TE Bvwg Erkenntnis 2021/7/27 W175 2244406-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.07.2021
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Entscheidungsdatum

27.07.2021

Norm

AsylG 2005 §5
B-VG Art133 Abs4
FPG §61

Spruch


W175 2244409-1/3E
W175 2244401-1/3E
W175 2244406-1/3E
W175 2244398-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Neumann über die Beschwerde 1.) der XXXX , geboren am XXXX 2.) der XXXX , geboren am XXXX , 3.) des XXXX , geboren am XXXX , und 4.) des XXXX , geboren am XXXX , irakische Staatsangehöriger, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.06.2021, Zlen: 1.) 1278465404-210694029, 2.) 1278465502-210694037, 3.) 1278463704-210694045 und 4.) 1278464004-210694061, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die ordentliche Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG idgF nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

I.1. Die Erstbeschwerdeführerin (BF1) ist die leibliche Mutter und gesetzliche Vertreterin der anderen minderjährigen BF (BF2 bis BF4), sowie des minderjährigen XXXX , geboren am XXXX , über dessen Antrag auf internationalen Schutz von der zuständigen Gerichtsabteilung W144 mit Erkenntnis vom 27.07.2021 gleichlautend entschieden wird.

Die BF1 reiste gemeinsam mit ihren vier Kindern am 25.05.2021 unter Umgehung der Einreisevorschriften in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 26.05.2021 für sich und die vier Kinder die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz

Ein Eurodac-Abgleich der Fingerabdruckdaten der BF1 am 26.05.2021 ergab, dass von Griechenland am 15.11.2017 und von Luxemburg am 24.09.2018 erkennungsdienstliche Behandlungen der BF1 jeweils aufgrund der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gespeichert worden waren.

I.2. Im Rahmen der Erstbefragung am 26.05.2021 gab die BF1 in Arabisch befragt im Wesentlichen an, dass sie und ihre Kinder irakische Staatsangehörige seien, Identitätsunterlagen könne sie nicht vorlegen, die Reisepässe habe sie im Meer verloren. Der Ehemann befände sich in Luxemburg, sie lebe in Scheidung. Er habe Ehebruch begangen und sie sei vor ihm geflüchtet.

Die gesamte Familie hätte den Irak im September 2017 verlassen und sei über die Türkei, Griechenland, Albanien, Montenegro, Bosnien, Kroatien, Slowenien, und Italien nach Luxemburg gelangt, wo sie (ebenso wie in Griechenland) Anträge auf internationalen Schutz gestellt hätten die negativ entschieden worden wären.

Sie hätten den Irak verlassen, da sie von einer unbekannten Gruppierung Drohungen erhalten hätten. Ihr Sohn XXXX sei entführt und missbraucht worden, sie hätten ihn erst durch Zahlung eines Lösegeldes frei bekommen.

Sie wolle nicht nach Luxemburg, da der Ehemann, mit dem sie als Minderjährige zwangsverheiratet worden sei, ein Kind mit einer anderen Frau habe. Er habe sie betrogen und schlecht behandelt. Überdies habe er ihr nicht erlaubt, für den Sohn psychologische Betreuung zu besorgen.

I.3. Aufgrund des Eurodac-Treffers sowie der Angaben der BF1 richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) an Luxemburg am 04.06.2021 ein auf Art. 18 Abs. 1 lit b der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO), gestütztes Wiederaufnahmeersuchen betreffend die BF1 sowie die vier Kinder.

Mit Schreiben vom 07.06.2021 stimmten die luxemburgischen Behörden der Wiederaufnahme der BF und der vier Kinder gemäß Art. 18 Abs. 1 lit d Dublin III-VO ausdrücklich zu.

I.4. Anlässlich der Einvernahme zur Wahrung des Parteiengehörs vor dem BFA am 22.06.2021 gab die BF1 im Wesentlichen an, dass sie und die Kinder gesund seien, ihre psychische Verfassung sei jedoch nicht gut. Der Sohn habe in Luxemburg Psychopharmaka bekommen, diese nehme er jedoch nicht mehr.

Sie hätten in Österreich keine Verwandten oder sonstigen sozialen Beziehungen. Ein Bruder des Ehemannes lebe in der EU, genaues wisse sie jedoch nicht.

Sie habe in Luxemburg drei negative Entscheidungen bekommen. Deshalb und wegen ihres Mannes habe sie Luxemburg verlassen. Sie wolle nicht zurück, da sie ihr Mann nicht in Ruhe lasse, obwohl sie getrennt leben würden. Er habe sie geschlagen und gedroht, dass er dafür sorgen werde, dass sie in den Irak zurück müsse. Sie seien seit fünf Jahren getrennt, er weigere sich jedoch, sich scheiden zu lassen. Er habe nicht gewollt, dass sie mit dem Sohn zum Arzt gehe.

Sie hätten in getrennten Haushalten gelebt, er sei jedoch immer wieder vorbeigekommen. Auf die Frage, ob sie etwas dagegen unternommen habe, gab sie an, sie sei in mehr als einem Camp gewesen, er sie einfach immer gekommen und es habe Probleme gegeben. Luxemburg sei klein und die Camps seien bekannt, jeder könne dort hineingehen.

Ansonsten sei die Situation in Luxemburg gut gewesen.

I.5. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies das BFA mit den beschwerdegegenständlichen Bescheiden, zugestellt am 28.06.2021, die Anträge der BF1 sowie der vier Kinder auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurück und sprach aus, dass Luxemburg für die Prüfung der Anträge gemäß Art. 18 Abs. 1 lit d der Dublin III-VO zuständig sei (Spruchpunkt I.). Die Außerlandesbringung der BF1 sowie der vier Kinder wurde gemäß § 61 Abs. 1 FPG, angeordnet und festgestellt, dass demzufolge ihre Abschiebung nach Luxemburg gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Dem Bescheid sind folgende Feststellungen zu Luxemburg zu entnehmen:

„(Anmerkung: Die Feststellungen sind durch die Staatendokumentation des Bundesamtes zusammengestellt und entsprechen dem Stand vom August 2018).

