TE Bvwg Erkenntnis 2021/7/22 W147 2214896-1

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Veröffentlicht am 22.07.2021
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Entscheidungsdatum

22.07.2021

Norm

AsylG 2005 §7 Abs1
AsylG 2005 §7 Abs3
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch


W147 2214896-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. KANHÄUSER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH in 1020 Wien, Leopold-Moses-Gasse 4, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 9. Januar 2019, Zl. 733848508/180667705, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 und 5 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 138/2017, stattgegeben und der angefochtene Bescheid gemäß § 7 Abs. 1 und Abs. 3 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, aufgehoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 22/2018, nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation und der tschetschenischen Volksgruppe zugehörig, reiste im Dezember 2003 zusammen mit seiner damaligen Lebensgefährtin, die er nach islamischen Ritus geheiratet hat, und der am 15. Februar 2002 geborenen gemeinsamen Tochter unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein. Der Beschwerdeführer brachte am 22. Dezember 2003 einen Antrag auf internationalen Schutz ein

2. Mit Bescheid des ehemaligen Bundesasylamtes vom 28. Februar 2004 Zl. BAL 03.38/485, wurde dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten zuerkannt und festgestellt, dass dem Beschwerdeführer kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

3. Am XXXX und am XXXX wurden zwei weitere Kinder des Beschwerdeführers geboren.

4. Im Jahr 2007 trennte sich der Beschwerdeführer von seiner damaligen Lebensgefährtin.

5. Am 27. Januar 2008 wurde der Beschwerdeführer von der zuständigen Polizeiinspektion wegen § 127 StGB angezeigt.

6. Am 19. November 2008 wurde der Beschwerdeführer mit drei weiteren Personen nach § 102 StGB von der zuständigen Landespolizeidirektion angezeigt.

7. Am XXXX und am XXXX bekam der Beschwerdeführer mit seiner nunmehrigen Lebensgefährtin, die er im Jahr 2008 nach islamischem Ritus heiratete, zwei weitere Töchter.

8. Der Beschwerdeführer wurde mit 18. Oktober 2013 nach § 107a StGB wegen beharrlicher Verfolgung und nach § 218 StGB wegen sexueller Belästigung und öffentliche geschlechtliche Handlungen von der zuständigen Polizeiinspektion angezeigt.

9. Mit XXXX beantragte der Beschwerdeführer einen Konventionsreisepass für Asylberechtigte, der ihm am XXXX mit der Gültigkeit von XXXX bis XXXX für alle Staaten der Welt, mit Ausnahme der Russischen Föderation, ausgestellt wurde.

10. Der Beschwerdeführer wurde sowohl am 16. Februar 2017 und am 4. April 2018 wegen Verstößen nach dem Suchtmittelgesetz angezeigt.

11. Mit 3. August 2017 wurde ein Bericht über die Anhaltung von sieben Personen mit österreichischen Konventionsreisepässen und Reisepässen der Russischen Föderation an die belangte Behörde weitergeleitet und die Kopien der Pässe übermittelt. Diesen Kopien zu Folge besitzt der Beschwerdeführer einen Reisepass der Russischen Föderation, ausgestellt am XXXX mit einer zehnjährigen Gültigkeit. Dieser Reisepass weist Ein- und Ausreisestempel für die Jahre 2015, 2016 und 2017 aus.

12. Am 31. Juli 2017 langte eine Postadressenbestätigung des Beschwerdeführers – XXXX - bei der belangten Behörde ein.

13. Der Beschwerdeführer wurde am 26. Mai 2018 wegen Verstoßes nach § 27 SMG angezeigt.

14. Mit Aktenvermerk vom 16. Juli 2018 leitete die belangte Behörde das nunmehrige Aberkennungsverfahren gegen den Beschwerdeführer ein. Da der Beschwerdeführer straffällig geworden sei, sei die Fünfjahresfrist nicht zu berücksichtigten.

15. Am 8. August 2018 wurde der Beschwerdeführer niederschriftlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die tschetschenische Sprache zur Sachverhaltsabklärung einer möglichen Aberkennung im Sinne des § 7 Asylgesetz 2005 einvernommen.

