TE Bvwg Erkenntnis 2021/7/27 W103 2202159-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.07.2021
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Entscheidungsdatum

27.07.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs4
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch


W103 2202159-2/7E

Im Namen der Republik!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. AUTTRIT als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, vertreten durch den gerichtlichen Erwachsenenvertreter RA XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.06.2020, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia zuerkannt.

II. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für die Dauer eines Jahres erteilt.

III. Die Spruchpunkte II. bis V. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein somalischer Staatsangehöriger und dem muslimischen Glauben zugehörig, stellte am 26.07.2015 infolge illegaler Einreise den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Anlässlich seiner polizeilichen Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 27.07.2015 führte der Beschwerdeführer aus, er habe Somalia vor ca. 20 Jahren wegen des Krieges verlassen und 20 Jahre im Jemen gelebt. Da im Jemen jetzt ebenfalls Krieg sei, hätte er den Jemen verlassen.

Am 20.02.2018 wurde der Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Somalisch niederschriftlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen. Eingangs seiner Befragung bestätigte der Beschwerdeführer, anlässlich seiner Erstbefragung wahrheitsgemäße Angeben erstattet zu haben, welche korrektermaßen protokolliert worden wären. Zur Durchführung der nunmehrigen Befragung fühle er sich sowohl psychisch als auch physisch in der Lage, die Verständigung mit dem anwesenden Dolmetscher funktioniere gut. Die weitere Befragung des Beschwerdeführers zu seinem Fluchtgrund vernahm in ihren verfahrensgegenständlich relevanten Teilen den folgenden Verlauf:

„(…)

-        Am 20.02.2018 wurden Sie im Beisein einer von der erkennenden Behörde bestellten und beeideten Dolmetscherin für die Sprache Somali von dem zur Entscheidung berufenen Organwalter des BFA, niederschriftlich einvernommen. Es folgen die entscheidungsrelevanten Auszüge aus der Einvernahme:

F: Welche Sprachen sprechen Sie?

A: Meine Muttersprache ist Somali. Ich spreche außerdem Arabisch.

F: Verstehen Sie den Dolmetscher einwandfrei?

A: Ja.

V: Sie werden ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Sie im Fall von Verständigungsschwierigkeiten jederzeit Rückfragen können. Ich möchte sicher sein können, das alles, was Sie gesagt haben, auch so gemeint wurde. Wenn Sie während der Befragung etwas trinken möchten, es steht frisches Wasser neben Ihnen, Sie dürfen sich jederzeit etwas einschenken.

A: Ok.

F: Sind Sie anwaltlich vertreten?

A: Nein.

V: Auf die Möglichkeit der Kontaktaufnahme mit dem Rechtsberater, dessen Räumlichkeit sich im dritten Stock der Regionaldirektion befindet, werden Sie hingewiesen. Die Parteienverkehrszeiten der Rechtsberatung sind an der Tür der Rechtsberatung ersichtlich.

F: Sind Sie einvernahmefähig, d.h. sind Sie psychisch und physisch in der Lage die Befragung durchzuführen?

A: Ja.

F: Wie geht es Ihnen, befinden Sie sich in Therapie, Behandlung oder leiden Sie an einer chronischen Krankheit?

A: Mir geht es gut. Ich bin gesund.

V: Sie werden weiters darauf hingewiesen, dass Ihre Angaben im Asylverfahren vertraulich behandelt und nicht an die Behörden Ihres Heimatlandes weitergeleitet werden. Es ist unumgänglich, dass Sie die Wahrheit sagen, nichts verschweigen und alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte selbständig und über Nachfrage wahrheitsgemäß darlegen.

Sie werden zur verpflichtenden Mitwirkung im Verfahren (auch im Falle der Beiziehung von Sachverständigen, allenfalls auch der Vertretungsbehörden) und Mitwirkung an der Klärung Ihrer Identität und Alter in jedem Verfahrensstadium vor dem BFA und dafür ausreichend vorhandener Zeit eingehend und das den nunmehrigen Angaben eine besondere Glaubwürdigkeit zukommt belehrt und ebenso zur Strafbarkeit der Vorlage falscher Beweismittel einschließlich der Verpflichtung zur wahrheitsgemäßen Aussage bei sonstigen straf- und verfahrensrechtlichen Folgen.

Ebenso wird Ihnen zur Kenntnis gebracht, dass Sie jegliche Ladungstermine im gesamten Verfahren vor dem BFA befolgen müssen, da Sie sonst riskieren, dass ein Festnahmeauftrag gegen Sie erlassen werden kann.

Über die Rechtsfolgen und der im allgemeinen nicht möglichen Einbringung neuer Tatsachen in dem Fall, dass Ihrem Ersuchen um Gewährung von internationalem Schutz vom Bundesamt nicht nachgekommen wird (Neuerungsverbot), werden Sie hiermit ebenfalls hingewiesen.

Sie werden weiters darauf hingewiesen, dass Sie der Behörde, auch nachdem Sie Österreich verlassen haben, ihren Aufenthaltsort und Ihre Anschrift bekanntzugeben haben. Wenn Sie sich in Österreich aufhalten, genügt es, wen Sie Ihrer Meldepflicht nach dem MeldeG nachkommen. Bei einer Übersiedelung haben Sie sich binnen 3 Tagen beim Meldeamt umzumelden. Sollten Sie über keinen Wohnsitz verfügen, so werden Sie auf § 19a MeldeG hingewiesen und darauf, dass daran eine 14-tägige Meldeverpflichtung bei der nächstgelegenen Polizeiinspektion nach § 15 Abs. 1 Z. 4 AsylG geknüpft ist.

F: Haben Sie die obigen Ausführungen verstanden?

A: Ja.

F: Sind Sie mit amtswegigen Erhebungen vor Ort unter Wahrung ihre Anonymität, eventuell unter Beiziehung der Österreichischen Botschaft und eines Vertrauensanwaltes einverstanden. Sind Sie damit einverstanden, dass Ihre Angaben im Rahmen einer landesinternen Recherche durch einen Sachverständigen überprüft werden?

A: Ja.

F: Haben Sie im Verfahren bis dato (Polizei) der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht, wurden Ihnen diese jeweils rückübersetzt und korrekt protokolliert?

A: Dreimal ja.

F: Können Sie bitte einen kurzen Lebenslauf bezüglich Ihrer Person schildern? Z.B.: Wo sind Sie aufgewachsen, welche Schulausbildung haben Sie absolviert, welchen Beruf haben Sie ausgeübt etc.?

A: Ich wurde XXXX , Somalia geboren. Als ich noch ein kleines Kind war, verließ meine Familie XXXX und wir gingen nach Mogadischu.