Allgemeines zum Asylverfahren

In Luxemburg existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlichen Beschwerdemöglichkeiten (USDOS 20.4.2018), GDL 21.3.2018, Guichet.lu 1.4.2016).

Ende 2016 lebten insgesamt 2046 Flüchtlinge und 1958 Asylsuchende in Luxemburg. Hauptherkunftsländer waren Syrien (14 Prozent), gefolgt von Albanien (11 Prozent), Kosovo (10 Prozent), Irak (acht Prozent) und Serbien (acht Prozent). Fälle von Asylsuchenden aus dem Balkan werden beschleunigt behandelt. Die Zunahme der Asylanträge seit 2015 hat alle Phasen des Asylverfahrens stark belastet (UNHCR 1/2018).

Quellen:
GDL - Grand-Duché de Luxembourg (21.3.2018): Einen Antrag auf internationalen Schutz stellen, http://www.luxembourg.public.lu/de/vivre/citoyennete/immigrer-au-luxembourg/protection-internationale/index.html, Zugriff 28.6.2018
Guichet.lu - Verwaltungsleitfaden (1.4.2016): Einwanderung - Einen Antrag auf internationalen Schutz stellen, http://www.guichet.public.lu/citoyens/de/immigration/cas-specifiques/protection-internationale/demande-protection-internationale/index.html, Zugriff 28.6.2018
UNHCR – UN High Commissioner for Refugees (01/2018): Submission by the United Nations High Commissioner for Refugees; For the Office of the High Commissioner for Human Rights' Compilation Report; Universal Periodic Review: 3rd Cycle, 29th Session; Luxembourg, https://www.ecoi.net/en/file/local/1433832/1930_1527679761_5b0818cb4.pdf, Zugriff 1. August 2018
USDOS – US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 – Luxembourg, https://www.ecoi.net/en/document/1430302.html, 1.8.2018

Dublin-Rückkehrer

Dublin-Rückkehrer haben grundsätzlich Zugang zum Asylverfahren. In „take-charge“-Fällen kann der Rückkehrer einen Erstantrag stellen. Wenn es sich um einen „take-back“-Fall handelt, wird das Verfahren an der Stelle fortgesetzt, wo es in Luxemburg unterbrochen wurde. Sollte das Asylverfahren bei Rücküberstellung bereits abgeschlossen sein, haben Dublin-Rückkehrer zwei Möglichkeiten: Wenn der Asylantrag in Luxemburg zu einem impliziten Verzicht geführt hat, kann der Rückkehrer die Wiedereröffnung seines Akts innerhalb von neun Monaten beantragen. Nach Ablauf dieser Frist kann ein weiterer Asylantrag gestellt werden. Wenn der Asylantrag in Luxemburg zu keinem impliziten Verzicht geführt hat, wird das Verfahren an dem Punkt fortgesetzt, an dem es beendet wurde. Wenn das Asylverfahren in Luxemburg definitiv abgeschlossen ist und der Antragsteller einen negativen Bescheid erhält, kann er nach ihrer Rückkehr im Rahmen des Dublin-Verfahrens einen Folgeantrag stellen (MAÉE 19.7.2018).

Quellen:

- MAÉE - Ministère des Affaires étrangères et européennes - Direction de l’immigration (19.7.2018): Anfragebeantwortung, per E-Mail

Non-Refoulement

Die luxemburgischen Gesetze beinhalten seit August 2008 das Non-Refoulement-Prinzip (CAT 3.6.2015).

Die Behörden prüfen jeden einzelnen Fall inhaltlich (USDOS 20.4.2018).

Quellen:
CAT - UN Committee Against Torture (3.6.2015): Concluding observations on the combined sixth and seventh periodic reports of Luxembourg, http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1436345433_g1511254.pdf, Zugriff 28.6.2018
USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Luxembourg, https://www.ecoi.net/en/document/1430302.html, Zugriff 28.6.2018

Versorgung

Das Luxemburgische Amt für Aufnahme und Integration (Office luxembourgeois de l'accueil et de l'intégration, OLAI) kümmert sich während des Asylverfahrens um die Betreuung der Antragsteller. Nachdem ein Antrag auf internationalen Schutz bei der Einwanderungsbehörde (Direction de l'immigration) des Ministeriums für auswärtige und europäische Angelegenheiten gestellt wurde, erhält der Antragsteller einen Termin beim Sozialdienst des OLAI, wo ihm seine mit seinem Aufenthalt in Luxemburg verbundenen Rechte und Pflichten erklärt werden (GDL 21.3.2018). Der Antragsteller wird an einen Sozialarbeiter des OLAI verwiesen, der Auskunft über die verschiedenen verfügbaren Beihilfen geben kann (Guichet.lu 1.4.2016).

Bei Beantragung von internationalem Schutz unterstützt ebenfalls die Abteilung für Migranten und Flüchtlinge des luxemburgischen Roten Kreuzes die Flüchtlinge; informiert sie und hilft ihnen während ihres Aufenthalts in Luxemburg bei den verschiedenen Schritten ihrer Antragstellung. Gleichzeitig wird deren Integration in die Gesellschaft gefördert. Sollten die Asylwerber vor finanziellen Schwierigkeiten stehen, können sie vom Roten Kreuz Grundnahrungsmittel und materielle Unterstützung wie Kleidung, Lebensmittel usw. erhalten (CRL o.D.).

Wenn Asylwerber nicht über Mittel zur Bezahlung eine Unterkunft verfügen, wird diese seitens OLAI zur Verfügung gestellt. Die Einheit der Familie wird dabei nach Möglichkeit gewahrt (OLAI 12.5.2014).

OLAI bearbeitet Anträge auf Unterbringung und leitet dann die Asylwerber an das Rote Kreuz oder die Caritas weiter. Die Unterbringung der Asylwerber erfolgt hauptsächlich in einem der folgenden Zentren:

-        Das Erstaufnahmezentrum Don Bosco ist für alle Asylwerber in Luxemburg die erste Unterkunft. Dieses Zentrum funktioniert als provisorische Unterkunft, aber auch als Notfallanlaufstelle für Asylwerber, die in der Nacht, am Wochenende, oder außerhalb der behördlichen Öffnungszeiten ankommen. Hier können ca. 120-150 Personen untergebracht werden. Der Aufenthalt dauert ein bis drei Monate.