Der Beschwerdeführer gab befragt zu seinem Gesundheitszustand eingangs an, dass eine Untersuchung vor ein paar Jahren ergeben habe, dass er psychisch krank sei. In Therapie befinde er sich gegenwärtig nicht. Zu seinen Sprachkenntnissen führte der Beschwerdeführer aus, dass er die tschetschenische, die russische und die deutsche Sprache beherrsche. Zu seinem Familienleben gab der Beschwerdeführer an, dass er in der Russischen Föderation seine Lebensgefährtin nach islamischen Ritus geheiratet habe. Nunmehr sei er von ihr seit dem Jahr 2007 getrennt. Die Obsorge für die drei gemeinsamen Töchter habe die ehemalige Lebensgefährtin. Er habe die Kinder seit einigen Jahren nicht gesehen und könne er keine Alimente zahlen. Der Beschwerdeführer sei mit seiner neuen Lebensgefährtin nach islamischen Ritus seit dem Jahr 2008 verheiratet und habe mit ihr zwei Töchter. Er wohne bei seiner Familie, die Obsorge habe die Kindesmutter. Auf Vorhalt, dass der Beschwerdeführer seit 17. Juni 2014 nicht mehr im österreichischen Bundesgebiet gemeldet sei und der Beschwerdeführer gegenwärtig eine Obdachlosenadresse habe, antwortete der Beschwerdeführer, dass er bei der XXXX in XXXX gemeldet sei, aber bei seiner Lebensgefährtin und den Kindern in einer Gemeindewohnung in XXXX lebe. Seine Lebensgefährtin sei krebskrank und sie arbeite nur geringfügig. Seinen Unterhalt bestreite er vom Kindergeld und anderen Unterstützungsgeldern. Er sei aufgrund des Krieges in Tschetschenien krank und habe daher einen Antrag auf Arbeitsunfähigkeit gestellt. Derzeit befinde er sich in Gesprächstherapie. Zu seinem Leben im Heimatland gefragt, führte der Beschwerdeführer aus, dass er mehrere Verwandte, wie seine Mutter, zwei Schwestern, einen Stiefbruder und eine Vielzahl weiterer Verwandten im Herkunftsstaat habe. Der Vater und ein Bruder seien bereits verstorben und habe der Beschwerdeführer als ältester der Geschwister sich um die Gehälter der Mitarbeiter der Baufirma seines vorverstorbenen Vaters, welche von den staatlichen Auftraggebern noch nicht gezahlt worden seien, kümmern müssen. Er habe sich von Anfang Juli 2017 für zwei Wochen im Herkunftsland aufgehalten und habe er mit seiner Familie im Haus seines Schwagers in XXXX gewohnt. Den Reisepass der Russischen Föderation habe er sich beim Passamt in XXXX ausstellen lassen. Um die österreichische Staatsbürgerschaft habe der Beschwerdeführer bislang nicht angesucht. Zu seinen Absichten in Österreich befragt, führte der Beschwerdeführer aus, dass er in Zukunft vorhabe eine gewerbliche Tätigkeit aufzunehmen.

Der Beschwerdeführer brachte ein Schreiben der Pensionsversicherungsanstalt vom 10. November 2017, ein Schreiben der Pensionsversicherungsanstalt vom 2. November 2017, ein Schreiben des männlichen Gesundheitszentrums vom 6. Juni 2018, ein Schreiben von XXXX vom 11. Juli 2018 und eine Informationsgesprächseinladung der XXXX vom 4. Juni 2018 in Vorlage.

16. Mit Schreiben vom 14. August 2018 ersuchte die belangte Behörde XXXX per Mitteilung gemäß § 7 Abs. 3 AsylG, dem Beschwerdeführer einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt-EU“ im Sinne des § 45 Abs. 8 NAG zu erteilen.

17. Mit dem im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 28. Februar 2004 Zl. BAL 03.38/485, zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Absatz 1 Ziffer 2 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF., aberkannt. Gemäß § 7 Absatz 4 AsylG 2005 wurde festgestellt, dass dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.).

