TE Bvwg Erkenntnis 2021/7/27 W185 2233124-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.07.2021
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Entscheidungsdatum

27.07.2021

Norm

AsylG 2005 §5
BFA-VG §21 Abs3 Satz1
B-VG Art133 Abs4
FPG §61

Spruch


W185 2233124-1/33E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard PRÜNSTER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Türkei, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.06.2020, Zl. 652386310-200144307, zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 21 Abs 3 erster Satz BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) stattgegeben, das Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz zugelassen und der bekämpfte Bescheid behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Türkei, stellte am 06.02.2020 den verfahrensgegenständlichen Asylantrag in Österreich.

Eine Eurodac-Treffermeldung liegt nicht vor. Der Beschwerdeführer war im Besitz eines deutschen Schengen-Visums „C“, gültig von 28.10.2019 bis 24.01.2020.

Im Rahmen der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 06.02.2020 gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, seit 2 Jahren Witwer zu sein. Zwei seiner Söhne sowie eine seiner Töchter würden in Österreich leben; diese seien österreichische Staatsangehörige. In der Türkei seien noch zwei weitere Söhne und zwei Töchter sowie sein Bruder aufhältig. Über Befragen erklärte der Beschwerdeführer, die Einvernahme ohne gesundheitliche Probleme absolvieren zu können und keine Medikamente zu benötigen. Sein Zielland sei, wegen der hier aufhältigen Angehörigen, Österreich gewesen. Der Beschwerdeführer sei vor ca 3 Monaten mit dem Flugzeug von der Türkei legal nach Österreich gereist; den Reisepass habe er dann in Wien verloren. Außer in Österreich habe der Beschwerdeführer nirgends um Asyl angesucht. Sein Neffe sei bei der PKK, weshalb der Beschwerdeführer mehrmals von der türkischen Polizei misshandelt worden sei; deshalb habe er die Türkei verlassen. Andere Fluchtgründe habe er nicht.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: Bundesamt) richtete am 19.02.2020 ein Aufnahmeersuchen gemäß Art. 12 Abs. 4 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (im Folgenden: „Dublin III-VO“) an Deutschland. Dies unter Hinweis auf das von Deutschland ausgestellte Schengen-Visum und den Aufenthalt erwachsener Angehöriger des Beschwerdeführers in Österreich.

Mit Schreiben vom 04.03.2020 stimmte Deutschland der Aufnahme des Beschwerdeführers nach Art 12 Abs 4 Dublin III-VO ausdrücklich zu.

Im Zuge der Einvernahme vor dem Bundesamt am 11.03.2020 wurde dem Beschwerdeführer zunächst erläutert, dass das Verfahren als zugelassenes Verfahren geführt würde. In Anwesenheit eines seiner Söhne als Vertrauensperson gab der Beschwerdeführer verfahrenswesentlich an, sich geistig und körperlich in der Lage zu fühlen, Angaben zu seinem Asylverfahren zu erstatten. Er habe bisher im Verfahren die Wahrheit gesagt. Befragt zu seinem Gesundheitszustand gab der Beschwerdeführer an, seit 2 Jahren Probleme mit den Knien zu haben und nicht gut gehen zu können. Die gesundheitlichen Beschwerden hätte er aufgrund der Misshandlungen durch die türkische Polizei. Eine ärztliche Behandlung sei in der Türkei nicht möglich gewesen. In Österreich sei er zwei Mal beim Arzt gewesen und habe noch einen weiteren Termin. Er werde die Befunde der Behörde vorlegen. In Österreich würden sich zwei seiner Söhne und eine Tochter befinden. Diese hätten jeweils eigene Familien. Alle diese Angehörigen würden sich hier um den Beschwerdeführer kümmern; bei einem der Söhne wohne er auch, seit er in Österreich sei. Es bestünde eine finanzielle Abhängigkeit zu den Genannten. Wenn er Geld benötige, erhalte er dieses von seinen Kindern; manchmal Euro 200,00 bis 300,00 im Monat. Für Essen und Schlafen müsse er nichts bezahlen. Der Beschwerdeführer habe noch keinen Deutschkurs besucht und hier auch nicht gearbeitet. Die finanzielle Unterstützung durch seine Kinder habe bereits in der Türkei bestanden; die Genannten hätten den Beschwerdeführer dort auch regelmäßig besucht. Wenn der Beschwerdeführer keine „Probleme mit der PKK“ hätte, wäre er in der Türkei geblieben. Über Vorhalt der beabsichtigten Überstellung nach Deutschland gab der Beschwerdeführer an, nicht dorthin gehen zu wollen. Er sei alt und seine Kinder in Österreich würden für ihn sorgen. Das deutsche Visum habe der Schlepper besorgt; er selbst habe davon keine Kenntnis gehabt.

Vorgelegt wurden neben mehreren Röntgenbildern und Laborbefunden folgende medizinische Unterlagen:

-        Befund eines Klinikums, HNO-Abteilung, vom 30.01.2020. Diagnose: Unilaterale Vestibulopathie links.

-        Befund eines Klinikums, HNO-Ambulanz, vom 31.01.2020. Diagnose: Vertigo in Abklärung; Ausschluss Vestibularisausfall.

-        Befund eines Klinikums, Neurologie, Notaufnahme, vom 30.01.2020, aufgrund Kopfschmerzen und Schwindel. Diagnose: iel. Vestibularisneuropathie links.

-        Radiologischer Befund eines Klinikums vom 30.01.2020: CT des Gehirnschädels. Zusammenfassung: Altersentsprechend unauffälliger CCT-Befund.

-        Befund Facharzt für Radiologie vom 24.02.2020: Diagnose: Valgusgonarthrose bds; Retropatellaarthrosen bds; Gefäßsklerose.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass gemäß Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO Deutschland für die Prüfung des Antrags zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge eine Abschiebung nach Deutschland gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Die Sachverhaltsfeststellungen zur Lage in Deutschland wurden im angefochtenen Bescheid im Wesentlichen folgendermaßen zusammengefasst (unkorrigiert und ungekürzt durch das Bundesverwaltungsgericht):

Allgemeines zum Asylverfahren

Letzte Änderung: 15.5.2020

In Deutschland existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlichen Beschwerdemöglichkeiten (AIDA 3.2019; vgl. BAMF o.D.a, BAMF o.D.b, BR o.D., UNHCR o.D.a, für ausführliche Informationen siehe dieselben Quellen).

Im Berichtsjahr 2019 wurden 142.509 Erstanträge vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) entgegengenommen. Dies bedeutet gegenüber 2018 (161.931 Erstanträge) eine Abnahme der Erstantragszahlen um 12 %. 2019 wurden insgesamt 165.938 Asylanträge (Erstanträge und Folgeanträge) gestellt. Im gesamten Berichtsjahr 2019 wurden insgesamt 183.954 Entscheidungen über Asylanträge getroffen. Im Jahr zuvor waren es 216.873 Entscheidungen; dies bedeutet einen Rückgang um 15,2 %. Dabei lag die Gesamtschutzquote für alle Staatsangehörigkeiten im Berichtsjahr 2019 bei 38,2 % (70.239 positive Entscheidungen von insgesamt 183.954). Im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreswert (35,0 %) stieg die Gesamtschutzquote somit um 3,2 Prozentpunkte an (BAMF 2020). In den ersten vier Monaten 2020 hat die Zahl der Asylanträge im Vergleich zu den entsprechenden Zahlen des Vorjahrs weiter abgenommen.

