen des Verbrechens der Schlepperei gemäß § 114 Abs 1 und 3 Z 1 und 2 und Abs 4 erster Fall FPG, unter Bedachtnahme auf das Urteil des Amtsgerichts Györ vom 24.06.2016 zu AZ 76. B.533/2016/2 gemäß §§ 31, 40 StGB, nach dem Strafsatz des § 114 Abs 4 FPG zu einer Zusatz-Freiheitsstrafe von elf Monaten verurteilt.

4. Daraufhin leitete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 14.03.2018 von Amts wegen ein Verfahren zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten ein.

5. Am 25.04.2018 wurde dem Beschwerdeführer von der belangten Behörde Gelegenheit geboten, zur beabsichtigten Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme (Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot) Stellung zu nehmen und entsprechende Beweismittel insbesondere hinsichtlich seines Privat- und Familienlebens in Österreich vorzulegen. Darüber hinaus wurde ihm das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation die Russische Föderation betreffend zur Stellungname übermittelt.

6. Am 07.05.2018 langte eine diesbezügliche Stellungnahme ein, in welcher im Wesentlichen vorgebracht wurde, dass der Beschwerdeführer keine Beziehungen mehr zum Heimatland habe und dass seine Kernfamilie in Österreich lebe. In der „Heimat“ würden von der Russischen Föderation unterstützte Verbrecher regieren, weshalb ungesetzliche Repressionen unvermeidlich seien, und es sei keineswegs geklärt, dass die Umstände, die zu seiner Asylerteilung geführt hätten, weggefallen seien. Der Beschwerdeführer befinde sich auch in Behandlung wegen akuter Bandscheibenprobleme.

7. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.06.2018, Zahl: 741763900/170542951, wurde dem Beschwerdeführer der mit Bescheid vom 06.10.2009 zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z. 1 AsylG 2005 aberkannt und gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 wurde ihm der Status des subsidiären Schutzberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.), gemäß § 57 AsylG 2005 wurde ihm kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG 1005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 wurde festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG wurde gegen ihn ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.) und es wurde ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für seine freiwillige Ausreise vierzehn Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt V.).

Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass der Beschwerdeführer aufgrund des von ihm begangenen „besonders schweren Verbrechens“ der Schlepperei, bei der er zudem als Organisator tätig gewesen sei, und wegen seiner offensichtlichen Gewaltbereitschaft, die sich unter anderem in seinen früheren Verurteilungen wegen gefährlicher Drohung widerspiegle, eine enorme Gefahr für die Gemeinschaft darstelle. Die Behörde würde daher einen Asylausschlussgrund gemäß § 6 Abs. 1 Z 4 feststellen, derentwegen gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 leg cit. eine amtswegige Aberkennung des Status des Asylberechtigten durchzuführen sei. Die rechtskräftige Verurteilung wegen des Verbrechens der Schlepperei schließe auch eine Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten aus und ein reales Risiko, dass es durch seine Rückkehr nach Russland zu einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 der Konvention kommen würde, sei im Konkreten nicht feststellbar. Der Beschwerdeführer sei ein gesunder, arbeitsfähiger Mann. Er verfüge über eine gute Schulbildung sowie Berufserfahrung als Kraftfahrer und er sei auch der russischen Sprache mächtig. Aufgrund seiner individuellen Umstände, könne nicht festgestellt werden, dass er in der Russischen Föderation in eine, die Existenz bedrohende, Notlage geraten würde. Im Übrigen seien seine behaupteten, akuten Bandscheibenprobleme im Heimatland einer Behandlung zugänglich. Der Beschwerdeführer habe in Österreich zwar drei unmündige Kinder, diese würden allerdings bei deren Mutter, der geschiedenen Ehefrau des Beschwerdeführers wohnen, welcher auch die Obsorge zukomme. Sonstige Familienangehörige seien von ihm nicht bekannt gegeben worden und eine ausgeprägte und verfestigte entscheidungserhebliche Integration seiner Person in Österreich sei nicht erkennbar. Das Einreiseverbot in der Dauer von zehn Jahren erscheine im Hinblick auf seine Verurteilungen gerechtfertigt und notwendig, um die von ihm ausgehende, erhebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu verhindern.

8. Dagegen erhob der Beschwerdeführer durch seine Rechtsvertretung am 04.08.2018 vollinhaltlich Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (wobei fälschlicherweise von einer Aberkennung des subsidiären Schutzstatus ausgegangen wurde).

Zu den Beschwerdegründen wurde ausgeführt, dass zwar nicht versucht werde, die Straftaten des Beschwerdeführers zu beschönigen. Bei dem von ihm begangenen Verbrechen der Schlepperei würde es sich jedoch um kein „besonders schweres“ handeln, weil doch der Strafrahmen in keinster Weise ausgeschöpft worden sei. Auch dürfe nicht vergessen werden, dass der Beschwerdeführer in eine Gesellschaft des Krieges und der Gewalt hineingeboren worden sei und dass er eine Reihe von Schicksalsschlägen erlitten habe, die zu seinen strafgerichtlichen Verurteilungen geführt hätten; so sei etwa auch seine Familie „auseinandergebrochen“. Er habe mittlerweile aber wieder Kontakt zu seiner Familie und es bestehe auch die große Hoffnung, dass es zu einer Wiedervereinigung derselben komme. Durch das verhängte Einreiseverbot würde ihm jegliche Möglichkeit genommen, mit seiner Familie persönlich Kontakt aufzunehmen, weshalb jedenfalls ersucht werde, das gegen ihn verhängte Einreiseverbot zu reduzieren; auch habe er seine Fehler mittlerweile eingestanden. Abgesehen davon habe die belangte Behörde die Rückkehrsituation des Beschwerdeführers im Lichte der aktuellen Länderinformationen zur Russischen Föderation keiner besonders genauen Prüfung unterzogen und es seien die diesbezüglichen „Feststellungen“ als völlig verfehlt zu bezeichnen, sodass eine Gefährdung nach Art. 3 EMRK im Falle einer Rückkehr nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden könne. Die Behörde habe daher die Sachlage in mehrfacher Hinsicht verkannt, und zwar hinsichtlich der Prüfung, ob die Voraussetzungen für die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gegeben seien und hinsichtlich der Prüfung, ob angesichts der relativ langen Aufenthaltsdauer in Österreich zumindest die Voraussetzungen zur Erteilung eines Aufenthaltstitels aus humanitären Gründen vorliegen würden. Das Bundesverwaltungsgericht möge daher eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchführen, dem Beschwerdeführer eine Verlängerung seines subsidiären Schutzes gewähren, oder ihm einen Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 AsylG erteilen, und in eventu die Angelegenheit zur Sanierung der Verfahrensmängel an die belangte Behörde zurückverweisen.

9. Die Beschwerdevorlage langte am 16.08.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein und wurde der Gerichtsabteilung W196 zugewiesen.

II.      Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer ist ein volljähriger Staatsangehöriger der Russischen Föderation, er gehört der tschetschenischen Volksgruppe an und er bekennt sich zum moslemischen Glauben. Er ist im Dorf XXXX /Tschetschenien geboren und aufgewachsen und er hat dort für zumindest elf Jahre die Schule besucht. Er verfügt im Herkunftsland über Berufserfahrung als Berufslenker und Maurer. Seine Muttersprache ist Tschetschenisch. Er spricht zudem Russisch und ein bisschen Deutsch.

Der Beschwerdeführer reiste gemeinsam mit seiner damaligen Ehefrau, seinem Sohn und seinen beiden (damals noch minderjährigen) Schwestern, für welche er seinerzeit die Obsorge innehatte, unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein und stellte am 01.09.2004 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 06.10.2009, Zl.: D4 300185-1/2008/20E, rechtskräftig am 15.10.2009, wurde dem Beschwerdeführer aufgrund seiner Rebellentätigkeit während des seinerzeit im Herkunftsland herrschenden Krieges der Status des Asylberechtigten gewährt.