-        Das Foyer Eich ist ein Asylheim für Familien, Menschen mit besonderen Bedürfnissen und unbegleitete Minderjährige. Hier werden auch Flüchtlinge untergebracht, die sich im Integrations- und Neuansiedlungsprogramm der Luxemburger Regierung befinden. Das Zentrum beherbergt ca. 60 Personen.

-        Das Foyer Félix Schroeder in Rédange bietet Unterkunft für alleinstehende Frauen und ledige Mütter mit Kleinkindern. Dieses Zentrum kann bis zu 50 Personen aufnehmen.

-        Im Foyer in Betzdorf (Aufnahmekapazität 27 Personen) werden Frauen mit oder ohne Kinder untergebracht (SIK 5.2015; vgl. CRL o.D.a, CRL o.D.b).

Asylwerber können jedoch auch in öffentlichen Wohnungen, in Privatwohnungen, in Hotels, in Privateinrichtungen oder in anderen entsprechenden Wohneinheiten untergebracht werden (OLAI 12.5.2014).

Die Versorgung der Asylwerber deckt die folgenden Leistungen und Kosten ab: Unterkunft mit Vollverpflegung oder Bereitstellung von Mahlzeiten bzw. Lebensmitteln, monatliches Taschengeld, Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel, Sozialberatung, Betreuung unbegleiteter Minderjähriger, (OLAI 11.10.2016).

Asylwerber können frühestens neun Monate nach Einbringung des Asylantrags eine vorläufige Beschäftigungserlaubnis (autorisation d'occupation temporaire - AOT) beantragen, die nur für eine bestimmte berufliche Tätigkeit und einen bestimmten Arbeitgeber gültig ist. Die AOT gilt für sechs Monate und ist verlängerbar. Der Anspruch auf Sozialhilfe für Asylwerber wird von OLAI bei Erhalt einer AOT erneut überprüft (Guichet.lu 14.10.2016).

Personen, die nach einem negativen Bescheid das Staatsgebiet freiwillig verlassen, können in den Genuss einer Rückkehrbeihilfe kommen (Assisted Voluntary Return and Reintegration from the Grand-Duchy of Luxembourg, AVRRL), um ihre Rückreise und den Neubeginn im Herkunfts- oder Aufnahmeland zu organisieren. Drittstaatsangehörige, die einen Reisepass ohne Visum besitzen, sind von der Gewährung der Rückkehrbeihilfe ausgeschlossen (Guichet.lu 1.4.2016; vgl. IOM o.D.).

Wenn abgelehnte Asylwerber keine Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen, werden ihnen das Taschengeld und der Kostenersatz für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel gestrichen; sie erhalten jedoch 80% des Essensguthabens und bleiben krankenversichert. Die Kosten für Medikamente werden vom Staat übernommen, aber die Rechnungen für ärztliche Leistungen werden nicht bezahlt. Die Kinder bleiben weiterhin schulpflichtig (MAÉE 19.7.2018).

Quellen:
CRL - Croix-rouge luxembourgoise (o.D.): Asylrecht und Migration, http://www.croix-rouge.lu/de/droit-d%E2%80%99asile-et-migration/, Zugriff 2.7.2018
CRL - Croix-Rouge Luxembourgeois (o.D.a): Erster Empfang, http://www.croix-rouge.lu/de/1er-accueil/, Zugriff 2.7.2018
CRL - Croix-Rouge Luxembourgeois (o.D.b): Einrichtungen, http://www.croix-rouge.lu/de/structures-daccueil/, Zugriff 2.7.2018
GDL - Grand-Duché de Luxembourg (21.3.2018): Einen Antrag auf internationalen Schutz stellen, http://www.luxembourg.public.lu/de/vivre/citoyennete/immigrer-au-luxembourg/protection-internationale/index.html, Zugriff 28.6.2018
Guichet.lu - Verwaltungsleitfaden (1.4.2016): Einwanderung - Einen Antrag auf internationalen Schutz stellen, http://www.guichet.public.lu/citoyens/de/immigration/cas-specifiques/protection-internationale/demande-protection-internationale/index.html, Zugriff 28.6.2018
Guichet.lu - Verwaltungsleitfaden (14.10.2016): Sich als internationalen Schutz beantragende Person einstellen lassen, http://www.guichet.public.lu/citoyens/de/immigration/cas-specifiques/protection-internationale/autorisation-occupation-temporaire/index.html, Zugriff 29.6.2018
MAÉE - Ministère des Affaires étrangères et européennes - Direction de l’immigration (19.7.2018): Anfragebeantwortung, per Email
OLAI - Office Luxembourgeois De L´Accueil et De L´Intégration (12.5.2014): Accomodation, http://www.olai.public.lu/en/accueil-integration/encadrement/hebergement/index.html, Zugriff 29.6.2018
OLAI - Office Luxembourgeois De L´Accueil et De L´Intégration (11.10.2016): Social aid, http://www.olai.public.lu/en/accueil-integration/encadrement/aide-sociale/index.html, Zugriff 29.6.2018
SIK - Senter for interkulturell kommunikasjon (5.2015): Rehabilitation and social reintegration of asylum-seeking children affected by war and armed conflict, https://www.udi.no/globalassets/global/forskning-fou_i/asyl/fou-rehab-reintegration-2015.pdf, Zugriff 2.7.2018

Medizinische Versorgung

Asylwerber erhalten eine medizinische Grundversorgung, weiters bei Bedarf psychologische Versorgung und Betreuung (speziell für traumatisierte Personen), Beratung im Bereich sexueller und reproduktiver Gesundheit, weiters im Bedarfsfall punktuelle Unterstützung. Die Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung werden übernommen (OLAI 11.10.2016).

Abgelehnte Asylwerber bleiben krankenversichert. Die Kosten für Medikamente werden vom Staat übernommen, aber die Rechnungen für ärztliche Leistungen werden nicht bezahlt (MAÉE 19.7.2018).

