Entscheidungsdatum
16.07.2021Norm
AsylG 2005 §10 Abs3Spruch
W152 2186142-2/7E
W152 2186133-2/6E
W152 2186141-2/6E
W152 2186138-2/6E
W152 2186140-2/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Walter KOPP über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. XXXX , 2.) XXXX , geb. XXXX , 3.) XXXX , geb. XXXX , 4.) XXXX auch XXXX , geb. XXXX , und 5.) XXXX auch XXXX , geb. XXXX , alle StA. Mongolei, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom jeweils 26.02.2021, Zlen. 1059513908-201030512 (ad 1.), 1059514001-201030525 (ad 2.), 1059513701-201030466 (ad 3.), 1059513810-201030482 (ad 4.) und 1124782808-201030440 (ad 5.), zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerden werden jeweils gemäß § 56 AsylG 2005, § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm
§ 9 BFA-VG, § 52 Abs. 3 FPG, § 52 Abs. 9 FPG, § 46 FPG und § 55 Abs. 1 bis 3 FPG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist jeweils gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang
1. Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige der Mongolei. BF1 und BF2 sind die Eltern der BF3 bis BF5.
2. Die BF1 bis BF4 stellten nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet am 08.04.2015 Anträge auf internationalen Schutz.
3. Am XXXX wurde der BF5 als gemeinsamer Sohn der BF1 und des BF2 in XXXX geboren. Mit Schriftsatz vom 01.08.2016 wurde für den BF5 gemäß § 17 Abs. 3 AsylG 2005 am 01.08.2016 ein Antrag auf internationalen Schutz eingebracht.
4. Mit Bescheiden vom jeweils 19.12.2017, Zlen. 1059513908-150353780 (ad BF1), 1059514001-150353798 (ad BF2), 1059513701 – 150353810 (ad BF3),
1059513810-150353801 (ad BF4) und 1124782808 – 161063086 (ad BF5), des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA) wurden die Anträge auf internationalen Schutz der BF bezüglich der Zuerkennung des Status des/der Asylberechtigten (Spruchpunkt I) und des Status des/der subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 wurde nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung in die Mongolei zulässig sei (Spruchpunkt III). Einer Beschwerde wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV) und keine Frist zur freiwilligen Ausreise gewährt (Spruchpunkt V).
5. Mit Schriftsatz vom 30.01.2018 erhoben die BF durch ihren Rechtsvertreter binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde. Vorgelegt wurden hiebei medizinische Unterlagen.
6. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG) vom 20.02.2018,
GZ: W189 2186133-1/4Z, W189 2186142-1/4Z, W189 2186141-1/4Z, W189 2186138-1/4Z und W189 2186140-1/4Z, wurden den Beschwerden gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
7. Mit Erkenntnis des BVwG vom 03.03.2020, GZ: W189 2186142-1/10E (ad BF1),
W189 2186133-1/10E (ad BF2), W189 2186141-1/7E (ad BF3), W189 2186138-1/7E (ad BF4), W189 2186140-1/7E (ad BF5), wurden die Beschwerden als unbegründet abgewiesen. Begründend führte das BVwG aus, die Beschwerdeführer seien mongolische Staatsangehörige. BF1 bis BF4 seien im April 2015 illegal nach Österreich eingereist. BF1 leide an chronischer Hepatitis B und D. BF2 leide an okulärem Albinismus, Minderung der Sehschärfe, Schielen und Augenzittern (vgl. Seite 5ff des Erkenntnisses). Den BF sei es nicht gelungen, Verfolgungsgründe im Sinne der GFK glaubhaft zu machen (vgl. Seite 38 des Erkenntnisses). Den BF drohe im Herkunftsstaat weder durch direkte Einwirkung noch durch Folgen einer substanziell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der nach Art. 2 und 3 EMRK gewährleisteten Rechte (vgl. Seite 41 des Erkenntnisses). Die BF seien in Österreich nur schwach integriert. Die BF2 habe keinen Deutschkurs besucht. Der BF1 habe einen Alphabetisierungskurs besucht und sich für einen Deutschkurs auf dem Niveau A1/1 angemeldet – eine Teilnahmebestätigung sei nicht vorgelegt worden – jedoch keine Prüfung darüber abgelegt. In der mündlichen Verhandlung habe festgestellt werden können, dass die BF2 nur äußerst schwach, der BF1 sehr schwach Deutsch spreche. BF3 und BF4 würden in die Volksschule gehen. Der BF5 gehe noch nicht in den Kindergarten. Der BF1 habe zwei Bekannte, aber keine Freunde im Bundesgebiet. Die BF1 habe weder Bekannte noch Freunde im Bundesgebiet. Die BF würden aktuell keine Kurse oder Ausbildungen in Österreich besuchen, seien nicht ehrenamtlich tätig und nicht Mitglied in einem Verein, einer religiösen Gruppe oder einer sonstigen Organisation. Die Schutzwürdigkeit des Privatlebens in Österreich sei insbesondere aufgrund des Umstandes, dass die BF ihren Aufenthalt nur auf einen im Ergebnis nicht berechtigten Asylantrag gestützt haben, nur in geringem Maße ergeben. Demgegenüber hätten der BF1 und die BF2 ihr gesamtes bisheriges Leben bis zum Verlassen des Herkunftsstaates in der Mongolei, wo sie aufwuchsen, sozialisiert worden seien und wo der BF1 gearbeitet habe, verbracht und dort finanziell abgesichert gelebt. Es bestünden anhaltende Bindungen zum Herkunftsstaat, zumal sie über zahlreiche familiäre und verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte verfügen, wo sie zumindest vorübergehend auch Unterkunft nehmen könnten. Da sie auch mit ihren im Herkunftsstaat lebenden Familien in Kontakt stehen, könne davon ausgegangen werden, dass die BF auch über ausreichende Unterstützungsmöglichkeiten im Alltag verfügen würden. Ebenso bestünden weitere soziale Anknüpfungspunkte durch Bekannte und Freunde in der Mongolei, die die BF schon vor der Ausreise unterstützten. Ebenso könnte der in Österreich wohnhafte Bruder der BF1, der sie derzeit finanziell unterstützt, den BF auch in der Mongolei zumindest vorübergehend unter die Arme greifen. Es sei daher jedenfalls davon auszugehen, dass sich die BF in die Gesellschaft des Herkunftsstaates wieder eingliedern können werden. Schließlich würden die BF auch die Sprachen ihres Herkunftsstaates und die Gepflogenheiten kennen, weshalb nicht davon ausgegangen werden könne, dass sie bei ihrer Wiedereingliederung mit besonderen Schwierigkeiten zu kämpfen hätten. BF3 und BF4 seien in der Mongolei geboren und hätten die ersten Jahre ihres Lebens im Herkunftsstaat verbracht. Zudem würden sowohl sie, als auch ihr im Bundesgebiet geborener Bruder, BF5, in Österreich im Familienverband mit ihren Eltern leben, Mongolisch sprechen und könne davon ausgegangen werden, dass sie mit den kulturellen Gepflogenheiten ihres Landes vertraut sein mögen und sich in die Gesellschaft wiedereingliedern könnten. Überdies befänden sich die BF3, die BF4 und der BF5 jedenfalls im anpassungsfähigen Alter. Es könne in Gesamtschau ihrer Situation nicht davon die Rede sein, dass die BF aus ihrem Herkunftsstaat entwurzelten wären und im Bundesgebiet neue Wurzeln geschlagen hätten, sodass ihnen eine Rückkehr unzumutbar wäre und die erlassenen Rückkehrentscheidungen eine Verletzung ihres Privatlebens im Sinne des Art. 8 EMRK darstellen würden. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung sei daher im vorliegenden Fall im Hinblick auf die Ziele des Art. 8 EMRK zulässig (vgl. Seite 48ff des Erkenntnisses).
8. Gegen das oben genannte Erkenntnis des BVwG wurden Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof (VfGH) erhoben. Mit Beschluss des VfGH vom 08.06.2020, E1466-1470/2020-5, wurde die Behandlung der Beschwerden abgelehnt und die Beschwerden dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) vom 21.08.2020, Ra 2020/14/0368 bis 0372-6, wurden die Revisionen zurückgewiesen.