1.2. Der Beschwerdeführer weist fünf strafgerichtliche Verurteilungen auf:

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 16.11.2005, XXXX , wurde er wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls gemäß §§ 127, 129 Abs 3 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 2 Monaten rechtskräftig verurteilt. Die Strafe wurde ihm bedingt unter Anwendung einer Probezeit von drei Jahren nachgesehen.

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 19.05.2009, XXXX , wurde er wegen des Verbrechens des räuberischen Diebstahls gemäß §§ 131 1. und 2. Fall, wegen des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach den §§ 15 Abs 1, 105 Abs 1, und 106 Abs 1 Z 1 StGB, dem Vergehen der Nötigung §105 Abs 1, und dem Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2, 1. Fall StGB zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von zwölf Monaten rechtskräftig verurteilt, wovon er den unbedingten Strafteil von drei Monaten verbüßt hat. Dieser Verurteilung lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer 1.) diverse Bekleidungsartikel geringen Wertes Verfügungsberechtigten eines näher bezeichneten Unternehmens mit dem Vorsatz weggenommen hatte, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei er bei seiner Betretung auf frischer Tat dadurch, dass er den Kaufhausdetektiv mit einer Hand im Bereich des Kehlkopfes erfasste, diesem einen Stoß versetzte, sowie eine ca. 4 cm lange Messerklinge gegen den ca. 3m entfernten Detektiv richtete, der wiederholt die Rückgabe der Waren forderte, Gewalt gegen eine Person anwendete und diese Person mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben gefährlich bedrohte, um sich die weggenommen Sachen zu erhalten, 2.) danach den Kaufhausdetektiv durch gefährliche Drohung mit zumindest einer Körperverletzung zur Abstandnahme vom Anfertigen eines Fotos mit dem Handy nötigte, 3.) diesen sodann durch gefährliche Drohung zur Herausgabe des Handys zu nötigen versucht hatte und 4.) im Zuge seiner Festnahme den zuständigen Inspektor durch diverse Äußerungen gefährliche bedrohte. Bezüglich der weiteren gegen ihn erhobenen Anklage, wonach er am 28.11.2008 eine Sozialarbeiterin der Jugendwohlfahrt durch gefährliche Drohung mit zumindest einer Verletzung am Körper zu einer Handlung, und zwar jene, der Übergabe der - wegen des Verdachts der Gewaltausübung aufgrund von Gefahr in Verzug - unter Polizeiunterstützung wegegeholten Kinder, zu nötigen versucht habe, und hierdurch (ebenfalls) das Vergehen der versuchten Nötigung begangen zu haben, wurde der Beschwerdeführer hingegen freigesprochen. Bei der Strafbemessung wurde der Umstand, dass die Taten teilweise beim Versuch geblieben sind, das teilweise Geständnis, sowie die teilweise Schadensgutmachung als mildernd gewertet, erschwerend hingegen, die einschlägige Vorstrafe, das Zusammentreffen von Verbrechen und Vergehen und die Tatbegehung während anhängigen Verfahrens.

Mit Urteil des Bezirksgericht XXXX vom 21.06.2010, XXXX , wurde er wegen versuchten Diebstahls gemäß §§ 15, 127 StGB zu einer Geldstrafe von 60 TS zu je € 4,- (€ 240,-, im NEF zu 30 Tagen Ersatzfreiheitstrafe) rechtskräftig verurteilt.

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 04.12.2014, XXXX , wurde er wegen der Vergehen der Körperverletzung gemäß §§ 83 Abs 1 und der gefährlichen Drohung gemäß 107 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten bedingt, mit einer Probezeit von 3 Jahren, rechtskräftig verurteilt. Am 10.07.2015 wurde die Probezeit auf insgesamt 5 Jahre verlängert. Dieser Verurteilung lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer einer im Urteil näher genannten Person, durch die Äußerung, er sei Tschetschene und werde ihm den Kopf abschneiden, gefährlich bedrohte, um diesen in Furcht und Schrecken zu versetzen, dass er selbige Person durch einen Fußtritt sowie Schläge mit den Händen am Körper zu verletzen versuchte, und dass er selbige Person durch Faustschläge in das Gesicht und einen Schlag mit einer Gurtratsche auf den Rücken am Körper verletzt hat, wodurch das Opfer ein Hämatom auf der linken Stirn sowie zwei Hämatome im Rückenbereich erlitt. Bei der Strafzumessung war der Umstand mildernd, dass das Opfer lediglich leichte Verletzungen davontrug und dass es hinsichtlich der Körperverletzungen teilweise beim Versuch blieb, erschwerend demgegenüber zählte das Zusammentreffen dreier Vergehen sowie die einschlägige Vorstrafe.

Zuletzt wurde der Beschwerdeführer mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom 07.09.2017, XXXX , wegen des Vergehens der Sachbeschädigung gemäß § 125 und wegen des Verbrechens der Schlepperei gem § 114 Abs 1 und 3 Z 1 und 2 und Abs 4 erster Fall FPG, unter Bedachtnahme auf das Urteil des Amtsgerichts Györ vom 24.06.2016 zu AZ 76. B.533/2016/2 gemäß §§ 31, 40 StGB, nach dem Strafsatz des § 114 Abs 4 FPG zu einer Zusatz-Freiheitsstrafe von elf Monaten verurteilt, welche er zur Gänze unter Anrechnung seiner Vorhaft verbüßte. Er befand sich bis 07.09.2017 in Strafhaft. Der Beschwerdeführer wurde dabei für schuldig befunden, in Wien und an anderen Orten gewerbsmäßig (§ 70 StGB) und als Mitglied einer kriminellen Vereinigung – an der neben ihm weitere abgesondert verfolgte Personen beteiligt waren – die rechtswidrige Durchreise von Fremden durch einen Mitgliedsstaat der Europäischen Union mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch ein dafür geleistetes Entgelt unrechtmäßig zu bereichern, gefördert zu haben, wobei er zumindest hinsichtlich nachfolgender Schleppungen als Organisator fungierte, indem er einer näher genannten Person, welche als Fahrer tätig war, die Schlepperroute zeigte, dieser Person schlepperrelevante Informationen via Telekommunikation mitteilte und teils deren Bezahlung durch Überweisung bzw. persönliche Geldübergabe durchführte. Im Konkreten: 1.) In der Nacht von 28.05.2016 auf 29.05.2016 die Ein- beziehungsweise Durchreise von zumindest sieben Personen durch Österreich, wobei es beim Versuch blieb, zumal der oben erwähnte Fahrer die Fremden infolge erhöhter Polizeipräsenz noch im ungarischen Grenzgebiet aussteigen ließ; 2.) in der Nacht von 01.06.2016 auf 02.06.2016 die Ein- beziehungsweise Durchreise von einer nicht mehr feststellbaren Anzahl an Personen durch Österreich; 3.) in der Nacht von 08.06.2016 auf 09.06.2016 die Durchreise von zumindest fünf Personen durch Österreich nach Deutschland; 4.) im Zeitraum von 13.06.2016 bis 15.06.2016 die Ein- beziehungsweise Durchreise von zumindest drei Personen durch Österreich; Am 06.06.2016 führte er die Einreise einer nicht mehr feststellbaren Anzahl an Personen nach Österreich selbst als Fahrer durch. Darüber hinaus hatte er vorsätzlich seine Fahrzeugtür gegen jene eines Fremden geschleudert, wodurch am Fahrzeug des Fremden ein Schaden von Euro 1500,- entstand. Als mildernd wurden vom Gericht sein Geständnis und eine teilweise Schadensgutmachung gewertet. Erschwerend waren seine zahlreichen Vorstrafen und das Zusammentreffen mehrerer strafbaren Handlungen.

