Entscheidungsdatum
20.07.2021Norm
AsylG 2005 §5Spruch
W240 2243720-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Feichter über die Beschwerde von XXXX , StA. Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.06.2021, Zl. 503288000/210626147, zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerden werden gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden auch BF), ein nigerianischer Staatsangehöriger, stellte am 06.05.2021 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich aus dem Stande der Haft.
Er reiste erstmals im November 2009 illegal von Italien kommend ins Bundesgebiet ein und stellten am 18.11.2009 einen Asylantrag in Österreich. Dieser Antrag wurde rechtskräftig negativ infolge der festgestellten Zuständigkeit Italiens zurückgewiesen und mit einer Ausweisung nach Italien verbunden. In Vollziehung dieser Ausweisung wurde der BF zwischen 2010 und 2012 mehrfach – nach jeweils wieder erfolgter illegaler Einreise – nach Italien abgeschoben.
Am 01.03.2013 stellte der BF im Bundesgebiet einen zweiten Asylantrag. Dieser wurde letztlich im Juni 2013 infolge Zuständigkeit Spaniens rechtskräftig zurückgewiesen und mit einer Ausweisung nach Spanien verbunden. Am 12.8.2013 wurde der BF in weiterer Folge nach Spanien abgeschoben und dort bei der Ankunft in Madrid von den spanischen Behörden übernommen.
Im Oktober 2013 wurde der BF im Stadtgebiet von Wien einer fremdenpolizeilichen Kontrolle unterzogen, wobei er sich mit einem spanischen Aufenthaltstitel und einem gültigen Reisepass auswies.
Während seines bisherigen Aufenthaltes in Österreich wurde der BF mehrfach straffällig. Im Strafregister der Republik Österreich scheinen mit Stichtag 6.4.2021 insgesamt vier rechtskräftige Verurteilungen zwischen 2010 und 2015 – hauptsächlich im Bereich der Suchtgiftkriminalität – auf.
Die über den BF verhängte Freiheitsstrafe aus dem Jahre 2015 verbüßte er ab dem 16.4.2015 in einer österreichischen Justizanstalt, wobei aktenkundig ist, dass der BF von einem dort gewährten Haftausgang am 31.5.2015 nicht zurückgekehrt war.
Sein Aufenthalt ab diesem Zeitpunkt war in weiterer Folge unbekannt.
Am 3.2.2021 wurde der BF im Stadtgebiet von Wien erneut festgenommen und in weiterer Folge der Justizbehörde vorgeführt. Seit 4.2.2021 ist der BF zur Strafverbüßung wieder in einer österreichischen Justizanstalt gemeldet.
Am 9.3.2021 wurde seitens einer österreichischen Staatsanwaltschaft Anklage wegen vorsätzlich begangener strafbarer Handlungen (wiederum im Bereich der Suchtgiftkriminalität) erhoben. Der Ausgang dieses Verfahrens ist derzeit noch nicht aktenkundig.
Am 19.04.2021 wurde der BF im Rahmen der Einleitung eines Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme (EAM-Verfahren) und zur Prüfung einer Sicherungsmaßnahme (Schubhaft) vom BFA befragt.
Zur Person des BF liegen EURODAC-Treffermeldungen der Kategorie „1“ (Asylantragstellung) zu Österreich vom 01.03.2013, zur Schweiz vom 23.04.2013 und zu Deutschland vom 12.09.2019 vor.
In seiner polizeilichen Erstbefragung am 11.05.2021 gab der BF an, in Österreich würden seine drei Kinder leben, für die er kein Sorgerecht habe. Er sei über Niger und Libyen 2008 nach Italien gelangt und 2009 erstmals nach Österreich gereist. Nachdem der BF erneut in Italien und danach in Spanien war, stellte er 2013 zum zweiten Mal einen Asylantrag in Österreich, von wo aus er abermals nach Italien gelangt sei und versucht habe über das Asylverfahren und eine Eheschließung mit einer Italienerin Dokumente zu erlangen. Zuletzt habe er sich bis Ende 2020 in Deutschland aufgehalten, dort um Asyl angesucht und wäre in einem Asylquartier wohnhaft gewesen. Seinem Antrag wäre nicht stattgegeben worden, weshalb er nach Österreich zurückgekehrt sei, um Kontakt mit seinen Kindern haben zu können. Er wäre hier erneut verhaftet worden und sei seither in der Justizanstalt XXXX .
Der BF gab an, dass all seine Asylanträge (Italien, Österreich und Deutschland) negativ entschieden worden seien. Nach Deutschland wolle er nicht mehr zurück, da dort sein Antrag bereits abgelehnt worden sei. Er wolle jetzt in Österreich bleiben, damit er einen Job bekommen und sich um seine Familie kümmern könne.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) richtete am 18.05.2021 ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. d der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedsstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrag auf internationalen Schutz zuständig ist (im Folgenden: Dublin III-VO), gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Deutschland, in diesem wurden die zahllosen Aliasidentitäten des BF angeführt.
Am 21.05.201 lehnte die deutsche Dublinbehörde mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit der Vorlage weiterer Unterlagen zunächst die Wiederaufnahme ab.
Mit Remonstrationsschreiben vom 26.05.2021 wurde unter Anlage von relevanten Unterlagen eine neue Beurteilung von der deutschen Dublinbehörde gem. Art. 5 (2) d. DfVO 118/2014 eingefordert und gem. Art. 29 Abs. 2 VO (EU) wurde um eine Verlängerung der Überstellungsfrist wegen der Inhaftierung des BF ersucht.
Mit Schreiben vom 26.05.2021 stimmte Deutschland der Wiederaufnahme des BF gemäß
Art 18. Abs. 1 lit. d Dublin III-VO ausdrücklich zu.