9. Mit Schriftsätzen vom 21.10.2020 stellten die Beschwerdeführer die verfahrensgegenständlichen Anträge gemäß § 56 AsylG 2005 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen“. Den Anträgen war eine gemeinsame Stellungnahme vom gleichen Tag angeschlossen. Dort brachten die BF vor, die Antragsteller seien im April 2015 nach Österreich eingereist. Anschließend hätten die BF einen Antrag auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gestellt. Die BF2 sei sehr bemüht gewesen, die deutsche Sprache zu erlernen. Sie leide aber an okulokutanem Albinismus, Hypermetropie und Astigmatismus. Da sich ihre Augen ständig seitlich bewegen würden, sei es kaum möglich, zu lesen. BF1 absolviere derzeit eine Deutsch A2-Prüfung. Er habe im Herkunftsland keine Schulbildung genossen, weshalb es für ihn sehr schwierig sei, neue Sachen zu lernen. Der BF1 leide unter einer Hepatitis-B-Infektion. Jedenfalls könne der BF1 einen verbindlichen Arbeitsvorvertrag vorweisen. Außerdem habe der BF1 in Österreich seinen Führerschein gemacht. Der Stellungnahme waren u.a. eine Kopie des Führerscheins des BF1, eine Einstellungszusage und ein Arbeitsvertrag unter aufschiebender Bedingung als Hilfsarbeiter, ein Mietvertrag, eine Teilnahmebestätigung über einen Alphabetisierungskurs, ärztliche Befunde sowie Unterstützungsschreiben angeschlossen.
10. Am 13.01.2021 wurde der BF1 und die BF2 zum Antrag gemäß § 56 AsylG 2005 niederschriftlich einvernommen. Der BF1 gab im Wesentlichen an, seit dem rechtskräftigem Erkenntnis des BVwG eine Arbeit gefunden zu haben, er habe von zu Hause aus Deutsch gelernt, habe wegen Corona jedoch keinen Deutschkurs besuchen können. Der BF1 habe eine Bekannte in XXXX , deren Hund er ausführe, ihr bei Gartenarbeiten helfe und Schnee räume. Die BF2 sei meistens zu Hause, kümmere sich um die Kinder sowie um den Haushalt und lerne selbständig Deutsch. Die Beschwerdeführer seien nach der rechtskräftigen Entscheidung nicht ausgereist, weil die Kinder hier aufgewachsen und zur Schule gegangen seien. Der jüngste Sohn sei sogar im Bundesgebiet geboren worden. Die Familie müsse hingegen in der Mongolei ganz von vorne beginnen. Der BF1 befürchte, dass die Kinder in der Mongolei nicht akzeptiert werden würden. Die Familie hätte keine Wohnmöglichkeit. Die BF2 habe im Herkunftsstaat selber Probleme, sie könne etwa nicht zur Schule gehen.
11. Mit den im Spruch angeführten Bescheiden wurden die Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen vom 21.10.2020 jeweils gemäß § 56 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I). Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm
§ 9 BFA-VG wurde gegen die Beschwerdeführer jeweils eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt II). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung gemäß
§ 46 FPG in die Mongolei zulässig sei (Spruchpunkt III). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV). Begründend hielt die belangte Behörde hinsichtlich dem BF1 und der BF2 fest, dass ein besonders hoher Integrationsgrad nicht erreicht worden sei. Ein besonders berücksichtigungswürdiger Fall liege somit nicht vor. In einer Gesamtschau überwiege das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen das private Interesse an einem Verbleib in Österreich. Es war daher eine Rückkehrentscheidung zu erlassen. BF3 und BF4 würden ihre obligatorische Schulpflicht erfüllen und hätten auch bereits Freunde gefunden. Diesbezüglich werde in diesem Zusammenhang auf höchstgerichtliche Judikatur verwiesen, wonach selbst die Umstände, dass ein Fremder, der perfekt Deutsch spreche sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert sei, über keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale verfüge und diesen daher nur untergeordnete Bedeutung zukomme. Zum Schulbesuch sei festzuhalten, dass dies die Erfüllung einer durchsetzbaren gesetzlichen Verpflichtung darstelle, welcher im Rahmen der Interessensabwägung nur sehr untergeordnete Bedeutung zukomme. Zusätzlich sei angemerkt, dass die BF3 im Kreis ihrer Familie mit Mongolisch als Muttersprache aufgewachsen sei und auch daher mit der mongolischen Kultur bestens vertraut sei. Der geforderte besonders hohe Integrationsgrad iSd § 56 AsylG 2005 liege somit nicht vor. Hinsichtlich des BF5 liege kein durchgängiger Aufenthalt von mehr als 5 Jahren im österreichischen Bundesgebiet vor. Der Antrag sei deshalb abzuweisen gewesen. Auch hier überwiegen im Ergebnis die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen die privaten Interessen an einem Verbleib in Österreich.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl stellte hiebei zur Lage in der Mongolei auf Grundlage des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation für die Mongolei Folgendes fest:
„COVID-19
Die Mongolei ist seit dem 9. Januar 2020 mit dem neuartigen Coronavirus Sars-CoV-2 konfrontiert. Im Land wurden sehr schnell strenge Sicherheitsmaßnahmen ergriffen (LIP 7.2020d). Kaum ein anderes Land hat so früh und so diszipliniert auf die Bedrohung reagiert wie die bitterarme und wirtschaftlich fast völlig von China abhängige Mongolei (DS 5.6.2020). Nach wie vor bewegen sich die Fallzahlen im niedrigen dreistelligen Bereich. Dabei handelt es sich ausschließlich um aus dem Ausland importierte Fälle im staatlichen Quarantänesystem (AA 14.10.2020). Ende März 2020 hat die Regierung ein Paket von Hilfsmaßnahmen eingebracht, das insbesondere kleinen und mittelständischen Unternehmen bei der Bewältigung der Coronakrise helfen soll (GTAI 10.8.2020). Der bei den Parlamentswahlen Ende Juni im Amt bestätigte Premierminister Ukhnaagiin Khurelsukh bezifferte den Umfang des Unterstützungspakets auf umgerechnet rund 1,8 Milliarden US-Dollar (USD). Ein Anfang August 2020 im Parlament eingebrachter Nachtragshaushalt ermöglicht, dass mehrere der ursprünglich auf drei oder sechs Monate befristeten Maßnahmen länger gelten werden (GTAI 10.8.2020). Aufgrund der Verbreitung des Coronavirus (COVID-19) sind vorläufig alle Flugverbindungen in das Ausland eingestellt. Auch eine Einreise auf dem Landweg ist derzeit nicht mehr möglich (BMEIA 8.5.2020).