Ein weiterer Aufenthalt des Beschwerdeführers im Gebiet der Mitgliedstaaten würde eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit darstellen, zumal auf Grundlage seines bisher gesetzten Verhaltens, die Gefahr einer neuerlichen Straffälligkeit nicht unwahrscheinlich ist.

1.3. Die Umstände, auf Grund derer der Beschwerdeführer als Flüchtling anerkannt worden ist, bestehen nicht mehr. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Tschetschenien respektive der Russischen Föderation aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten bedroht wäre. Zum Entscheidungszeitpunkt konnte keine aktuelle Gefährdung des Beschwerdeführers in der Russischen Föderation festgestellt werden. Dem Beschwerdeführer droht im Falle der Rückkehr in den Herkunftsstaat auch keine Verfolgung wegen seiner Asylantragstellung.

1.4. Weiters liegen keine stichhaltigen Gründe vor, dass er im Fall seiner Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Tschetschenien respektive in die Russischen Föderation in seinem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder von der Todesstrafe bedroht wäre.

Der Beschwerdeführer leidet an keinen schwerwiegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen und er ist arbeitsfähig. Er ist in Tschetschenien aufgewachsen und er hat dort seine Sozialisation erfahren. Er spricht sowohl Tschetschenisch als auch Russisch und er verfügt im Herkunftsland über Berufserfahrung, unter anderem als Maurer und Berufslenker. Auch in Österreich hat er Berufserfahrung gesammelt.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in die Russische Föderation in eine existenzgefährdende Notlage geraten würde und ihm die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre.

Es ist dem Beschwerdeführer jedenfalls möglich und zumutbar, sich in der Russischen Föderation, entweder in Tschetschenien selbst, oder auch in anderen Landesteilen - etwa in Moskau - niederzulassen und anzumelden sowie durch eigene Erwerbstätigkeit seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Viele russische Städte verfügen über eine große tschetschenische Diaspora und es bieten die größeren Metropolen und Regionen Russlands bei vorhandener Arbeitswilligkeit auch Beschäftigungsmöglichkeiten für russische Staatsangehörige aus den Kaukasusrepubliken. Der Beschwerdeführer hat im Übrigen im Heimatstaat überall Zugang zu Sozialbeihilfen, Krankenversicherung und medizinischer Versorgung.

1.5. In Österreich leben die (mittlerweile) geschiedene Ehefrau des Beschwerdeführers und seine drei minderjährigen Kinder. Die Kinder sind in Österreich asylberechtigt und wohnen bei deren Mutter in Linz, welcher auch die Obsorge obliegt. Es besteht kein gemeinsamer Haushalt.

Des Weiteren leben die beiden Schwestern des Beschwerdeführers, mit welchen er gemeinsam nach Österreich einreiste, nach wie vor im Bundesgebiet. Es ist jedoch nicht feststellbar, dass der Beschwerdeführer eine besonders enge Beziehung zu diesen pflegt.

Der Beschwerdeführer ist in der Vergangenheit sowohl gegenüber seiner damaligen Ehefrau als auch gegenüber seinen Kindern und den beiden Schwestern gewalttätig in Erscheinung getreten. Im Jahr 2008 wurden ihm und seiner damaligen Ehefrau die gemeinsamen Kinder, sowie die damals minderjährigen Schwestern des Beschwerdeführers, über welche er seinerzeit die Obsorge innehatte, abgenommen und diese vorübergehend in einer sozialpädagogischen Einrichtung der Jugendwohlfahrt untergebracht.

Sonstige soziale Bindungen sind nicht bekannt. Der Beschwerdeführer ist auch nicht Mitglied in einem Verein oder einer Organisation.

Der Beschwerdeführer spricht ein wenig Deutsch, Sprachkenntnisse auf dem Niveau B2 sind hingegen nicht feststellbar; er hat keinerlei Deutschzertifikate in Vorlage gebracht, die dies belegen würden. Die Absolvierung sonstiger Kurse, Fort-bzw. Weiterbildungen wurden nicht einmal behauptet.

Der Beschwerdeführer war in Österreich seit dem 03.05.2010 zwar immer wieder fallweise beschäftigt, großteils jedoch lediglich geringfügig. Mitunter bezog er auch Arbeitslosengeld, Notstandshilfe und die Mindestsicherung. Aktuell ist der Beschwerdeführer bei XXXX einem Transportunternehmen, als Arbeitnehmer beschäftigt.

Der Beschwerdeführer hat in Österreich Arbeitserfahrung als Kraftfahrer und Maurer gesammelt.

1.6. Zur maßgeblichen Situation in der Russischen Föderation:

Aus den vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 18.05.2021 zitierten Länderberichten zur Lage in der Russischen Föderation ergibt sich Folgendes:

Politische Lage

Letzte Änderung: 18.05.2021

Die Russische Föderation hat ca. 143 Millionen Einwohner (GIZ 1.2021c; vgl. CIA 5.2.2021). Russland ist eine Präsidialdemokratie mit föderativem Staatsaufbau (GIZ 1.2021a; vgl. EASO 3.2017). Der Präsident verfügt über weitreichende exekutive Vollmachten, insbesondere in der Außen- und Sicherheitspolitik (GIZ 1.2021a; vgl. EASO 3.2017, AA 21.10.2020c). Er ernennt auf Vorschlag der Staatsduma den Vorsitzenden der Regierung, die stellvertretenden Vorsitzenden und die Minister, und entlässt sie (GIZ 1.2021a). Wladimir Putin ist im März 2018 bei der Präsidentschaftswahl mit 76,7% im Amt bestätigt worden (Standard.at 19.3.2018; vgl. FH 4.3.2020). Die Wahlbeteiligung lag der russischen Nachrichtenagentur TASS zufolge bei knapp 67% und erfüllte damit nicht ganz die Erwartungen der Präsidialadministration (Standard.at 19.3.2018). Putins wohl stärkster Widersacher Alexej Nawalny durfte nicht bei der Wahl kandidieren. Er war zuvor in einem von vielen als politisch motiviert eingestuften Prozess verurteilt worden und rief daraufhin zum Boykott der Abstimmung auf, um die Wahlbeteiligung zu drücken (Presse.at 19.3.2018; vgl. FH 3.3.2021). Oppositionelle Politiker und die Wahlbeobachtergruppe Golos hatten mehr als 2.400 Verstöße gezählt, darunter mehrfach abgegebene Stimmen und die Behinderung von Wahlbeobachtern. Wähler waren demnach auch massiv unter Druck gesetzt worden, an der Wahl teilzunehmen. Auch die Wahlkommission wies auf mutmaßliche Manipulationen hin (Tagesschau.de 19.3.2018). Wahlbetrug ist weit verbreitet, was insbesondere im Nordkaukasus deutlich wird (BTI 2020). Präsident Putin kann dem Ergebnis zufolge nach vielen Jahren an der Staatsspitze weitere sechs Jahre das Land führen (Tagesschau.de 19.3.2018; vgl. OSCE/ODIHR 18.3.2018).