Am 08.06.2021 erfolgte eine Einvernahme des BF vor dem BFA. Der BF gab insbesondere an, er sei aktuell in Haft, leide an keinen Krankheiten und benötige keine Medikamente. In Österreich würden drei Kinder des BF leben. Er habe sie lange Zeit – fünf bis sechs Jahre lang – nicht gesehen, sondern nur telefonischen Kontakt gehabt, nun besuche er sie monatlich. Den Kontakt könne er aus Deutschland wieder telefonisch aufrechterhalten. Zuletzt habe er zwei Jahre in Deutschland gelebt, sein dort gestellter Asylantrag wäre abgelehnt worden, eine Beschwerde habe er nicht erhoben. Auf Vorhalt der beabsichtigten Überstellung nach Deutschland gab der BF an, nicht freiwillig nach Deutschland zurückkehren, sondern wegen seiner Kinder in Österreich bleiben zu wollen. Über Nachfrage ob etwas gegen die Überstellung nach Deutschland spreche, gab der BF lediglich an, er sehe keinen Grund für die Zuständigkeit Deutschlands und bitte darum, in Österreich bleiben zu dürfen.
Für den BF wurden vorgelegt:
- Deutscher Ausweis „Aufenthaltsgestattung zur Durchführung des Asylverfahrens“, ausgestellt am 14.10.2019
- Originaler, nigerianischer Reisepass, ausgestellt in Madrid, Spanien, gültig bis April 2021
2. Mit Bescheid vom 08.06.2021 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß
§ 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Deutschland gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-VO für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz zuständig sei (Spruchpunkt I.). Zudem wurde gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG gegen den BF die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG dessen Abschiebung nach Deutschland zulässig sei (Spruchpunkt II.).
Die Sachverhaltsfeststellungen zur Lage in Deutschland wurden im angefochtenen Bescheid wie folgt wiedergegeben (unkorrigiert):
Zur Lage im Mitgliedsstaat:
COVID-19 Pandemie
Derzeit herrscht weltweit die als COVID-19 bezeichnete Pandemie. COVID-19 wird durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursacht. In Deutschland wurden bisher 3.710.342Fälle von mit diesem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen, wobei bisher 89.390 diesbezügliche Todesfälle bestätigt wurden. 54.905.132 Impfdosen wurden bisher verabreicht (https://coronavirus.jhu.edu/map.html, abgerufen am 08.06.2021).
Wie gefährlich der Erreger SARS-CoV-2 ist, kann derzeit noch nicht genau beurteilt werden. Man geht aber von einer Sterblichkeitsrate von bis zu drei Prozent aus, wobei v.a. alte Menschen und immungeschwächte Personen betroffen sind (https://www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus/Coronavirus---Haeufig-gestellte-Fragen.html, abgerufen am 08.06.2021).
Allgemeines zum Asylverfahren
Letzte Änderung: 15.5.2020
In Deutschland existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlichen Beschwerdemöglichkeiten (AIDA 3.2019; vgl. BAMF o.D.a, BAMF o.D.b, BR o.D., UNHCR o.D.a, für ausführliche Informationen siehe dieselben Quellen).
Im Berichtsjahr 2019 wurden 142.509 Erstanträge vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) entgegengenommen. Dies bedeutet gegenüber 2018 (161.931 Erstanträge) eine Abnahme der Erstantragszahlen um 12 %. 2019 wurden insgesamt 165.938 Asylanträge (Erstanträge und Folgeanträge) gestellt. Im gesamten Berichtsjahr 2019 wurden insgesamt 183.954 Entscheidungen über Asylanträge getroffen. Im Jahr zuvor waren es 216.873 Entscheidungen; dies bedeutet einen Rückgang um 15,2 %. Dabei lag die Gesamtschutzquote für alle Staatsangehörigkeiten im Berichtsjahr 2019 bei 38,2 % (70.239 positive Entscheidungen von insgesamt 183.954). Im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreswert (35,0 %) stieg die Gesamtschutzquote somit um 3,2 Prozentpunkte an (BAMF 2020). In den ersten vier Monaten 2020 hat die Zahl der Asylanträge im Vergleich zu den entsprechenden Zahlen des Vorjahrs weiter abgenommen.
(BAMF 4.2020)
Quellen:
- AIDA – Asylum Information Database (16.4.2019): Country Report: Germany – 2018 Update, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_de_2018update.pdf, Zugriff 4.5.2020
- BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (o.D.a): Ablauf des Asylverfahrens, https://www.bamf.de/DE/Themen/AsylFluechtlingsschutz/AblaufAsylverfahrens/ablaufasylverfahrens-node.html, Zugriff 4.5.2020
- BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (o.D.b): Ablauf des deutschen Asylverfahrens – Broschüre, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/AsylFluechtlingsschutz/Asylverfahren/das-deutsche-asylverfahren.pdf?__blob=publicationFile&v=12, Zugriff 4.5.2020
- BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2020): Aktuelle Zahlen (Ausgabe: Dezember 2019), https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Statistik/AsylinZahlen/aktuelle-zahlen-dezember-2019.pdf?__blob=publicationFile&v=3, Zugriff 5.5.2020
- BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (04.2020): Aktuelle Zahlen. April 2020, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Statistik/AsylinZahlen/aktuelle-zahlen-april-2020.pdf?__blob=publicationFile&v=6, Zugriff 11.5.2020
Dublin-Rückkehrer
Letzte Änderung: 15.5.2020
Es gibt keine Berichte, dass Dublin-Rückkehrer in Deutschland Schwierigkeiten beim Zugang zum Asylverfahren hätten (AIDA 16.4.2019).