Politische Lage
Die Mongolei ist ein Binnenstaat zwischen Russland und der Volksrepublik China. Mit einer Bevölkerung von 3,2 Mio. Menschen auf einer Fläche von knapp über 1,5 Mio. Quadratkilometern ist sie einer der am dünnsten besiedelten Staaten der Welt. In der Hauptstadt Ulaanbaatar leben (20187.2020) ca. 1,5 Mio. Menschen (CIA 10.9.2020; vgl. ÖB Peking 12.2019). Die Mongolei ist eine parlamentarische Demokratie mit einem Mehrparteiensystem (ÖB Peking 12.2019; vgl. USDOS 11.3.2020). Seit 1990 finden regelmäßig allgemeine, freie und faire Wahlen statt, die Regierungswechsel verlaufen friedlich (BMZ o.D.). In den vergangenen 20-30 Jahren wurden in der Mongolei 16 erfolgreiche Präsidentschafts-, und Parlamentswahl (USDOS 19. 6.2020). Die Verfassung von 1992 basiert auf den Grundprinzipien Demokratie, Gerechtigkeit, Freiheit, Gleichheit, nationale Einheit, Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung (ÖB Peking 12.2019; vgl. AA 9.2020a). Das Staatsoberhaupt ist der Präsident, der in einer Direktwahl für vier Jahre gewählt wird und der selbst den Premierminister nominieren kann. Das Präsidentenamt kann für maximal zwei Amtsperioden bekleidet werden (ÖB Peking 12.2019). Das Parlament (Großer Staats-Chural) ist ein Einkammerparlament mit 76 Sitzen (ÖB Peking 12.2019). Die 76 Abgeordneten werden für vier Jahre gewählt (ÖB 12.2019). Nach der Revolution im Jahr 1990 hat sich in der Mongolei insgesamt eine stabile Demokratie mit einem Mehrparteiensystem, freien Wahlen und Gewaltenteilung etabliert. Geprägt wurde diese positive Entwicklung jedoch auch durch extrem häufige Regierungswechsel. Skandale um Korruption in Politik und Wirtschaft haben in den vergangenen Jahren immer wieder das Land erschüttert. Laut Meinung von Experten werden Wahlen in dem Land mittlerweile vor allem dazu genutzt, „aus Frustration über - die nicht erfüllten Versprechen“ jene Partei abzuwählen, „die derzeit das Parlament kontrolliert“. In den vergangenen Jahrzehnten spielten insbesondere zwei Parteien eine wesentliche Rolle in der mongolischen Politik: Die ehemals kommunistische Staatspartei, die Mongolische Volkspartei (MVP), sowie die aus unterschiedlichen Oppositionsgruppen hervorgegangene Demokratische Partei (DP) (KAS 6.2020). Bei der Parlamentswahl vom 24. Juni 2020 erhielt die Regierungspartei Mongolische Volkspartei (MVP) von Premierminister Ukhnaa Khurelsukh 62 der 76 Parlamentssitze (LIP 7.2020a; vgl. BAMF 22.6.2020, GW 25.8.2020). Die oppositionelle Demokratische Partei erzielte elf Sitze. Damit wurde erstmals seit der ersten Mehrparteien-Parlamentswahl 1990 eine Regierungspartei wiedergewählt. Unter den neu gewählten Abgeordneten befinden sich 13 Frauen (LIP 7.2020a; vgl. BAMF 22.6.2020). Die Wahlbeteiligung betrug 73% (BAMF 29.6.2020). Die Parlamentswahl fand wegen COVID-19 unter Einhaltung von entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen, wie Abstandsregeln und Messung der Körpertemperatur statt (BAMF 29.6.2020). Der alte und neue Premierminister der im Juli 2020 gebildeten Regierung heißt Ukhnaagiin Khurelsukh. Nachdem er in den Parteigremien mit 100% Zustimmung für das Amt nominiert worden war, stimmte am 2.7.2020 auch die große Mehrheit der Staatsversammlung dem Vorschlag zu. Der Regierung Khurelsukh gehören drei Frauen an (LIP 7.2020a). Noch profitiert die MVP-Regierung von ihrer strikten und frühzeitigen Präventionspolitik (KAS 4.5.2020). Doch steigt in Folge der COVID-19-Krise auch der Druck auf die Regierung (GW 25.8.2020). Durch frühzeitige Restriktionen konnte eine unkontrollierte Verbreitung bislang verhindert werden. Die beschlossenen Maßnahmen führten in den vergangenen Monaten in der Konsequenz allerdings zu einem massiven Einbruch der mongolischen Wirtschaft (KAS 6.2020; vgl. GW 25.8.2020). Ein Beibehalten der Restriktionen würde die wirtschaftliche Krise verstärken, die gerade den ärmsten Teil der Bevölkerung trifft. Andererseits würde ein Aufheben der Maßnahmen die Mongolei dem Risiko einer sprunghaften Ausbreitung und damit einer angesichts des unterentwickelten Gesundheitssystems unabwendbaren Katastrophe aussetzen. Noch hat es die Regierung durch umfangreiche Hilfspakete geschafft, öffentliche Kritik an ihrem Vorgehen abzuwenden (KAS 6.2020).
Sicherheitslage
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, von der sie bis dahin vollständig abhängig war, baute die Mongolei schnell und konfliktfrei demokratische und marktwirtschaftliche Strukturen auf. Obwohl sich alle politischen Akteure über den demokratischen und marktwirtschaftlichen Kurs des Landes einig sind, gibt es viele Herausforderungen zu bewältigen. Die Regierungsführung ist noch schwach und die Leistungsfähigkeit der staatlichen Institutionen gering (BMZ o.D.). Nach der innenpolitischen Krise 2018 war die Mongolei von einer Reihe von innenpolitischen Reformen zur Sicherung der Stabilität des Landes gekennzeichnet (BMEIA 25.6.2020). Der Staat hat im gesamten Staatsgebiet das unangefochtene Gewaltmonopol. Die gesamte Bevölkerung der Mongolei akzeptiert den Nationalstaat als legitim. Es gibt keine organisierten Gruppen, die stark genug wären, das staatliche Gewaltmonopol herauszufordern. Alle bedeutenden politischen Akteure bekennen sich zur Demokratie. Eine geringe Zahl antidemokratischer Akteure wie hypernationalistische Parteien oder Banden haben keinen Einfluss auf die Öffentlichkeit oder die Regierung und werden ausgegrenzt. Die Armee hatte in der Vergangenheit kein Interesse, politische Kontrolle zu übernehmen und es gibt keine Hinweise, dass sie es derzeit hätte (Bertelsmann 29.4.2020). In der Mongolei gibt es einige kleine extrem nationalistischer Gruppen, die gelegentlich chinesische Staatsbürger angreifen. Die Existenz mongolischer Terrororganisationen ist nicht bekannt (GW 3.7.2020). Sozioökonomische Konflikte - primär zwischen der städtischen und ländlichen Bevölkerung - hatten bisher kein Eskalationspotential (GW 4.7.2020), sind jedoch aufgrund einer instabilen politischen Umgebung, angeheizt durch Populismus und Kampagnen in den sozialen Medien, im Ansteigen begriffen (Bertelsmann 29.4.2020). Es kommt mitunter zu gewalttätigen Übergriffen auf chinesische, koreanische und vietnamesische Staatsbürger, die in der Mongolei leben (ÖB Peking 12.2019) durch Ultranationalisten (ÖB Peking 12.2019). Anfang 2020 führte die Regierung eine Reihe von Zwangsausweisungen nordkoreanischer Staatsbürger in Übereinstimmung mit den einschlägigen Resolutionen des UN-Sicherheitsrates durch (USDOS 11.3.2020; vgl. ÖB Peking 12.2019). Die Mongolei ist außenpolitisch um ein gutes und ausgewogenes Verhältnis zu den beiden großen Nachbarstaaten Russland und China bemüht (BMEIA 25.6.2020) und betreibt eine „Politik des dritten Nachbarn“ als Gegengewicht der möglichen Vereinnahmung durch ihre unmittelbaren Nachbarn. Die Mongolei nutzt die guten Beziehungen sowohl zu Nord- als auch Südkorea für eine Vermittlerrolle auf der koreanischen Halbinsel. Stabile Außenbeziehungen unterhält die Mongolei auch zu Japan (LIP 7.2020a; vgl. AA 2.9.2020, GW 3.7.2020). Als eines der ersten Länder hat die Mongolei im Jänner 2020 ihre Grenzen für Reisende aus Hochrisikoländern geschlossen, um den Import von Infektionen mit COVID-19 zu verhindern (WKO 5.2020). Die Schließung von internationalen Flug- und Bahnverbindungen aufgrund der COVID-19-Pandemie wurden mehrmals, zuletzt bis zum 31. Oktober 2020 durch die Regierung verfügt (GW 27.8.2020; vgl. MSZ o.D.) und bleibt vorläufig weiterhin aufrecht. Auch eine Einreise auf dem Landweg ist derzeit nicht möglich (BMEIA 25.9.2020).
Allgemeine Menschenrechtslage
Die Menschenrechte sind in der Mongolei in der Verfassung festgeschrieben und werden allgemein geachtet. Das Land verfügt über eine aktive Zivilgesellschaft mit einer Vielzahl von Bürgerbewegungen und Selbsthilfegruppen (BMZ o.D.). Die schwerwiegendsten Menschenrechtsprobleme stellen die Bedrohung der Unabhängigkeit der Justiz, harte Haftbedingungen, die Existenz strafrechtlicher Diffamierungsgesetze, amtliche Korruption, Gewalt oder die Androhung von Gewalt gegen lesbische, schwule, bisexuelle, transsexuelle oder intersexuelle Personen sowie Kinderzwangsarbeit dar (USDOS 11.3.2020). Mit 17 der 18 internationalen Menschenrechtsverträge und deren Zusatzprotokollen hat die Mongolei mehr einschlägige Verträge ratifiziert als jedes andere asiatische Land, und um zwei Verträge mehr als Österreich (ÖB Peking 12.2019). Als neuntes Land in Asien hat die Mongolei im Jahr 2000 eine nationale Menschenrechtskommission eingerichtet. Nach den gesetzlichen Vorgaben besteht diese aus drei für sechs Jahre berufenen Mitgliedern, die vom Obersten Gerichtshof, dem Staatspräsidenten und dem Parlament nominiert werden. Vorsitzender des Gremiums ist ein bisheriger Richter am Obersten Gerichtshof. Die Befugnisse dieser Kommission beziehen sich v.a. auf die Ausarbeitung von Bildungs-, Rechtsverbreitungs- und Forschungsmaßnahmen, aber auch auf die Behandlung von Bürgerbeschwerden. Die Mongolei orientierte sich dabei eng an den Vorschlägen des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte, welches die Anstrengungen der Mongolei auf diesem Gebiet als vorbildlich bezeichnet (ÖB Peking 12.2019).