Die Verfassung wurde per Referendum am 12.12.1993 mit 58% der Stimmen angenommen. Sie garantiert die Menschen- und Bürgerrechte. Das Prinzip der Gewaltenteilung ist zwar in der Verfassung verankert, jedoch verfügt der Präsident über eine Machtfülle, die ihn weitgehend unabhängig regieren lässt. Er ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte, trägt die Verantwortung für die Innen- und Außenpolitik und kann die Gesetzesentwürfe des Parlaments blockieren. Die Regierung ist dem Präsidenten untergeordnet, der den Premierminister mit Zustimmung der Staatsduma ernennt. Das Zweikammerparlament, bestehend aus Staatsduma und Föderationsrat, ist in seinem Einfluss stark beschränkt. Am 15. Januar 2020 hat Putin in seiner jährlichen Rede zur Lage der Nation eine Neuordnung des politischen Systems vorgeschlagen und eine Reihe von Verfassungsänderungen angekündigt. Dmitri Medwedjew hat den Rücktritt seiner Regierung erklärt. Sein Nachfolger ist der Leiter der russischen Steuerbehörde Michail Mischus- tin. In dem neuen Kabinett sind 15 von 31 Regierungsmitgliedern ausgewechselt worden (GIZ 1.2021a). Die Verfassungsänderungen ermöglichen Wladimir Putin, für zwei weitere Amtszeiten als Präsident zu kandidieren (GIZ 1.2021a; vgl. FH 3.3.2021), dies gilt aber nicht für weitere Präsidenten (FH 3.3.2021). Die Volksabstimmung über eine umfassend geänderte Verfassung fand am 1. Juli 2020 statt, nachdem sie aufgrund der Corona-Pandemie verschoben worden war. Bei einer Wahlbeteiligung von ca. 65% der Stimmberechtigten stimmten laut russischer Wahlkommission knapp 78% für und mehr als 21% gegen die Verfassungsänderungen. Neben der sogenannten Nullsetzung der bisherigen Amtszeiten des Präsidenten, durch die der amtierende Präsident 2024 und theoretisch auch 2030 zwei weitere Male kandidieren darf, wird das staatliche Selbstverständnis der Russischen Föderation in vielen Bereichen neu definiert. Der neue Verfassungstext beinhaltet deutlich sozialere und konservativere Inhalte als die Ursprungsverfassung aus dem Jahre 1993 (GIZ 1.2021a). Nach dem Referendum kam es zu Protesten von einigen hundert Personen in Moskau. Bei dieser nicht genehmigten Demonstration wurden 140 Personen festgenommen. Auch in St. Petersburg gab es Proteste (MDR 16.7.2020).

Der Föderationsrat ist als 'obere Parlamentskammer’ das Verfassungsorgan, das die Föderationssubjekte auf föderaler Ebene vertritt. Er besteht aus 178 Abgeordneten (GIZ 1.2021a): Jedes Föderationssubjekt entsendet je einen Vertreter aus Exekutive und Legislative in den Föderationsrat. Die Staatsduma mit 450 Sitzen wird für fünf Jahre gewählt (GIZ 1.2021a; vgl. AA 21.10.2021c). Es gibt eine Fünfprozentklausel (GIZ 1.2021a).

Zu den wichtigen Parteien der Russischen Föderation gehören: die Regierungspartei Einiges Russland (Jedinaja Rossija) mit 1,9 Millionen Mitgliedern; Gerechtes Russland (Sprawedliwaja Rossija) mit 400.000 Mitgliedern; die Kommunistische Partei der Russischen Föderation (KPRF) mit 150.000 Mitgliedern, welche die Nachfolgepartei der früheren KP ist; die Liberaldemokratische Partei (LDPR) mit 185.000 Mitgliedern, die populistisch und nationalistisch ausgerichtet ist; die Wachstumspartei (Partija Rosta), die sich zum Neoliberalismus bekennt; Jabloko, eine demokratisch-liberale Partei mit 55.000 Mitgliedern; die Patrioten Russlands (Patrioty Rossii), links-zentristisch mit 85.000 Mitgliedern und die Partei der Volksfreiheit (PARNAS), eine demokratisch-liberale Partei mit 58.000 Mitgliedern (GIZ 1.2021a). Die Zusammensetzung der Staatsduma nach Parteimitgliedschaft gliedert sich wie folgt: Einiges Russland (343 Sitze), Kommunistische Partei Russlands (42 Sitze), Liberaldemokratische Partei Russlands (39 Sitze), Gerechtes Russland (23 Sitze), Vaterland-Partei (1 Sitz), Bürgerplattform (1 Sitz) (RIA Nowosti 23.9.2016; vgl. Global Security 21.9.2016, FH 3.3.2021). Die sogenannte Systemopposition stellt die etablierten Machtverhältnisse nicht in Frage und übt nur moderate Kritik am Kreml (SWP 11.2018). Die nächste Duma-Wahl steht im Herbst 2021 an (Standard.at 1.1.2021).

Russland ist eine Föderation, die aus 85 Föderationssubjekten (einschließlich der international nicht anerkannten Annexion der Republik Krim und der Stadt föderalen Ranges Sewastopol) mit unterschiedlichem Autonomiegrad besteht. Die Föderationssubjekte (Republiken, Autonome Gebiete, Autonome Kreise, Gebiete, Regionen und Föderale Städte) verfügen über jeweils eine eigene Legislative und Exekutive (GIZ 1.2021a; vgl. AA 21.10.2020c). Die Gouverneure der Föderationssubjekte werden auf Vorschlag der jeweils stärksten Fraktion der regionalen Parlamente vom Staatspräsidenten ernannt. Dabei wählt der Präsident aus einer Liste dreier vorgeschlagener Kandidaten den Gouverneur aus (GIZ 1.2021a).

Es gibt acht Föderationskreise (Nordwestrussland, Zentralrussland, Südrussland, Nordkaukasus, Wolga, Ural, Sibirien, Ferner Osten), denen jeweils ein Bevollmächtigter des Präsidenten vorsteht. Der Staatsrat der Gouverneure tagt unter Leitung des Präsidenten und gibt der Exekutive Empfehlungen zu aktuellen politischen Fragen und zu Gesetzesprojekten. Nach der Eingliederung der Republik Krim und der Stadt Sewastopol in die Russische Föderation wurde am 21.3.2014 der neunte Föderationskreis Krim gegründet. Die konsequente Rezentralisierung der Staatsverwaltung führt seit 2000 zu politischer und wirtschaftlicher Abhängigkeit der Regionen vom Zentrum. Diese Tendenzen wurden bei der Abschaffung der Direktwahl der Gouverneure in den Regionen und der erneuten Unterordnung der regionalen und kommunalen Machtorgane unter das föderale Zentrum („exekutive Machtvertikale“) deutlich (GIZ 1.2021a).

Bei den in einigen Regionen stattgefundenen Regionalwahlen am 8.9.2019 hat die Regierungspartei Einiges Russland laut Angaben der Wahlleitung in den meisten Regionen ihre Mehrheit verteidigt. Im umkämpften Moskauer Stadtrat verlor sie allerdings viele Mandate (Zeit Online 9.9.2019). Hier stellt die Partei nur noch 25 von 45 Vertretern, zuvor waren es 38. Die Kommunisten, die bisher fünf Stadträte stellten, bekommen 13 Sitze. Die liberale Jabloko-Partei bekommt vier und die linksgerichtete Partei Gerechtes Russland drei Sitze (ORF 18.9.2019). Die beiden letzten Parteien waren bisher nicht im Moskauer Stadtrat vertreten. Zuvor sind zahlreiche Oppositionskandidaten von der Wahl ausgeschlossen worden, was zu den größten Protesten seit Jahren geführt hat (Zeit Online 9.9.2019), bei denen mehr als 1.000 Demonstranten festgenommen wurden (Kleine Zeitung 28.7.2019). Viele von den Oppositionskandidaten haben zu einer ’smartenAbstimmung’ aufgerufen. DieBürgersollten Jeden wählen - nur nicht die Kandidaten der Regierungspartei. Bei den für die russische Regierung besonders wichtigen Gouverneurswahlen gewannen die Kandidaten der Regierungspartei überall (Zeit Online 9.9.2019).