Quellen:
- AIDA – Asylum Information Database (16.4.2019): Country Report: Germany – 2018 Update, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_de_2018update.pdf, Zugriff 4.5.2020
Non-Refoulement
Letzte Änderung: 15.5.2020
Bei jedem Asylantrag prüft das Bundesamt auf Grundlage des Asylgesetzes, ob eine der vier Schutzformen – Asylberechtigung, Flüchtlingsschutz, subsidiärer Schutz oder ein Abschiebungsverbot – vorliegt. Wird ein nationales Abschiebungsverbot festgestellt, darf keine Rückführung in den Staat erfolgen, für den dieses Abschiebungsverbot gilt. Den Betroffenen wird dann von der Ausländerbehörde eine Aufenthaltserlaubnis erteilt (BAMF o.D.b).
Im Jahr 2018 hob die Regierung ihr Abschiebeverbot für Afghanistan auf und im ersten Halbjahr wurden etwa 200 Personen dorthin abgeschoben. Die Praxis erlaubte bis dahin nur Abschiebungen von verurteilten Kriminellen und Personen, die als Sicherheitsrisiko betrachtet wurden. NGOs, darunter auch Amnesty International, kritisierten dies als Verstoß gegen das Refoulement-Prinzip (USDOS 11.3.2020).
Quellen:
- BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (o.D.b): Ablauf des deutschen Asylverfahrens – Broschüre, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/AsylFluechtlingsschutz/Asylverfahren/das-deutsche-asylverfahren.pdf?__blob=publicationFile&v=12, Zugriff 8.5.2020
- USDOS (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Germany, https://www.ecoi.net/de/dokument/2027519.html, Zugriff 15.5.2020
Versorgung
Letzte Änderung: 15.5.2020
Für Versorgung und Unterkunft der Asylwerber ist die zuständige Aufnahmeeinrichtung verantwortlich. Während ihres Aufenthalts erhalten die Asylwerber existenzsichernde Sachleistungen und einen monatlichen Geldbetrag zur Deckung der persönlichen Bedürfnisse im Alltag. Art und Höhe der Leistungen sind durch das sogenannte Asylbewerberleistungsgesetz geregelt. Zu ihnen zählen: Grundleistungen für Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung, Gesundheits- und Körperpflege, Gebrauchs- und Verbrauchsgüter im Haushalt, Leistungen zur Deckung persönlicher Bedürfnisse, Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt sowie individuelle Leistungen, die vom jeweiligen Einzelfall abhängen (BAMF o.D.b; vgl. AIDA 16.4.2019).
Asylwerberleistungen werden auch in der Anschlussunterbringung (wie etwa einer Gemeinschaftsunterkunft oder auch einer privaten Wohnung) erbracht (BAMF o.D.b). Bei einer Unterbringung in Aufnahmeeinrichtungen werden die Grundleistungen als Sachleistungen bereitgestellt. Die Höhe der finanziellen Unterstützung beläuft sich je nach Unterbringung auf:
Bezieher
Betrag bei Unterbringung in den Aufnahmeeinrichtungen
Betrag bei Unterbringung außerhalb von Aufnahmeeinrichtungen
Für alleinstehende Leistungsberechtigte
135 €
354 €
Für jeden von zwei erwachsenen Leistungsberechtigte, die als Partner einen gemeinsamen Haushalt führen
122 €
318 €
Für weitere erwachsene Leistungsberechtigte im selben Haushalt
108 €
284 €
Für sonstige jugendliche Leistungsberechtigte vom Beginn des 15. und bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres
76 €
276 €
Für leistungsberechtigte Kinder vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres
83 €
242 €
leistungsberechtigte Kinder bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres
79 €
214 €
Für in Aufnahmezentren untergebrachte Asylwerber gilt, dass diese mit Essen, Heizung, Kleidung und sanitären Produkten versorgt werden. Daher sind die Sätze deutlich niedriger (AIDA 16.4.2019).
Asylsuchende werden schon während der Bearbeitung ihres Antrags über die Teilnahme an Integrationskursen des Bundesamtes am jeweiligen Wohnort informiert. Für einen möglichen Arbeitsmarktzugang nehmen Beraterinnen und Berater der Bundesagentur für Arbeit vor Ort in den Ankunftszentren Erstdaten der Antragstellenden auf. Diese stehen dann den Arbeitsagenturen und Jobcentern bundesweit zur Verfügung (BAMF o.D.b).
Beim Arbeitsmarktzugang für Asylwerber und Geduldete gelten die folgenden Regelungen: Asylwerber benötigen grundsätzlich eine Arbeitserlaubnis, die durch die lokale Ausländerbehörde erteilt wird. Im 1. bis zum 3. Monat befinden sich die Personen in der Wartefrist. Ab dem 4. Monat können Asylwerber sowie Geduldete in vielen Teilen Deutschlands (mit Ausnahme einiger Regionen) eine Arbeit aufnehmen. Ab dem 16. Monat ist der Arbeitsmarkt in ganz Deutschland ohne Vorrangprüfung offen. Immer dann, wenn keine Vorrangprüfung erfolgt, ist auch eine Tätigkeit als Leiharbeitnehmer möglich. Ab dem 49. Monat ist keine Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit mehr erforderlich; aber weiterhin jene der Ausländerbehörde. Für Fachkräfte und bei Ausbildung gilt ein erleichterter Arbeitsmarktzugang (BMAS 26.3.2020).
Flüchtlinge und Asylsuchende sehen sich bei der Arbeitssuche mit mehreren Hürden konfrontiert, unter anderem langen Überprüfungszeiten für Vorqualifikationen, fehlenden amtlichen Zeugnissen und Abschlüssen sowie eingeschränkten Deutschkenntnissen (USDOS 11.3.2020).