Relevante Bevölkerungsgruppen
Frauen
Die Verfassung bestimmt, dass keine Person ob ihrer Herkunft, Sprache, Abstammung, Alters, Geschlechts, sozialer Herkunft oder ihres Status diskriminiert werden darf und dass gemäß Art. 16 Abs. 11 VerfG Männer und Frauen in politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und familiären Angelegenheiten gleichbehandelt werden müssen. Seit 2011 gibt es ein Gesetz zur Geschlechtergleichstellung (ÖB Peking 12.2019). Mongolische Frauen sind an sich emanzipiert, gebildet und nehmen aktiv am gesellschaftlichen und politischen Leben teil. Dennoch ist die mongolische Gesellschaft eine patriarchalische, in der der Mann das Familienoberhaupt ist, auch wenn die Zahl der allein von Frauen geführten Haushalte zunimmt (LIP 7.2020b). So sind Frauen weiterhin gesellschaftlicher Diskriminierung und Belästigung ausgesetzt (FH 4.3.2020). Die Mongolei liegt in der Erreichung der genderspezifischen Millenniums-Entwicklungsziele (MDGs - Millennium Development Goals) stark zurück, v.a. die Versorgung im Bereich reproduktive Gesundheit ist schlecht (ÖB Peking 12.2019). Die Zahl der Teenagerschwangerschaften nimmt von Jahr zu Jahr zu. Hatten 2014 3.259 Frauen im Alter zwischen 15 und 19 Jahren ein Kind zur Welt gebracht, waren es 2016 3.829. Als Hauptursachen werden mangelnde Aufklärung und Unkenntnis über Verhütungsmöglichkeiten benannt (LIP 7.2020b). Das gesetzliche Pensionsantrittsalter für Frauen liegt mit 55 Jahren fünf Jahre unter jenem der Männer. Geschiedenen Frauen steht laut Familiengesetz Alimente zu. Es gibt keine Gesetzgebung gegen sexuelle Belästigung (ÖB Peking 12.2019; vgl. FH 4.3.2020). Häusliche Gewalt stellt ein schwerwiegendes und weit verbreitetes Problem dar (ÖB Peking 12.2019). Gewalt gegen Frauen, insbesondere im Zusammenhang mit Alkoholmissbrauch, ist laut Berichten von NGOs im Zunehmen begriffen (ÖB Peking 12.2019). Eine in Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen durchgeführte und 2018 veröffentlichte Umfrage der Regierung ergab, dass fast ein Drittel aller mongolischen Frauen körperlicher oder sexueller Misshandlung durch einen Partner ausgesetzt waren. Lediglich 10% derjenigen, die schwere sexuelle Gewalt durch einen Nichtpartner erlitten hatten, meldeten die Verbrechen bei den Behörden (FH 4.3.2020). Das Gesetz kriminalisiert sexuelle Handlungen durch körperliche Gewalt oder die Androhung von Gewalt und sieht gemäß den Umständen Strafen von einem bis zu 20 Jahren Haft oder lebenslange Haft vor. Das Strafgesetz kriminalisiert ebenso Vergewaltigung in der Ehe. Häusliche Gewalt stellt gleichfalls den Tatbestand eines Verbrechens dar, für das die Täter entweder verwaltungs- oder strafrechtlich bestraft werden können. Im letzteren Fall auch mit einer Freiheitsstrafe von maximal zwei Jahren. Häusliche Gewalttäter werden in einer Datenbank erfasst und beim zweiten Vergehen wird automatisch ein Verfahren nach dem Strafgesetz eingeleitet. Alternative Maßnahmen zum Schutz vor häuslicher Gewalt wie Wegweisungen oder einstweilige Verfügungen sind in der Praxis schwer durchzusetzen. Das National Center Against Violence (NCAV), einer lokalen NGO, die Kampagnen gegen häusliche Gewalt betreibt, berichtet über vermehrte Anzeigen wegen häuslicher Gewalt durch Dritte (USDOS 11.3.2020). UNFPA, der Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen, führt gemeinsam mit der mongolischen Polizei Projekte zum Kapazitätsaufbau im Bereich häusliche Gewalt und Gewalt gegen Frauen durch (ÖB Peking 12.2019). Gemäß NCAV gibt es landesweit 14 Notunterkünfte von NGOs und in lokalen Krankenhäusern, wo Opfer häuslicher Gewalt bis zu 72 Stunden Unterkunft bekommen können (USDOS 11.3.2020). Das einzige Frauenhaus des Landes in Ulan Bator wird von einer NGO geführt und erhält keinerlei öffentliche Unterstützung (ÖB 12.2019). Insbesondere im ländlichen Raum stellt die geringe Anzahl von Schutzeinrichtungen für Schutzsuchende eine Herausforderung dar (USDOS 11.3.2020). Für alleinerziehende Mütter ist das Risiko, ein Leben in extremer Armut zu führen, generell sehr hoch (ÖB 12.2019). Die Mongolei ist ein Ursprungs- und Transitland für den illegalen Handel von Menschen zur sexuellen Ausbeutung und Zwangsarbeit, sowie Kinderprostitution. China gehört zu den Hauptzielländern. Prostitution, insbesondere von Minderjährigen, ist weitverbreitet. Primär wurde in Richtung Westeuropa in den letzten Jahren vermehrt mit jungen Frauen gehandelt, die mit Arbeit oder Studien im Ausland gelockt wurden. In letzter Zeit gibt es verstärkt Berichte über gezielten Menschenhandel Richtung China, wobei Frauen als Ehefrauen verkauft werden oder Opfer von Organhändlerbanden werden. Mit dem zunehmenden Wohlstand werden auch vermehrt illegale Hausangestellte von den Philippinen in die Mongolei geschleust (ÖB Peking 12.2019; vgl. FH 4.3.2020). Die Mongolei erfüllt die Minimumstandards für die Eliminierung von Menschenhandel nur unzureichend (FH 4.3.2020). Im Jänner 2012 wurde das erste Gesetz gegen den Menschenhandel verabschiedet, allerdings wird dessen mangelnde Umsetzung kritisiert (ÖB Peking 12.2019). Im Juli 2017 trat das neue Strafgesetz in Kraft. Die Artikel 12.3 und 13.1 stellen Menschenhandel zum Zwecke von Arbeit und Sex unter Strafe. Menschenhandel wird mit einem Strafmaß von zwei bis acht Jahren Haft – sind Kinder betroffen fünf bis zwölf Jahre – geahndet. 2017 wurden von den Behörden zwölf Menschenhandelsfälle ermittelt. Korruption und mangelndes lösungsorientiertes Vorgehen zur Lösung der Problematik behindern Fortschritte (FH 4.3.2020).
Kinder
Kindesmissbrauch in Form häuslicher Gewalt und sexuellem Missbrauch ist ein bedeutendes Problem (ÖB Peking 12.2019). Die Regierungsbehörde Family, Child, and Youth Development Authority (FCYDA) berichtet, dass mit der verpflichtenden Meldung von Kindesmissbrauch, die im neuen Strafgesetz festgelegt ist, die gemeldete Zahl von Fällen häuslicher Gewalt gegen Kinder gestiegen ist (USDOS 11.3.2020). Einige Kinder sind als Folge armutsbedingter Vernachlässigung oder Misshandlungen durch ihre Eltern verwaist oder von zu Hause weggelaufen. Laut den Angaben der Polizei werden Kinder von misshandelnden Eltern in Schutzhäuser gebracht, einige Beobachter meinen allerdings, dass viele Jugendliche wieder zu ihren misshandelnden Eltern gebracht werden (USDOS 11.3.2020). Manche mongolischen Kinder sind gezwungen zu betteln, zu stehlen, oder in informellen Wirtschaftssektoren wie als Jockeys bei Pferderennen, im Bergbau, der Vieh- und Weidewirtschaft, im Bauwesen oder als Müllsucher zu arbeiten. Andere Kinder sind auch dem Sexhandel ausgeliefert. Berichte der letzten Jahre legen nahe, dass Touristen aus Japan und Südkorea zum Zwecke sexueller Aktivitäten mit Kindern in die Mongolei reisen würden. Auch Buben sind einem hohen Risiko ausgesetzt, Zwangsarbeit zu verrichten, oder dem Sexhandel ausgesetzt zu werden (USDOS 6.2018; vgl. FH 4.3.2020). Sexuelle Ausbeutung von Minderjährigen, darunter Zwangsprostitution, ist problematisch. NGOs berichten, dass Kinderpornografie verbreitet ist. Die Polizei unternimmt Aktivitäten im Kampf gegen Kinderpornografie. Der Strafrahmen für das Benutzen von Kindern für pornografische Zwecke wurde mit dem neuen Strafgesetzbuch auf acht Jahre Haft (vorher: fünf) erhöht (USDOS 11.3.2020).