(BAMF 4.2020)

Quellen:

-        AIDA – Asylum Information Database (16.4.2019): Country Report: Germany – 2018 Update, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_de_2018update.pdf, Zugriff 4.5.2020

-        BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (o.D.a): Ablauf des Asylverfahrens, https://www.bamf.de/DE/Themen/AsylFluechtlingsschutz/AblaufAsylverfahrens/ablaufasylverfahrens-node.html, Zugriff 4.5.2020

-        BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (o.D.b): Ablauf des deutschen Asylverfahrens – Broschüre, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/AsylFluechtlingsschutz/Asylverfahren/das-deutsche-asylverfahren.pdf?__blob=publicationFile&v=12, Zugriff 4.5.2020

-        BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2020): Aktuelle Zahlen (Ausgabe: Dezember 2019), https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Statistik/AsylinZahlen/aktuelle-zahlen-dezember-2019.pdf?__blob=publicationFile&v=3, Zugriff 5.5.2020

-        BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (04.2020): Aktuelle Zahlen. April 2020, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Statistik/AsylinZahlen/aktuelle-zahlen-april-2020.pdf?__blob=publicationFile&v=6, Zugriff 11.5.2020

Dublin-Rückkehrer

Letzte Änderung: 15.5.2020

Es gibt keine Berichte, dass Dublin-Rückkehrer in Deutschland Schwierigkeiten beim Zugang zum Asylverfahren hätten (AIDA 16.4.2019).

Quellen:

-        AIDA – Asylum Information Database (16.4.2019): Country Report: Germany – 2018 Update, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_de_2018update.pdf, Zugriff 4.5.2020

Unbegleitete minderjährige Asylwerber / Vulnerable

Letzte Änderung: 15.5.2020

Unbegleitete Minderjährige werden zunächst durch das vor Ort zuständige Jugendamt in Obhut genommen. Im Rahmen dieser vorläufigen Inobhutnahme werden sie bei einer geeigneten Person oder in einer geeigneten Einrichtung untergebracht. Geeignete Personen können Verwandte oder Pflegefamilien sein, geeignete Einrichtungen sind in der Regel sogenannte Clearinghäuser, die auf die Betreuung von unbegleiteten Minderjährigen spezialisiert sind, oder Jugendhilfeeinrichtungen. Im Zuge der vorläufigen Inobhutnahme findet auch das sogenannte Erstscreening statt. Es stellt neben der allgemeinen Prüfung des Gesundheitszustands auch das Alter der Minderjährigen fest. Die dafür verwendeten Methoden reichen von einer reinen Altersschätzung, über körperliche Untersuchungen, bis hin zu radiologischen Untersuchungen. Darüber hinaus schätzt das zuständige Jugendamt ein, ob die Durchführung des späteren Verteilungsverfahrens das Kindeswohl in physischer oder psychischer Hinsicht gefährden könnte. In diesem Zusammenhang wird auch die Möglichkeit einer Familienzusammenführung mit in Deutschland lebenden Verwandten geprüft. Bestehen enge soziale Bindungen zu anderen unbegleiteten Minderjährigen, prüft das Jugendamt, ob eine gemeinsame Unterbringung sinnvoll ist (BAMF 14.11.2019).

Um eine dem Kindeswohl entsprechende Unterbringung, Versorgung, Betreuung und Unterstützung der unbegleiteten Minderjährigen sicherzustellen, gibt es ein bundesweites Verteilungsverfahren. Das Verteilungsverfahren wird innerhalb von 14 Tagen durchgeführt. Bei der Durchführung der Verteilung ist sichergestellt, dass die Kinder und Jugendlichen auf dem Weg zum zugewiesenen Jugendamt begleitet und einer Fachkraft dieses Jugendamts übergeben werden. Nach dieser Verteilung ist das Jugendamt, dem die Minderjährigen zugewiesen wurden, für deren weitere Inobhutnahme zuständig. Auch hier werden diese entweder bei einer geeigneten Person – Verwandte oder Pflegefamilien – oder in einer geeigneten Einrichtung – zum Beispiel Clearinghäuser – untergebracht. Im Anschluss daran werden die Beantragung einer Vormundschaft, weitere medizinische Untersuchungen, die Ermittlung des Erziehungsbedarfs sowie eine Klärung des Aufenthaltsstatus veranlasst (BAMF 14.11.2019).

Für unbegleitete Minderjährige muss ein Vormund oder eine Pflegekraft bestellt werden. Wer die Vormundschaft letztendlich übernimmt, wird vom Familiengericht entschieden. Eine Vormundschaft besteht in der Regel bis zur Volljährigkeit. Dabei orientiert sich die Volljährigkeit am Recht im Herkunftsland des Minderjährigen und nicht am deutschen Recht. Tritt also nach diesem Recht die Volljährigkeit erst nach Vollendung des 18. Lebensjahrs ein, wie etwa in Togo (Volljährigkeit mit 21), endet die Vormundschaft auch erst zu diesem Zeitpunkt. Im anschließenden Clearingverfahren werden weitere Schritte im Bereich des Jugendhilferechts oder des Aufenthaltsrechts eingeleitet. Es umfasst unter anderem die Klärung des Aufenthaltsstatus. Auf dessen Basis wird entschieden, ob ein Asylantrag gestellt wird. Ist ein Asylverfahren nicht erfolgversprechend, kann die zuständige Ausländerbehörde auch eine Duldung ausstellen. Kommt auch dies nicht infrage, berät die Ausländerbehörde über andere aufenthaltsrechtliche Möglichkeiten. Falls ein Asylantrag gestellt werden soll, ist das Bundesamt für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig (BAMF 14.11.2019).

Innerhalb des Asylverfahrens gelten für die Bestimmung der Volljährigkeit die nationalen Vorschriften. Das heißt: Unbegleitete Minderjährige müssen mit Vollendung des 18. Lebensjahrs ihren Asylantrag selbst stellen, denn sie gelten – unabhängig von dem Recht in ihrem Herkunftsland – als volljährig. Der Vormund kann in diesem Fall aber weiterhin das Asylverfahren begleiten. Asylsuchende unter 18 Jahren gelten im Rahmen des Asylverfahrens als nicht handlungsfähig. Das bedeutet, dass unbegleitete Minderjährige nicht allein einen Asylantrag beim Bundesamt stellen können. In diesen Fällen muss der Asylantrag vom Jugendamt oder Vormund schriftlich gestellt werden. Wird er von einem Vormund gestellt, muss eine sogenannte „Bestallungsurkunde“ übersandt werden. Da unbegleitete Minderjährige als besonders schutzbedürftige Personengruppe mit besonderen Garantien für ihr Asylverfahren gelten, werden ihre Asylverfahren von Sonderbeauftragten betreut, die für eine sensibilisierte Herangehensweise geschult wurden (BAMF 14.11.2019).

Im ersten Halbjahr 2019 gab es 1.511 Asylerstanträge von unbegleiteten Minderjährigen, 2018 waren es insgesamt 4.087, 2017 9.084 und 2016 35.939 (BumF 17.12.2019). Im Jahr 2018 wurden 12.201 unbegleitete Minderjährige in (vorläufige) Obhut genommen. 2017 waren es noch 22.492, 2016 44.935 (BAMF 21.8.2019).