Quellen:
OLAI - Office Luxembourgeois De L´Accueil et De L´Intégration (11.10.2016): Social aid, http://www.olai.public.lu/en/accueil-integration/encadrement/aide-sociale/index.html, Zugriff 29.6.2018 (19.7.2018): Anfragebeantwortung, per Email
MAÉE - Ministère des Affaires étrangères et européennes - Direction de l’immigration

Derzeit herrscht weltweit die als COVID-19 bezeichnete Pandemie. COVID-19 wird durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte. In Luxemburg wurden bisher 70,586 Fälle von mit diesem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen, wobei bisher 818 diesbezügliche Todesfälle bestätigt wurden. Geimpft wurden bereits 505,986 Personen. (https://coronavirus.jhu.edu/map.html, abgerufen am 25.06.2021).

Wie gefährlich der Erreger SARS-CoV-2 ist, kann derzeit noch nicht genau beurteilt werden. Man geht aber von einer Sterblichkeitsrate von bis zu drei Prozent aus, wobei v.a. alte Menschen und immungeschwächte Personen betroffen sind (https://www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus/Coronavirus---Haeufig-gestellte-Fragen.html, abgerufen am 25.06.2021).

Die aktuelle COVID-19-Pandemie erfordert auch nicht die Zuerkennung von subsidiärem Schutz/die Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung. Eine Epidemie im Herkunftsstaat eines Fremden ist zwar grundsätzlich unter dem Aspekt des Art. 3 EMRK beachtlich. Da es sich aber eben nicht nur um eine Epidemie in Ihrem Herkunftsstaat, sondern um eine Pandemie handelt, ist das allgemeine Lebensrisiko am Erreger SARS-CoV-2 zu erkranken, weltweit, d.h. sowohl in Ihrem Herkunftsstaat, als auch in Österreich, erhöht. Dazu kommt noch, dass Ihr individuelles Risiko an SARS-CoV-2 schwer oder gar tödlich zu erkranken sehr niedrig ist. Das Risiko eines derartig schweren Verlaufs der Erkrankung ist nämlich bei jungen nicht immungeschwächten Menschen viel geringer, als bei Menschen aus Risikogruppen (alte und immungeschwächte Menschen). Auch wenn daher nicht ausgeschlossen werden kann, dass Sie sich mit dem Erreger SARS-CoV-2 in Ihrem Herkunftsstaat infizieren – was aber auch für den Fall Ihres Verbleibs in Österreich gelten würde – ist das Risiko eines schweren oder gar tödlichen Verlaufs der Erkrankung äußerst gering. Ein „real risk“ einer Verletzung des Art. 3 EMRK droht Ihnen in Ihrem Herkunftsstaat aufgrund der COVID-19-Pandemie daher nicht (vgl. idS BVwG 25.03.2020, W273 2188533-1/24E).“

Beweiswürdigend wurde im Bescheid hervorgehoben, dass die Identität der BF lediglich für das gegenständliche Verfahren ausreichend feststehe. Schwere lebensbedrohliche Krankheiten seien von den BF weder behauptet noch belegt worden. Sie hätten zu Österreich keine familiären, sozialen oder beruflichen Beziehungen.

Aus den Länderfeststellungen zu Luxemburg ergebe sich, dass die allgemeine Lage für nach Luxemburg überstellte negativ beschiedene Asylwerber keineswegs die reale Gefahr einer gegen menschenrechtliche Bestimmungen verstoßende Behandlung erkennen lasse. Die Grundversorgung beziehungsweise die medizinische Notversorgung sei in Luxemburg gewährleistet. Auch anderen Fremden stehe der Zugang zu einer medizinischen Notversorgung offen.

Den Angaben der BF1 zu den Bedrohungen durch den Ehemann werde kein Glauben geschenkt, überdies habe sie laut eigenen Angaben keine Bemühungen unternommen, sich an die dortigen Behörden zu wenden. Von einem mangelnden Schutzwillen oder mangelnder Schutzfähigkeit der luxemburgischen Behörden könne nicht ausgegangen werden.

In einer Gesamtbetrachtung habe sich daher kein Anlass für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts des Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO ergeben.

Zudem hätten sich keine Hinweise ergeben, dass durch die Außerlandesbringung unzulässigerweise in das Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens eingegriffen werden würde.

Es gäbe auch keine Gründe, die Durchführung der Entscheidung gemäß § 61 Abs. 3 FPG aufzuschieben.

I.7. Mit 28.06.2021 stellte das BFA den BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG einen Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) amtswegig zur Seite.

I.8. Mit 12.07.2021 brachte die BF1 für sich und die vier Kinder durch ihren gewillkürten Vertreter fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde ein, mit dem die Bescheide gesamtinhaltlich wegen Rechtswidrigkeit und Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten wurde. Es drohe ihnen nach subjektiven und objektiven Kriterien eine reale Gefahr der Verletzung seiner Rechte gemäß Art. 3 und 8 EMRK.

Moniert wurde, dass es den BF nicht zumutbar sei, in Luxemburg zu leben, da sie einer ständigen Belästigung und Bedrohung durch den Ehemann der BF1 ausgesetzt seien und die BF1 Opfer von häuslicher Gewalt geworden sei. Der Ehemann habe auch verhindert, dass der Sohn medizinischen behandelt werde. Die Behörde habe die BF1 dazu nicht ausreichend befragt, da sie sonst vorgebracht hätte, dass gegen den Ehemann ein behördliches Hausverbot erlassen worden sei, was ihn jedoch nicht daran gehindert habe, mit den Belästigungen aufzuhören. Sie hätte auch schildern können, dass sie aufgrund der Abkehr von dem konservativen und religiösen Wertesystem von den männlichen Familienangehörigen als Sünderin wahrgenommen werde und dass sie und die Kinder sich deshalb in Luxemburg nicht persönlich entfalten könnten.

Die Länderberichte seien überdies nicht aktuell, nähere Ausführungen dazu sind der Beschwerde nicht zu entnehmen.

I.9. Die Beschwerdevorlage an die Gerichtsabteilung W175 des BVwG iSd § 16 Abs. 4 BFA-VG erfolgte am 15.07.2021, wobei das Verfahren des minderjährigen XXXX gemäß § 20 AsylG nach erfolgter Unzuständigkeitseinrede am 19.07.2021 der Gerichtsabteilung W144 zugeteilt wurde.