F: Bei der Erstbefragung gaben Sie als Geburtsdatum den XXXX an. In Mogadischu besuchte ich 7 Jahre lang die Schule. Dann organisierte ich mir einen Reisepass und ging in den Jemen. Nachgefragt weiß ich nicht mehr wann ich in den Jemen ging. Nachgefragt ich war ca. 25 Jahre alt als ich von Mogadischu in den Jemen ging. Ich ging damals alleine in den Jemen. Meine Familie blieb in Mogadischu. Ich war dann ca. 20 Jahre im Jemen, in der Stadt Aden. Im Sommer 2015 verließ ich dann den Jemen um nach Europa zu kommen. Ich weiß es nicht mehr genau wann ich den Jemen verließ. Nachgefragt im Jemen habe ich bei einer Firma gearbeitet welche nach Öl gebohrt hat. Der Name der Firma war XXXX Meine Aufgabe war es den Boden zu brechen. Es war eine harte Arbeit.

A: Ja, stimmt. Ich habe mich vertan. Mein richtiges Geburtsdatum lautet XXXX .

Anmerkung: AW gibt nun an medizinische Befunde mitgebracht zu haben. Nach Durchsicht der Unterlagen wird seitens des Referenten entschieden die Einvernahme abzubrechen und zu einem späteren Zeitpunkt fortzusetzen. Dem AW wird mitgeteilt, dass zuerst ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt werden muss, bevor die Einvernahme fortgesetzt werden kann.

F: Haben Sie auch neuere Befunde?

A: Nein.

F: Nehmen Sie aktuell noch Medikamente?

A: Ja.

F: Welche Medikamente nehmen Sie derzeit ein?

A: Ich weiß es nicht. Ich nehme drei verschiedene Tabletten ein.

F: Wer verschreibt Ihnen die Medikamente die Sie aktuell nehmen?

A: In der Unterkunft in der ich lebe gibt es eine Ärztin und diese verschreibt mir die Medikamente immer.

Anmerkung: Dem AW wird aufgetragen neuere ärztliche Befunde bzw. Rezepte dem BFA binnen zwei Wochen vorzulegen.

Es wird rückübersetzt. Ast wird aufgefordert genau aufzupassen und sofort bekannt zu geben, wenn etwas nicht korrekt sein sollte bzw. er noch etwas zu ergänzen hat.

Nach erfolgter Rückübersetzung gebe ich an, dass alles richtig und vollständig ist und alles richtig wiedergegeben wurde.

F: Haben Sie die Dolmetscherin während der Einvernahme einwandfrei verstanden?

A: Ja.

F: Hat die Dolmetscherin das rückübersetzt, was Sie gesagt haben?

A: Ja.

-        Am 17.04.2018 langte bei ho. Behörde das vom BFA in Auftrag gegebene Neurologisch-Psychiatrische Gutachten, ein.

-        Am 22.05.2018 wurden Sie im Beisein einer von der erkennenden Behörde bestellten und beeideten Dolmetscherin für die Sprache Somali von dem zur Entscheidung berufenen Organwalter des BFA, ergänzend niederschriftlich einvernommen. Es folgen die entscheidungsrelevanten Auszüge aus der Einvernahme:

F: Können Sie sich an die Rechtsbelehrung der Einvernahme vom 20.02.2018 noch vollinhaltlich erinnern?

A: Ja.

F: Sind Sie einvernahmefähig, d.h. sind Sie psychisch und physisch in der Lage die Befragung durchzuführen?

A: Ja.

F: Wie geht es Ihnen, befinden Sie sich in Therapie, Behandlung oder leiden Sie an einer chronischen Krankheit?

A: Mir geht es soweit gut. Abends vor dem Schlafen nehme ich Risperidon. Sonst nehme ich keine Medikamente. In fachärztlicher Behandlung bin ich nicht. Ich nehme nur das Medikament und damit geht es mir gut.

F: Wie Sie wissen ist seitens des BFA die Erstellung eines fachärztlichen Gutachtens in Auftrag gegeben worden welches der Behörde nunmehr vorliegt und Ihnen zur Kenntnis gebracht wird. Sie können in das gesamte Gutachten jederzeit Einsicht nehmen, insbesondere die Seiten 12 und 13 werden Ihnen nun von der Dolmetscherin vorgelesen. Möchten Sie dazu eine Stellungnahme abgeben?

A: Nein. Ich verzichte darauf.

F: Spricht aus Ihrer Sicht irgendetwas gegen eine Behandlung im Heimatland?

A: Nein.

F: Welchem Clan und Religion gehören Sie an?

A: Ich gehöre dem Clan Akbare an. Ich bin Muslim, Sunnit.

F: Welchem Sub und Sub Sub Clan gehören Sie an?

A: Sub Clan XXXX . Sub Sub Clan gibt es keinen.

F: Wie viele Ihre Clanangehörigen leben in Mogadischu?

A: Mein Onkel väterlicherseits mit seiner Familie. Alle sind dort. Nachgefragt sind es zwei Onkeln und sie haben fünf Kinder und Familien.

F: Haben oder hatten Sie jemals irgendwelche Dokumente?

A: Nur im Jemen. Ich hatte dort eine Aufenthaltsberechtigungskarte. Nachgefragt habe ich diese Karte in der Türkei verloren.

F: Welche Angehörigen leben noch in Somalia?

A: In Mogadischu wohnen zwei Onkeln samt deren Familien. Sie wohnen im XXXX Sie besitzen dort ein Haus. Sie betreiben eine eigene Bäckerei. Davon können alle gut leben. Die restlichen Angehörigen leben im Jemen.

F: Wie viel haben Sie für die Reise bis Österreich bezahlt?

A: 12.000,- USD.

F: Wie konnten Sie die Reise finanzieren?

A: Ich hatte es durch meine Arbeit angespart.

F: Wann haben Sie die Ausreise angetreten?

A: Vor drei Jahren.

F: Können Sie es etwas konkreter angeben?

A: Nein, wirklich nicht. Ich weiß nur, dass es vor drei Jahren war.

F: Wie lange dauerte Ihre Reise bis Österreich?

A: Einen Monat.

F: Das bedeutet Sie werden den Jemen wahrscheinlich im Juni 2015 verlassen haben?

A: Ja, genau, dass stimmt.

F: Wie lange lebten Sie im Leben?

A: 24 Jahre.

Anmerkung: vermutlich gemeint „im Jemen“

F: Wissen Sie noch wann Sie Somalia verlassen haben?

A: Ich war damals 20 Jahre alt als ich Somalia verließ.

F: Haben Sie Kontakt mit Ihren Verwandten im Heimatland? Wann war der letzte Kontakt? Wie gestaltet sich der Kontakt zu Ihrer Familie? Kommunizieren Sie auch über soziale Netzwerke und neue Medien?

A: Ja ich habe regelmäßig telefonischen Kontakt. Nachgefragt benutze ich auch Internet. Ich benutze auch WhatsApp.

F: Wie kamen Sie damals von Somalia in den Jemen?

A: Ich flog mit einem Flugzeug von Mogadischu aus in den Jemen.

F: Schildern Sie kurz Ihren Reiseweg vom Jemen bis nach Österreich.

A: Vom Jemen flog ich mit Turkish Airlines nach Istanbul. Dann wurde ich mit einem Auto zur Küste gebracht. Ich fuhr dann mit einem Boot, nach kurzer Zeit trafen wir auf ein Schiff welches uns dann nach Griechenland brachte. Von Griechenland wurde ich dann mit einem Auto nach Serbien gebracht. Dann ging ich ein Stück zu Fuß bis ich in ein anderes Auto stieg welches mich dann bis nach Österreich brachte.