Unter Spruchpunkt II. wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Absatz 1 Ziffer 2 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt.

Unter Spruchpunkt III. wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 4 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 3 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, eine Rückkehrentscheidung erlassen und gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig sei. Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG wurde die Frist zur freiwilligen Rückkehr mit vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

Nach allgemeinen Feststellungen zur Lage in der Russischen Föderation und nach Wiedergabe des Verfahrensganges hielt die belangte Behörde zur Begründung ihrer Entscheidung im Wesentlichen zu den Gründen der Aberkennung des Asylstatus wörtlich fest, „Ihnen wurde am 28.03.2018 vom XXXX der Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt-EU“ zuerkannt, weshalb Ihnen der Status eines Asylberechtigten aberkannt werden kann. [sic]“. Der Beschwerdeführer habe sich trotz Schutzgewährung in Österreich freiwillig unter den Schutz seines Heimatlandes gestellt hätte. Der Beschwerdeführer habe sich seit Zuerkennung des Asylstatus ein Reisedokument seines Heimatlandes ausstellen lassen, obwohl er im Besitz eines Konventionsreisepasses gewesen wäre, welcher seine Reisefreiheit mit Ausnahme von Reisen in die Russische Föderation gewährleistet hätte.

18. Mit Verfahrensanordnung gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG vom 10. Januar 2019 wurde dem Beschwerdeführer für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht die „ARGE-Rechtsberatung Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenberatung, Stockhofstraße 40, 4020 Linz“ als Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

19. Mit Schriftsatz vom 25. Januar 2019 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht verfahrensgegenständliche Beschwerde gegen den genannten Bescheid und focht diesen zur Gänze an.

20. Mit E-Mail vom 28. Januar 2019 reichte der Beschwerdeführer eine Vereinbarung der XXXX mit dem Ziel der Etablierung Psychotherapie sowie zwei ärztlichen Befundberichte mit der Diagnose paranoide Schizophrenie (F 20.0) nach.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat zur vorliegenden Beschwerde wie folgt erwogen:

1. Feststellungen:

Auf Grundlage der Verwaltungsakte der belangten Behörde und der herangezogenen Hintergrundberichte zur aktuellen relevanten Lage in der Russischen Föderation wird seitens des Bundesverwaltungsgerichtes Folgendes festgestellt:

1.1. Der volljährige Beschwerdeführer, dessen Identität feststeht, ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation, der tschetschenischen Volksgruppe zugehörig sowie muslimischen Glaubens.

Der Beschwerdeführer reiste Ende des Jahres 2003 gemeinsam mit seiner damaligen Lebensgefährtin und der gemeinsamen Tochter unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 22. Dezember 2003 einen Asylantrag. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 28. Februar 2004 Zl. BAL 03.38/485, wurde dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

1.2. Im Strafregister der Republik Österreich scheint keine Verurteilung des Beschwerdeführers auf.

1.3. Seit dem 9. Mai 2019 ist der Beschwerdeführer obdachlos gemeldet.

Im Zeitraum vom 18. Juni 2014 bis 8. Mai 2019 lag keine Meldung im Zentralen Melderegister vor.

Ansonsten war er vom 30. Januar 2004 - 15. November 2004, 15. November 2004 - 9. Februar 2006, 9. Februar 2006 – 7. September 2007, 7. September 2007- 2. November 2007, 2. November 2007- 8. Mai 2012, 10. Juni 2013 - 17. Juni 2013, 13. Juni 2014 - 17. Juni 2014, mit seinem Hauptwohnsitz, vom 21. November 2008 - 8. Januar 2009, 3. Mai 2009 - 14. Mai 2009, 26. Juni 2010 - 13. Juli 2010, mit seinem Nebenwohnsitz und vom 10. Mai 2012 - 10. Juni 2013, 20. September 2013 - 13. Mai 2014 und vom 16. Mai 2014 - 13. Juni 2014 als obdachlos in Österreich gemeldet.

1.4. Es liegt zwar eine Verständigung der nach dem NAG zuständigen Aufenthaltsbehörde durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vor, jedoch wurde sie laut angefochtenem Bescheid (Seite 10) zurückgezogen. Dem Beschwerdeführer kommt kein Aufenthaltstitel nach dem NAG zu.

2. Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich unstrittig aus dem Akteninhalt, insbesondere den vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl herangezogenen und vorgelegten Akten samt der Beschwerdeschrift, sowie aus den eingeholten Strafregisterauszügen und Anfragen beim Zentralen Melderegister.

Die Aufnahme weiterer Beweise war wegen Entscheidungsreife nicht mehr erforderlich.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, und § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA.

Da sich die gegenständliche – zulässige und rechtzeitige – Beschwerde gegen einen Bescheid des BFA richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem, dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFAVG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder einzustellen ist.

Zu Spruchteil A) Aufhebung des Bescheides:

3.2. Gemäß § 7 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Status des Asylberechtigten einem Fremden von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn ein Asylausschlussgrund nach § 6 vorliegt (Z 1); einer der in Art. 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Endigungsgründe eingetreten ist (Z 2) oder der Asylberechtigte den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat (Z 3).

Gemäß Art. 1 Abschnitt C der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), BGBl. Nr. 55/1955 und 78/1974, wird dieses Abkommen auf eine Person, die unter die Bestimmungen des Abschnittes A fällt, nicht mehr angewendet werden, wenn sie

1. sich freiwillig wieder unter den Schutz ihres Heimatlandes gestellt hat; oder

2. die verlorene Staatsangehörigkeit freiwillig wieder erworben hat; oder

3. eine andere Staatsangehörigkeit erworben hat und den Schutz des neuen Heimatlandes genießt; oder

4. sich freiwillig in den Staat, den sie aus Furcht vor Verfolgung verlassen oder nicht betreten hat, niedergelassen hat; oder

5. wenn die Umstände, auf Grund deren sie als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr bestehen und sie es daher nicht weiterhin ablehnen kann, sich unter den Schutz ihres Heimatlandes zu stellen.

6. staatenlos ist und die Umstände, aufgrund deren sie als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr bestehen, sie daher in der Lage ist, in ihr früheres Aufenthaltsland zurückzukehren.

3.2.1. Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde die amtswegig durchgeführte Aberkennung auf § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 gestützt und dies damit begründet, dass der in Art. 1 Abschnitt C Z 1 der Genfer Flüchtlingskonvention angeführte Endigungsgrund, nämlich die freiwillige Unterschutzstellung, eingetreten sei.

Gemäß § 7 Abs. 3 AsylG 2005 kann das Bundesamt einem Fremden, der nicht straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3), den Status eines Asylberechtigten gemäß Abs. 1 Z 2 leg.cit. nicht aberkennen, wenn die Aberkennung durch das Bundesamt - wenn auch nicht rechtskräftig - nicht innerhalb von fünf Jahren nach Zuerkennung erfolgt und der Fremde seinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet hat. Kann nach dem ersten Satz nicht aberkannt werden, hat das Bundesamt die nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, zuständige Aufenthaltsbehörde vom Sachverhalt zu verständigen. Teilt diese dem Bundesamt mit, dass sie dem Fremden einen Aufenthaltstitel rechtskräftig erteilt hat, kann auch einem solchen Fremden der Status eines Asylberechtigten gemäß Abs. 1 Z 2 leg.cit. aberkannt werden.

3.2.2. Seit dem 9. Mai 2019 ist der Beschwerdeführer neuerlich als obdachlos im Bundesgebiet gemeldet.

Gemäß § 19a Abs. 1 Meldegesetz 1991 (MeldeG), BGBl. Nr. 9/1992 in der Fassung BGBl. I Nr. 28/2001, hat die Meldebehörde einem Obdachlosen auf Antrag nach dem Muster der Anlage D in zwei Ausfertigungen zu bestätigen, dass er den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in dieser Gemeinde hat (Hauptwohnsitzbestätigung), wenn er

1. glaubhaft macht, dass er seit mindestens einem Monat den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen ausschließlich im Gebiet dieser Gemeinde hat, und

2. im Gebiet dieser Gemeinde eine Stelle bezeichnen kann, die er regelmäßig aufsucht (Kontaktstelle).