II. Das BVwG hat erwogen:

II.1. Beweisaufnahme:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch Einsicht in:

- die dem BVwG vorliegenden Verwaltungsakten des BFA, beinhaltend die Niederschrift der Erstbefragung der BF1 am 26.05.2021, das Protokoll der Niederschrift vom 22.06.2021, und die Beschwerde vom 12.07.2021

- aktenkundliche Dokumentationsquellen betreffend Luxemburg im angefochtenen Bescheid

- die Korrespondenz mit den luxemburgischen Behörden.

II.2. Feststellungen:

II.2.1. Die BF sind irakische Staatsangehörige, die volljährige BF1 ist die Mutter und gesetzliche Vertreterin der andern drei minderjährigen BF sowie eines weiteren minderjährigen Sohnes. Ihre Identität steht lediglich für die Zwecke der gegenständlichen Verfahren mit ausreichender Sicherheit fest.

II.2.2. Die BF1 hat gemeinsam mit ihrem Ehemann und den vier Kindern den Irak Ende 2017 verlassen und reiste über die Türkei, Griechenland, Albanien, Montenegro, Bosnien, Kroatien, Slowenien und Italien nach Luxemburg, wo die Familie im September 2018 Anträge auf internationalen Schutz stellte. Luxemburg stieg inhaltlich in die Verfahren ein, welche zwischenzeitlich rechtskräftig negativ abgeschlossen wurden.

Danach reiste die BF1 gemeinsam mit den vier Kindern über ihr nicht bekannte Länder ohne das Gebiet der Mitgliedstaaten zu verlassen nach Österreich wo sie für sich und die vier Kinder am 26.05.2021 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz stellte.

II.2.3. Am 04.06.2021 richtete das BFA aufgrund eines vorliegenden Eurodac-Treffers ein Wiederaufnahmeersuchen hinsichtlich der BF1 und ihrer vier Kinder gemäß Art. 18 Abs. 1 lit b Dublin III-VO an Luxemburg, dass einer Wiederaufnahme gemäß Art. 18 Abs. 1 lit d Dublin III-VO mit Schreiben vom 07.06.2021 ausdrücklich zustimmte.

II.2.4. Die BF laufen nach einer Überstellung nach Luxemburg nicht Gefahr, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe beziehungsweise einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden. Im zuständigen Mitgliedstaat herrschen keine systemischen Mängel in Verfahren wegen internationalen Schutzes und wurden diese auch nicht konkret behauptet. In Luxemburg existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlichen Beschwerdemöglichkeiten. Eine medizinische Versorgung der BF inklusive Behandlung chronischer sowie psychischer Erkrankungen ist in Luxemburg gegeben.

Konkrete Verfahrensmängel oder neue Asylgründe wurden von den BF weder substantiiert noch glaubhaft vorgebracht.

In Luxemburg besteht ein rechtsstaatliches Asylverfahren. Nach rechtskräftigem Abschluss ist eine Folgeantragstellung möglich, diese hat aufschiebende Wirkung auf eine Außerlandesbringung, ebenso wie eine Beschwerde gegen Nichtzulassung des Folgeantrags. Gesetzlich ist ein Schutzmechanismus gegen Refoulement vorgesehen. Die Überstellungen in das jeweilige Heimatland erfolgen entsprechend den Regelungen der Mitgliedstaaten.

II.2.5. Akut lebensbedrohende Krankheiten wurden von den BF nicht vorgebracht oder belegt. Eine Verfolgung oder Bedrohung durch den Ehemann der BF1 ist nicht glaubhaft. Selbst bei Wahrheitsunterstellung ist nicht davon auszugehen, dass die luxemburgischen Behörden nicht in der Lage oder nicht willig wären, den BF einen zu Österreich vergleichbaren Schutz zu gewähren.

II.2.6. Die BF haben in Österreich keine Verwandten oder sonstige sozialen Beziehungen.

II.3. Beweiswürdigung:

II.3.1. Die Feststellungen zum Reiseweg der BF und zu ihrer Antragstellung im angeführten Mitgliedstaat ergeben sich im Wesentlichen aus dem eigenen Vorbringen, dem Eurodac-Treffer und dem Schreiben der luxemburgischen Behörde vom 07.06.2021.

Die Feststellungen zum Verfahrensstand in Luxemburg ergeben sich aus der ausdrücklichen Zustimmung Luxemburgs und aus den Angaben der BF1. Das Verfahren in Luxemburg ist rechtskräftig negativ abgeschlossen.

Aus der Aktenlage ergibt sich im Übrigen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit, dass die BF zwischen ihrer Antragstellung in Luxemburg und ihrer Ankunft in Österreich das Gebiet der Mitgliedstaaten nicht für mindestens drei Monate oder auf Grundlage eines Rückführungsbeschlusses oder einer Abschiebungsanordnung verlassen hat.

Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen und zum Gesundheitszustand der BF ergeben sich aus ihren eigenen Angaben und aus der Aktenlage.

Die BF bringen des Weiteren keine Erkrankungen vor, sie benötigen keine Medikamente. Nachweise für eine außergewöhnliche psychische Belastung der Kinder der BF1 wurden nicht vorgelegt und wurde eine solche auch nicht vorgebracht. Der in der Gerichtsabteilung W144 anhängige Sohn der BF1 hat nach Angaben seiner Mutter zwar in Luxemburg Psychopharmaka erhalten, nimmt diese jedoch nicht mehr ein. Eine darüber hinausgehende psychische Behandlung beziehungsweise der Bedarf einer solchen wurde nicht vorgebracht.

Die BF haben laut Angaben der BF1 zu Österreich keine sozialen oder familiären Beziehungen. Es liegt ein Familienverfahren iSd § 34 AsylG vor, die Anträge der BF1 sowie die ihrer vier Kinder werden zeitgleich und gleichlautend entschieden.