Quellen:
- AIDA – Asylum Information Database (16.4.2019): Country Report: Germany – 2018 Update, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_de_2018update.pdf, Zugriff 11.5.2020
- BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (o.D.b): Ablauf des deutschen Asylverfahrens – Broschüre, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/AsylFluechtlingsschutz/Asylverfahren/das-deutsche-asylverfahren.pdf?__blob=publicationFile&v=12, Zugriff 12.5.2020
- BMAS – Bundesministerium für Arbeit und Soziales (26.3.2020): Arbeitsmarktzugang für Flüchtlinge, https://www.bmas.de/DE/Themen/Arbeitsmarkt/Infos-fuer-Asylsuchende/arbeitsmarktzugang-asylbewerber-geduldete.html, Zugriff 12.5.2020
- USDOS (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Germany, https://www.ecoi.net/de/dokument/2027519.html, Zugriff 12.5.2020
Unterbringung
Letzte Änderung: 15.5.2020
Zunächst werden alle Asylsuchenden in den nächstgelegenen Aufnahmeeinrichtungen des jeweiligen Bundeslandes aufgenommen. Eine solche Einrichtung kann für die vorübergehende oder auch für die längerfristige Unterbringung zuständig sein (BAMF o.D.b). In Deutschland gibt es grundsätzlich drei verschiedene Arten der Unterbringung: Erstaufnahmezentren, Gemeinschaftsunterkünfte und dezentralisierte Unterbringung in Wohnungen. 2015 und 2016 waren Notunterkünfte im Betrieb, die bis auf wenige Ausnahmen inzwischen wieder geschlossen wurden (AIDA 16.4.2019).
Asylwerberinnen und Asylwerber werden in der Regel zunächst in einer Erstaufnahmeunterkunft untergebracht. Nach einer Gesetzesreform vom Juli 2017 wurde die maximale Aufenthaltsdauer in der Erstaufnahmeeinrichtung von sechs auf 24 Monate erhöht. Diese Regelung wurde jedoch bis Ende 2018 nur in Bayern umgesetzt. Wenn die Pflicht zum Aufenthalt im Erstaufnahmezentrum endet, kommen Asylwerber normalerweise in Gemeinschaftsunterkünften unter, wobei es sich um Unterbringungszentren im selben Bundesland handelt. Asylwerber müssen während des gesamten Asylverfahrens in der Gemeinde aufhältig sein, die von der Behörde festgelegt wurde. Die Verantwortung für diese Art der Unterbringung wurde von den Bundesländern oftmals den Gemeinden und von diesen wiederum auf NGOs oder Privatunternehmen übertragen. Manche Gemeinden bevorzugen eine dezentralisierte Unterbringung in Wohnungen. Die Standards und die Lebensbedingungen in Gemeinschaftsunterkünften unterscheiden sich nicht nur regional, sondern auch oft innerhalb bestimmter Regionen stark, daher kann nur schwerlich eine allgemeingültige Aussage über die Lebensbedingungen in solchen Einrichtungen getroffen werden (AIDA 16.4.2019).
Die Ankunftszentren sind der zentrale Zugangspunkt zum Asylverfahren. In diesen Zentren werden alle für das Asylverfahren erforderlichen Schritte durchgeführt. Dies beinhaltet die ärztliche Untersuchung durch die Länder, die Erfassung der persönlichen Daten und die Identitätsprüfung, die Antragstellung, Anhörung und Entscheidung über den Asylantrag sowie erste Integrationsmaßnahmen, wie etwa die sogenannten Erstorientierungskurse durch das Bundesamt. Darüber hinaus findet eine Erstberatung zum Arbeitsmarktzugang durch die örtliche Arbeitsagentur statt (BAMF o.D.b).
Mit den neuen Ankunfts-, Entscheidungs- und Rückkehr-Einrichtungen (AnkER-Einrichtungen) wurde die Grundidee der Ankunftszentren weiterentwickelt. Das zentrale Element des AnkER-Konzepts ist die Bündelung aller Funktionen und Zuständigkeiten: von Ankunft über Asylantragstellung und Entscheidung bis zur kommunalen Verteilung, ersten integrationsvorbereitenden Maßnahmen bzw. der Rückkehr von Asylantragstellenden. Alle direkt am Asylprozess beteiligten Akteure sind vor Ort in den AnkER-Einrichtungen vertreten. Dies sind in der Regel die Aufnahmeeinrichtungen des Landes, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, die Ausländerbehörden, Verwaltungsgerichte, Jugendämter und die Bundesagentur für Arbeit. Für die Ausgestaltung der Zentren wird dabei kein starres Konzept vorgegeben – die Länder können hier die Schwerpunkte setzen, die ihnen besonders wichtig sind (BAMF o.D.b).
Quellen:
- AIDA – Asylum Information Database (16.4.2019): Country Report: Germany – 2018 Update, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_de_2018update.pdf, Zugriff 8.5.2020
- BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (o.D.b): Ablauf des deutschen Asylverfahrens – Broschüre, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/AsylFluechtlingsschutz/Asylverfahren/das-deutsche-asylverfahren.pdf?__blob=publicationFile&v=12, Zugriff 11.5.2020
Medizinische Versorgung
Letzte Änderung: 15.5.2020
Asylwerber sind grundsätzlich nicht gesetzlich krankenversichert, sondern haben im Krankheitsfall Ansprüche nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). In Abhängigkeit von Aufenthaltsdauer und -status definiert das Gesetz unterschiedliche Leistungsniveaus (GKV 6.11.2019).
Die Gesetze sehen medizinische Versorgung für Asylwerber in Fällen akuter Erkrankung oder bei Schmerzen vor. Hierbei werden beispielsweise auch Zahnbehandlung und Medikation umfasst. Sonstige, darüberhinausgehende Leistungen liegen im Ermessen der Sozialbehörden und können gewährt werden, wenn sie im Einzelfall zur Sicherung des Lebensunterhalts oder der Gesundheit unerlässlich sind. Schwangere und Wöchnerinnen sind eigens im Gesetz erwähnt. Unabdingbare medizinische Behandlung steht auch Personen zu, die – aus welchen Gründen auch immer – kein Recht auf Sozialunterstützung mehr haben. Deutsche Gerichte haben sich in verschiedenen Fällen der Sichtweise angeschlossen, dass von diesen Bestimmungen auch chronische Erkrankungen abgedeckt werden, da auch diese Schmerzen verursachen können. Berichten zufolge werden jedoch notwendige, aber kostspielige diagnostische Maßnahmen oder Therapien von den lokalen Behörden nicht immer bewilligt (AIDA16.4.2019; vgl. GKV 6.11.2019).