Anmerkung: Zum Thema Menschenhandel siehe auch Abschnitt 18.1.
Bewegungsfreiheit
Mongolischen Staatsbürgern ist das Reisen innerhalb des Landes und auch ins Ausland gestattet (USDOS 11.3.2020; vgl. FH 4.3.2020). Doch wurden zur Verhinderung einer Verbreitung von COVID-19 im Land der Überlandbus-, Flug- und Zugverkehr eingestellt, sowie der private Autoverkehr stark eingeschränkt (BMEIA 25.9.2020). Der Zuzug aus den Provinzen nach Ulaanbaatar ist seit Jänner 2017 untersagt. Eine Wohnsitznahme in der Hauptstadt ist nur mehr unter bestimmten Voraussetzungen möglich (u.A. medizinische Langzeitbehandlung oder Besitz von Wohneigentum) (GoGo 10.1.2017; vgl. Montsame 28.12.2017); diese Regelung bleibt auch 2020 in Kraft (AI 30.1.2020). An den Grenzkontrollstellen findet eine genaue Überprüfung des Reisepasses statt, wobei bei mongolischen Staatsangehörigen auch der Personalausweis als weitere Überprüfungsgrundlage herangezogen werden kann (ÖB Peking 12.2019). Ausreiseverbote betreffen Personen, die in rechtliche Verfahren verwickelt sind (FH 4.3.2020). Das Straßennetz in der Mongolei ist mangelhaft ausgebaut. Weil das Land äußerst dünn besiedelt ist, fehlen vielerorts Verkehrswege (LIP 7.2020; vgl. BMEIA 25.9.2020).
Grundversorgung und Wirtschaft
Den Übergang zur Marktwirtschaft hat die Mongolei gut gemeistert. Heute werden rund 85% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von Privatunternehmen erwirtschaftet. Hinzu kommt, dass das Land einen grundlegenden strukturellen Wandel vollzieht – von einem Agrarland hin zu einer Volkswirtschaft, die hauptsächlich auf Rohstoffexporten basiert (BMZ o.D.). 2016 erlebte die Mongolei eine schwere Wirtschaftskrise und sah sich mit einem hohen Budgetdefizit und dem beinahem Staatsbankrott konfrontiert. Durch Beistandskredite des Internationalen Währungsfonds (IWF), der Weltbank, der Asiatischen Entwicklungsbank (ADB), Japans und Südkoreas für die nächsten drei Jahre konnte eine weitere Verschlechterung der Situation aber verhindert werden. Zahlreiche Stellen im öffentlichen Dienst wurden sofort gestrichen. Nachdem 2015 die niedrigen Rohstoffpreise und die sinkende Nachfrage des größten Handelspartners China zu rückläufigen Exporten führten, erholten sich 2017 die Weltrohstoffpreise und die ausländischen Direktinvestitionen in die Mongolei. Außerdem stieg der private Konsum wieder an, was 2017 zusammen mit Investitionen zu einem deutlich stärkeren Wirtschaftswachstum von 5,2% führte. 2018 entwickelte sich die mongolische Wirtschaft solide (+6,7%) (ÖB Peking 12.2019). Die Inflationsrate wurde 2016 auf 0,5 % und 2017 auf 4,6 % geschätzt (CIA 10.9.2020). Die Arbeitslosenrate lag 2018 bei 6,6% (WKO 5.2020), war jedoch erheblich höher unter Jugendlichen (fast 17%). Experten gehen aber davon aus, dass sie tatsächlich wesentlich höher liegt (BMZ o.D.). Der Mindestlohn liegt bei umgerechnet 107 Euro im Monat. Es gibt eine gesetzliche 40-Stunden-Woche, jedoch arbeiten geschätzte 60% der mongolischen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in der Schattenwirtschaft (v.a. Landwirtschaft, Bergbau). Die Regierung gewährt aber auch diesen ArbeitnehmerInnen Zugang zu grundlegenden Sozial- und Gesundheitsleistungen (ÖB Peking 12.2019). Laut ADB 2016 lebten 29,6% der Bevölkerung unter der Armutsgrenze (2014: 21,6%). Das Welternährungsprogramm der UN (WFP) schätzte im Jahr 2015, dass mehr als 20% der Bevölkerung unterernährt sind (ÖB Peking 12.2019). Viele Landbewohner ziehen auf der Suche nach Einkommensmöglichkeiten in die Hauptstadt Ulaanbaatar, in der heute bereits etwa 45% aller Einwohner der Mongolei leben. Der dortige Arbeitsmarkt kann die Zuwanderer jedoch kaum mehr aufnehmen. Ulaanbaatar ist zwar Verwaltungs-, Handels- und Dienstleistungszentrum, es gibt jedoch praktisch keine verarbeitende Industrie. Die Migranten finden – wenn überhaupt – nur eine Beschäftigung im informellen Sektor (BMZ o.D.). Rund 60 % der BewohnerInnen der Hauptstadt leben in Jurtenvierteln, in denen es sanitäre Mängel gibt (ÖB Peking 12.2019; vgl. Bertelsmann 29.4.2020). Die Luftverschmutzung in Folge der Verwendung minderwertiger Kohle zum Heizen führt vor allem bei Kindern zu Atemwegserkrankungen (ÖB Peking 12.2019). Wurde für 2019 wird mit einem Wirtschaftswachstum von 6,8% gerechnet (ÖB 12.2019), trifft im Zuge der Corona-Krise der wirtschaftliche Abschwung im Nachbarland China die Mongolei besonders hart. Im Januar und Februar sind die Exporte um 35,9% eingebrochen. Für das Gesamtjahr 2020 rechnen Experten mit einem Rückgang der Ausfuhren um 1,6 Mrd. USD. Vor allem die Nachfrage nach dem für die Mongolei so wichtigen Exportgut Kohle hat nachgegeben (WKO 5.2020). Die Regierung von Premierminister Ukhnaagiin Khurelsukh wird die Haushaltsdisziplin gemäß der Darlehensfazilität des Internationalen Währungsfonds (IWF) für die Mongolei von 2017 beibehalten, auch wenn einige der Einsparungsmaßnahmen seines Vorgängers rückgängig gemacht werden (GW 25.8.2020). Aufgrund ihrer geographischen Lage ist die Mongolei äußerst exponiert gegenüber den negativen Konsequenzen des Klimawandels. Besonders die Nomadenbevölkerung hat unter zunehmender Wasserknappheit und Desertifikation zu leiden. Der Winter 2009/2010 war der kälteste seit 40 Jahren, Berichten zufolge sind bis zu sechs Mio. Stück Vieh in der Steppe verendet. Auch der Winter 2015/2016 brachte extremen Winter, vereiste Weidegründe und den Tod von hunderttausenden Tieren mit humanitärer Notlage für die NomadInnen. Viele der NomadInnen fliehen angesichts dieser Katastrophen in die Hauptstadt, wo sie ein Leben in extremer Armut in Slum-Vierteln am Stadtrand (Ger-Viertel) fristen (ÖB Peking 12.2019). Die öffentliche Verwaltung stellt die meisten grundlegenden Dienstleistungen im gesamten Land zur Verfügung, allerdings variieren Leistungsumfang und ihre Qualität. Die geringe Bevölkerungsdichte stellt jedoch den Staat vor große Schwierigkeiten beim Erhalt von Infrastruktur und der Verfügbarmachung von Dienstleistungen wie Gesundheit, Sicherheit und Justiz, insbesondere für die etwa ein Viertel der Bevölkerung umfassenden nomadischen Viehhalter (Bertelsmann 29.4.2020). Es besteht ein sozialpartnerschaftliches trilaterales Komitee für Arbeit und soziale Abkommen. Alle zwei Jahre wird der Mindestlohn vom Arbeitsministerium, in Konsultation mit den Sozialpartnern, angepasst. Zuletzt wurde der Mindestlohn am 1. Jänner 2019 um 33,3% auf 320.000 Tögrög (MNT), ca. 107 Euro, angehoben. Die Wirtschaftskrise 2016 führte dazu, dass auch gut qualifizierte Personen nur mehr schwer Arbeit finden. Arbeitsrechtliche Vorschriften werden generell eingehalten, jedoch gibt es Berichte über unerlaubt lange Arbeitszeiten im Baugewerbe und dort kommt es aufgrund mangelnder Einhaltung von Sicherheitsvorschriften immer wieder zu tödlichen Unfällen (ÖB 12.2019). Durch frühzeitige Restriktionen konnte eine unkontrollierte Verbreitung des Virus in der Bevölkerung bislang verhindert werden. Die beschlossenen Maßnahmen führten in den vergangenen Monaten in der Konsequenz allerdings zu einem massiven Einbruch der mongolischen Wirtschaft. Laut der Ratingagentur Fitch schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im ersten Quartal 2020 im Vergleich zum Vorjahresquartal um 10,7%. Ein Beibehalten der Restriktionen würde die wirtschaftliche Krise verstärken, die gerade den ärmsten Teil der Bevölkerung trifft. Andererseits würde ein Aufheben der Maßnahmen die Mongolei dem Risiko einer sprunghaften Ausbreitung und damit einer angesichts des unterentwickelten Gesundheitssystems unabwendbaren Katastrophe aussetzen. Durch umfangreiche Hilfspakete hat es die Regierung jedoch bisher geschafft, öffentliche Kritik an ihrem Vorgehen abzuwenden (KAS 6.2020).