Neben den bis Juli 2021 verlängerten wirtschaftlichen Sanktionen wegen des andauernden Ukraine-Konfliktes (Presse.com 10.12.2020) haben sich die EU-Außenminister wegen der Inhaftierung des Kremlkritikers Alexej Nawalny auf neue Russland-Sanktionen geeinigt. Die Strafmaßnahmen umfassen Vermögenssperren und EU-Einreiseverbote gegen Verantwortliche für die Inhaftierung Nawalnys (Cicero 22.2.2021).

Quellen:

•        AA-Auswärtiges Amt [Deutschland] (21.10.2020c): Russische Föderation - Politisches Portrait, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/russischefoederation-node/politisches -portrait/201710 , Zugriff 16.2.2021

•        BTI - Bertelsmann Transformation Index (2020): BTI 2020 Country Report, Russia, https://bti-proj ect.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_RUS.pdf, Zugriff 17.2.2021

•        CIA - Central Intelligence Agency [USA] (5.2.2020): The World Factbook, Central Asia: Russia, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/russia/, Zugriff 16.2.2021

•        Cicero (22.2.2021): EU bringt wegen Nawalny neue Russland-Sanktionen auf den Weg, https: //www.cicero.de/aussenpolitik/vermoegenssperren-einreiseverbote-eu-alexej-nawalny-russland-s anktionen , Zugriff 24.2.2021

•        EASO - European Asylum Support Office [EU] (3.2017): COI-Report Russian Federation - State Actors of Protection, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1489999668_easocoi-russia-state-acto rs-of-protection.pdf, Zugriff 10.3.2020

•        FH - Freedom House (4.3.2020): Jahresbericht zu politischen Rechten und bürgerlichen Freiheiten im Jahr 2019 - Russland, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025879.html , Zugriff 16.2.2021

•        FH - Freedom House (3.3.2021): Jahresbericht zu politischen Rechten und bürgerlichen Freiheiten im Jahr 2020 - Russland, https://www.ecoi.net/de/dokument/2046536.html , Zugriff 5.3.2021

•        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH [Deutschland] (1.2021a): Russland, Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/russland/geschichte-staat/#c17836 , Zugriff 16.2.2021

•        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH [Deutschland] (1.2021c): Russland, Gesellschaft, https://www.liportal.de/russland/gesellschaft/, Zugriff 16.2.2021

•        Global Security (21.9.2016): Duma Election -18 September 2016, https://www.globalsecurity.org /military/world/russia/politics-2016.htm , Zugriff 10.3.2020

•        Kleine Zeitung (28.7.2019): Mehr als 1.300 Festnahmen bei Kundgebung in Moskau, https://www.kl einezeitung.at/politik/5666169/Russland_Mehr-als-1300-Festnahmen-bei-Kundgebung-in-Moskau , Zugriff 10.3.2020

•        MDR - Mitteldeutscher Rundfunk (16.7.2020): Mehr als 140 Demonstranten in Moskau festgenommen, https://www.mdr.de/nachrichten/politik/ausland/festnahme-moskau-putin-kritiker-bei-protest -100.html , Zugriff 21.7.2020

•        ORF - Observer Research Foundation (18.9.2019): Managing democracy in Russia: Elections 2019, https://www.orfonline.org/expert-speak/managing-democracy-in-russia-elections-2019-556 03/, Zugriff 10.3.2020

•        OSCE/ODIHR - Organization for Security and Co-operation in Europe/Office for Democratic Institutions and Human Rights (18.3.2018): Russian Federation Presidential Election Observation Mission Final Report, https://www.osce.org/odihr/elections/383577?download=true , Zugriff 10.3.2020

•        Presse.com (19.3.2018): Putin: „Das russische Volk schließt sich um Machtzentrum zusammen“, https://diepresse.com/home/ausland/aussenpolitik/5391213/Putin_Das-russische-Volk-schliesst- sich-um-Machtzentrum-zusammen , Zugriff 10.3.2020

•        Presse.com (10.12.2020): EU verlängerte Wirtschaftssanktionen gegen Russland, https://www.di epresse.com/5909916/eu-verlangerte-wirtschaftssanktionen-gegen-russland , Zugriff 24.2.2021

•        RIANowosti (23.9.2016): ^MK yTBepflun pe3y^bra™ BbiöopoB b rocgyMy, https://ria.ru/2016092 3/1477668197.html , Zugriff 10.3.2020

•        Standard.at (19.3.2018): Putin sichert sich vierte Amtszeit als Russlands Präsident, https://dersta ndard.at/2000076383332/Putin-sichert-sich-vierte-Amtszeit-als-Praesident, Zugriff 10.3.2020

•        Standard.at (1.1.2021): Was 2021 außenpolitisch auf uns zukommt, https://www.derstandard.atZs tory/2000122723655/was-2021-aussenpolitisch-auf-uns-zukommt, Zugriff 5.3.2021

•        Tagesschau.de (19.3.2018): Klarer Sieg für Putin, https://www.tagesschau.de/ausland/russland-w ahl-putin-101.html , Zugriff 10.3.2020

•        Zeit Online (9.9.2019): Russische Regierungspartei gewinnt Regionalwahlen, https://www.zeit.de/ politik/ausland/2019-09/russland-kreml-partei-sieg-regionalwahlen-moskau , Zugriff 10.3.2020

Tschetschenien

Letzte Änderung: 26.05.2021

Die Einwohnerzahl Tschetscheniens liegt bei ca. 1,5 Millionen. Laut Aussagen des Republikoberhauptes Ramsan Kadyrow sollen rund 600.000 Tschetschenen außerhalb der Region leben -die Hälfte davon in der Russischen Föderation, die andere Hälfte im Ausland. Experten zufolge hat ein Teil von ihnenTschetschenien während der Kriege nach dem Zerfall der Sowjetunion verlassen, beim anderen Teil handelt es sich um Siedlungsgebiete außerhalb Tschetscheniens. Diese entstanden bereits vor über einem Jahrhundert, teilweise durch Migration aus dem Russischen in das Osmanische Reich, und zwar über Anatolien bis in den arabischen Raum. Was die Anzahl von Tschetschenen in anderen russischen Landesteilen anbelangt, so ist es aufgrund der öffentlichen Datenlage schwierig, verlässliche Aussagen zu treffen (ÖB Moskau 6.2020).

In Tschetschenien gilt Ramsan Kadyrow als Garant Moskaus für Stabilität. Mit Duldung der russischen Staatsführung hat er in der Republik ein autoritäres Herrschaftssystem geschaffen, das vollkommen auf seine eigene Person ausgerichtet ist und weitgehend außerhalb des föderalen Rechtsrahmens funktioniert (ÖB Moskau 6.2020; vgl. AA 2.2.2021, FH 3.3.2021). Fraglich bleibt auch die föderale Kontrolle über die tschetschenischen Sicherheitskräfte, deren faktische Loyalität vorrangig dem Oberhaupt der Republik gilt. Ramsan Kadyrow wurde bei den Wahlen vom 18. September 2016 laut offiziellen Angaben bei hoher Wahlbeteiligung mit überwältigender Mehrheit für eine weitere Amtszeit von fünf Jahren gewählt. Unabhängige Medien berichteten über Unregelmäßigkeiten bei den Wahlen, in deren Vorfeld Human Rights Watch über massive Druckausübung auf Kritiker des derzeitigen Machthabers berichtet hatte. Das tschetschenische Oberhaupt bekundet immer wieder seine absolute Loyalität gegenüber dem Kreml (ÖB Moskau

6.2020) . In Tschetschenien regiert Kadyrow unangefochten autoritär. Gegen vermeintliche Extremisten und deren Angehörige, aber auch gegen politische Gegner, wird rigoros vorgegangen (ÖB Moskau 6.2020; vgl. AA 2.2.2021). Um die Kontrolle über die Republik zu behalten, wendet Kadyrow unterschiedliche Formen von Gewalt an, wie z.B. Entführungen, Folter und außergerichtliche Tötungen (FH 3.3.2021; vgl. AA 2.2.2021). Dies kann manchmal auch außerhalb Russlands stattfinden. Kadyrow wird verdächtigt, die Ermordung von unliebsamen Personen, die ins Ausland geflohen sind, angeordnet zu haben (FH 3.3.2021).