Zuständig für die Umsetzung dieses Leistungsanspruchs sind die Länder bzw. die von ihnen per Landesgesetz bestimmten Behörden. Innerhalb der ersten 15 Monate des Aufenthalts in Deutschland (sogenannte Wartezeit) wird dies in der Regel über die Ausgabe von speziellen Behandlungsscheinen (Krankenscheinen) durch die Sozialämter sichergestellt (GKV 6.11.2019). Bei Letzteren wird von Problemen aufgrund von Inkompetenz des Personals berichtet (AIDA 16.4.2019). Die Leistungsgewährung nach dem AsylbLG liegt demnach im Ermessen der kommunalen Leistungsträger. Nach der Wartezeit werden die Asylwerber gemäß § 264 Abs. 2 SGBV auftragsweise von den gesetzlichen Krankenkassen betreut. Sie erhalten eine elektronische Gesundheitskarte (eGK), mit der Sie nahezu dieselben Leistungen erhalten wie gesetzlich Krankenversicherte. Die Krankenkassen erhalten die Aufwendungen und einen Verwaltungskostenanteil von den Trägern der Sozialhilfe erstattet (GKV 6.11.2019).
Es wird kritisiert, dass auch Asylwerber, die eine Gesundheitskarte besitzen, immer noch lediglich Zugang zu einer Notfallbehandlung hätten. Einige Gemeinden und private Gruppen sorgten für eine zusätzliche Gesundheitsversorgung (USDOS 13.3.2020).
Quellen:
- AIDA – Asylum Information Database (16.4.2019): Country Report: Germany – 2018 Update, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_de_2018update.pdf, Zugriff 11.5.2020
- GKV – GKV-Spitzenverband (6.11.2019): Fokus: Asylsuchende/ Flüchtlinge, https://www.gkv-spitzenverband.de/presse/themen/fluechtlinge_asylbewerber/fluechtlinge.jsp, Zugriff 12.5.2020
- USDOS (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Germany, https://www.ecoi.net/de/dokument/2027519.html, Zugriff 12.5.2020
Begründend wurde ausgeführt, die Identität des BF stehe fest und er leide an keinen schweren, lebensbedrohenden Krankheiten. Deutschland habe sich zur Wiederaufnahme des BF für zuständig erklärt. Er habe familiäre Bindungen durch seine drei Kinder in Österreich, durch seine Ausreise aus eigenem habe er diese Bindungen getrennt. Seiner Unterhaltsverpflichtung käme er nicht nach, die Kinder würden bei Pflegefamilien leben und enger Kontakt zwischen ihnen und dem BF bestehe nicht. Es sei nicht von einer Bindung im Sinne von Artikel 8 EMRK an Österreich oder einen EU Staat auszugehen. Er habe bisher hauptsächlich telefonischen Kontakt zu seinen Kindern gehabt. Die Zeit in Österreich habe er hauptsächlich in Haft oder im Untergrund verbracht.
3. Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde und es wurde vorgebracht, dass ein nicht gerechtfertigter Eingriff in das Privat- und Familienleben des BF vorliege. Er habe telefonischen und wenn möglich persönlichen Kontakt mit seinen leiblichen Kindern. Die belangte Behörde habe aktenwidrig angenommen, dass alle drei Kinder bei Pflegefamilien leben würden und kein Kontakt bestehe. Nur zwei Kinder würden bei einer Pflegefamilie leben, da ihre Mutter krank sei und der BF keine Arbeitsdokumente habe. Auch zu den beiden Müttern bestehe guter und laufender Kontakt. Die Behörde hätte zu dem Schluss kommen müssen, vom Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO Gebrauch zu machen.
4. Mit Beschluss vom 28.06.2021 zu W240 2243720-1 wurde der Beschwerde gegen vorzitierten Bescheid die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der BF, ein nigerianischer Staatsangehöriger, stellte am 06.05.2021 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich aus dem Stande der Haft.
Der BF reiste erstmals im November 2009 illegal von Italien kommend ins Bundesgebiet ein und stellten am 18.11.2009 einen Asylantrag in Österreich. Dieser Antrag wurde rechtskräftig negativ infolge der festgestellten Zuständigkeit Italiens zurückgewiesen und mit einer Ausweisung nach Italien verbunden.
Am 01.03.2013 stellte der BF im Bundesgebiet seinen zweiten Asylantrag. Dieser wurde letztlich im Juni 2013 infolge Zuständigkeit Spaniens rechtskräftig zurückgewiesen und mit einer Ausweisung nach Spanien verbunden. Am 12.8.2013 wurde der BF in weiterer Folge nach Spanien abgeschoben und dort bei der Ankunft in Madrid von den spanischen Behörden übernommen.
Im Oktober 2013 wurde der BF im Stadtgebiet von Wien einer fremdenpolizeilichen Kontrolle unterzogen, wobei der BF sich mit einem spanischen Aufenthaltstitel und einem gültigen Reisepass auswies.