F: Warum wählten Sie Österreich?

A: Ich war im Jemen und habe schwer gearbeitet. Es war eine schwere Arbeit. Ich wollte einfach nach Österreich kommen und hier arbeiten.

Beantworten Sie die Fragen mit ja oder nein, wenn relevant, können Sie selbst oder über Nachfragen dazu etwas Näheres angeben. Bitte bedenken Sie, dass sich die Fragen auf Somalia beziehen.

F: Sind Sie vorbestraft oder waren Sie in Ihrem Heimatland inhaftiert oder hatten Sie Probleme mit den Behörden in der Heimat?

A: Nein.

F: Bestehen gegen Sie aktuelle staatliche Fahndungsmaßnahmen wie Haftbefehl, Strafanzeige, etc.?

A: Nein.

F: Sind oder waren Sie politisch tätig?

A: Nein.

F: Sind oder waren Sie Mitglied einer politischen Partei?

A: Nein.

F: Hatten Sie in Ihrem Herkunftsstaat aufgrund Ihres Religionsbekenntnisses bzw. Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit irgendwelche Probleme?

A: Nein.

F: Hatten Sie gröbere Probleme mit Privatpersonen (Blutfehden, Racheakte etc.)

A: Nein.

F: Nahmen Sie in Ihrem Heimatland an bewaffneten oder gewalttätigen Auseinandersetzungen aktiv teil?

A: Nein.

F: Schildern Sie die Gründe, warum Sie Ihr Heimatland verlassen und einen Asylantrag gestellt haben, detailliert, von sich aus, vollständig und wahrheitsgemäß.

Soweit Sie auf Ereignisse Bezug nehmen, werden Sie auch aufgefordert, den Ort und die Zeit zu nennen, wann diese stattfanden und die Personen, die daran beteiligt waren.

A: Den Jemen habe ich verlassen weil ich die schwere Arbeit nicht mehr machen wollte. Ich bin nach Österreich gekommen um hier zu leben und zu arbeiten.

F: Warum verließen Sie damals Somalia?

A: Damals gab es in Somalia einen Krieg. Darum gingen wir in den Jemen.

F: Waren Sie damals selbst irgendwie vom Krieg betroffen?

A: Nein. Als der Krieg ausgebrochen ist, gingen wir kurz darauf in den Jemen.

F: Gibt es irgendwelche Gründe warum Sie jetzt nicht in Somalia leben könnten?

A: Das weiß ich nicht.

F: Würde etwas dagegen sprechen, bei den Onkeln in Mogadischu zu leben und zu arbeiten?

A: Ich möchte hier in Österreich leben.

F: Haben Sie sämtliche Gründe, die Sie veranlasst haben, Ihr Heimatland zu verlassen, vollständig geschildert?

A: Ja.

F: Können Sie Nachweise oder Bestätigungen zu absolvierten Deutschkursen oder sonstigen Integrationsmaßnahmen (Mitgliedschaft in einem Verein, ehrenamtliche Tätigkeit, soziale Kontakte, u.ä.) vorlegen?

A: Nein, ich habe nichts.

F: Haben Sie in Österreich irgendwelche Schritte gesetzt um Arbeit zu finden?

A: Nein, noch nicht. Aber ich möchte, hoffentlich.

F: Sind Sie in Österreich mit dem Gesetz in Konflikt geraten?

A: Nein.

F: Sind Sie je von einer gerichtlichen Untersuchung als Zeuge oder Opfer oder einem zivil- oder strafrechtlichen Gerichtsverfahren oder eine (einstweiligen) gerichtlichen Verfügung in Österreich betroffen gewesen?

A: Nein.

F: Wenn seitens des .BFA eine Rückkehrentscheidung (ev. mit Einreiseverbot) erlassen wird, besteht ein Interesse an freiwilliger Ausreise?

A: Nein.

F: Wenn ja, dürfen Ihre Daten an die Organisationen der Rückkehrhilfe weitergegeben werden?

A: entfällt.

F: Wollen Sie noch etwas angeben, was Ihnen besonders wichtig erscheint?

A: Nein. Ich würde nur gerne hier in Österreich arbeiten und wenn ich Geld gespart habe würde ich gerne einmal in Äthiopien Urlaub machen.

Es wird nochmals rückübersetzt. Ast wird aufgefordert genau aufzupassen und sofort bekannt zu geben, wenn etwas nicht korrekt sein sollte bzw. er noch etwas zu ergänzen hat.

Nach erfolgter Rückübersetzung gebe ich an, dass alles richtig und vollständig ist und alles richtig wiedergegeben wurde.

Es werden nunmehr die Länderfeststellungen zu Somalia zur Stellungnahme, Frist 2 Wochen ab heute, ausgehändigt.

A: Nein, nein, ich brauche das nicht.

F: Haben Sie die Dolmetscherin während der g e s a m t e n Einvernahme einwandfrei verstanden?

A: Ja.

(…)“

Nach anschließender Rückübersetzung seiner Angaben bestätigte der Beschwerdeführer die Richtigkeit und Vollständigkeit der aufgenommenen Niederschrift durch seine Unterschrift.

2. Mit dem Bescheid vom 13.06.2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers vom 26.07.2015 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. (Sp. III.) Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 Asylg iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 200/2005 (FPG) idgF, erlassen. Es wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Somalia zulässig sei (Spruchpunkt IV und V.). Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 wurde die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt IV.).

3. Mit dem neurologisch-psychiatrischen Gutachten des XXXX , hg. eingelangt am 17.04.2018 wurde eine Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis hinsichtlich des BF festgestellt.

4. Gegen den Bescheid des BFA vom 13.06.2018 erhob der BF durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter fristgerecht am 06.07.2018 Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der BF leide laut dem Sachverständigengutachten vom 30.03.2018 an Schizophrenie, dies sei eine Krankheit welche dauerhaft behandelt werden müsse. Eine Abschiebung setze voraus, dass er auch in Somalia mit den nötigen Medikamenten und Fachärzten versorgt werde. Ansonsten könnte sein gesundheitlicher Zustand, lt. Sachverständigengutachten, lebensbedrohliche Ausmaße annehmen. Lt. der belangten Behörde (Bescheid Seite 19ff) gäbe es in Somalia zwar fünf Zentren zur Betreuung von psychischen Krankheiten. Ob aber auch die notwendigen Medikamente vorhanden sind, mit dieser Frage hat sich die Behörde nicht ordnungsgemäß auseinandergesetzt. Die belaste den Bescheid mit Rechtswidrigkeit. Lt. einem Bericht der WHO vom Oktober 2010 zur psychischen Gesundheit in Somalia, würden psychisch eingeschränkte Menschen in Somalia stigmatisiert diskriminiert und gesellschaftlich abgeschottet. Erniedrigende und gefährliche Praktiken – wie das in Ketten legen – seien nicht nur weit verbreitet, sondern auch gesellschaftlich und medizinisch akzeptiert. Da der BF wie dargelegt, in Somalia nicht behandelt werden würde, sondern er stattdessen in Ketten gelegt bzw. weggesperrt werden würde, stelle eine Rückführung nach Somalia ein „real risk“, also eine Verletzung von Art. 3 EMRK, dar. Zumindest wäre diesem aber wegen der aktuellen Dürrekatastrophe/Hungerkrise in Somalia bzw. der Al Shabaab Präsenz in weiten Teilen von Somalia subsidiärer Schutz zuzuerkennen gewesen, die belangte Behörde hat sich damit nicht auseinandergesetzt. Die Zuerkennung von subsidiärem Schutz bzw. eventuell die Behebung des Bescheides der belangten Behörde sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung werde beantragt.