Sozialbeihilfen
Das Sozialversicherungssystem der Mongolei gilt weithin als veraltet und die Verwaltung des Sozialversicherungsfonds als sehr korruptionsanfällig (Bertelsmann 29.4.2020). Das ehemals sozialistische System einer allgemeinen Gesundheitsversorgung wurde nur unzureichend reformiert und leidet unter schlechter Qualität und mangelnder Leistung. Mithilfe internationaler Geber ist die Regierung bemüht, das System zu reformieren (ÖB Peking 12.2019). Das Wohlfahrtssystem basiert auf der Bereitstellung von Sozialrenten, Beihilfen und Dienstleistungen für Bürger mit besonderen Bedürfnissen (Bertelsmann 29.4.2020). 2013 wurde das Sozialversicherungsgesetz ergänzt, damit die noch etwa 44 Tsaatan-Familien (Rentierleute), die fernab fester Siedlungen und ohne geregeltes Einkommen leben, von den Leistungen der Sozialversicherung profitieren können (Renten, finanzielle Unterstützung und Sozialhilfebeiträge für Schwangere, Hochbetagte, Menschen mit Behinderungen, vorübergehend Arbeitsunfähige und für Sonderaufgaben) (LIP 7.2020b). Eine Sozialversicherung, die auch eine Krankenversicherung umfasst, ist für mongolische Bürger verpflichtend und wird von Dienstgebern und Dienstnehmern durch einen Anteil vom Gehalt finanziert. Die Sozialversicherung wird vom Staat für bestimmte Gruppen kostenlos zur Verfügung gestellt, darunter Kinder unter 16 Jahren (Sekundarschüler bis 18 Jahre); Personen, die kein Einkommen haben; Personen, die Sozialleistungen beziehen; alleinerziehende Eltern, bis das Kind zwei Jahre alt ist; Menschen mit Behinderungen (BIO 16.4.2018; vgl. APO 2013). Verschiedene verfügbare staatlichen Unterstützungsleistungen für Personen mit Behinderungen sind abhängig von der Bestätigung durch medizinische Fachpersonen. Wenn eine Behinderung von mehr als 50% vorliegt, hat die Familie Anrecht auf eine staatliche Unterstützung (SFH 1.2.2018). Im August 2018 erhöhte die Regierung den monatlichen Mindestlohn von 240.000 MNT auf 320.000 MNT. Die oberen 40% der Bevölkerung nach Einkommen erhalten 28% der gesamten Sozialtransfers. Nur 56% der Wohlfahrtsausgaben der Mongolei gehen an die ärmsten 40% der Bevölkerung, so ein Bericht der Weltbank aus dem Jahr 2015. Das Food Stamp Program ist das einzige Programm, das sich an die Armen richtet. Es wurde 2013 eingeführt und verteilte 2015 insgesamt 18 Milliarden MNT an seine 144.000 Begünstigten. Dabei werden extrem arme Familien mit Grundnahrungsmitteln unterstützt. Die an Einzelpersonen verteilte Menge deckt jedoch nur 9,8% ihres Verbrauchs ab, was zwei- bis dreimal weniger als der weltweite Durchschnitt ist (Bertelsmann 29.4.2020). Der Zugang zu staatlichen Sozialleistungen – obwohl auf dem Papier vorhanden – ist in der Praxis oft sehr schwierig (ÖB Peking 12.2019). Es gibt viele Hindernisse, die den Zugang zu Sozialleistungen erheblich erschweren oder sogar verunmöglichen. Darüber hinaus wird die Umsetzung all dieser Sozialgesetze durch ein zu geringes Budget erschwert (KAS 7.2017). Auch wird das Ministerium für Bevölkerungsentwicklung und Sozialfürsorge mit der Verwaltung von 71 Sozialfürsorgeprogrammen betraut. Daraus ergibt sich eine Fragmentierung dieser Programme, Duplizierungen von Sozialleistungen, sowie hohe Verwaltungs- und Umsetzungskosten. Manche Sozialleistungen werden durch verschiedene Ministerien und Institutionen verwaltet, was eine Fokussierung auf die Hilfsbedürftigen der Gesellschaft erschwert (KAS 7.2017). Etwa 28% der Bevölkerung leben in Armut (BAMF 29.6.2020). Im Kampf gegen die Armut zählt trotz staatlicher Maßnahmen weiterhin die familiäre Solidarität (ÖB Peking 12.2019). Die unbedingte Unterstützung für enge und fernere Verwandte können und wollen auch die erfolgreicheren Familienmitglieder nicht mehr in jedem Fall leisten (LIP 7.2020b).
Medizinische Versorgung
Die medizinische Versorgung im Lande ist mit Europa nicht zu vergleichen (BMEIA 25.9.2020; vgl. MSZ o.D.) und oft technisch und hygienisch problematisch (AA 24.9.2020; vgl. ÖB 12.2019, LIP 7.2020d). Die medizinische Versorgung in der Mongolei ist laut Gesetz kostenlos (LIP 7.2020b). Vor allem auf dem Land sind die Krankenhäuser oder medizinischen Stützpunkte ungenügend ausgestattet (Medikamente, Apparate, Verbandsmaterial) (LIP 7.2020d; vgl. MSZ o.D.). Das ehemals sozialistische System einer allgemeinen Gesundheitsversorgung wurde nur unzureichend reformiert. Mithilfe internationaler Geber ist die Regierung bemüht, das System zu reformieren (ÖB Peking 12.2019). Beinahe alle Mongolen haben Zugang zur staatlichen Krankenversicherung (ÖB Peking 12.2019). Alle gesellschaftlichen Gruppen, die von der mongolischen Regierung als „fragil“ eingestuft werden (Kinder bis 16 Jahre, Sekundarschüler bis 18 Jahre, Frauen mit Kindern, Pensionisten etc.) sind sozialversichert. Über 80% der Krankenversicherung war 2010 beitragsfinanziert (ÖB Peking 12.2019; vgl. APO 2013). Doch da die Mittel bei weitem nicht ausreichen, werden für jede Versorgungsleistung Zahlungen fällig (LIP 7.2020b). Wie die Mongolei medizinische Leistungen rückerstattet, bleibt undurchsichtig (ITA 11.9.2018). Es gibt für Versicherte teilweise hohe Selbstbehalte bei Spitalsaufenthalten und Medikamenten. Grundsätzlich sind die „fragilen Gruppen“ von den Selbstbehalten ausgenommen (ÖB Peking 12.2019; vgl. BIO 16.4.2018, MSZ o.D.). Hinzu kommt, dass das medizinische Personal schlecht entlohnt wird (LIP 7.2020b) und v.a. in Krankenhäusern Korruptionszahlungen häufig notwendig sind, um gewisse Leistungen rascher zu bekommen (ÖB Peking 12.2019; vgl. LIP 7.2020b). Das Gesundheitssystem besteht aus drei Ebenen und verfolgt das Prinzip, eine gleichberechtigte, zugängliche und qualitative Gesundheitsversorgung für alle zu ermöglichen. Primäre Gesundheitsversorgung wird hauptsächlich in Familiengruppenpraxen in der Hauptstadt Ulaanbaatar, in Provinzzentren oder in den Provinzen selbst in Bezirks- („soum“) oder übergreifenden Bezirkskliniken angeboten, sekundäre Versorgung in den allgemeinen Bezirkskrankenhäusern in Ulaanbaatar oder den Provinzen (Aimags) und privaten Kliniken, tertiäre schließlich in den größeren - Spitälern und Spezialzentren in Ulaanbaatar (PP 2018; vgl. APO 2013). Die mongolische Regierung bietet Gesundheitsversorgung auf drei Serviceebenen: primär, sekundär und tertiär. Auf der primären Ebene übernimmt die Regierung 100% der Kosten für ein grundlegendes Dienstleistungspaket für Land- und Stadtbewohner. Auf der Sekundarstufe deckt der Staat 90% ab und die Bürger zahlen eine Zuzahlung von 10%. Im Tertiärbereich