Nach Abs. 2 leg. cit. gilt die Kontaktstelle als Abgabestelle im Sinne des Zustellgesetzes, BGBl. Nr. 200/1982, sofern der Obdachlose hiezu die Zustimmung des für diese Stelle Verfügungsberechtigten nachweist.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 16. Dezember 2015, Ro 2014/03/0083, festgehalten, dass das Verwaltungsgericht, wenn es in der Sache selbst entscheidet, seine Entscheidung an der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung maßgeblichen Sach- und Rechtslage auszurichten hat. Gleiches gilt auch für den Fall, dass ein Verwaltungsgericht nicht in der Sache selbst entscheidet, zumal andernfalls die für einen solchen Fall angeordnete Bindung der Verwaltungsbehörde an die Begründung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung konterkariert würde (vgl. § 28 VwGVG, insbesondere Abs. 3 und 4 sowie aus der gefestigten Rechtsprechung VwGH 21. Oktober 2014, Ro 2014/03/0076; VwGH 29. Januar 2015, Ro 2014/07/0105; VwGH 18. Februar 2015, Ra 2015/04/0007; VwGH 27. Mai 2015, Ra 2014/12/0021; VwGH 23. Juni 2015, Ra 2014/22/0199; VwGH 27. Juli 2015, Ra 2015/11/0055; VwGH 20. Oktober 2015, Ra 2015/09/0035).

Allfällige Änderungen des maßgeblichen Sachverhalts und der Rechtslage seit der erstinstanzlichen Entscheidung sind daher zu berücksichtigen.

Die Erlassung des angefochtenen Bescheides, mit welchem die Aberkennung des Asylstatus ausgesprochen wurde, erfolgte mehr als fünf Jahre nach der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten im Jahr 2004.

Die Voraussetzungen für die Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 liegen im gegenständlichen Verfahren zum Entscheidungszeitpunkt nicht vor, da der unbescholtene Beschwerdeführer aktuell in Österreich (wieder) mit einem Hauptwohnsitz gemeldet ist und keine Hinweise darauf vorliegen, dass er das Verlassen des Bundesgebietes beabsichtigt. Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel nach dem NAG zukommen würde. § 7 Abs. 3 AsylG 2005 steht daher einer Aberkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 entgegen.

Es deutet auch nichts darauf hin, dass der Beschwerdeführer sonstige Aberkennungstatbestände nach § 7 Abs. 1 Z 1 oder 3 AsylG 2005 verwirklicht hätte.

Ebenso wäre eine Aberkennung nach § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 möglich, wenn dem Beschwerdeführer von der Aufenthaltsbehörde rechtskräftig ein Aufenthaltstitel erteilt würde.

Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass die von der belangten Behörde zur Begründung des angefochtenen Bescheides herangezogenen Voraussetzungen der Aberkennung des dem Beschwerdeführer zuerkannten Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 iVm § 7 Abs. 3 AsylG 2005 zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes nicht vorliegen, sodass sich die mit Spruchpunkt I. vorgenommene Aberkennung des Status des Asylberechtigten als nicht gerechtfertigt erweist. Da die weiteren Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides auf dessen Spruchpunkt I. aufbauen, ist dieser in Stattgebung der Beschwerde zur Gänze zu beheben.

3.2.3. Absehen vom Durchführen einer mündlichen Verhandlung:

Der entscheidungswesentliche Sachverhalt ist im vorliegenden Fall geklärt.

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG. Der maßgebliche Sachverhalt war aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt anzusehen. Aufgrund der Aktenlage stand fest, dass der gegenständliche Bescheid aufzuheben ist. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte unterbleiben.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

4. Zu Spruchteil B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 24/2017, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich stets auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und der europäischen Höchstgerichte stützen; diesbezügliche Zitate finden sich in der rechtlichen Beurteilung. Sofern die oben angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu (zum Teil) alten Rechtslagen erging, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auf inhaltlich gleichlautende Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage übertragbar.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung mangelnder Anknüpfungspunkt Voraussetzungen Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W147.2214896.1.00

Im RIS seit

11.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

11.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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