Folgende Verurteilungen scheinen im Strafregister des BF auf:
- Landesgericht für Strafsachen XXXX , vom XXXX : § 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall und Abs. 3 SMG – sechs Monate bedingte Freiheitsstrafe, Probezeit drei Jahr, verlängert auf fünf Jahre, Widerruf der Nachsicht ( XXXX vom XXXX .2015)
- Landesgericht für Strafsachen XXXX , vom XXXX (Datum der letzten Tat XXXX 2012): § 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall und Abs. 3 SMG – neun Monate Freiheitsstrafe, davon sieben Monate bedingt, Probezeit drei Jahr, verlängert auf fünf Jahre, unbedingter Teil vollzogen am 26.09.2012, endgültige Strafnachsicht vom 11.05.2018
- Landesgericht für Strafsachen XXXX , vom XXXX (Datum der letzten Tat XXXX .2011): §§ 229 Abs. 1, 231 Abs. 1 StGB – zwei Jahre Freiheitsstrafe
- Landesgericht für Strafsachen XXXX , vom XXXX (Datum der letzten Tat XXXX .2015): § 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall und Abs. 3 SMG – zehn Monate Freiheitsstrafe
Die über den BF verhängte Freiheitsstrafe aus dem Jahre 2015 verbüßte der BF ab den 16.4.2015 in einer österreichischen Justizanstalt, wobei aktenkundig ist, dass der BF von einem dort gewährten Haftausgang am 31.5.2015 nicht zurückgekehrt war.
Am 3.2.2021 wurde der BF im Stadtgebiet von Wien erneut festgenommen und in weiterer Folge der Justizbehörde vorgeführt. Seit 4.2.2021 ist der BF zur Strafverbüßung wieder in einer österreichischen Justizanstalt gemeldet.
Am 9.3.2021 wurde seitens einer österreichischen Staatsanwaltschaft Anklage wegen vorsätzlich begangener strafbarer Handlungen (wiederum im Bereich der Suchtgiftkriminalität) erhoben. Der Ausgang dieses Verfahrens ist derzeit noch nicht aktenkundig.
Zur Person des BF liegen EURODAC-Treffermeldungen der Kategorie „1“ (Asylantragstellung) zu Österreich vom 01.03.2013, zur Schweiz vom 23.04.2013 und zu Deutschland vom 12.09.2019 vor.
Das BFA richtete am 18.05.2021 ein Wiederaufnahmeersuchen gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-VO, welchem Deutschland mit Schreiben vom 21.05.2021 nicht zustimmte. Am 26.05.2021 richtete das BFA ein Remonstrationsschreiben an Deutschland, woraufhin Deutschland dem Ersuchen mit Schreiben vom 26.05.2021 gemäß Art 18. Abs. 1 lit. d Dublin III-VO ausdrücklich zustimmte.
Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den oben wiedergegebenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Allgemeinsituation im Mitgliedstaat Deutschland an.
Konkrete, in der Person des BF gelegene Gründe, welche für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung im zuständigen Mitgliedstaat sprechen würden, liegen nicht vor.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle einer Überstellung nach Deutschland Gefahr liefe, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden. Im zuständigen Mitgliedstaat herrschen keine systemischen Mängel in Verfahren wegen internationalen Schutzes.
Der relativ junge BF (aufgrund der unterschiedlich angegebenen Geburtsdaten ist er höchstens rund 33 Jahre alt) behauptete bei seiner Einvernahme vor dem BFA, dass er gesund sei. Medizinische Unterlagen wurden keine vorgelegt. Schwere oder lebensbedrohende Erkrankungen, welche der Überstellung des BF nach Deutschland entgegenstehen, liegen nicht vor.
Die aktuelle Situation hinsichtlich der Covid-19-Pandemie begründet keine Unmöglichkeit einer Rückkehr des BF nach Deutschland.
Bei Covid-19 handelt es sich um eine durch das Corona-Virus SARS-COV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet. Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15 % der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung so schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck) auf. In Österreich gab es mit Stand 16.07.2021, 647.930 bestätigte Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen und 10.518 Todesfälle, wobei insgesamt 8.672.493 Impfdosen verabreicht wurden; in Deutschland wurden mit Stand 16.07.2021, 3.740.325 Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen und wurden bisher 91.319 Todesfälle bestätigt, wobei insgesamt 84.115.549 Impfdosen verabreicht wurden (https://covid19.who.int/, 16.07.2021).
In Österreich leben drei leibliche Kinder von zwei verschiedenen Müttern – ein Sohn lebt bei seiner Mutter, die Tochter und ein weiterer Sohn des BF leben bei einer Pflegefamilie. Zwischen dem BF und seinen Kindern besteht weder ein finanzielles noch ein sonstiges Abhängigkeitsverhältnis.
2. Beweiswürdigung:
Die festgestellten Tatsachen zur illegalen Einreise des BF in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten, zu seiner Reiseroute und den Asylantragstellungen in Deutschland, der Schweiz und zu den beiden bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren des BF in Österreich ergeben sich aus dem Akt, in Kombination mit den Angaben des BF im Rahmen seiner Einvernahmen sowie der vorliegenden EURODAC-Treffermeldungen der Kategorie „1“.
Die Feststellungen bezüglich des Wiederaufnahmegesuchs der österreichischen Dublin-Behörde und der damit einhergehenden Beantwortung des Gesuchs durch Deutschland beruhen auf dem durchgeführten – im Verwaltungsakt dokumentierten – Konsultationsverfahren zwischen der österreichischen Dublin-Behörde und der deutschen Dublin-Behörde.
Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat ergibt sich aus den umfangreichen und durch aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, die auf alle entscheidungswesentlichen Fragen eingehen.
Das BFA hat in seiner Entscheidung neben Ausführungen zur Versorgungslage von Asylwerbern in Deutschland auch Feststellungen zur dortigen Rechtslage und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen (darunter konkret auch im Hinblick auf Rückkehrer nach der Dublin-VO) samt dem jeweiligen Rechtsschutz im Rechtsmittelweg getroffen. Es wurden alle entscheidungswesentlichen Länderfeststellungen ins Verfahren eingebracht seitens des BFA.