Es gibt keine bundesweite gesetzliche Vorschrift zur Identifizierung Vulnerabler, mit Ausnahme von unbegleiteten Minderjährigen. Mit der Änderung des Asylgesetzes im Jahr 2015 wurde ein Konzept betreffend die Identifizierung schutzbedürftiger Asylwerber erstellt, das als interne Richtlinie des BAMF fungiert. Alle Asylwerber werden einer medizinischen Untersuchung unterzogen, dieallerdings auf die Diagnose von Ansteckungskrankheiten abzielt und keine Untersuchung im Hinblick auf Vulnerabilität umfasst. Es gibt kein systematisiertes Verfahren zur Feststellung von Traumata bzw. Vulnerabilität, wenngleich das medizinische Personal oder Angestellte der Aufnahmezentren das BAMF allenthalben informieren, falls Anzeichen von Traumata festgestellt werden. Einige Bundesländer haben Pilotprojekte für die Identifizierung vulnerabler Asylwerber eingeführt. Insbesondere unbegleitete Minderjährige (UM), traumatisierte Asylwerber sowie Opfer von Folter oder geschlechtsspezifischer Verfolgung sollen bei Bedarf von speziell ausgebildeten Referenten behandelt werden. In Berlin und einigen Aufnahmezentren in anderen Bundesländern gibt es solche Bemühungen. Es gibt keinen standardisierten Zugang zur Gewährleistung von Sozialleistungen und Beratungsinstitutionen und in vielen Zentren existiert dieser Zugang gar nicht. Nur Rheinland-Pfalz hat scheinbar detaillierte Maßnahmen zur Identifikation und Unterbringung von vulnerablen Personen (AIDA 16.4.2019).

Medizinische Spezialbehandlung für Traumatisierte und Folteropfer kann durch einige Spezialisten und Therapeuten in verschiedenen Behandlungszentren für Folteropfer gewährleistet werden. Da die Plätze in diesen Zentren begrenzt sind, ist der Zugang nicht immer garantiert. Die Behandlungskosten werden von den Behörden nur teilweise übernommen (Übersetzerkosten etwa werden nicht gedeckt). Aus diesem Grund sind die Zentren zu einem gewissen Grad auf Spenden oder andere Einkünfte angewiesen. Große geografische Distanzen zwischen Unterbringung und Behandlungszentrum sind in der Praxis auch oft ein Problem (AIDA 16.4.2019).

Quellen:

-        AIDA – Asylum Information Database (16.4.2019): Country Report: Germany – 2018 Update, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_de_2018update.pdf, Zugriff 5.5.2020

-        BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (14.11.2019): Unbegleitete Minderjährige, https://www.bamf.de/DE/Themen/AsylFluechtlingsschutz/UnbegleiteteMinderjaehrige/unbegleiteteminderjaehrige-node.html, Zugriff 5.5.2020

-        BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (21.8.2019): Anteil unbegleiteter geflüchteter Mädchen gestiegen: Inobhutnahmezahlen für 2018 veröffentlicht, https://b-umf.de/p/inobhut2018/, Zugriff 5.5.2020

-        BumF – Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (17.12.2019): Die Situation unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge – Auswertung der Online-Umfrage 2019, https://b-umf.de/src/wp-content/uploads/2020/01/2019_12_17_bumfumfrage2019_v04.pdf, Zugriff 5.5.2020

Non-Refoulement

Letzte Änderung: 15.5.2020

Bei jedem Asylantrag prüft das Bundesamt auf Grundlage des Asylgesetzes, ob eine der vier Schutzformen – Asylberechtigung, Flüchtlingsschutz, subsidiärer Schutz oder ein Abschiebungsverbot – vorliegt. Wird ein nationales Abschiebungsverbot festgestellt, darf keine Rückführung in den Staat erfolgen, für den dieses Abschiebungsverbot gilt. Den Betroffenen wird dann von der Ausländerbehörde eine Aufenthaltserlaubnis erteilt (BAMF o.D.b).

Im Jahr 2018 hob die Regierung ihr Abschiebeverbot für Afghanistan auf und im ersten Halbjahr wurden etwa 200 Personen dorthin abgeschoben. Die Praxis erlaubte bis dahin nur Abschiebungen von verurteilten Kriminellen und Personen, die als Sicherheitsrisiko betrachtet wurden. NGOs, darunter auch Amnesty International, kritisierten dies als Verstoß gegen das Refoulement-Prinzip (USDOS 11.3.2020).

Quellen:

-        BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (o.D.b): Ablauf des deutschen Asylverfahrens – Broschüre, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/AsylFluechtlingsschutz/Asylverfahren/das-deutsche-asylverfahren.pdf?__blob=publicationFile&v=12, Zugriff 8.5.2020

-        USDOS (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Germany, https://www.ecoi.net/de/dokument/2027519.html, Zugriff 15.5.2020

Versorgung

Letzte Änderung: 15.5.2020

Für Versorgung und Unterkunft der Asylwerber ist die zuständige Aufnahmeeinrichtung verantwortlich. Während ihres Aufenthalts erhalten die Asylwerber existenzsichernde Sachleistungen und einen monatlichen Geldbetrag zur Deckung der persönlichen Bedürfnisse im Alltag. Art und Höhe der Leistungen sind durch das sogenannte Asylbewerberleistungsgesetz geregelt. Zu ihnen zählen: Grundleistungen für Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung, Gesundheits- und Körperpflege, Gebrauchs- und Verbrauchsgüter im Haushalt, Leistungen zur Deckung persönlicher Bedürfnisse, Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt sowie individuelle Leistungen, die vom jeweiligen Einzelfall abhängen (BAMF o.D.b; vgl. AIDA 16.4.2019).

Asylwerberleistungen werden auch in der Anschlussunterbringung (wie etwa einer Gemeinschaftsunterkunft oder auch einer privaten Wohnung) erbracht (BAMF o.D.b). Bei einer Unterbringung in Aufnahmeeinrichtungen werden die Grundleistungen als Sachleistungen bereitgestellt. Die Höhe der finanziellen Unterstützung beläuft sich je nach Unterbringung auf:

Bezieher

Betrag bei Unterbringung in den Aufnahmeeinrichtungen

Betrag bei Unterbringung außerhalb von Aufnahmeeinrichtungen

Für alleinstehende Leistungsberechtigte

135 €

354 €

Für jeden von zwei erwachsenen Leistungsberechtigte, die als Partner einen gemeinsamen Haushalt führen

122 €

318 €

Für weitere erwachsene Leistungsberechtigte im selben Haushalt

108 €

284 €

Für sonstige jugendliche Leistungsberechtigte vom Beginn des 15. und bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres

76 €

276 €

Für leistungsberechtigte Kinder vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres

83 €

242 €

leistungsberechtigte Kinder bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres

79 €

214 €

Für in Aufnahmezentren untergebrachte Asylwerber gilt, dass diese mit Essen, Heizung, Kleidung und sanitären Produkten versorgt werden. Daher sind die Sätze deutlich niedriger (AIDA 16.4.2019).

Asylsuchende werden schon während der Bearbeitung ihres Antrags über die Teilnahme an Integrationskursen des Bundesamtes am jeweiligen Wohnort informiert. Für einen möglichen Arbeitsmarktzugang nehmen Beraterinnen und Berater der Bundesagentur für Arbeit vor Ort in den Ankunftszentren Erstdaten der Antragstellenden auf. Diese stehen dann den Arbeitsagenturen und Jobcentern bundesweit zur Verfügung (BAMF o.D.b).