Es wurde von der BF1 kein Vorbringen erstattet, welches geeignet wäre, den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu tangieren (siehe Punkt II.4.3.3.). Eine die BF konkret treffende Bedrohungssituation in Luxemburg wurde nicht substantiiert vorgebracht (siehe dazu die weiteren Ausführungen in Punkt II.4.3.2.).

II.3.2. Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat ergibt sich aus den durch ausreichend aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, die auf alle entscheidungswesentlichen Fragen eingehen. Das BFA hat in seiner Entscheidung neben Ausführungen zur Versorgungslage von Asylwerbern in Luxemburg auch Feststellungen zur dortigen Rechtslage und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen (darunter konkret auch im Hinblick auf Rückkehrer nach der Dublin III-VO) samt dem jeweiligen Rechtsschutz im Rechtsmittelweg getroffen. Zur Aktualität der Quellen verwies das BFA im angefochtenen Bescheid darauf, dass zwischenzeitlich keine entscheidungsrelevante Änderung der Lage eingetreten sei, dieser Einschätzung wird vom erkennenden Gericht im Wesentlichen beigepflichtet (vgl. näher unter Punkt II.4.3.2.).

Die pauschale Behauptung, die Länderfeststellungen seien veraltet, ist ohne genaue Begründung oder Vorlage neuerer Berichte nicht geeignet, die Aktualität der Länderfeststellungen in Zweifel zu ziehen, insbesondere, da sich die Lage in Luxemburg generell nicht als besonders volatil darstellt.

Aus den im angefochtenen Bescheid dargestellten Länderinformationen in Zusammenschau mit laufender Medienbeobachtung ergeben sich keine ausreichend begründeten Hinweise darauf, dass das luxemburgische Asylwesen grobe systemische Mängel aufweisen würde. Insofern war aus Sicht des BVwG insbesondere in Bezug auf die Durchführung des Asylverfahrens, die Abschiebepraxis, die medizinische Versorgung sowie die Sicherheitslage von Asylsuchenden in Luxemburg den Feststellungen der verwaltungsbehördlichen Entscheidung zu folgen. Individuelle, unmittelbare und vor allem hinreichend konkrete Bedrohungen, welche den Länderfeststellungen klar und substantiell widersprechen würden, haben die BF nicht glaubhaft oder substantiiert dargetan.

Den Angaben der BF1 hinsichtlich einer Verfolgung oder Bedrohung durch ihren Ehemann oder dessen Familie konnte nicht gefolgt werden. Ihre Angaben waren diesbezüglich unschlüssig und widersprüchlich.

So gab die BF1 am 22.06.2021 an, sie sei seit fünf Jahren von Ihrem Mann getrennt gewesen, andererseits hätten sie jedoch den Irak im September 2017 gemeinsam verlassen.

Entgegen den Behauptungen in der Beschwerde wurde die BF1 von der belangten Behörde am 22.06.2021 aufgefordert, das Vorgehen des Ehemannes zu schildern (AS 109: „Was genau ist passiert?“). Es obliegt danach der BF1 zumindest ein diesbezügliches Grundvorbringen zu erstatten. Sie gab jedoch lediglich an, der Ehemann habe sie immer wieder aufgesucht, obwohl sie von ihm getrennt gelebt habe. Erst in der Beschwerde brachte die BF1 vor, dass sie ein behördliches Hausverbot erwirkt habe, ohne jedoch weiter darauf einzugehen, ob sie sich trotz einer etwaigen Übertretung an die Behörden gewandt habe. Vor dem BFA führte sie trotz direkter Frage (AS 109: „Haben sie jemals etwas unternommen?“) ein Betretungsverbot nicht an.

Weiter führte die BF1 erst in der Beschwerde aus, dass der Ehemann Familienmitglieder habe, die sie ablehnen würden. In der Einvernahme am 22.06.2021 gab die BF1 lediglich an, dass ein Bruder des Ehemannes in der EU lebe, genaues wisse sie jedoch nicht. Im Falle einer tatsächlichen Bedrohungslage wäre davon auszugehen gewesen, dass die BF1 diese auch angeführt hätte.
Dem gesteigerten Vorbringen konnte keine Glaubhaftigkeit beigemessen werden.

Zudem gab die BF1 in der Erstbefragung und in der niederschriftlichen Befragung vor dem BFA an, dass der Ehemann gegen eine medizinische Behandlung des Sohnes gewesen wäre. In der Beschwerde führte die BF1 hingegen aus, der Ehemann habe eine solche sogar verhindert. Dies widerspricht jedoch den bisherigen Angaben der BF1, der Sohn habe in Luxemburg Psychopharmaka erhalten.

Den Angaben der BF1 hinsichtlich einer Verfolgung durch den Ehemann und dessen Familienmitglieder konnte aufgrund des inkonsistenten und gesteigerten Vorbringens kein Glauben geschenkt werden. Selbst im Falle einer Verfolgung kann sich die BF1 an die luxemburgischen Behörden wenden. Es bestehen keine Zweifel daran, dass die luxemburgischen Behörden willens und in der Lage sind, die BF im selben Umfang zu schützen, als dies die österreichischen Behörden vermögen.

II.4. Rechtliche Beurteilung:

II.4.1. Gemäß § 6 Bundesgesetzes über das Verfahren der Verwaltungsgerichte, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 82/2015 (VwGVG) entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 25/2016 (BFA-VG) bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem BFA, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem BVwG gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

§ 16 Abs. 6 und § 18 Abs. 7 BFA-VG bestimmen für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.

Zu A) Abweisung der Beschwerden:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetz 2005 (AsylG) lauten:
„§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuwiesen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzuhalten, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

und in den Fällen der Z1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

…“

§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-VG lautet:

„§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war.

2: das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl- Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, indem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.“

§ 61 Bundesgesetz über die Ausübung der Fremdenpolizei, die Ausstellung von Dokumenten für Fremde und die Erteilung von Einreisetitel, BGBl. I Nr. 100/2005, idgF lautet:

„§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4 a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder

2. …

(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.

(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendendige Zeit aufzuschieben.