zahlen die Bürger eine Zuzahlung von 15%. Private medizinische Dienste, die angeblich ein höheres Maß an Pflege bieten als das staatliche System, sind ebenfalls verfügbar. Landesweit gibt es mehr als 4.000 Gesundheitseinrichtungen, darunter 91 öffentliche Krankenhäuser und mehr als 240 Privatkrankenhäuser, 1.226 Ambulanzen und 1.277 Privatapotheken (ITA 11.9.2018). Laut Statistiken des Ministeriums für Gesundheit und Sport arbeiteten 2011 landesweit 9.400 Ärzte; 28,5 pro 10.000 Einwohner (LIP 7.2020b). In den letzten Jahren haben in Ulaanbaatar private internationale Kliniken eröffnet (Intermed, SOS, Songdo, GrandMed), die erheblich zur Verbesserung der ambulanten und stationären Versorgung zumindest in der Hauptstadt beigetragen haben (AA 24.9.2020; vgl. ITA 11.9.2018). Nicht alle westlichen Medikamente - insbesondere Medikamente, die unter das Betäubungsmittelgesetz fallen - sind in der Mongolei erhältlich (AA 24.9.2020; vgl. ITA 11.9.2018, MZS o.D.). In Ulaanbaatar gibt es neben den fünf staatlichen Krankenhäusern und medizinischen Zentren sechs Stadtbezirkskrankenhäuser sowie eine Reihe von internationalen Kliniken und Krankenhäusern mit modernstem Standard LIP 7.2020d). In Ulan Bator kostet ein Tag im Krankenhaus, einschließlich Standardverfahren, durchschnittlich USD 50-70 (MZS o.D.). Ohne entsprechende Versicherung werden die Kosten für eine Behandlung unmittelbar fällig (LIP 7.2020d; vgl. MZS o.D.). Die Verwaltung des Sozialversicherungsfonds gilt als sehr korruptionsanfällig (Bertelsmann 29.4.2020). Das Netz der medizinischen Notfallversorgung ist auf dem Lande besonders dünn, weshalb auch leichtere Verletzungen oder Unfallfolgen zu großen Komplikationen führen können (AA 24.9.2020). Die geringe Bevölkerungsdichte stellt den Staat vor große Herausforderungen bezüglich Unterhalt der Infrastruktur und der Verfügbarmachung von grundlegenden Gesundheitsleistungen, insbesondere für die 25% der Bevölkerung, die von der nomadischen Weidewirtschaft leben (Bertelsmann 29.4.2020). Die schlechte Qualität der Gesundheitseinrichtungen in ländlichen und abgelegenen Gebieten führt trotz Verbesserungen in letzter Zeit dazu, dass die Bevölkerung teure Anfahrtswege zu den Bezirkszentren und in die Hauptstadt in Kauf nehmen muss, um qualitätsvolle und spezialisierte Behandlungen zu erhalten (Bertelsmann 29.4.2020). Bürger mit hohem Einkommen und einige Bürger mit mittlerem Einkommen suchen im Ausland medizinische Behandlung sowohl für Wahl- als auch für Notfallbehandlungen, hauptsächlich in Südkorea, Thailand und China (ITA 2018). Die Mongolei ist seit dem 9. Januar 2020 mit dem neuartigen Coronavirus Sars-CoV-2 konfrontiert. Im Land wurden sehr schnell strenge Sicherheitsmaßnahmen ergriffen (LIP 7.2020d). Kaum ein anderes Land hat so früh und so diszipliniert auf die Bedrohung reagiert wie die wirtschaftlich fast völlig von China abhängige Mongolei (DS 5.6.2020).
Rückkehr
Mongolische Staatsangehörige, die in Begleitung eines ausländischen Beamten eintreffen, werden an der Grenze, wenn die Sachverhaltsdarstellung seitens des begleitenden Beamten als ausreichend erachtet wird, in Gewahrsam genommen, um zu überprüfen, ob Straftatbestände in Bezug auf das Grenzschutzgesetz vorliegen. Wenn unbegleitete mongolische Staatsangehörige ohne Reisedokumente an der Grenze aufgegriffen werden, werden sie in Gewahrsam genommen, und es wird eine Untersuchung wegen Verstoßes gegen das Grenzschutzgesetz bzw. das Strafgesetz eingeleitet. Der Strafrahmen liegt zwischen einer Geldstrafe von fünf Tagessätzen und einer Haftstrafe von bis zu fünf Jahren (Art. 240 StGB) (ÖB Peking 12.2019). Rückkehrerprobleme bei oppositioneller Betätigung oder Asylantragstellung im Ausland sind laut ÖB Peking nicht bekannt. Politische Betätigung im Ausland ist nicht strafbar. Die Mongolei kooperiert mit dem UNHCR und anderen humanitären Organisationen in Asylfragen (ÖB Peking 12.2019).“
12. Gegen diese Bescheide wurde jeweils fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben. Die Beschwerdeführer wiederholten darin zunächst das Vorbringen der Stellungnahme vom 21.10.2020. In rechtlicher Hinsicht wird ausgeführt, dass der Gesetzeszweck des § 56 AsylG 2005 die Bereinigung von besonders berücksichtigungswürdigen „Altfällen“ sei. Den betroffenen Drittstaatsangehörigen soll in diesen Fällen die Möglichkeit zur Legalisierung ihres Aufenthalts durch Erteilung eines Aufenthaltstitels gegeben werden, wobei hievon jene Konstellationen erfasst sein sollen, in denen die Schwelle des Art. 8 MRK, sodass gemäß § 55 AsylG 2005 ein Aufenthaltstitel zu erteilen wäre, noch nicht erreicht wird. Die Behörde begründe die Abweisung mit einer veralteten Judikaturlinie des VwGH. Im Hinblick darauf, dass bei der Überprüfung des Grades der Integration die Schwelle des § 55 AsylG 2005 bzw Art. 8 EMRK nicht erreicht werden müsse, dürfe die Behörde keinen strengen Maßstab bei der Tatbestandsvoraussetzung des
§ 56 Abs. 3 AsylG 2005 vornehmen. Dies habe der VwGH grundlegend auch in anderen Entscheidungen festgehalten. Der gesetzliche geforderte Integrationsgrad werde durch die Beschwerdeführer erreicht. Die Abweisung der Anträge sei daher rechtswidrig.
Die Beschwerdevorlage langte am 26.04.2021 beim Bundesverwaltungsgericht ein und wurde in Folge der zuständigen Gerichtsabteilung zugewiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
1.1. Zum Verfahrensgang
Das Bundesverwaltungsgericht stellt den Verfahrensgang fest, wie dieser unter Punkt I wiedergegeben ist.
Die Beschwerdeführer stellten am 08.04.2015 Anträge auf internationalen Schutz. Am XXXX wurde der BF5 als gemeinsamer Sohn des BF1 und der BF2 in XXXX geboren. Mit Schriftsatz vom 01.08.2016 wurde für den BF5 gemäß § 17 Abs. 3 AsylG 2005 am 01.08.2020 ebenfalls ein Antrag auf internationalen Schutz eingebracht.
Mit Bescheiden vom jeweils 19.12.2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Anträge auf internationalen Schutz der BF bezüglich der Zuerkennung des Status des/der Asylberechtigten und des Status des/der subsidiär Schutzberechtigten ab. Ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 wurde nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung in die Mongolei zulässig sei.
Mit Erkenntnis des BVwG vom 03.03.2020 wurden die dagegen erhobenen Beschwerden als unbegründet abgewiesen. Darin wurde zusammengefasst ausgeführt, dass eine asylrelevante Verfolgung nicht habe glaubhaft gemacht werden können und ihnen bei einer Rückführung kein reales Risiko iSd Art. 3 EMRK drohe.