Während der mittlerweile über zehn Jahre andauernden Herrschaft des amtierenden Republikführers Ramsan Kadyrow gestaltete sich Tschetscheniens Verhältnis zur Russischen Föderation ambivalent. Einerseits ist Kadyrow bemüht, die Zugehörigkeit der Republik zu Russland mit Nachdruck zu bekunden, tschetschenischen Nationalismus mit russischem Patriotismus zu verbinden, Russlands Präsidenten in der tschetschenischen Hauptstadt Grosny als Staatsikone auszustellen und sich als „Fußsoldat Putins" zu präsentieren. Andererseits hat er das Föderationssubjekt Tschetschenien so weit in einen Privatstaat verwandelt, dass in der Umgebung des russischen Präsidenten die Frage gestellt wird, inwieweit sich die von Wladimir Putin ausgebaute 'föderale Machtvertikale’ dorthin erstreckt. Zu Kadyrows Eigenmächtigkeit gehört auch eine Außenpolitik, die sich vor allem an den Mittleren Osten und die gesamte islamische Welt richtet. Kein anderer regionaler Führer beansprucht eine vergleichbare, über sein eigenes Verwaltungsgebiet und die Grenzen Russlands hinausreichende Rolle. Kadyrow inszeniert Tschetschenien als Anwalt eines russischen Vielvölker-Zusammenhalts, ist aber längst zum 'inneren Ausland’ Russlands geworden. Deutlichster Ausdruck dieser Entwicklung ist ein eigener Rechtszustand, in dem islamische und gewohnheitsrechtliche Regelungssysteme sowie die Willkür des Republikführers in Widerspruch zur Gesetzgebung Russlands geraten (SWP

3.2018) .

Ein Abkommen von September 2018 über die Abtretung von umstrittenem Territorium von In- guschetien an Tschetschenien hatte politische Unruhen in Inguschetien zur Folge (ÖB Moskau 12.2019). Der Konflikt um die Grenzziehung flammt immer wieder auf. Im März 2019 wurden Proteste in Inguschetien gewaltsam aufgelöst, wobei manche Teilnehmer körperlich gegen die Polizei Widerstand leisteten. 33 Personen wurden festgenommen (HRW 14.1.2020). Die Proteste hatten außerdem den Rücktritt des inguschetischen Präsidenten Junus-bek Jewkurow im Juni 2019 zur Folge (ÖB Moskau 12.2019). Jewkurows Nachfolger ist Machmud-Ali Kalimatow (NZZ 29.6.2019).

Quellen:

•        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (2.2.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2045865/Ausw%C3%A4rtige s_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Russisc hen_F%C3%B6deration_%28Stand_Oktober_2020%29%2C_02.02.2021.pdf, Zugriff 23.2.2021

•        FH - Freedom House (3.3.2021): Jahresbericht zu politischen Rechten und bürgerlichen Freiheiten im Jahr 2020 - Russland, https://www.ecoi.net/de/dokument/2046536.html , Zugriff 5.3.2021

•        HRW - Human Rights Watch (14.1.2020): Jahresbericht zur Menschenrechtssituation im Jahr 2019 -Russland, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022681.html , Zugriff 3.3.2020

•        NZZ - Neue Zürcher Zeitung (29.6.2019): Die Nordkaukasus-Republik Inguschetien ist innerlich zerrissen, https://www.nzz.ch/international/nordkaukasus-inguschetien-nach-protesten-innerlich- zerrissen-ld.1492435?reduced=true , Zugriff 11.3.2020

•        ÖB Moskau - Österreichische Botschaft Moskau [Österreich] (12.2019): Asylländerbericht Russische Föderation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2025975/RUSS_%C3%96B_Bericht_2019_12. pdf, Zugriff 10.3.2020

•        ÖB Moskau - Österreichische Botschaft Moskau [Österreich] (6.2020): Asylländerbericht Russische Föderation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2046141/RUSS_%C3%96B_Bericht_2020_06.pdf, Zugriff 17.2.2021

•        SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (3.2018): Tschetscheniens Stellung in der Russischen Föderation. Ramsan Kadyrows Privatstaat und Wladimir Putins föderale Machtvertikale, https: //www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/studien/2018S01_hlb.pdf, Zugriff 10.3.2020

Dagestan

Letzte Änderung: 26.05.2021

Dagestan ist mit ungefähr drei Millionen Einwohnern die größte kaukasische Teilrepublik und wegen seiner Lage am Kaspischen Meer für Russland strategisch wichtig. Dagestan ist das ethnisch vielfältigste Gebiet des Kaukasus (ACCORD 13.1.2020). Dagestan ist hinsichtlich persönlicher Freiheiten bessergestellt als Tschetschenien (AA 2.2.2021), bleibt allerdings eine der ärmsten Regionen Russlands (AA 13.2.2019).

Was das politische Klima betrifft, gilt die Republik Dagestan im Vergleich zu Tschetschenien noch als relativ liberal. Die Zivilgesellschaft ist hier stärker vertreten als in Tschetschenien (SWP

4.2015) und wird nicht ganz so ausgeprägt kontrolliert wie in Tschetschenien (AA 2.2.2021). Ebenso existiert - anders als in der Nachbarrepublik - zumindest eine begrenzte Pressefreiheit. Die ethnische Diversität stützt ein gewisses Maß an politischem Pluralismus und steht automatischen Herrschaftsverhältnissen entgegen (SWP 4.2015). Auch die Menschenrechtslage in Dagestan ist grundsätzlich besser als im benachbarten Tschetschenien (AA 2.2.2021), obwohl auch dort mit der Bekämpfung des islamistischen Untergrunds zahlreiche Menschenrechtsverletzungen durch lokale und föderale Sicherheitsbehörden einhergehen (AA 2.2.2021; vgl. SWP

4.2015) . Im Herbst 2017 setzte Präsident Putin ein neues Republiksoberhaupt ein. Mit dem Fraktionsvorsitzenden der Staatspartei Einiges Russland in der Staatsduma und ehemaligen hohen Polizeifunktionär Wladimir Wassiljew wurde das zuvor behutsam gepflegte Gleichgewicht der Ethnien ausgehebelt. Der Kreml hatte länger schon damit begonnen, ortsfremde Funktionäre in die Regionen zu entsenden; im Nordkaukasus hatte er davon jedoch Abstand genommen. Wassiljew ist ein altgedienter Funktionär und einer, der durch den Zugriff Moskaus auf Dagestan - und nicht in Abgrenzung von der Zentralmacht - Ordnung, Sicherheit und wirtschaftliche Prosperität herstellen soll (NZZ 12.2.2018; vgl. ÖB Moskau 6.2020). Die Änderung sollte der ’Clan-Aristokratie’ in der von korrupten Eliten geprägten Region entgegenwirken und war Teil einer breiteren Anstrengung zur Korruptionsbekämpfung. Problematisch stellt sich jedoch die fehlende Verbindung zwischen der nunmehrigen politischen Elite und der Bevölkerung dar (ÖB Moskau 6.2020). Der Nachfolger Wassilews ist seit Oktober 2020 Sergej Melikow. Dieser war davor Vertreter der Region Stawropol im Föderationsrat (Russland Analysen 5.10.2020).