Beim Arbeitsmarktzugang für Asylwerber und Geduldete gelten die folgenden Regelungen: Asylwerber benötigen grundsätzlich eine Arbeitserlaubnis, die durch die lokale Ausländerbehörde erteilt wird. Im 1. bis zum 3. Monat befinden sich die Personen in der Wartefrist. Ab dem 4. Monat können Asylwerber sowie Geduldete in vielen Teilen Deutschlands (mit Ausnahme einiger Regionen) eine Arbeit aufnehmen. Ab dem 16. Monat ist der Arbeitsmarkt in ganz Deutschland ohne Vorrangprüfung offen. Immer dann, wenn keine Vorrangprüfung erfolgt, ist auch eine Tätigkeit als Leiharbeitnehmer möglich. Ab dem 49. Monat ist keine Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit mehr erforderlich; aber weiterhin jene der Ausländerbehörde. Für Fachkräfte und bei Ausbildung gilt ein erleichterter Arbeitsmarktzugang (BMAS 26.3.2020).

Flüchtlinge und Asylsuchende sehen sich bei der Arbeitssuche mit mehreren Hürden konfrontiert, unter anderem langen Überprüfungszeiten für Vorqualifikationen, fehlenden amtlichen Zeugnissen und Abschlüssen sowie eingeschränkten Deutschkenntnissen (USDOS 11.3.2020).

Quellen:

-        AIDA – Asylum Information Database (16.4.2019): Country Report: Germany – 2018 Update, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_de_2018update.pdf, Zugriff 11.5.2020

-        BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (o.D.b): Ablauf des deutschen Asylverfahrens – Broschüre, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/AsylFluechtlingsschutz/Asylverfahren/das-deutsche-asylverfahren.pdf?__blob=publicationFile&v=12, Zugriff 12.5.2020

-        BMAS – Bundesministerium für Arbeit und Soziales (26.3.2020): Arbeitsmarktzugang für Flüchtlinge, https://www.bmas.de/DE/Themen/Arbeitsmarkt/Infos-fuer-Asylsuchende/arbeitsmarktzugang-asylbewerber-geduldete.html, Zugriff 12.5.2020

-        USDOS (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Germany, https://www.ecoi.net/de/dokument/2027519.html, Zugriff 12.5.2020

Unterbringung

Letzte Änderung: 15.5.2020

Zunächst werden alle Asylsuchenden in den nächstgelegenen Aufnahmeeinrichtungen des jeweiligen Bundeslandes aufgenommen. Eine solche Einrichtung kann für die vorübergehende oder auch für die längerfristige Unterbringung zuständig sein (BAMF o.D.b). In Deutschland gibt es grundsätzlich drei verschiedene Arten der Unterbringung: Erstaufnahmezentren, Gemeinschaftsunterkünfte und dezentralisierte Unterbringung in Wohnungen. 2015 und 2016 waren Notunterkünfte im Betrieb, die bis auf wenige Ausnahmen inzwischen wieder geschlossen wurden (AIDA 16.4.2019).

Asylwerberinnen und Asylwerber werden in der Regel zunächst in einer Erstaufnahmeunterkunft untergebracht. Nach einer Gesetzesreform vom Juli 2017 wurde die maximale Aufenthaltsdauer in der Erstaufnahmeeinrichtung von sechs auf 24 Monate erhöht. Diese Regelung wurde jedoch bis Ende 2018 nur in Bayern umgesetzt. Wenn die Pflicht zum Aufenthalt im Erstaufnahmezentrum endet, kommen Asylwerber normalerweise in Gemeinschaftsunterkünften unter, wobei es sich um Unterbringungszentren im selben Bundesland handelt. Asylwerber müssen während des gesamten Asylverfahrens in der Gemeinde aufhältig sein, die von der Behörde festgelegt wurde. Die Verantwortung für diese Art der Unterbringung wurde von den Bundesländern oftmals den Gemeinden und von diesen wiederum auf NGOs oder Privatunternehmen übertragen. Manche Gemeinden bevorzugen eine dezentralisierte Unterbringung in Wohnungen. Die Standards und die Lebensbedigungen in Gemeinschaftsunterkünften unterscheiden sich nicht nur regional, sondern auch oft innerhalb bestimmter Regionen stark, daher kann nur schwerlich eine allgemeingültige Aussage über die Lebensbedingungen in solchen Einrichtungen getroffen werden (AIDA 16.4.2019).

Die Ankunftszentren sind der zentrale Zugangspunkt zum Asylverfahren. In diesen Zentren werden alle für das Asylverfahren erforderlichen Schritte durchgeführt. Dies beinhaltet die ärztliche Untersuchung durch die Länder, die Erfassung der persönlichen Daten und die Identitätsprüfung, die Antragstellung, Anhörung und Entscheidung über den Asylantrag sowie erste Integrationsmaßnahmen, wie etwa die sogenannten Erstorientierungskurse durch das Bundesamt. Darüber hinaus findet eine Erstberatung zum Arbeitsmarktzugang durch die örtliche Arbeitsagentur statt (BAMF o.D.b).

Mit den neuen Ankunfts-, Entscheidungs- und Rückkehr-Einrichtungen (AnkER-Einrichtungen) wurde die Grundidee der Ankunftszentren weiterentwickelt. Das zentrale Element des AnkER-Konzepts ist die Bündelung aller Funktionen und Zuständigkeiten: von Ankunft über Asylantragstellung und Entscheidung bis zur kommunalen Verteilung, ersten integrationsvorbereitenden Maßnahmen bzw. der Rückkehr von Asylantragstellenden. Alle direkt am Asylprozess beteiligten Akteure sind vor Ort in den AnkER-Einrichtungen vertreten. Dies sind in der Regel die Aufnahmeeinrichtungen des Landes, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, die Ausländerbehörden, Verwaltungsgerichte, Jugendämter und die Bundesagentur für Arbeit. Für die Ausgestaltung der Zentren wird dabei kein starres Konzept vorgegeben – die Länder können hier die Schwerpunkte setzen, die ihnen besonders wichtig sind (BAMF o.D.b).

Quellen:

-        AIDA – Asylum Information Database (16.4.2019): Country Report: Germany – 2018 Update, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_de_2018update.pdf, Zugriff 8.5.2020

-        BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (o.D.b): Ablauf des deutschen Asylverfahrens – Broschüre, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/AsylFluechtlingsschutz/Asylverfahren/das-deutsche-asylverfahren.pdf?__blob=publicationFile&v=12, Zugriff 11.5.2020

Medizinische Versorgung

Letzte Änderung: 15.5.2020

Asylwerber sind grundsätzlich nicht gesetzlich krankenversichert, sondern haben im Krankheitsfall Ansprüche nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). In Abhängigkeit von Aufenthaltsdauer und -status definiert das Gesetz unterschiedliche Leistungsniveaus (GKV 6.11.2019).

Die Gesetze sehen medizinische Versorgung für Asylwerber in Fällen akuter Erkrankung oder bei Schmerzen vor. Hierbei werden beispielsweise auch Zahnbehandlung und Medikation umfasst. Sonstige, darüber hinausgehende Leistungen liegen im Ermessen der Sozialbehörden und können gewährt werden, wenn sie im Einzelfall zur Sicherung des Lebensunterhalts oder der Gesundheit unerlässlich sind. Schwangere und Wöchnerinnen sind eigens im Gesetz erwähnt. Unabdingbare medizinische Behandlung steht auch Personen zu, die – aus welchen Gründen auch immer – kein Recht auf Sozialunterstützung mehr haben. Deutsche Gerichte haben sich in verschiedenen Fällen der Sichtweise angeschlossen, dass von diesen Bestimmungen auch chronische Erkrankungen abgedeckt werden, da auch diese Schmerzen verursachen können. Berichten zufolge werden jedoch notwendige, aber kostspielige diagnostische Maßnahmen oder Therapien von den lokalen Behörden nicht immer bewilligt (AIDA16.4.2019; vgl. GKV 6.11.2019).