Das Erkenntnis des BVwG vom 03.03.2020 erwuchs in Rechtskraft.
Der VfGH lehnte die Behandlung der Beschwerden gegen das Erkenntnis des BVwG vom 03.03.2020 mit Beschluss vom 08.06.2020 ab und trat die Beschwerden dem VwGH zur Entscheidung ab. Mit Beschluss des VwGH vom 21.08.2020 wurden die außerordentlichen Revisionen zurückgewiesen.
Am 21.10.2020 stellten die Beschwerdeführer gemäß § 56 AsylG 2005 die verfahrensgegenständlichen Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen. Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom jeweils 26.02.2021 wurden die Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 56 AsylG 2005 abgewiesen, Rückkehrentscheidungen gegen die Beschwerdeführer erlassen, die Zulässigkeit der Abschiebung in die Mongolei festgestellt und die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.
1.2. Zur Person und Integrationsgrad der Beschwerdeführer
Die Beschwerdeführer (BF1 bis BF5) sind mongolische Staatsangehörige. Der Erstbeschwerdeführer (BF1) und die Zweitbeschwerdeführerin (BF2) sind miteinander verheiratet und Eltern der minderjährigen Beschwerdeführer (BF3, BF4 und BF5). Die BF1 bis BF4 reisten im April 2015 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und befinden sich damit seit mehr als fünf Jahren im Bundesgebiet. Die Beschwerdeführer lebten bis zu ihrer Ausreise im Herkunftsstaat. Der BF5 wurde in Österreich ( XXXX ) geboren und hat das österreichische Bundesgebiet noch nie verlassen. Der BF1 leidet an chronischer Hepatitis B und D und ist strafgerichtlich unbescholten. Der BF1 hat im Herkunftsstaat als Viehzüchter und Automechaniker gearbeitet. Der BF1 besuchte zwei Jahre die Grundschule. Er verfügt über sehr schwache Deutschkenntnisse. Im österreichischen Bundesgebiet halten sich keine Familienangehörigen des BF1 auf. Diese (Eltern, drei Brüder und fünf Tanten) wohnen im Herkunftsstaat. Der BF1 hat Kontakt zu seiner Verwandtschaft. Der BF1 engagiert sich ehrenamtlich in einem Verein.
Die BF2 leidet an Erkrankungen der Augen, wie Amblyopie, Strabismus deorsoadductorius, oculärem Albinismus, Astigmatismus, Hyperopie und Pendelnystagmus. Die BF2 genoss 10 Jahre Grundschulbildung. Die BF2 hat aufgrund ihrer Sehbehinderung nie gearbeitet und bezog eine staatliche Rente. Die BF2 weist ebenfalls sehr schwache Deutschkenntnisse auf, die noch geringer als jene ihres Ehegatten sind. Im österreichischen Bundesgebiet wohnt ein Bruder der BF2. Dieser unterstützt die Familie der Beschwerdeführer hin und wieder finanziell. Ein Abhängigkeitsverhältnis oder gemeinsamer Haushalt konnte jedoch nicht festgestellt werden. Im Herkunftsstaat leben zwei Brüder, drei Onkel, vier Tanten und mehr als 50 Cousins und Cousinen in der Mongolei. Die BF2 hat Kontakt zu ihrer Verwandtschaft. BF1 und BF2 haben in Österreich (nachweislich) kein Sprachzertifikat für Deutsch erworben. Beide haben in Österreich auch keinen Freundeskreis gewonnen.
BF3 und BF4 besuchen das Gymnasium bzw. die Volksschule, der BF5 den Kindergarten. Für BF3 bis BF5 wurden keine Erkrankungen releviert. Die BF sind derzeit nicht selbsterhaltungsfähig. Sie sind in Österreich nie einer legalen Erwerbstätigkeit nachgegangen und bezogen niemals ein legales Einkommen. Der BF1 verfügt über eine Einstellungszusage und einen Arbeitsvertrag unter aufschiebender Bedingung als Hilfsarbeiter bei einer Baufirma mit einem Bruttomindestlohn von € 12,82/Stunde. Die BF wohnen aufgrund eines unbefristeten Mietvertrages in XXXX , XXXX , XXXX . Derzeit sind alle BF Leistungsbezieher im Rahmen der Grundversorgung.
Nach einer Rückkehr in den Herkunftsstaat ist zu erwarten, dass die Beschwerdeführer ihr Auskommen werden sichern können. In der Heimat war der BF1 als Viehzüchter und Automechaniker tätig. Zudem verfügen die Beschwerdeführer in der Heimat über ein weitreichendes familiäres Netzwerk.
Die Familie legte Unterstützungsschreiben vor. Die Beschwerdeführer sind strafgerichtlich unbescholten.
2. Beweiswürdigung
2.1. Der festgestellte Verfahrensgang und die Feststellungen zum gegenständlichen Antragsvorbringen ergeben sich aus den unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalten der Verwaltungsakten des Bundesamts und der Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichts.
2.2. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des BF1 ergeben sich aus den Vorakten des BVwG sowie den im Verfahren vorgelegten Ambulanzberichten. Die Feststellung zur Staatsangehörigkeit gründet sich auf die glaubhaften und gleichbleibenden Verfahrensangaben des BF1 und die vorgelegten Urkunden. Die Feststellungen zur familiären Situation des BF1 im In- und Ausland ergeben sich aus den Vorakten und den niederschriftlichen Einvernahmen des BF1. Die Feststellung zur Erwerbstätigkeit des BF1 im Herkunftsland ergibt sich aus den Vorakten und dem Verfahrensvorbringen. Die Feststellung zur ehrenamtlichen Tätigkeit des BF1 ergibt sich aus der vorgelegten Bestätigung des Vereins XXXX („ XXXX “). Die Feststellungen zum Integrationsgrad des BF1 ergibt sich aus den Vorakten, der niederschriftlichen Einvernahme vom 13.01.2021 und den vorgelegten Dokumenten und Unterstützungserklärungen.
2.3. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand der BF2 ergeben sich aus den
Vorakten des BVwG sowie den im Verfahren vorgelegten augenärztlichen Befunden. Die Feststellung zur Staatsangehörigkeit gründet sich auf die glaubhaften und gleichbleibenden Verfahrensangaben und die vorgelegten Urkunden. Die Feststellungen zur familiären Situation der BF2 im In- und Ausland ergeben sich aus den Vorakten und den niederschriftlichen Einvernahmen der BF2. Die Feststellung zum Ausbildungsgrad und den Sprachkenntnissen der BF2 ergibt sich aus den Vorakten und dem gegenständlichen Verfahrensvorbringen.
2.4. Die Feststellungen zum Gesundheitsstatus, zur Staatsangehörigkeit und zum Integrationsgrad der BF3, BF4 und BF5 ergeben sich aus dem Antragsvorbringen, den Vorakten in Zusammenschau mit den vorgelegten Dokumenten und Unterstützungserklärungen.
2.5. Die Feststellungen zur aktuellen Unterkunft der Beschwerdeführer ergeben sich aus dem vorgelegten befristeten Mietvertrag vom 30.10.2015 in Zusammenschau mit der schriftlichen Bestätigung vom 20.01.2021 des Vermieters über die Umwandlung des befristeten Mietverhältnisses in ein unbefristetes.
2.6. Schließlich wurden Einsichtnahmen in das Zentrale Melderegister (ZMR), Betreuungsinformationssystem (GVS), Fremdenregister und Strafregister (SA) vorgenommen.
2.7. Die zur Lage im Herkunftsstaat getroffenen Feststellungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl basieren auf Berichten angesehener staatlicher und nichtstaatlicher Einrichtungen und stellen angesichts des bereits Ausgeführten im konkreten Fall eine hinreichende Basis zur Beurteilung des Vorbringens der BF dar.
2.8. Aus den getroffenen und dargestellten Länderfeststellungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, auf die verwiesen wird, lässt sich keine derartige Situation im Herkunftsland ableiten, wonach die BF allein aufgrund der allgemeinen Sicherheitslage ohne Hinzutreten individueller Faktoren in der Mongolei aktuell und mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ihrer Personen drohen würde oder dass ihnen im Falle einer Rückkehr ins Herkunftsland die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 33/2013 idF BGBl. I 122/2013, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß
§ 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
3.2. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
3.3. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Materiengesetzen (BFA-VG, AsylG 2005, FPG) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
3.4. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Zu A)
Zur Abweisung der Anträge nach § 56 AsylG 2005
3.1. Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 56/2018 (im folgenden