(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird.“

Art. 49 der VO 604/2013 lautet auszugsweise:

„Artikel 49

Inkrafttreten und Anwendbarkeit

Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Die Verordnung ist auf Anträge auf internationalen Schutz anwendbar, die ab dem ersten Tag des sechsten Monats nach ihrem Inkrafttreten gestellt werden und gilt ab diesem Zeitpunkt — ungeachtet des Zeitpunkts der Antragstellung — für alle Gesuche um Aufnahme oder Wiederaufnahme von Antragstellern. Für einen Antrag auf internationalen Schutz, der vor diesem Datum eingereicht wird, erfolgt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats nach den Kriterien der Verordnung (EG) Nr. 343/2003.“

Die maßgeblichen Bestimmungen der Dublin III-VO lauten:

„KAPITEL II

ALLGEMEINE GRUNDSÄTZE UND SCHUTZGARANTIEN

Artikel 3

Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz

(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.

(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.

Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU–Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.

Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.

(3) Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.

KAPITEL III

KRITERIEN ZUR BESTIMMUNG DES ZUSTÄNDIGEN MITGLIEDSTAATS

Artikel 7

Rangfolge der Kriterien

(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.

(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.

(3) Im Hinblick auf die Anwendung der in den Artikeln 8, 10 und 6 (Anmerkung: gemeint wohl 16) genannten Kriterien berücksichtigen die Mitgliedstaaten alle vorliegenden Indizien für den Aufenthalt von Familienangehörigen, Verwandten oder Personen jeder anderen verwandtschaftlichen Beziehung des Antragstellers im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, sofern diese Indizien vorgelegt werden, bevor ein anderer Mitgliedstaat dem Gesuch um Aufnahme- oder Wiederaufnahme der betreffenden Person gemäß den Artikeln 22 und 25 stattgegeben hat, und sofern über frühere Anträge des Antragstellers auf internationalen Schutz noch keine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist.

Artikel 13

Einreise und/oder Aufenthalt

(1) Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 dieser Verordnung genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 festgestellt, dass ein Antragsteller aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts.

(2) Ist ein Mitgliedstaat nicht oder gemäß Absatz 1 dieses Artikels nicht länger zuständig und wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 genannten Verzeichnissen festgestellt, dass der Antragsteller — der illegal in die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten eingereist ist oder bei dem die Umstände der Einreise nicht festgestellt werden können — sich vor der Antragstellung während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens fünf Monaten in einem Mitgliedstaat aufgehalten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

Hat sich der Antragsteller für Zeiträume von mindestens fünf Monaten in verschiedenen Mitgliedstaaten aufgehalten, so ist der Mitgliedstaat, wo er sich zuletzt aufgehalten hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

KAPITEL IV

ABHÄNGIGE PERSONEN UND ERMESSENSKLAUSELN

Artikel 16

Abhängige Personen

(1) Ist ein Antragsteller wegen Schwangerschaft, eines neugeborenen Kindes, schwerer Krankheit, ernsthafter Behinderung oder hohen Alters auf die Unterstützung seines Kindes, eines seiner Geschwister oder eines Elternteils, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, angewiesen oder ist sein Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, auf die Unterstützung des Antragstellers angewiesen, so entscheiden die Mitgliedstaaten in der Regel, den Antragsteller und dieses Kind, dieses seiner Geschwister oder Elternteil nicht zu trennen bzw. sie zusammenzuführen, sofern die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden hat, das Kind, eines seiner Geschwister oder der Elternteil in der Lage ist, die abhängige Person zu unterstützen und die betroffenen Personen ihren Wunsch schriftlich kundgetan haben.

(2) Hält sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil im Sinne des Absatzes 1 rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat als der Antragsteller auf, so ist der Mitgliedstaat, in dem sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil rechtmäßig aufhält, zuständiger Mitgliedstaat, sofern der Gesundheitszustand des Antragstellers diesen nicht längerfristig daran hindert, in diesen Mitgliedstaat zu reisen. In diesem Fall, ist der Mitgliedstaat, in dem sich der Antragsteller aufhält, zuständiger Mitgliedstaat. Dieser Mitgliedstaat kann nicht zum Gegenstand der Verpflichtung gemacht werden, das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil in sein Hoheitsgebiet zu verbringen.

(3) Der Kommission wird die Befugnis übertragen gemäß Artikel 45 in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung des Abhängigkeitsverhältnisses zu berücksichtigen sind, in Bezug auf die Kriterien zur Feststellung des Bestehens einer nachgewiesenen familiären Bindung, in Bezug auf die Kriterien zur Beurteilung der Fähigkeit der betreffenden Person zur Sorge für die abhängige Person und in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung einer längerfristigen Reiseunfähigkeit zu berücksichtigen sind, delegierte Rechtsakte zu erlassen.

(4) Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten einheitliche Bedingungen für Konsultationen und den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten fest. Diese Durchführungsrechtsakte werden nach dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.

Artikel 17

Ermessensklauseln

(1) Abweichend von Artikel 3 Absatz 1 kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.

Der Mitgliedstaat, der gemäß diesem Absatz beschließt, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Er unterrichtet gegebenenfalls über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet worden ist, den zuvor zuständigen Mitgliedstaat, den Mitgliedstaat, der ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder den Mitgliedstaat, an den ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch gerichtet wurde.

Der Mitgliedstaat, der nach Maßgabe dieses Absatzes zuständig wird, teilt diese Tatsache unverzüglich über Eurodac nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 mit, indem er den Zeitpunkt über die erfolgte Entscheidung zur Prüfung des Antrags anfügt.

(2) Der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist und der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder der zuständige Mitgliedstaat kann, bevor eine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist, jederzeit einen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen, aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, um Personen jeder verwandtschaftlichen Beziehung zusammenzuführen, auch wenn der andere Mitgliedstaat nach den Kriterien in den Artikeln 8 bis 11 und 16 nicht zuständig ist. Die betroffenen Personen müssen dem schriftlich zustimmen.

Das Aufnahmegesuch umfasst alle Unterlagen, über die der ersuchende Mitgliedstaat verfügt, um dem ersuchten Mitgliedstaat die Beurteilung des Falles zu ermöglichen.

Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt alle erforderlichen Überprüfungen vor, um zu prüfen, dass die angeführten humanitären Gründe vorliegen, und antwortet dem ersuchenden Mitgliedstaat über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet wurde, innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Gesuchs. Eine Ablehnung des Gesuchs ist zu begründen.

Gibt der ersuchte Mitgliedstaat dem Gesuch statt, so wird ihm die Zuständigkeit für die Antragsprüfung übertragen.

KAPITEL V

PFLICHTEN DES ZUSTÄNDIGEN MITGLIEDSTAATS

Artikel 18

Pflichten des zuständigen Mitgliedstaats

(1) Der nach dieser Verordnung zuständige Mitgliedstaat ist verpflichtet:

a.       einen Antragsteller, der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, nach Maßgabe der Artikel 21, 22 und 29 aufzunehmen;

b.       einen Antragsteller, der während der Prüfung seines Antrags in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;

c.       einen Drittstaatsangehörigen oder einen Staatenlosen, der seinen Antrag während der Antragsprüfung zurückgezogen und in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;

d.       einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, dessen Antrag abgelehnt wurde und der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen.

(2) Der zuständige Mitgliedstaat prüft in allen dem Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstaben a und b unterliegenden Fällen den gestellten Antrag auf internationalen Schutz oder schließt seine Prüfung ab.

Hat der zuständige Mitgliedstaat in den in den Anwendungsbereich von Absatz 1 Buchstabe c fallenden Fällen die Prüfung nicht fortgeführt, nachdem der Antragsteller den Antrag zurückgezogen hat, bevor eine Entscheidung in der Sache in erster Instanz ergangen ist, stellt dieser Mitgliedstaat sicher, dass der Antragsteller berechtigt ist, zu beantragen, dass die Prüfung seines Antrags abgeschlossen wird, oder einen neuen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, der nicht als Folgeantrag im Sinne der Richtlinie 2013/32/EU behandelt wird.

In diesen Fällen gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass die Prüfung des Antrags abgeschlossen wird. In den in den Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstabe d fallenden Fällen, in denen der Antrag nur in erster Instanz abgelehnt worden ist, stellt der zuständige Mitgliedstaat sicher, dass die betreffende Person die Möglichkeit hat oder hatte, einen wirksamen Rechtsbehelf gemäß Artikel 46 der Richtlinie 2013/32/EU einzulegen.

Artikel 19

Übertragung der Zuständigkeit

(1) Erteilt ein Mitgliedstaat dem Antragsteller einen Aufenthaltstitel, so obliegen diesem Mitgliedstaat die Pflichten nach Artikel 18 Absatz 1.

(2) Die Pflichten nach Artikel 18 Absatz 1 erlöschen, wenn der zuständige Mitgliedstaat nachweisen kann, dass der Antragsteller oder eine andere Person im Sinne von Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe c oder d, um dessen/deren Aufnahme oder Wiederaufnahme er ersucht wurde, das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten für mindestens drei Monate verlassen hat, es sei denn, die betreffende Person ist im Besitz eines vom zuständigen Mitgliedstaat ausgestellten gültigen Aufenthaltstitels.

Ein nach der Periode der Abwesenheit im Sinne des Unterabsatzes 1 gestellter Antrag gilt als neuer Antrag, der ein neues Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats auslöst.

(3) Die Pflichten nach Artikel 18 Absatz 1 Buchstaben c und d erlöschen, wenn der zuständige Mitgliedstaat nachweisen kann, dass der Antragsteller oder eine andere Person im Sinne von Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe c oder d, um dessen/deren Wiederaufnahme er ersucht wurde, nach Rücknahme oder Ablehnung des Antrags das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten auf der Grundlage eines Rückführungsbeschlusses oder einer Abschiebungsanordnung verlassen hat.

Ein nach einer vollzogenen Abschiebung gestellter Antrag gilt als neuer Antrag, der ein neues Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats auslöst.

KAPITEL VI

AUFNAHME- UND WIEDERAUFNAHMEVERFAHREN

Artikel 20

Einleitung des Verfahrens

(1) Das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats wird eingeleitet, sobald in einem Mitgliedstaat erstmals ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wird.

(2) Ein Antrag auf internationalen Schutz gilt als gestellt, wenn den zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats ein vom Antragsteller eingereichtes Formblatt oder ein behördliches Protokoll zugegangen ist. Bei einem nicht in schriftlicher Form gestellten Antrag sollte die Frist zwischen der Abgabe der Willenserklärung und der Erstellung eines Protokolls so kurz wie möglich sein.

(3) Für die Zwecke dieser Verordnung ist die Situation eines mit dem Antragsteller einreisenden Minderjährigen, der der Definition des Familienangehörigen entspricht, untrennbar mit der Situation seines Familienangehörigen verbunden und fällt in die Zuständigkeit des Mitgliedstaats, der für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz dieses Familienangehörigen zuständig ist, auch wenn der Minderjährige selbst kein Antragsteller ist, sofern dies dem Wohl des Minderjährigen dient. Ebenso wird bei Kindern verfahren, die nach der Ankunft des Antragstellers im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten geboren werden, ohne dass ein neues Zuständigkeitsverfahren für diese eingeleitet werden muss.

(4) Stellt ein Antragsteller bei den zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats einen Antrag auf internationalen Schutz, während er sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, obliegt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet sich der Antragsteller aufhält. Dieser Mitgliedstaat wird unverzüglich von dem mit dem Antrag befassten Mitgliedstaat unterrichtet und gilt dann für die Zwecke dieser Verordnung als der Mitgliedstaat, bei dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde.

Der Antragsteller wird schriftlich von dieser Änderung des die Zuständigkeit prüfenden Mitgliedstaats und dem Zeitpunkt, zu dem sie erfolgt ist, unterrichtet.

(5) Der Mitgliedstaat, bei dem der erste Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, ist gehalten, einen Antragsteller, der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält oder dort einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, nachdem er seinen ersten Antrag noch während des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zurückgezogen hat, nach den Bestimmungen der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen, um das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zum Abschluss zu bringen.

Diese Pflicht erlischt, wenn der Mitgliedstaat, der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats abschließen soll, nachweisen kann, dass der Antragsteller zwischenzeitlich das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten für mindestens drei Monate

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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