Anfang 2018 wurden in der Hauptstadt Dagestans, Machatschkala, der damalige Regierungschef Abdussamad Gamidow, zwei seiner Stellvertreter und ein kurz vorher abgesetzter Minister von föderalen Kräften verhaftet und nach Moskau gebracht. Ihnen wird vorgeworfen, sie hätten eine organisierte kriminelle Gruppierung gebildet, um die wirtschaftlich abgeschlagene und am stärksten von allen russischen Regionen am Tropf des Zentralstaats hängende NordkaukasusRepublik auszubeuten. Kurz zuvor waren bereits der Bürgermeister von Machatschkala und der Stadtarchitekt festgenommen worden (NZZ 12.2.2018; vgl. Standard.at 5.2.2018).

Quellen:

•        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (2.2.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2045865/Ausw%C3%A4rtige s_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Russisc hen_F%C3%B6deration_%28Stand_Oktober_2020%29%2C_02.02.2021.pdf, Zugriff 23.2.2021

•        ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentati- on (13.1.2020): Themendossier Sicherheitslage in Dagestan & Zeitachse von Angriffen, https: //www.ecoi.net/de/dokument/2022550.html , Zugriff 17.2.2021

•        Russland Analysen (5.10.2020): Chronik: 28. September - 10. Oktober 2020, https://www.laender- analysen.de/russland-analysen/chronik?c=russland&d1=2020-09-28&d2=2020-10-10&t=&o=50&l =50&x=0#eintraege , Zugriff 10.3.2021

•        Dekoder (24.5.2016): Nicht-System-Opposition, https://www.dekoder.org/de/gnose/nicht-system- opposition , Zugriff 10.3.2020

•        NZZ - Neue Zürcher Zeitung (12.2.2018): Durchgreifen in Dagestan: Moskau räumt im Nordkaukasus auf, https://www.nzz.ch/intemational/moskau-raeumt-im-nordkaukasus-auf-ld.13563517red uced=true , Zugriff 10.3.2020

•        ÖB Moskau-Österreichische Botschaft Moskau [Österreich] (6.2020):AsyNänderbericht Russische Föderation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2046141/RUSS_%C3%96B_Bericht_2020_06.pdf, Zugriff 17.2.2021

•        Standard.at (5.2.2018): Regierungsspitze in russischer Teilrepublik Dagestan festgenommen, https: //www.derstandard.at/story/2000073692298/regierungsspitze-in-russischer-teilrepublik-dagestan- festgenommen , Zugriff 10.3.2020

•        SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (4.2015): Dagestan: Russlands schwierigste Teilrepublik, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/studien/2015_S08_hlb_isaeva.pdf, Zugriff 10.3.2020

Sicherheitslage

Letzte Änderung: 26.05.2021

Wie verschiedene Anschläge mit zahlreichen Todesopfern in den letzten Jahren gezeigt haben, kann es in Russland, auch außerhalb der Kaukasus-Region, zu Anschlägen kommen (AA 7.4.2021a; vgl. GIZ 1.2021d, EDA 7.4.2021). Die russischen Behörden halten ihre Warnung vor Anschlägen aufrecht und rufen weiterhin zu besonderer Vorsicht auf (AA 7.4.2021a; vgl. EDA

7.4.2021) . Trotz verschärfter Sicherheitsmaßnahmen kann das Risiko von Terrorakten nicht ausgeschlossen werden. Die russischen Sicherheitsbehörden weisen vor allem auf eine erhöhte Gefährdung durch Anschläge gegen öffentliche Einrichtungen und größere Menschenansammlungen hin (Untergrundbahn, Bahnhöfe und Züge, Flughäfen etc.) (EDA 7.4.2021).

Russland tritt als Protagonist internationaler Terrorismusbekämpfung auf und begründet damit seinen Militäreinsatz in Syrien. Vom Beginn des zweiten Tschetschenienkriegs 1999 bis ins Jahr 2013 sah es sich mit 75 größeren Terroranschlägen auf seinem Staatsgebiet konfrontiert, die Hunderte Zivilisten das Leben kosteten. Verantwortlich dafür war eine über Tschetschenien hinausgehende Aufstandsbewegung im Nordkaukasus. Die gewaltsamen Zwischenfälle am Südrand der Russischen Föderation gingen 2014 um 46% und 2015 um weitere 51% zurück. Auch im Global Terrorism Index, der die Einwirkung des Terrorismus je nach Land misst, spiegelt sich diese Entwicklung wider. Nach der Militärintervention in Syrien Ende September 2015 erklärte der sogenannte Islamische Staat (IS) Russland den Dschihad und übernahm die Verantwortung für den Abschuss eines russischen Passagierflugzeugs über dem ägyptischen Sinai mit 224 Todesopfern (SWP 4.2017). Seitdem war der Kampf gegen die Terrormiliz zu einer Parole russischer Außen- und Sicherheitspolitik geworden, auch wenn der russische Militäreinsatz in Syrien gewiss nicht nur von diesem Ziel bestimmt ist, sondern die Großmachtrolle Russlands im Mittleren Osten stärken sollte (SWP 4.2017; vgl. Deutschlandfunk 29.9.2020). Der Einsatz in Syrien ist der größte und längste Auslandseinsatz des russischen Militärs seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Zunächst sollten nur die Luftstreitkräfte die syrische Armee unterstützen. Bodentruppen wurden erst später und in geringerem Maße mobilisiert - in Form von Spezialeinheiten und schließlich am Ende des Feldzugs als Militärpolizei. Es gab auch Berichte über den Einsatz privater paramilitärischer Strukturen (DW 29.9.2020). Hier ist vor allem die 'Gruppe Wagner’ zu nennen. Es handelt sich hierbei um einen privaten russischen

Sicherheitsdienstleister, der nicht nur in Syrien, sondern auch in der Ukraine und in Afrika im Einsatz ist. Mithilfe solcher privaten Sicherheitsdienstleister lässt sich die Zahl von Verlusten des regulären russischen Militärs gering halten (BPB 8.2.2021), und der teure Einsatz sorgt dadurch in der russischen Bevölkerung kaum für Unmut (DW 29.9.2020).

In den letzten Jahren rückte eine weitere Tätergruppe in Russland ins Zentrum der Medienaufmerksamkeit, nämlich Islamisten aus Zentralasien. Die Zahl der Zentralasiaten, die beim sog. IS kämpften, wurde auf einige Tausend geschätzt (Deutschlandfunk 28.6.2017). Erst im Oktober 2020 wurden bei Spezialoperationen zentralasiatische Dschihadisten in Südrussland getötet und weitere in Moskau und St. Petersburg festgenommen (SN 15.10.2020).

Quellen:

•        AA- Auswärtiges Amt [Deutschland] (7.4.2021a): Russische Föderation: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/russischefoederation-node/r ussischefoederationsicherheit/201536#content_0 , Zugriff 7.4.2021

•        BPB - Bundeszentrale für politische Bildung [Deutschland] (8.2.2021): Analyse: Söldner im Dienst autoritärer Staaten: Russland und China im Vergleich, https://www.bpb.de/internationales/europa/ russland/analysen/327198/soeldner-im-dienst-autoritaerer-staaten , Zugriff 8.4.2021

•        Deutschlandfunk (28.6.2017): Anti-Terrorkampf in Dagestan. Russische Methoden, https://www. deutschlandfunk.de/anti-terrorkampf-in-dagestan-russische-methoden.724.de.html?dram: article_id=389824, Zugriff 7.4.2021

•        Deutschlandfunk (29.9.2020): An Russland kommt im Nahen Osten niemand mehr vorbei, https: //www.deutschlandfunk.de/fuenf-jahre-russischer-militaereinsatz-in-syrien-an.724.de.html?dram: article_id=484951, Zugriff 8.4.2021

•        DW - Deutsche Welle (29.9.2020): Russland im Syrien-Krieg: Gekommen, um zu bleiben, https: //www.dw.com/de/russland-im-syrien-krieg-gekommen-um-zu-bleiben/a-55096554 , Zugriff