Aus den im angefochtenen Bescheid dargestellten Länderinformationen ergeben sich keine ausreichend begründeten Hinweise darauf, dass das deutsche Asylwesen grobe systemische Mängel aufweisen würde. Insofern war aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes insbesondere in Bezug auf die Durchführung des Asylverfahrens, die medizinische Versorgung sowie die Sicherheitslage von Asylsuchenden in Deutschland, den Feststellungen der erstinstanzlichen Entscheidung zu folgen. Individuelle, unmittelbare und vor allem hinreichend konkrete Bedrohungen, welche den Länderberichten klar und substantiell widersprechen würden, hat der BF nicht dargetan.
Die Länderfeststellungen sind ausreichend aktuell, zeichnen allerdings – angesichts der derzeit sich schnell ändernden Gegebenheiten in Zusammenhang mit dem Ausbruch von Covid-19 – naturgemäß ein Bild der (medizinischen) Versorgung von Asylwerbern in Deutschland, welches sich zum Teil auf den Zeitraum vor Ausbruch der Pandemie bezieht. Die Mitgliedstaaten sind allesamt – wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß – vom Ausbruch der Pandemie betroffen und stehen hier vor großen Herausforderungen im Gesundheitsbereich. Diesbezüglich wurden und werden in den einzelnen Ländern tagesaktuell entsprechende Maßnahmen gesetzt (beispielsweise die Verhängung von Ausgangsbeschränkungen und Quarantänemaßnahmen sowie teilweise die Vornahme von Grenzschließungen und Einschränkungen im Personen- und Warenverkehr), die die Ausbreitung von Covid-19 hintanhalten und gleichzeitig die medizinische Versorgung der Bevölkerung – seien es nun eigene Staatsbürger oder dort ansässige Fremde – möglichst sicherstellen sollen. Es ist davon auszugehen, dass Überstellungen erst dann durchgeführt werden, wenn sich die einzelnen Mitgliedstaaten dazu im Stande sehen, die von ihnen übernommenen sog. Dublin-Rückkehrer potentiell auch medizinisch zu versorgen.
Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen ist die Heranziehung der Länderfeststellungen zu Deutschland nicht zu beanstanden, zumal davon auszugehen ist, dass erst – und nur dann – Überstellungen durchgeführt werden, wenn Deutschland für die Einhaltung der einschlägigen asyl- und fremdenrechtlichen Standards nach den Länderfeststellungen garantieren kann.
Eine den BF konkret betreffende Bedrohungssituation in Deutschland wurde nicht dargetan. Insbesondere hat der BF konkret zu Deutschland befragt nur angegeben, er habe in Deutschland zuletzt um Asyl angesucht, einen negativen Bescheid erhalten und sehe keinen Grund dorthin zurückzukehren.
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des BF ergeben sich ebenfalls aus seinem eigenen Vorbringen. Es wurden keine ärztlichen Befunde in Vorlage gebracht. Er hat im Rahmen der Einvernahme keine gesundheitlichen Probleme vorgebracht. Eine stationäre Betreuung war nie notwendig. Er ist – wie jeder Asylwerber – nach seiner Antragstellung in Österreich erstuntersucht worden. Dabei hätte man lebensbedrohliche Erkrankungen diagnostiziert, falls solche vorgelegen wären, es seien jedoch keine diagnostiziert worden. Schließlich ist auf die Länderfeststellungen zur medizinischen Versorgung in Deutschland zu verweisen, in welcher konkret ausgeführt ist, dass Asylwerber nach Antragstellung das Recht auf medizinische Versorgung haben.
Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des BF im österreichischen Bundesgebiet ergeben sich insbesondere aus dem eigenen Vorbringen im Zusammenhalt mit der vorliegenden Aktenlage. Daraus geht hervor, dass der BF in Österreich drei Kinder mit zwei Frauen habe, wobei zwei der Kinder aufgrund des Gesundheitszustandes der Mutter bei einer Pflegefamilie leben würden. Der BF besuche seine Kinder nun monatlich und habe auch Kontakt zu den Müttern. Der BF gab im Zuge der Einvernahme jedoch an, fünf bis sechs Jahre lang keinen persönlichen Kontakt zu seinen Kindern gehabt zu haben und seiner Unterhaltsverpflichtung nicht nachzukommen. Insbesondere ist festzuhalten, dass der BF selbst angab – sollte er nach Deutschland zurückkehren – erneut telefonisch Kontakt zu seinen Kindern halten zu können und diese zu besuchen.
Zudem ist festzuhalten, dass der BF in Europa bereits zahlreiche unberechtigte Anträge auf internationalen Schutz, von denen keiner positiv wurde, gestellt hatte und nun im Zuge der Einvernahme vor dem BFA am 19.04.2021 eine Ergänzung zu seinem Fluchtgrund, die in den vorherigen Verfahren nicht vorgebracht wurde, erstmals angegeben hatte. Er sei aus Biafra und sein Leben sei in Nigeria in Gefahr (AS 6f). Darüber hinaus gab der BF in der Erstbefragung am 11.05.2021 Folgendes an: „Nach Italien werde ich nicht zurückkehren, da ich dort bereits gewesen bin. Ich habe über die Eheschließung und das Asylverfahren versucht Dokumente zu bekommen. Ich habe jedoch keine bekommen.“ (AS 27) In der Erstbefragung vom 02.03.2013 betreffend den zweiten in Österreich gestellten Asylantrag berichtigte der BF sein Geburtsdatum und erklärte: „Das Geburtsdatum 03.03.1993 war eine falsche Angabe von mir, da ich glaubte, damit leichter Asyl zu bekommen.“ Aus diesen Angaben, mit denen der BF ausdrücklich einräumt, unwahre Angaben zu tätigen, um einen Asylstatus zu erschleichen und vor dem Hintergrund der zahllosen Aliasidentitäten des BF lässt sich schließen, dass der BF alle ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nutzt um einen Aufenthaltstitel in Europa zu erlangen.