4. Mit Gutachten des XXXX , vom 11.01.2019 wurde festgestellt, dass beim BF ein Alkoholabhängigkeitssyndrom und eine Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis bestehe. Es zeige sich insgesamt eine Befundverschlechterung im Vergleich zum Vorgutachten vom 30.03.2018. Es würden optische und akustische Halluzinationen berichtet und bestehe ein erheblicher Alkoholmissbrauch. Der BF sei nur eingeschränkt in der Lage dem Inhalt einer mündlichen Verhandlung zu folgen, sein Wohl wäre bei seiner Anwesenheit jedoch nicht gefährdet.

5. Am 07.03.2019 langte die Vollmacht des RA XXXX ein, sowie ein Beschluss des BG XXXX vom 15.11.2018 zur Zl. XXXX , wonach RA XXXX gem. § 119 Außerstreitgesetz zum „gerichtlichen Erwachsenenvertreter“ bestellt wurde.

6. Mit Erkenntnis des BVwG vom 12.03.2019, Zl. XXXX , wurde die erhobene Beschwerde gegen den Bescheid vom 13.06.2018 hinsichtlich Spruchpunkt I. gemäß § 3 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen. Mit Beschluss wurde der Bescheid hinsichtlich der Spruchpunkte II. bis IV. gemäß § 18 Abs. 3, 2. Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückverwiesen.

Im Wesentlichen wurde darin rechtlich ausgeführt, dass die belangte Behörde zwar festgestellt habe, dass es in Somalia fünf Zentren zur Betreuung von psychischen Krankheiten, unter anderem auch eines in Mogadischu, gäbe, ob der BF jedoch tatsächlich Zugang zu diesem Zentrum erlangen könne, wo er doch die letzten 24 Jahre nicht in Somalia gelebt habe, habe die belangte Behörde nicht ermittelt und seien dazu auch keine Feststellungen getroffen worden. Ebenso wenig seien Ermittlungen dahingehend angestellt oder Feststellungen getroffen worden, ob die vom BF benötigten Medikamente vorhanden seien, mit welchen er dem medizinischen Befund zufolge, behandelt werden müsse. Darüber hinaus, habe es die belangte Behörde verabsäumt, aktuelle Ermittlungen im Hinblick auf die Auswirkungen der Dürresituation in ihre Erwägungen miteinzubeziehen.

7. Mit Beschluss des BG XXXX vom 25.03.2019, 36 P 160/18y wurde RA XXXX zum gerichtlichen Erwachsenenvertreter des BF für die Vertretung im Asylverfahren gemäß § 271 ABGB bestellt.

8. Die gegen das Erkenntnis des BVwG vom 12.03.2019 erhobene außerordentliche Revision wurde mit Beschluss des VwGH vom 20.08.2019, XXXX , zurückgewiesen, weshalb das Erkenntnis des BVwG in Rechtskraft erwuchs.

9. Am 10.01.2020 wurde der BF neuerlich vor dem BFA niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er zusammenfassend an, XXXX , geb. am XXXX und Staatsangehöriger Somalias zu sein. Der BF habe keine Dokumente zum Beweis seiner Identität. Es gehe ihm gesundheitlich gut, er befinde sich nicht in ärztlicher Behandlung, nehme jedoch Schlaf- und Beruhigungstabletten, wobei er nicht wisse welche. Er nehme Risperdal und Laevolac, Trittico jedoch nicht mehr. Der BF könne weder Deutsch, noch die lateinische Schrift lesen. Er spreche die somalische und die arabische Sprache. Er gehöre der Volksgruppe der Akbare an, sei Moslem, ledig und habe keine Kinder. Der BF sei in XXXX geboren, jedoch in Mogadischu aufgewachsen, wobei er sehr klein gewesen sei, als er nach Mogadischu gekommen sei. Er halte sich seit 4 Jahren und 5 Monaten in Österreich auf, habe keinen Führerschein und kein Auto. In Somalia sei der BF 8 Jahre lang in eine ägyptische Schule gegangen, wo er die arabische Sprache erlernt habe. Beruf habe der BF keinen erlernt und gearbeitet habe er lediglich im Jemen. Somalia habe der BF im Alter von 20 Jahren verlassen. In Somalia sei der BF von seiner Mutter und seinen Großeltern versorgt worden, nachdem sie von seinem Vater verlassen worden seien. Im Jemen habe der BF für eine Öl Firma gearbeitet, wobei er eingesetzt worden sei, um an einer Pipeline den Durchfluss zu regeln. Sein Vater XXXX , lebe in Saudi-Arabien, seine Mutter, XXXX , lebe im Jemen. Der BF habe 8 Geschwister, sein Vater habe 5 Geschwister und seine Mutter habe 4 Geschwister. Großeltern habe der BF keine mehr, sein Vater sei verheiratet und habe vier weitere Kinder mit einer anderen Frau, sie würden in Saudi-Arabien leben, wobei sein Vater Mitarbeiter einer Bank sei. Seine Mutter hätte früher gearbeitet, jetzt jedoch nicht mehr, sie habe nicht mehr geheiratet, bekomme eine kleine Unterstützung von der Behörde und lebe in XXXX im Jemen. Ein Bruder des BF sei verheiratet, habe 3 Kinder und lebe in Dubai, wo er als Polizist arbeite. Zwei weitere Schwestern des BF würden ebenfalls in Dubai leben und eine weitere Schwester lebe in Saudi-Arabien. Zwei weitere Schwestern und ein Bruder würden im Jemen leben, ein Bruder lebe in Somalia. Seine Mutter habe ihn finanziell bei seiner Flucht unterstützt. Zuletzt habe sich der BF im Heimatstaat immer in Mogadischu aufgehalten. Zu seine Rückkehrbefürchtungen befragt, vermeinte der BF, was er dort tun solle. Es gäbe einen Neffen in Österreich, der in XXXX lebe. Er sei der einzige Verwandte des BF in Österreich und heiße XXXX . Seinen Neffen sehe der BF etwa einmal im Monat. Der BF habe keine Kurse oder eine Ausbildung in Österreich absolviert und bestreite seinen Lebensunterhalt aus der Grundversorgung. Derzeit sei er nicht berufstätig und bewohne er alleine einen ca. 12 m² Raum. Befragt, warum gerade der BF mit seinen diagnostizierten psychischen Problemen nicht in Somalia leben könnte, gab er an, dass er von seiner Familie aus Somalia weggebracht worden sei. Dazu, dass er in Somalia nicht behandelt, sondern als psychisch Kranker in Ketten gelegt würde, wolle er nichts sagen. Auch an seine Beschwerde könne er sich nicht erinnern und gehe es ihm gut, er habe keine Erkrankung. Davon, dass sich sein Gesundheitszustand nach dem Gutachten vom 11.01.2019 verschlechtert habe, wisse der BF nichts. Er wolle dazu auch keine Stellung nehmen.

10. Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid vom 29.06.2020 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia ab (Spruchpunkt I.) und wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. (Spruchpunkt II.) Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 Asylg iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 200/2005 (FPG) idgF, erlassen (Spruchpunkt III.). Es wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Somalia zulässig sei (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt V.).

11. Mit Verfahrensanordnung vom 03.07.2020 wurde dem Beschwerdeführer amtswegig eine Rechtsberatungsorganisation für eine allfällige Beschwerdeerhebung zur Seite gestellt.

12. Am 31.07.2020 erhob der BF durch seinen vormaligen rechtsfreundlichen Vertreter, den VMÖ, fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde. Im Wesentlichen wird dabei ausgeführt, dass der BF in XXXX geboren sei und mit seiner Familie im Kleinkindalter nach Mogadischu gezogen sei. Im Anschluss habe er Somalia wegen des Krieges verlassen und sei in den Jemen gezogen, wo er in der Ölindustrie gearbeitet habe. Der BF leide an Schizophrenie und müsse dauerhaft behandelt werden. Eine Abschiebung setze voraus, dass er auch in Somalia mit den notwenigen Medikamenten und von einem Facharzt versorgt werde, widrigenfalls sein Gesundheitszustand lebensbedrohliche Ausmaße annehmen könne. Der BF sei nicht in der Lage in Somalia ohne Familienanschluss oder soziales Netz auf sich allein gestellt zu sein und seine existenziellen Grundbedürfnisse zu decken. Er habe lediglich einen Bruder in Somalia, der arbeitslos sei und könne er eine Unterstützung von Freunden oder Angehörigen nicht erwarten, weil es zwischen ihnen keine gesetzliche oder anderweitige Verpflichtung gäbe sich zu unterstützen. Aufgrund seines Alters, seines Gesundheitszustands und der Tatsache, dass er keine Ausbilde habe, sei der BF schlecht auf die Arbeitswelt vorbereitet. Eine Anfragebeantwortung ergab, dass es in ganz Somalia nur eine handvoll ausgebildeter Psychiater und Psychologen gäbe. In Mogadischu gäbe es nur wenige Institutionen zur Behandlung psychisch Kranker. Psychische Probleme würden in Somalia oft zu Stigmatisierung und Diskriminierung führen, wobei die Behandlungskosten von den Patienten oder ihren Angehörigen getragen werden müssten und komme es mitunter auch zum Anketten von Patienten. Anketten psychisch Kranker stelle eine weit verbreitete Praxis dar. Ob es dem BF tatsächlich möglich sei sich im Herkunftsstaat behandeln zu lassen, lasse die belangte Behörde unbeantwortet. Die belangte Behörde irre auch dahingehend, dass der BF durch seine Arbeitserfahrung im Jemen nun im Falle einer Rückkehr nach Somalia für sein Auskommen sorgen könnte. Aufgrund seines Alters, seiner Erkrankung, seiner langen Abwesenheit aus Somalia, sowie der Tatsache, dass er im Herkunftsstaat über kein soziales Netzwerk verfüge und ihm die im Jemen erworbenen Fähigkeiten bei der Jobsuche in Somalia nicht hilfreich seien, sei davon auszugehen, dass der BF nicht für seinen Unterhalt aufkommen könne. Außerdem habe es die belangte Behörde unterlassen sich mit den Auswirkungen der in Somalia herrschenden Dürre auseinanderzusetzen. Darüber hinaus sei die Sicherheitslage nach wie vor volatil und stehe das Gesundheitssystem vor dem Kollaps. Es sei nicht nachvollziehbar, wie die belangte Behörde von einer zumutbaren Rückkehr des BF nach Somalia ausgehen könne und sei eine Rückkehrentscheidung im Hinblick auf Art. 2 und 3 ERMK nicht zumutbar.

13. Die Beschwerdevorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl langte am 10.08.2020 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Somalias, dem islamischen Glauben und dem Clan der Akbare zugehörig. Seine Identität steht nicht fest. Der Beschwerdeführer ist in XXXX geboren, übersiedelte mit seiner Familie im Kleinkindalter jedoch nach Mogadischu, wo er auch aufwuchs. Der BF hat in Mogadischu 5 Jahre die Schule besucht, jedoch noch nicht gearbeitet. 1995 zog der BF in den Jemen, wo er etwa 20 Jahre lang, bis zu seiner Ausreise nach Europa, lebte. Im Jemen hat der BF in der Ölbranche gearbeitet. In Mogadischu lebt noch ein Bruder des BF, wobei nicht festgestellt werden kann, ob und was dieser arbeitet. Der Vater des BF lebt in Saudi-Arabien, seine Mutter und weitere Geschwister leben im Jemen. Darüber hinaus verfügt der BF über weitere Geschwister in Saudi-Arabien und Dubai.

Der BF reiste spätestens am 26.07.2015 unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein und stelle an ebendiesem Tag einen Antrag auf internationalen Schutz.

Aufgrund der rechtskräftigen Entscheidung des BVwG vom 12.03.2019, Zl. XXXX , mit dem die Beschwerde hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) abgewiesen wurde, ist gegenständlich lediglich über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten zu entscheiden.

1.2. Der BF leidet an einer Krankheit aus dem schizophrenen Formenkreis. Beim BF treten optische und akustische Halluzinationen auf und nimmt er regelmäßig die Medikamente Risperdal, Laevolac und Trittico. Der BF ist dauerhaft behandlungsbedürftig und muss die medikamentöse neuroleptische Therapie auch in der Heimat weitergeführt werden, um sicherzustellen, dass sich seine Krankheit nicht in einem lebensbedrohlichen Ausmaß verschlechtert. Darüber hinaus leidet der BF an einem Alkoholabhängikeitssyndrom.

Eine adäquate Behandlung des BF in Somalia ist nicht gewährleistet. Psychisch beeinträchtige Menschen in Somalia sind von starker gesellschaftlicher Stigmatisierung betroffen und leiden an Vernachlässigung, sowie Zwangsinternierung innerhalb ihrer Häuser oder anderer Einrichtungen. Menschen mit psychischen Erkrankungen werden in Gesundheitszentren gegen ihren Willen festgehalten und angekettet oder von der Polizei inhaftiert. Die Anwendung von Ketten gegenüber psychisch beeinträchtigten Personen ist unabhängig des Geschlechts sowohl in städtischen, als auch in ländlichen Gebieten verbreitet und wird in vielen Einrichtungen der psychischen Gesundheitsversorgung als lokal akzeptierte medizinische Behandlung angewendet.

Dem BF droht in Somalia unmenschliche oder erniedrigende Behandlung.