Zuständig für die Umsetzung dieses Leistungsanspruchs sind die Länder bzw. die von ihnen per Landesgesetz bestimmten Behörden. Innerhalb der ersten 15 Monate des Aufenthalts in Deutschland (sogenannte Wartezeit) wird dies in der Regel über die Ausgabe von speziellen Behandlungsscheinen (Krankenscheinen) durch die Sozialämter sichergestellt (GKV 6.11.2019). Bei letzteren wird von Problemen aufgrund von Inkompetenz des Personals berichtet (AIDA 16.4.2019). Die Leistungsgewährung nach dem AsylbLG liegt demnach im Ermessen der kommunalen Leistungsträger. Nach der Wartezeit werden die Asylwerber gemäß § 264 Abs. 2 SGBV auftragsweise von den gesetzlichen Krankenkassen betreut. Sie erhalten eine elektronische Gesundheitskarte (eGK), mit der Sie nahezu dieselben Leistungen erhalten wie gesetzlich Krankenversicherte. Die Krankenkassen erhalten die Aufwendungen und einen Verwaltungskostenanteil von den Trägern der Sozialhilfe erstattet (GKV 6.11.2019).

Es wird kritisiert, dass auch Asylwerber, die eine Gesundheitskarte besitzen, immer noch lediglich Zugang zu einer Notfallbehandlung hätten. Einige Gemeinden und private Gruppen sorgten für eine zusätzliche Gesundheitsversorgung (USDOS 13.3.2020).

Quellen:

-        AIDA – Asylum Information Database (16.4.2019): Country Report: Germany – 2018 Update, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_de_2018update.pdf, Zugriff 11.5.2020

-        GKV – GKV-Spitzenverband (6.11.2019): Fokus: Asylsuchende/ Flüchtlinge, https://www.gkv-spitzenverband.de/presse/themen/fluechtlinge_asylbewerber/fluechtlinge.jsp, Zugriff 12.5.2020

-        USDOS (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Germany, https://www.ecoi.net/de/dokument/2027519.html, Zugriff 12.5.2020

Im nunmehr angefochtenen Bescheid wurde ausgeführt, dass das Verfahren des Beschwerdeführers am 06.02.2020 zugelassen worden sei. Die Identität des Beschwerdeführers stehe fest. Dieser leide an einer bds Kniearthrose mit X-Beinigkeit, einer bds Kniescheibenarthrose sowie an Gefäßverkalkung. Es könne nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer an sonstigen schweren psychischen Störungen und/oder schweren Krankheiten leiden würde. Der Beschwerdeführer sei legal mittels eines deutschen Visums in das Gebiet der EU eingereist; Deutschland habe sich gemäß Art 12 Abs 4 Dublin III-VO ausdrücklich für die Führung des Asylverfahrens des Beschwerdeführers zuständig erklärt. In Österreich würden sich drei seiner Kinder befinden; bei einem seiner Söhne wohne der Beschwerdeführer seit seiner Einreise. In Österreich befänden sich weiters auch Enkelkinder und Schwiegerkinder des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer habe demnach familiäre Anknüpfungspunkte in Österreich. Der Beschwerdeführer lebe seit 10.02.2020 mit einem Familienangehörigen im gemeinsamen Haushalt; ein finanzielles oder sonstiges Abhängigkeitsverhältnis habe jedoch nicht festgestellt werden können. Auch vor der Einreise sei es dem Beschwerdeführer von der Türkei aus möglich gewesen, eine Beziehung mit seinen Familienangehörigen zu führen; es hätten regelmäßige Besuche seiner Kinder in der Türkei stattgefunden. Dass dies nun im Hinblick auf Deutschland nicht möglich sein sollte, habe nicht festgestellt werden können. Insbesondere könnten die Angehörigen den Beschwerdeführer auch in Deutschland regelmäßig besuchen und diesen auch dort weiterhin finanziell unterstützen. Es lägen keine Umstände vor, die einer Ausweisung des Beschwerdeführers nach Deutschland entgegenstehen würden. Eine besondere Integrationsverfestigung des Beschwerdeführers in Österreich könne nicht erkannt werden. Es könne nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Deutschland systematischen Misshandlungen bzw Verfolgungen ausgesetzt gewesen wäre oder diese dort zu erwarten hätte. Aus medizinischer Sicht spreche nichts gegen eine Überstellung nach Deutschland. In Deutschland stehe Asylwerbern das Recht auf medizinische Behandlung zu; diese sei auch in der Praxis zugänglich. Die Feststellungen zu COVID-19 würden sich aus den vom Gesundheitsministerium veröffentlichten Informationen ergeben. Es sei nicht zu erkennen, dass sich die Pandemie-Situation in Deutschland schlechter darstellen würde als in Österreich. Es sei davon auszugehen, dass Überstellungen erst dann wieder durchgeführt würden, wenn sich die Lage entspannt hätte. Die skizierten derzeit bestehenden Überstellungshindernisse seien aus heutiger Sicht wahrscheinlich zeitlich begrenzt. Es sei davon auszugehen, dass Reisebewegungen jedenfalls in der Maximalfrist der Dublin-VO wieder aufgenommen werden könnten. Aus den Angaben des Beschwerdeführers seien keine stichhaltigen Gründe für die Annahme glaubhaft gemacht worden, dass dieser tatsächlich konkret Gefahr laufen würde, in Deutschland Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden oder dass diesem eine Verletzung seiner durch Art 3 EMRK gewährleisteten Rechte dadurch drohen könnte. Eine Schutzverweigerung Deutschlands sei nicht zu erwarten. Es sei davon auszugehen, dass die Anordnung der Außerlandesbringung nicht zu einer relevanten Verletzung von Art 8 EMRK führe. Die Beziehung zu den – erwachsenen – Angehörigen gehe nicht über ein übliches verwandtschaftliches Maß hinaus und würden auch keine wechselseitigen Abhängigkeiten, wie zB ein Pflegebedarf, vorliegen. Der Beschwerdeführer habe über einen längeren Zeitraum alleine gelebt und sei dieser auch nicht Teil der Kernfamilie. Bei dessen Beziehung zu seinen Kindern, Enkelkindern und Schwiegerkindern sei von keinem iSd Art 8 EMRK schützenswerten Familienleben auszugehen und stelle daher die Außerlandesbringung nach Deutschland keine Verletzung von Art 8 EMRK dar. Auch ein unzulässiger Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers sei nicht zu erkennen. Die Aufrechterhaltung von Kontakten zu den Angehörigen sei, wenn auch in eingeschränkter Form, auch aus Deutschland aus möglich. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG habe nicht erschüttert werden können; ein zwingender Anlass für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts des Art. 17 der Dublin III-VO habe sich nicht ergeben.