8.4.2021

•        EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten [Schweiz] (7.4.2021): Reisehinweise für Russland, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweis e/russland/reisehinweise-fuerrussland.html#par_textimage , Zugriff 7.4.2021

•        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH [Deutschland] (2.2020d): Russland, Alltag, https://www.liportal.de/russland/alltag/#c18170 , Zugriff 7.4.2021

•        SN - Salzburger Nachrichten (15.10.2020): Terrorzelle in Russland ausgeschaltet, https://www.sn.at/politik/weltpolitik/terrorzelle-in-russland-ausgeschaltet-94250941 , Zugriff

8.4.2021

•        SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (4.2017): Russland und der Nordkaukasus im Umfeld des globalen Jihadismus, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2017A23_hlb .pdf, Zugriff 7.4.2021

Nordkaukasus

Letzte Änderung: 26.05.2021

Die Sicherheitslage im Nordkaukasus hat sich verbessert, wenngleich das nicht mit einer nachhaltigen Stabilisierung gleichzusetzen ist (ÖB Moskau 6.2020; vgl. AA 2.2.2021). In internationalen sicherheitspolitischen Quellen wird die Lage im Nordkaukasus mit dem Begriff ’low level insurgency’ umschrieben (SWP 4.2017).

Ein Risikomoment für die Stabilität in der Region ist die Verbreitung des radikalen Islamismus. Innerhalb der extremistischen Gruppierungen verschoben sich etwa ab 2014 die Sympathien zur regionalen Zweigstelle des sogenannten Islamischen Staates (IS), der mittlerweile das

Kaukasus-Emirat praktisch vollständig verdrängt hat. Dabei sorgen nicht nur Propaganda und Rekrutierung des sogenannten IS im Nordkaukasus für Besorgnis der Sicherheitskräfte. So wurden Mitte Dezember 2017 im Nordkaukasus mehrere Kämpfer getötet, die laut Angaben des Anti-Terrorismuskomitees dem sogenannten IS zuzurechnen waren. Das rigide Vorgehen der Sicherheitskräfte, aber auch die Abwanderung islamistischer Kämpfer in die Kampfgebiete in Syrien und in den Irak, haben dazu geführt, dass die Gewalt im Nordkaukasus in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen ist. 2018 wurde laut dem Inlandsgeheimdienst FSB die Anzahl terroristisch motivierter Verbrechen mehr als halbiert. Auch 2019 nahm die Anzahl bewaffneter Vorfälle im Vergleich zum Vorjahr weiter ab. Jedoch stellt ein Sicherheitsrisiko für Russland die Rückkehr terroristischer Kämpfer nordkaukasischer Provenienz aus Syrien und dem Irak dar. Laut diversen staatlichen und nicht-staatlichen Quellen ist davon auszugehen, dass die Präsenz militanter Kämpfer aus Russland in den Krisengebieten Syrien und Irak mehrere Tausend Personen umfasste. Gegen IS-Kämpfer, die aus den Krisengebieten im Nahen Osten nach Russland zurückkehren, wird gerichtlich vorgegangen (ÖB Moskau 6.2020).

Als Epizentrum der Gewalt im Kaukasus galt lange Zeit Tschetschenien. Die Republik ist in der Topographie des bewaffneten Aufstands mittlerweile aber zurückgetreten; angeblich sind dort nur noch kleinere Kampfverbände aktiv. Dafür kämpften Tschetschenen in zunehmender Zahl an unterschiedlichen Fronten außerhalb ihrer Heimat - etwa in der Ostukraine sowohl aufseiten pro-russischer Separatisten als auch auf der ukrainischen Gegenseite sowie in Syrien und im Irak (SWP 4.2015). In Tschetschenien konnte der Kriegszustand überwunden und ein Wiederaufbau eingeleitet werden. In einem Prozess der ’Tschetschenisierung’ wurde die Aufstandsbekämpfung im zweiten Tschetschenienkrieg an lokale Sicherheitskräfte delegiert, die sogenannten Kadyrowzy. Diese auf den ersten Blick erfolgreiche Strategie steht aber kaum für eine nachhaltige Befriedung (SWP 4.2017).

Die russische Teilrepublik Dagestan im Nordkaukasus gilt seit einigen Jahren als Brutstätte von Terrorismus. Mehr als 1.000 Kämpfer aus dem Land sollen sich dem sog. Islamischen Staat in Syrien und im Irak angeschlossen haben. Terroristen aus Dagestan sind auch in anderen Teilen Russlands und im Ausland aktiv. Viele Radikale aus Dagestan sind außerdem in den Nahen Osten ausgereist. In den Jahren 2013 und 2014 brachen ganze salafistische Familien dorthin auf. Die russischen Behörden halfen den Radikalen damals sogar bei der Ausreise. Vor den Olympischen Spielen in Sotschi wollte Russland möglichst viele Gefährder loswerden (Deutschlandfunk 28.6.2017). Den russischen Sicherheitskräften werden schwere Menschenrechtsverletzungen bei der Durchführung der Anti-Terror-Operationen in Dagestan vorgeworfen. Das teils brutale Vorgehen der Sicherheitsdienste, gekoppelt mit der noch immer instabilen sozialwirtschaftlichen Lage in Dagestan, schafft wiederum weiteren Nährboden für die Radikalisierung innerhalb der dortigen Bevölkerung (ÖB Moskau 6.2020). Laut dem Leiter des dagestanischen Innenministeriums gab es bei der Bekämpfung des Aufstands in Dagestan einen Durchbruch. Die Aktivitäten der Gruppen, die in der Republik aktiv waren, sind seinen Angaben zufolge praktisch komplett unterbunden worden. Nach acht Mitgliedern des Untergrunds, die sich Berichten zufolge im Ausland verstecken, wird gefahndet. Trotzdem besteht laut Analysten und Journalisten weiterhin die Möglichkeit von Anschlägen durch einzelne Täter (ACCORD 13.1.2020).

[Anmerkung Staatendokumentation:] Bitte vergleichen Sie hierzu auch alle Kapitel zur Allgemeinen Menschenrechtslage (einschließlich der Kapitel zu Tschetschenien, Dagestan und Dschiha- distische Kämpfer und ihre Unterstützer, Kämpfer des ersten und zweiten Tschetschenien-Krieges, Kritiker allgemein).

Im Jahr 2020 liegt die Gesamtopferzahl des Konfliktes im gesamten Nordkaukasus [Anm.: durch Addieren aller verfügbaren Quartals- und Monatsberichte von Caucasian Knot] bei 56 Personen, davon wurden 45 getötet und 11 verwundet. 42 der Getöteten gehören bewaffneten Gruppierungen an, alle anderen Getöteten und Verwundeten sind den Exekutivkräften zuzurechnen. In Tschetschenien sind im Jahr 2020 insgesamt 18 Personen getötet und zwei verwundet worden. 15 der Getöteten gehören bewaffneten Gruppierungen an, alle anderen Getöteten und Verwundeten sind den Exekutivkräften zuzurechnen. In Dagestan sind im Jahr 2020 insgesamt neun Personen getötet und eine verwundet worden. Alle Getöteten gehören bewaffneten Gruppierungen an, die verwundete Person ist den Exekutivkräften zuzurechnen. Drei Getötete gab es in Kabardino-Balkarien und einen Getöteten in Inguschetien (Caucasian Knot 2.7.2020a, Caucasian Knot 2.7.2020b, Caucasian Knot 27.10.2020, Caucasian Knot 24.12.2020, Caucasian Knot

20.2.2021) .

Quellen:

•        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (2.2.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation , https://www.ecoi.net/en/file/local/2045865/Ausw%C3%A4rti- ges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_- Russischen_F%C3%B6deration_%28Stand_Oktober_2020%29%2C_02.02.2021.pdf , Zugriff

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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