Hinsichtlich der aktuellen Lage in Somalia wird auf die durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ins Verfahren eingeführten und von Seiten des Beschwerdeführers nicht bestrittenen Länderfeststellungen verwiesen, denen sich das Bundesverwaltungsgericht vollinhaltlich anschließt.

Darüber hinaus wird dem Erkenntnis zugrunde gelegt:

ACCORD Anfragebeantwortung zu Somalia: Lage von Personen mit psychischen Erkrankungen; 30. April 2020

Gesellschaftliche Wahrnehmung und Deutungsmuster sowie Stigmatisierung

Das Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen (United Nations High Commissioner for Refugees, UNHCR) veröffentlichte 2016 einen Bericht zu Kultur, Kontext und psychischer Gesundheit somalischer Flüchtlinge für MitarbeiterInnen in psychischen Gesundheitsdiensten und psychosozialen Unterstützungsprogrammen.

Dem Bericht zufolge würden sich Somali die Gründe für psychische Krankheiten oftmals spirituell erklären, etwa als Gottes Wille, als vorbestimmtes Schicksal. Krankheiten könnten als Bestrafung Gottes oder Test interpretiert werden. Sie könnten auch als Ergebnis einer unzureichenden Frömmigkeit angesehen werden. In diesem Sinne könnten psychische Erkrankungen als Strafe Allahs wahrgenommen werden, was die Gemeinschaft zur Annahme bringen könnte, dass die betroffene Person kein guter Muslim oder Muslimin gewesen sei. Die Bestrafung könne auch auf schlechte Taten zurückgeführt werden. Die endgültige Entscheidung über Krankheiten liege laut Ansichten der Gesellschaft immer in Gottes Händen:

„Somalis often consider the cause of mental illness in spiritual terms: God’s will is about pre-destination, one’s pre-determined fate. […] Illnesses may be interpreted as punishment from God or a test. It might be also seen as a consequence of not having been good enough in following one’s faith. In that sense, mental illness can also be perceived as a punishment from Allah, which can lead the community to assume that the person has not been a good Muslim. The punishment can also be due to having done something bad. The ultimate decision on illness is always in God’s hands.” (UNHCR, 2016, S. 38)

Es würde zudem angenommen, dass psychische Krankheiten auf „böse Geister“ zurückzuführen seien. Somali halten sich an muslimische Glaubensvorschriften und würden glauben, dass Gott verschiedene Lebensreiche, darunter körperliche, spirituelle und metaphysische Welten geschaffen habe. Es gebe demnach unterschiedliche Kreaturen: Menschen, Engel, Geister (gut oder böse) oder Teufel sein. Böse Geister würden im Allgemeinen mit dem Begriff Dschinn (auch jinn, gin, geni) bezeichnet werden. Diese würden im Koran genannt. Dschinn würden im Allgemeinen als Gründe für psychische Gesundheitsprobleme von MuslimInnen angesehen, darunter auch von Somali. Aufgrund der Anerkennung durch die islamische Theologie könnte dies zu sehr beständigen Zuschreibungen führen:

„Mental illness is also thought to come from evil spirits. Somalis conform to the Muslim faith, believing that God created multiple realms of life including physical, spiritual and metaphysical worlds. Creatures can be human beings, angels, spirits - good or bad - or devils. Evil spirits are generally known by the generic term jinn (jinn is plural and jinni is singular, also spelled gin/gini/geni). They are mentioned in the Qur’an. […] Jinn are commonly seen as causes for mental health problems among many Muslims, including Somali, and these can be relatively stable attributions due to their acknowledgement by Islamic theology.” (UNHCR, 2016, S. 38-39)

Elemente der prä-islamischen somalischen Kultur bestünden in Form von „sar“ (auch saar, zar, zaar), spiritueller Besessenheit, fort. Der Begriff sar beschreibe sowohl den Zustand der besessenen Person (der Geist nehme Besitz einer Person und wolle auf bestimmte Art befriedigt werden), als auch den heilenden Kult. In verschiedenen Teilen Somalias seien Sar-Geister unter verschiedenen Namen bekannt, als mingis, boorane, sharah, ayaamo, wadaado/ardooyin, luumbi/nuumbi, barkiin/ba’alwaan, sowie als saar-gedo, saar-habashi and beebe. „Mingis“ werde im Nordosten Somalia von einigen Autoren als bedeutendster Ausdruck einer sar-Besessenheit eingestuft.

Sar-Geister würden am häufigsten von verheirateten Frauen Besitz ergreifen. Die Art des Sar-Geistes stehe in Zusammenhang mit ihrer Clanzugehörigkeit und ihrer Heimatregion. Eine besessene Frau müsse versuchen, den Geist zu besänftigen und falls es ihr gelinge, eine friedliche Beziehung zum Sar-Geist herzustellen, werde sie wieder einen guten Gesundheitszustand und Wohlbefinden erlangen. Die Besessenheit durch einen Sar-Geist könne dem Bericht zufolge ein Weg zur Konkretisierung und Externalisierung psychologischer Schwierigkeiten sein, auf einem Weg der kulturell verständlich und akzeptiert sei:

„Elements of pre-Islamic Somali culture persist in the form of sar (also written as saar, zar or zaar) spirit possession. The term sar denotes both the condition of the person possessed (the spirit enters a person and wants to be satisfied in particular ways) and the healing cult. In different parts of Somalia sar spirits are known by various other names such as mingis, boorane, sharah, ayaamo, wadaado/ ardooyin, luumbi/nuumbi, barkiin/ba’alwaan, as well as saar-gedo, saar-habashi and beebe. Mingis, believed to be autochthonous from northeast Somalia, are considered by some authors as the most significant expression of sar possession in Somalia. […] Sar spirits most often possess married women. The kind of sar spirit may be related to her clan affiliation and region. A woman possessed by a sar spirit has to try to ‘pacify’ the spirit and if she succeeds in restoring peaceful relations with the sar spirit, she will regain good health and wellbeing. Sar spirit possession may be a way to concretise and externalise psychological difficulties in a way that is culturally understandable and acceptable.” (UNHCR, 2016, S. 39)

Sar-Besessenheit und die begleitenden Rituale könnten die Unterstützung seitens Familie und Freunden wachrütteln und Frauen eine Möglichkeit bieten, Gefühlen in einer Form Ausdruck zu verleihen, die ansonsten gesellschaftlich nicht akzeptiert werde. Während weiterhin über Sar-Besessenheit und damit verbundene Zeremonien in Somalia und in der Diaspora berichtet werde, scheine die kulturelle Toleranz hinsichtlich der Praxis abzunehmen, teilweise aufgrund von Modernisierung und Globalisierung, aber auch aufgrund des steigenden Einflusses des fundamentalistischen Islam, der Sar-Rituale als unislamisch und bestrafungswürdig ansehe. Da der Sar-Kult daher weitgehend zurückgewiesen werde, könnten Sar-Geister stattdessen in sitaat-Ritualen von Sufi-Frauen auftreten, die einigen Quellen zufolge leichter innerhalb der islamischen Rahmenbedingungen akzeptiert werden könnten:

„Sar possession and the accompanying rituals may galvanise the support of family and friends and provide women an opportunity to express emotions in ways that otherwise would have been socially unacceptable. […] While sar possessions and related ceremonies continue to be reported both in Somalia as well as in diaspora, the cultural tolerance towards the practice has appeared to decrease, partially due to processes of modernisation and globalisation, but also due to the increasing influence of fundamentalist Islam that views sar rituals as un-islamic and punishable. As the sar cult has been widely rejected as being at odds with Islam, sar spirits may instead appear in Sufi women’s sitaat rituals that, according to some, may be more easily accepted within the framework of Islam.” (UNHCR, 2016, S. 39)

Das „Böse Auge” (ishan, il-dad, ishan, il-dad, or il cayn, cawri) repräsentiere Unglück oder Krankheit. Es zeige den Wunsch an, einer Person, auf die man neidisch sei, Unglück zuzufügen. Es sei verbreitet, zum Schutz gegen das böse Auge mit Meerwasser gefüllte Flaschen im Haus aufzuhängen. Ilcayn sei hier eine der am weitesten verbreiteten Formen und es werde angenommen, dass es unabsichtlich zwischen Menschen übertragen werde. Die Übertragung erfolge mittels Augenkontakt und werde oft aufgrund von Neid (xasad) auf den Erfolg oder die Liebe anderer, aber auch aufgrund nicht erwiderter Liebe, Eifersucht oder Wut ausgelöst. Von Flüchen (habaar/inkaar) seitens falsch behandelter und/oder missachteter Personen, darunter Eltern, sowie von Armen und Älteren werde angenommen, dass sie das fürchterlichste Unglück bringen würden. Der Begriff sixir/sexir verweise auf Zauberei und Magie bei Verhängung eines Fluches (sixirtay) mithilfe des Teufels (sheydaan) oder Magie. Es deute eine freiwillige, absichtliche Handlung an, beispielsweise seitens einer Person, die möchte, dass sich eine andere Person in sie verliebe. Andere Gründe für eine Anwendung seien Eifersucht, Neid, Vergeltung, etwas von jemand anderem zu erhalten oder jemanden krank oder verrückt zu machen oder sogar zu töten. Derartige Zauberei werde von Hexen, die als sixiroole bezeichnet würden, ausgeführt, die spezielle Wörter über Wasser sprechen würden, das später unwissentlich vom Opfer getrunken oder in sein Essen gemischt oder auf seiner Kleidung verteilt würde. Jedoch habe es dem Bericht zufolge oftmals den Anschein, dass es rückblickend als Erklärung für Ereignisse gebraucht werde und weniger als Strategie, die von Personen angewendet werde, um Schaden anzurichten:

„Evil eye, curses and witchcraft The ‘evil eye’ (ishan, il-dad, ishan, il-dad, or il cayn, cawri) represents misfortune or illness, meaning that it indicates the desire to cause misfortune to a person one is jealous of. It is common to hang bottles of sea water in the house for protection against the evil eye. Ilcayn is one of the most common forms and is thought to be conveyed unintentionally between humans: transmission happens from one person to another through the eye and is often triggered by envy (xasad) of someone else’s possessions, success or love, but also unrequited love, jealousy or anger. Curses (habaar/inkaar) from wrongly treated and/or disregarded people, including parents, the poor, and the elderly, are thought to bring about the most dreadful misfortune in life. The term sixir/sexir refers to sorcery/magic, sending someone a curse (sixirtay) helped by the devil (sheydaan), or magic.

It indicates a voluntary, intentional action, for example by a person who wants someone else to fall in love with him/her. Other reasons to use it are jealousy, envy, revenge, to get something from someone or to make someone sick or mad or even to kill the person. Such sorcery is performed by a witch called sixiroole who reads specific words over water that is later unknowingly drunk by the victim or placed in his/her food or on their clothes. However, it often seems to work as a retrospective explanation of a course of events, rather than a strategy used by people with the intention to cause harm.” (UNHCR, 2016, S. 40)

Während spirituelle Faktoren eine wichtige Rolle bei der Erklärung schwerer psychischer Störungen spielen würden, sei es falsch anzunehmen, dass Somali psychische Störungen immer auf spirituelle Gründe zurückführen würden. Die Menschen würden auch eine Verbindung zwischen waali (Bezeichnung für psychisch beeinträchtigte Personen, „Verrücktheit“, vgl. UNHCR, 2016, S. 30) und dem exzessiven Gebrauch von Khat oder zwischen waali und belastenden Ereignissen sehen (natürliche waali würde sich von böser waali oder jinn unterscheiden):

„Natural causes While spiritual factors play an important role in the explanation of severe mental disorders, it is incorrect to assume that Somalis would always attribute mental disorder to spiritual causes. People also see a link between waali and excessive use of khat, or between waali and stressful life events (‘natural waali’ are different from ‘evil waali’ or jinn).” (UNHCR, 2016, S. 40)

In einer 2011 veröffentlichten wissenschaftlichen Studie zu Konzepten psychischer Erkrankungen seitens SomalierInnen wurden SomalierInnen in Schweden befragt. Viele der Befragten hätten angegeben, dass, solange eine Person keinen körperlichen Schaden anrichte, ihr Zustand innerhalb der Familie geheim gehalten werde. Das Lesen des Koran sei eine wichtige Strategie beim Umgang mit psychischer Erkrankung. Diese Leserunden würden entweder in kleineren Gruppen von Freunden und Familie stattfinden oder mit religiösen Gelehrten, die spezielle Koransuren und -verse lesen würden. Viele Befragte hätten angegeben, dass der Koran die Macht habe zu heilen:

„Many informants agreed that as long as a person is not causing any physical harm, his condition is kept a secret within the family. Reading of the Koran is a key strategy to deal with mental ill health. This reading takes place either in smaller groups of friends and family or by religious scholars who read special suras, verses in the Koran. Several interviewees explained that the Koran has the power to heal:” (Johnsdotter, 2011, S. 725)

Eine ältere, im Jahr 2010 veröffentlichte Studie der WHO zur Lage der psychischen Gesundheit in Somalia erwähnt, dass der Diskurs zu psychischer Gesundheit in Somalia streng innerhalb eines ganz besonderen Kontextes eingebettet sei und von spezifischen soziokulturellen Mustern beeinflusst werde. Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen würden stigmatisiert, diskriminiert und gesellschaftlich isoliert. Herabwürdigende und gefährliche kulturelle Praktiken, wie das Anketten von Personen, seien nicht nur weit verbreitet, sondern auch gesellschaftlich und medizinisch akzeptiert. Traditionelle HeilerInnen würden eine bedeutende Rolle spielen, jedoch seien diese nicht medizinisch an einer tatsächlichen Rehabilitation der PatientInnen beteiligt. Neue Störungen seien im Land aufgetaucht und müssten erst untersucht und angesprochen werden. Frauen und ehemalige Kämpfer seien in einem höheren Ausmaß der Entwicklung schwerer Formen von Störungen („distress“) ausgesetzt:

„Mental health discourse in Somali is strictly embedded in a peculiar context and is influenced by specific socio-cultural patterns. Mentally challenged people are stigmatized, discriminated and socially isolated. Degrading and dangerous cultural practices such as being restrained with chains are not only widespread but also socially and medically accepted. Traditional healers play an important role; however, they are not medically involved in any real rehabilitation of the patients. New forms of distress and disorders have started to appear in the country that needs to be further investigated and addressed. Women and ex-combatants are exposed to a higher extent of development of severe forms of distress.” (WHO, 2010, S. 8)

Viele Somali mit psychischen Erkrankungen seien der WHO-Studie von 2010 zufolge gesellschaftlich isoliert. Der Schmerz dieser Isolation werde intensiv gefühlt, da die somalische Kultur traditionell gemeinde- und familienorientiert sei. Während eine Person mit psychischen Erkrankungen von der Gemeinde geächtet werde, könne die Angst vor Stigmatisierung noch stärker wiegen. Dadurch könne sich die psychische Erkrankung noch verschlimmern und der Heilsvorgang erschwert werden. Die Situation werde noch verschlimmert, weil Somali annehmen würden, dass eine einmal psychisch erkrankte Person sich nie wieder erholen werde. Einem somalischen Sprichwort zufolge könne sich der Zustand einer psychisch beeinträchtigten Person nur verbessern, aber die Person könne sich nicht erholen:

„Many Somalis with mental illness are socially isolated. The pain of this isolation is felt intensely because Somali culture is traditionally communal and family oriented. While a person with mental illness may be ostracized from the community, their fear of stigma may be even more powerful. Whether the ostracism is created by the community or self-imposed due to anticipated negative responses, the social isolation creates a profound worsening of the mental illness. This social isolation can be very disorienting and can make the process of healing very difficult. In fact, even without prior mental health problems, isolation from the community alone can contribute to the development of depression. The situation of the mentally ill people is worsened by the fact that Somalis believe that once a person becomes mentally ill, he/she will never recover. A Somali proverb says that a mentally challenged person can only improve but never recover (nin waashay wuu ladnaaday mooyee wuu bogsaday maleh). Significant stigma shrouding mental health issues prevents many Somalis from seeking treatment or assistance.” (WHO, 2010, S. 21)

Ein Artikel des offiziellen staatlichen Auslandssenders der USA, Voice of America (VOA), zitiert die Psychotherapeutin Rowda Abdullahi Olad, die aus den USA nach Somalia zurückgekehrt sei und sich dort mit der von ihr gegründeten Organisation „Maandeeq Mental Health Without Borders“ für ein Ende der Stigmatisierung in Verbindung mit psychischer Gesundheit einsetze. Personen, die an psychischen Erkrankungen leiden, würden oftmals von der Gesellschaft und sogar ihren Familien gemieden. Schädliche Praktiken, darunter die Nutzung von Ketten, um PatientInnen ruhig zu stellen, würden im Land weiterhin angewendet. Die Stigmatisierung komme daher, weil die Menschen annehmen würden, dass man entweder verrückt sei oder nicht, entweder man sei wahnsinnig oder nicht, es gebe kein Dazwischen:

„Rowda Abdullahi Olad is a psychotherapist and founder of Maandeeq Mental Health Without Borders. After practicing in the United States, she returned to her home country with the intention of offering clinical services. She quickly realized the need was far greater. […]

Olad’s organization is working to erase the stigma around mental health in Somalia. People suffering from mental illness are often shunned by society and even their families. Harmful practices, including using chains to restrain patients, are still used in the country. ‘There is a stigma because [people believe] either you are crazy or you’re not crazy. You are insane or you’re not, there’s nothing in between, she said.” (VOA, 5. März 2020)

Ein Artikel der finnischen NGO Finn Church Aid zitiert im August 2019 ebenfalls Rowda Olad. Personen, die psychisch schwer erkranken würden, würden ins Krankenhaus gebracht und dort vergessen. Rowda erwähnt zudem, dass Therapie an sich ein neues Konzept in Somalia sei. PatientInnen, denen sie eine Therapie anbiete, würden von ihr Medikamente erwarten, nicht Diskussionen:

„Rowda got involved in politics and initially worked in regional administration, but mental health care became more and more attractive. She dreams of founding a national mental health system in Somalia, entailing the entire structure, creating the foundations and the missing words for the work. ‘For us, a person is either insane, waali, or not insane. There is no in-between, there are no other words. People who become seriously mentally ill are put in the hospital and forgotten there.’ ‘It is shocking,’ she says. […]

Even therapy is a completely new concept in Somalia. There are only doctors and psychiatrists who work in hospitals and prescribe medication. If a doctor gives a person medicine, the person gets better. ‘When I tell a patient I am offering them treatment, they expect medication, not discussion.’” (Finn Church Aid, 28. August 2019)

In einem im Februar 2020 veröffentlichten wissenschaftlichen Aufsatz zu psychischer Gesundheit in Somaliland wird ebenfalls erwähnt, dass Somali psychische Gesundheit binär wahrnehmen würden: jemand sei verrückt oder nicht verrückt. Das Konzept eines Spektrums psychischer Erkrankung und Gesundheit bestehe nicht. Sobald eine Person als psychisch krank abgestempelt sei, werde die Krankheit – und eigentlich das damit verbundene Stigma – als beständig und unumkehrbar betrachtet. Als Ergebnis sei die Stigmatisierung tief verwurzelt und weit verbreitet. PatientInnen und deren Familien würden mit negativen Einstellungen seitens der Gesellschaft und körperlichem Schaden konfrontiert sein. Viele seien gesellschaftlich isoliert und vulnerabel:

„The Somali perception of mental health is binary; one is mad (waali) or not mad. The concept of a spectrum of mental illness and health simply does not exist. Once an individual is labelled as having a mental illness, the illness – and indeed the associated stigma – is considered permanent and irreversible. As a result, stigma is deeply rooted and all pervasive. Patients and their families face negative attitudes and physical harm from society, leaving many socially isolated and vulnerable.“ (Fatumo, Februar 2020)

Psychisches Gesundheitssystem

The New Humanitarian (TNH), eine institutionell unabhängige Nachrichtenagentur, die schwerpunktmäßig über Krisen berichtet und sich für eine Verbesserung humanitärer Hilfsmaßnahmen einsetzt, erwähnt in einem Artikel vom Juni 2019, dass Somalia nur über fünf von der WHO anerkannte Zentren für psychische Gesundheit verfüge. Im ganzen Land gebe es nur drei PsychiaterInnen, darunter Abdurahman Ali Awale (auch bekannt als Dr. Habeeb, Anm. ACCORD):

„Somalia has been at war for close to 40 years. It has suffered three famines, waves of displacement, and currently 5.4 million people – more than one third of the population – rely on aid to survive. Despite these trauma-inducing conditions, Somalia has only five WHO-recognised mental health centres – basic at best – and just three psychiatrists for the entire country. Abdurahman Ali Awale is one of them, working out of the hospital in the capital, Mogadishu, serving a population of 2.8 million.” (TNH, 26. Juni 2019)

Der aktuellste Überblick zu psychischer Gesundheit (Mental Health Atlas) in Somalia von 2018 erwähnt jedoch nur eine ambulante ps

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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