Gegen diesen Bescheid richtete sich die am 14.07.2020 fristgerecht eingebrachte Beschwerde. Vorweg sei festzuhalten, dass der gegenständliche Bescheid nicht ordnungsgemäß gefertigt sei. Eine handschriftliche Unterschrift, eine elektronische Amtssignatur oder eine Beglaubigung der Kanzlei gemäß § 18 Abs 4 AVG seien nicht ersichtlich. Die „Erledigung“ sei absolut nichtig. In Österreich würden 2 Söhne und eine Tochter des Beschwerdeführers leben. Das Verfahren des Beschwerdeführers sei am 06.02.2020 zugelassen worden. Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesamt habe der Beschwerdeführer angegeben, dass es ihm gesundheitlich schlecht gehe. Der Alltag werde aufgrund dessen und aufgrund seines hohen Alters von den Kindern erledigt. In Deutschland verfüge der Beschwerdeführer über keine familiären Anknüpfungspunkte und stünde diesem dort somit auch die benötigte Unterstützung im Alltag durch seine Angehörigen nicht zur Verfügung. Der Beschwerdeführer leide an Problemen an den Kniegelenken, an unilateraler Vestibulopathie und habe auch angegeben, an Herzproblemen zu leiden. Entsprechende Befunde seien vorgelegt worden. Die Erkrankungen und das Alter des Beschwerdeführers seien im Verfahren nur unzureichend gewürdigt worden. Es würden Ermittlungen dahingehend fehlen, inwieweit der Beschwerdeführer im Alltag auf Hilfe angewiesen sei. Weder er selbst noch seine Angehörigen seien hiezu befragt worden. Allein bereits aufgrund seines Alters falle der Beschwerdeführer in die Risikogruppe hinsichtlich eines schweren Verlaufs von COVID-19. Jede Reisebewegung könne das Risiko einer Infektion erhöhen. Der Genannte sei als besonders vulnerabel anzusehen. Der Beschwerdeführer verfüge, wie bereits mehrfach gesagt, in Österreich über enge familiäre Anknüpfungspunkte. Bei einem seiner Söhne lebe der Beschwerdeführer nunmehr und werde er von allen seinen Kindern versorgt und betreut; es bestehe eine enge emotionale Bindung. Es habe nur unzureichende Ermittlungen hinsichtlich des bestehenden Abhängigkeitsverhältnisses von seinen Kindern gegeben. Die Kinder des Beschwerdeführers wären hiezu einzuvernehmen gewesen. Es werde beantragt, den Sohn, bei welchem der Beschwerdeführer nunmehr wohnhaft sei, vor dem BVwG zeugenschaftlich einzuvernehmen. Entgegen der Ansicht der Behörde bestehe auch eine finanzielle Abhängigkeit des Beschwerdeführers von seinen Kindern. Auch regelmäßige Besuche in Deutschland könnten die im Alltag erforderliche Unterstützung nicht ersetzen. Es sei davon auszugehen, dass eine besondere Beziehungsintensität vorliege und von einem nach Art 8 EMRK schützenswerten Familienleben in Österreich auszugehen sei. Ein Selbsteintritt Österreichs wäre erforderlich gewesen. Die Zuständigkeit Österreichs ergebe sich dabei bereits aus Art 16 Dublin III-VO. Jedenfalls würde aber Art 17 Dublin III-VO greifen. Gegenständlich drohe eine Verletzung von Art 8 EMRK sowie von Art 3 EMRK. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurden beantragt.

Mit E-Mail des Bundesamtes vom 31.07.2020 wurden in Vorbereitung der geplanten Dublin-Überstellung der hiefür zuständigen LPD folgende gesundheitliche Beschwerden des Beschwerdeführers zur Kenntnis gebracht:

Kniearthrose, Gefäßsklerose, Vestibulometrie links, Presbyakusis bds; Medikation: T-ASS 100mg 1 Mal täglich; Fortecortin 8mg.

Die Befunde seien der Ärztin des BMI zur Beurteilung übermittelt worden; diese habe mitgeteilt, dass eine ärztliche Begleitung nicht erforderlich sei.

Aus einem Bericht einer LPD vom 11.08.2020 ergibt sich, dass der Beschwerdeführer am selben Tag zwecks Überstellung nach Deutschland in Haft genommen und in ein PAZ verbracht wurde. Die Amtsärztin bestätigte die Hafttauglichkeit des Beschwerdeführers.

Am 11.08.2020 ersuchten die Angehörigen des Beschwerdeführers das Kabinett des Bundesministers für Inneres um Unterstützung.

Am 13.08.2020 wurde der Beschwerdeführer auf dem Landweg nach Deutschland überstellt.

Mit E-Mail vom 24.08.2020 gab die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers bekannt, dass sich der Genannte wieder in Österreich befinde und bei einem seiner Söhne auch ordnungsgemäß gemeldet sei.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.09.2020 wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und gemäß § 21 Abs 5 erster Satz BFA-VG festgestellt, dass die Anordnung zur Außerlandesbringung zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides rechtmäßig war.

Gegen dieses Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts erhob der Beschwerdeführer außerordentliche Revision an den VwGH.

Mit Schriftsatz vom 03.05.2021 ersuchte der bestellte Rechtsvertreter des Beschwerdeführers, RA Mag. Philipp Moritz, Kalchberggasse 10/I, 8010 Graz, den VwGH, über die beantragte aufschiebende Wirkung zu befinden.

Am 06.05.2021 langte das Erkenntnis des VwGH vom 22.04.2021, Ra 2020/18/0442-13, beim Bundesverwaltungsgericht ein. Mit diesem wurde das Erkenntnis des BVwG vom 17.09.2020 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behoben. Das BVwG habe es unterlassen, sich mit dem Vorbringen, wonach der dem Beschwerdeführer ausgehändigte Bescheid die Erfordernisse des § 18 Abs 4 AVG nicht erfülle, auseinanderzusetzen. Ermittlungen seien unterblieben. Dies stelle einen relevanten Verfahrensmangel dar. Entsprechende Ermittlungen würden vom BVwG im fortgesetzten Verfahren zu erfolgen haben.

Mit E-Mail vom 10.05.2021 gab das Bundesamt bekannt, dass sich der Beschwerdeführer wieder in Österreich befinde und seit 09.03.2021 bei seinem Sohn gemeldet sei. Im Rahmen des Konsultationsverfahrens habe Deutschland am 06.05.2021 der Übernahme des Beschwerdeführers zugestimmt.

Mit Beschluss vom 10.05.2021 erkannte das BVwG, W185 2233124-1, der Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 24.06.2020 die aufschiebende Wirkung zu.

Mit Schreiben vom 12.05.2021 ersuchte das BVwG den Beschwerdeführer um Vorlage der diesem ausgehändigten „Erledigung“ vom 24.06.2020.

Mit Schreiben vom 18.05.2021 gab die BBU GmbH bekannt, vom Beschwerdeführer beauftragt und mit seiner Vertretung im Verfahren bevollmächtigt worden zu sein und legte unter einem die ihm ausgehändigte „Erledigung“ des Bundesamtes (Seiten 52/52) vor.

Am 20.05.2021 übermittelte das Bundesamt nach Aufforderung durch das BVwG den Originalbescheid vom 24.06.2020 samt Verfahrensanordnung und Informationsblatt.

Dieser Bescheid wurde der BBU GmbH vom BVwG mit der Bitte um Stellungnahme hiezu am selben Tag übermittelt („Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme“).