Der wiederaufgenommene Kontakt zu seinen in Österreich lebenden Kindern erscheint im Hinblick auf die eben angeführten Umstände nur ein weiterer Versuch zu sein, in Österreich bleiben zu dürfen. Ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem BF und seinen Kindern vermochte er nicht ins Treffen zu führen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) idgF lauten:
§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.
(2) Gemäß Abs. 1 ist auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.
(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.
§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn
1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,
2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,
3. und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.
§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idgF lautet:
§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine
Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
§ 61 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idgF lautet:
§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine
Außerlandesbringung anzuordnen, wenn
1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder
2. …
(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.
(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.
(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird.
Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) lauten:
Art. 3 Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz
(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.
(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.
Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU–Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.
Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.
(3) Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.
Art. 7 Rangfolge der Kriterien
(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.
(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.
(3) Im Hinblick auf die Anwendung der in den Artikeln 8, 10 und 6 (Anmerkung: gemeint wohl 16) genannten Kriterien berücksichtigen die Mitgliedstaaten alle vorliegenden Indizien für den Aufenthalt von Familienangehörigen, Verwandten oder Personen jeder anderen verwandtschaftlichen Beziehung des Antragstellers im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, sofern diese Indizien vorgelegt werden, bevor ein anderer Mitgliedstaat dem Gesuch um Aufnahme- oder Wiederaufnahme der betreffenden Person gemäß den Artikeln 22 und 25 stattgegeben hat, und sofern über frühere Anträge des Antragstellers auf internationalen Schutz noch keine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist.
Art. 13 Einreise und/oder Aufenthalt
(1) Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 dieser Verordnung genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 festgestellt, dass ein Antragsteller aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts.
(2) Ist ein Mitgliedstaat nicht oder gemäß Absatz 1 dieses Artikels nicht länger zuständig und wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 genannten Verzeichnissen festgestellt, dass der Antragsteller — der illegal in die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten eingereist ist oder bei dem die Umstände der Einreise nicht festgestellt werden können — sich vor der Antragstellung während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens fünf Monaten in einem Mitgliedstaat aufgehalten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.
Hat sich der Antragsteller für Zeiträume von mindestens fünf Monaten in verschiedenen Mitgliedstaaten aufgehalten, so ist der Mitgliedstaat, wo er sich zuletzt aufgehalten hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.
Art. 16 Abhängige Personen
(1) Ist ein Antragsteller wegen Schwangerschaft, eines neugeborenen Kindes, schwerer Krankheit, ernsthafter Behinderung oder hohen Alters auf die Unterstützung seines Kindes, eines seiner Geschwister oder eines Elternteils, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, angewiesen oder ist sein Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, auf die Unterstützung des Antragstellers angewiesen, so entscheiden die Mitgliedstaaten in der Regel, den Antragsteller und dieses Kind, dieses seiner Geschwister oder Elternteil nicht zu trennen bzw. sie zusammenzuführen, sofern die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden hat, das Kind, eines seiner Geschwister oder der Elternteil in der Lage ist, die abhängige Person zu unterstützen und die betroffenen Personen ihren Wunsch schriftlich kundgetan haben.
(2) Hält sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil im Sinne des Absatzes 1 rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat als der Antragsteller auf, so ist der Mitgliedstaat, in dem sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil rechtmäßig aufhält, zuständiger Mitgliedstaat, sofern der Gesundheitszustand des Antragstellers diesen nicht längerfristig daran hindert, in diesen Mitgliedstaat zu reisen. In diesem Fall, ist der Mitgliedstaat, in dem sich der Antragsteller aufhält, zuständiger Mitgliedstaat. Dieser Mitgliedstaat kann nicht zum Gegenstand der Verpflichtung gemacht werden, das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil in sein Hoheitsgebiet zu verbringen.
(3) Der Kommission wird die Befugnis übertragen gemäß Artikel 45 in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung des Abhängigkeitsverhältnisses zu berücksichtigen sind, in Bezug auf die Kriterien zur Feststellung des Bestehens einer nachgewiesenen familiären Bindung, in Bezug auf die Kriterien zur Beurteilung der Fähigkeit der betreffenden Person zur Sorge für die abhängige Person und in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung einer längerfristigen Reiseunfähigkeit zu berücksichtigen sind, delegierte Rechtsakte zu erlassen.
(4) Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten einheitliche Bedingungen für Konsultationen und den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten fest. Diese Durchführungsrechtsakte werden nach dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.
Art. 17 Ermessensklauseln
(1) Abweichend von Artikel 3 Absatz 1 kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.
Der Mitgliedstaat, der gemäß diesem Absatz beschließt, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Er unterrichtet gegebenenfalls über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet worden ist, den zuvor zuständigen Mitgliedstaat, den Mitgliedstaat, der ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder den Mitgliedstaat, an den ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch gerichtet wurde.
Der Mitgliedstaat, der nach Maßgabe dieses Absatzes zuständig wird, teilt diese Tatsache unverzüglich über Eurodac nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 mit, indem er den Zeitpunkt über die erfolgte Entscheidung zur Prüfung des Antrags anfügt.
(2) Der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist und der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder der zuständige Mitgliedstaat kann, bevor eine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist, jederzeit einen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen, aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, um Personen jeder verwandtschaftlichen Beziehung zusammenzuführen, auch wenn der andere Mitgliedstaat nach den Kriterien in den Artikeln 8 bis 11 und 16 nicht zuständig ist. Die betroffenen Personen müssen dem schriftlich zustimmen.
Das Aufnahmegesuch umfasst alle Unterlagen, über die der ersuchende Mitgliedstaat verfügt, um dem ersuchten Mitgliedstaat die Beurteilung des Falles zu ermöglichen.
Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt alle erforderlichen Überprüfungen vor, um zu prüfen, dass die angeführten humanitären Gründe vorliegen, und antwortet dem ersuchenden Mitgliedstaat über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet wurde, innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Gesuchs. Eine Ablehnung des Gesuchs ist zu begründen.