Am 27.05.2021 langte eine mit 26.05.2021 datierte Stellungnahme der BBU GmbH beim BVwG ein. Es wurde ausgeführt, dass auch die an eine Partei zugestellte Ausfertigung des Bescheides die Unterschrift des Genehmigenden zu enthalten habe. Mangle es an diesem Formerfordernis, sei die zugestellte Ausfertigung als Nichtbescheid zu qualifizieren. Nach der Judikatur der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts mangle es der Ausfertigung einer Erledigung, die keiner der in § 18 AVG genannten Fertigungsformen entspreche, die also weder die Unterschrift des Genehmigenden noch eine Beglaubigung noch eine Amtssignatur (zumindest als Ausdruck oder in Kopie davon) aufweise, an der Qualität als Bescheid. Es handle sich dabei um einen wesentlichen Fehler, der zur absoluten Nichtigkeit der Erledigung führe. Dass sich aus der vorgelegten Originalerledigung vom 24.06.2020 ergebe, dass im Anhang auf einer nicht mehr nummerierten Seite eine elektronische Amtssignatur befinde, ändere nichts an der Tatsache, dass dem Beschwerdeführer keine rechtswirksame Erledigung zugestellt worden sei. Die Behörde habe die Bestimmungen des § 18 Abs 4 AVG außer Acht gelassen. Im Hinblick auf § 18 Abs 4 3. Satz AVG mangle es der an den Beschwerdeführer zugestellten Ausfertigung jedenfalls an einer Fertigung und handle es sich somit um einen Nichtbescheid.

Mit Parteiengehör des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.07.2021 wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, binnen 10 Tagen ab Erhalt des Schreibens aktuelle Befunde in Vorlage zu bringen.

Am 19.07.2021 legte der Beschwerdeführer, vertreten durch die BBU GmbH, Befunde vor und erläutere weiter, dass es dem Beschwerdeführer – laut Informationen seines Sohnes – gesundheitlich derzeit sehr schlecht gehe und intensiver Pflegebedarf bestünde.

Folgende Befunde wurden vorgelegt:

- Ärztlicher Entlassungsbrief eines LKH/Universitätsklinikums, Abteilung f. Urologie, vom 31.05.2021:

Berichtet wurde über den stationären Aufenthalt des Beschwerdeführers vom 25.05.2021 bis 29.05.2021;

Diagnose: 17 Mal 8 mm Konkrement am PU Übergang re (schattengebend)

Therapie: Flexible URS re mit Laserlithotripsie und Steinextraktion am 28.05.2021

Der Verlauf sei kompliziert gewesen; der Pat. habe intraoperativ aspiriert; die Entlassung sei bei subjektiver Beschwerdefreiheit mit liegender Harnleiterschiene rechts erfolgt;

Medikation: Clavamox für 7 Tage; Novalgin bei Schmerzen

Kontrolle beim Hausarzt in einer Woche; die Harnleiterschiene darf höchsten für 3 Monate belassen werden.

-        Ambulanter Arztbrief eines LKH/Universitätsklinikums, Abteilung f. Urologie, vom 01.06.2021:

Vorgeschichte: Flexible URS re mit Laserlithotripsie und Steinextraktion am 28.05.2021

Pat. kommt wegen Unterbauchschmerzen; Beurteilung: Harnsperre; Harnblase entleert; Procedere: DK und JJ Entfernung in einer Woche beim niedergelassenen FA für Urologie;

-        Ambulanter Arztbrief eines LKH/Universitätsklinikums, Abteilung f. Urologie, vom 09.06.2021:

Zustand nach JJ Entfernung re und DK-Entfernung re am 08.06.2021; Schmerzen Unterbauch;

Beurteilung: Harnsperre mit Sensorik; Hydronephrose II-III; PH; Therapie: DK Anlage Tiemann CH 14; nach DK-Anlage keine Unterbauchschmerzen mehr; Medikation: Alna ret.; Wiedervorstellung zum Stein-CT zum Ausschluss eines Restkonkrements; DK Auslassversuch beim niedergelassenen FA für Urologie in 1 Woche;

-        Ambulanter Arztbrief eines LKH/Universitätsklinikums, Abteilung f. Urologie, vom 15.06.2021:

Derzeit stationär auf der Angiologie aufgrund einer 4 Etagen TVT (Anm: Tiefvenenthrombose).

Zur geplanten Kontrolle; Pat. subjektiv beschwerdefrei; für 21.06.2021 Nierenszintigraphie geplant; nach CT vom 09.06.2021: Hydronephrose re bei Steinstraße re; Procedere: Übernahme des Pat. zur JJ-Anlage in Sedo vor geplanter Nierenszintigraphie.

-        Ärztlicher Entlassungsbrief eines LKH/Universitätsklinikums, Abteilung f. Urologie, vom 28.06.2021:

Berichtet über den stationären Aufenthalt des Pat. vom 15.06.2021 bis 25.06.2021;

Diagnosen: Hochgradiger Verdacht auf Harnleiterstriktur re; Z.n. Konkrementabgang in die Harnblase; Z.n. tiefsitzender Steinstraße re; Therapie: URS re; Steinentfernung aus der Harnblase; Anlage JJ re am 24.06.2021; negativer DK-Auslassversuch; Z.n. postoperativer 4-Etagen TVT links am 10.06.2021. Der Pat. konnte am 25.06.2021 in gutem Allgemeinzustand, mit orthotop liegender Schiene re sowie mit liegendem DK nach Hause entlassen werden. Bezüglich der weiteren Therapie der TVT wurde ein angiologisches Konsil eingeholt und die Medikation adaptiert.

-        Ambulanter Arztbrief eines LKH/Universitätsklinikums, Abteilung f. Urologie, vom 09.07.2021:

Pat. kommt zum geplanten DK-Auslassversuch; der Pat. ist derzeit beschwerdefrei; kein Fieber, kein Schüttelfrost; Spontanmiktion nicht möglich; Neuerliche DK-Anlage; frustrierter Versuch; Procedere: Nächster DK-Wechsel in 4 bis 6 Wochen beim Hausarzt oder niedergelassenen FA für Urologie; eine CIC-Einschulung wird vom Pat. nicht gewünscht; JJ-Entfernung re bei niedergelassenen FA für Urologie wie laut letztem Arztbrief in 2 bis 3 Wochen; Nierenszintigraphie-Kontrolle am 11.08.2021; danach Besprechung und Katheterwechsel.

1.       Feststellungen:

Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, reiste im Besitz eines deutschen Schengen-Visums „C“, gültig von 28.10.2019 bis 24.01.2020, in das Gebiet der Mitgliedstaaten ein und suchte am 06.02.2020 in Österreich um internationalen Schutz an.

Am 19.02.2020 richtete das Bundesamt ein Aufnahmeersuchen gemäß Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO an Deutschland. Dies unter Hinweis auf das von Deutschland ausgestellte Schengen-Visum und den Aufenthalt erwachsener Angehöriger des Beschwerdeführers in Österreich.

Mit Schreiben vom 04.03.2020 stimmte Deutschland der Aufnahme des Beschwerdeführers nach der genannten Bestimmung ausdrücklich zu.

Der Beschwerdeführer legte in der Folge eine Reihe von Arztschreiben und Befunden vor.

Mit Bescheid vom 24.06.2020 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass gemäß Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO Deutschland für die Prüfung des Antrags zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge eine Abschiebung nach Deutschland gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Diese „Erledigung“ des Bundesamtes wurde dem Beschwerdeführer nachweislich am 30.06.2020 von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes persönlich ausgehändigt (AS 239). Diese „Erledigung“ wurde den maßgeblichen Bestimmungen des § 18 AVG entsprechend erstellt und ist sohin unzweifelhaft als Bescheid zu qualifizieren (siehe hiezu weiter unten).

Am 13.08.2020 wurde der Beschwerdeführer auf dem Landweg nach Deutschland überstellt.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.09.2020 wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und gemäß § 21 Abs 5 erster Satz BFA-VG festgestellt, dass die Anordnung zur Außerlandesbringung zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides rechtmäßig war.

Gegen dieses Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts erhob der Beschwerdeführer außerordentliche Revision an den VwGH. Mit Erkenntnis des VwGH vom 22.04.2021, Ra 2020/18/0442-13, wurde das Erkenntnis des BVwG vom 17.09.2020 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behoben.

Das Bundesamt teilte dem BVwG mit, dass der Beschwerdeführer erneut in Österreich sei und seit 09.03.2021 bei seinem Sohn in Österreich gemeldet sei.

Im Rahmen eines (erneuten) Konsultationsverfahrens hat Deutschland am 06.05.2021 der Übernahme des Beschwerdeführers (erneut) zugestimmt.

In Österreich befinden sich zwei erwachsene Söhne des Beschwerdeführers; diese sind österreichische Staatsangehörige. Weiters befindet sich eine erwachsene Tochter des Beschwerdeführers mit Familie in Österreich. Mit einem der angeführten Söhne lebt der Beschwerdeführer seit seiner Einreise nach Österreich, mit einer kurzen Unterbrechung, im gemeinsamen Haushalt. Der Beschwerdeführer nimmt keine Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch.

Der Beschwerdeführer leidet an folgenden Erkrankungen bzw wurden folgende medizinische Behandlungen durchgeführt:

Unilaterale Vestibulopathie links;

Valgusgonarthrose bds;

Retropatellaarthrosen bds;

Gefäßsklerose;

17 Mal 8 mm Konkrement am PU Übergang re (schattengebend); Laserlithotripsie und Steinextraktion am 28.05.2021;

Harnsperre mit Sensorik; Hydronephrose II-III;

4 Etagen TVT;

Hydronephrose re bei Steinstraße re; Nierenszintigraphie terminisiert;

Hochgradiger Verdacht auf Harnleiterstriktur re; Z.n. Konkrementabgang in die Harnblase;

Therapie: URS re; Steinentfernung aus der Harnblase; Anlage JJ re am 24.06.2021; negativer DK-Auslassversuch;

Neuerliche DK-Anlage; frustrierter Versuch; Procedere: Nächster DK-Wechsel in 4 bis 6 Wochen beim Hausarzt oder niedergelassenen FA für Urologie; JJ-Entfernung re bei niedergelassenen FA für Urologie in 2 bis 3 Wochen; Nierenszintigraphie-Kontrolle am 11.08.2021; danach Besprechung und Katheterwechsel.

Der Beschwerdeführer war vom 25.05.2021 bis 29.05.2021, im Zeitraum um den 10.06.2021 in der Angiologie (4 Etagen TVT) und vom 15.06.2021 bis 25.06.2021 in stationärer Behandlung in einem LKH/Universitätsklinikum, Abteilung für Urologie. Im genannten Zeitraum suchte der Beschwerdeführer auch noch 4 Mal die urologische Ambulanz eines LKH/Universitätsklinikums auf. Er benötigt mehrere Medikamente.

Der gesundheitliche Zustand des Beschwerdeführers hat sich seit Erlassung des Bescheides des Bundesamtes vom 24.06.2020 wesentlich verschlechtert. Er ist zur Bewältigung des Alltags in erheblichem Ausmaß auf die Unterstützung seiner Angehörigen angewiesen.

2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Verfahrensgang ergibt sich aus den vorliegenden Akten und wurde auch nicht bestritten.

Dem Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem (GVS) ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer keine Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch nimmt.

Dass der Beschwerdeführer seit seiner (Wieder)Einreise nach Österreich (erneut) in einem gemeinsamen Haushalt mit seinem Sohn lebt, ergibt sich aus den eigenen Angaben, der Mitteilung seitens des Bundesamtes und findet auch im Zentralen Melderegister (ZMR) Deckung.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers ergeben sich aus den im Verfahren vorgelegten Befunden, insbesondere aus den Arztbriefen einer urologischen Ambulanz bzw aus den Ärztlichen Entlassungsbriefen den Zeitraum vom 31.05.2021 bis 09.07.2021 betreffend. Aus diesen Schreiben ergeben sich auch die Feststellungen zu den stationären Aufenthalten des Beschwerdeführers auf der Urologie bzw der Angiologie im Ausmaß von insgesamt zumindest 17 Tagen.

Zwar ist der Beschwerdeführer nicht akut lebensbedrohlich erkrankt. Dennoch ist aufgrund des Zusammentreffens in Kombination einer beträchtlichen Anzahl mittlerweile aufgetretener unterschiedlicher gesundheitlicher Beeinträchtigungen und der daraus resultierenden großen Zahl an ambulanten Terminen und stationären Aufenthalten sowie des fortgeschrittenen Alters des Beschwerdeführers (79 Jahre), davon auszugehen, dass dieser zur Bewältigung des Alltags nunmehr in hohem Maße auf die Unterstützung seiner Angehörigen, insbesondere des Sohnes, mit dem der Beschwerdeführer bereits seit geraumer Zeit im gemeinsamen Haushalt lebt, angewiesen ist.

Die festgestellten familiären und persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers beruhen auf den eigenen, nicht anzuzweifelnden Angaben und dem Akteninhalt.

Zur „Erledigung“ des Bundesamtes vom 24.06.2020 ist nach den Recherchen des Bundesverwaltungsgerichts im fortgesetzten Verfahren Folgendes festzuhalten:

Die als „Bescheid“ bezeichnete „Erledigung“ des Bundesamtes, datiert mit 24.06.2020, wurde auf Seite 52/52 folgendermaßen gefertigt:

„Für den Direktor des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl:

XXXX “

Beigefügt waren eine handschriftliche Unterschrift sowie folgender, handschriftlicher Vermerk: Gesehen und genehmigt am 24.06.2020 durch XXXX (ebenfalls handschriftlich unterzeichnet).

Dem Bescheid angeschlossen waren ein Informationsblatt in kurdischer Sprache, eine mit 25.06.2020 datiert, von XXXX handschriftlich unterfertigte und mit einer Amtssignatur versehene „Verfahrensanordnung gemäß § 52 Abs 1 BFA-VG“ (Datum der Amtssignatur: 2020-06-25T09:10:20+2:00), sowie ein vom zustellenden Organ auszufüllender Zustellschein.

Der o.a. Bescheid, das Informationsblatt, die Verfahrensanordnung und der Zustellschein wurden vom Bundesamt am 25.06.2020, 09.20 Uhr, mit der Bitte um Zustellung, an eine Landespolizeidirektion gemailt (AS 231) und ersucht, den Zustellschein unterfertigt zu retournieren. Dieses Ersuchen wurde seitens der LPD um 09.41 Uhr an die örtlich zuständige Polizeiinspektion zur Durchführung weitergeleitet (AS 233). Aus einem Bericht der LPD an das Bundesamt vom 30.06.2020 geht hervor, dass dem do. Ersuchen am 30.06.2020 entsprochen wurde (auf dem Zustellschein ist (fälschlich) als Datum der 30.07.2020 angeführt).

Der Besch

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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