Entscheidungsdatum
28.07.2021Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W189 2215532-1/10E
BESCHLUSS
I. Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag. Irene RIEPL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Somalia, vertreten durch den Verein We move together - Beratung und Hilfe für MigrantInnen, Schönbrunner Straße 213/508, 1120 Wien – Mag. Brigitte Tchoukwe Tchoua, MA, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl lautend auf 01.02.2018, Zl. 1202566402/180761464:
A)
Das Verfahren wird wegen Zurückziehung der Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 1 VwGVG eingestellt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
IM NAMEN DER REPUBLIK
II. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Irene RIEPL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, vertreten durch den Verein We move together - Beratung und Hilfe für MigrantInnen, Schönbrunner Straße 213/508, 1120 Wien – Mag. Brigitte Tchoukwe Tchoua, MA, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl lautend auf 01.02.2018, Zl. 1202566402/180761464 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am , zu Recht:
A)
1. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status einer subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia zuerkannt.
2. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte für die Dauer von einem Jahr erteilt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin (in der Folge: BF), eine Staatsangehörige Somalias, stellte am 10.08.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
Bei ihrer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 11.08.2018 gab die BF im Wesentlichen an, aus der Provinz Galguduud zu stammen und somalische Staatsangehörige zu sein. Sie sei Sunnitin und gehöre der Volksgruppe der XXXX an. Sie sei verwitwet. Ihre Muttersprache sei Somalisch, welche sie in Wort und Schrift beherrsche, und habe sie eine Koranschule besucht. Zuletzt habe sie als Teeverkäuferin gearbeitet. Ihre Eltern sowie zwei Brüder befänden sich nicht in Österreich oder einem EU-Staat.
Zu ihrer Reiseroute führte sie im Wesentlichen aus, sie sei aus ihrem Wohnort XXXX mit einem Auto nach Mogadischu gefahren und mit einem Flugzeug schlepperunterstützt in die Türkei geflogen, wo sie in weiterer Folge unter Zuhilfenahme eines Schleppers über Griechenland, Mazedonien sowie Serien nach Österreich gereist sei.
Zu ihrem Ausreisegrund brachte sie im Wesentlichen vor, sie habe mit ihrem Mann in Somalia ein kleines Lokal betrieben, in welchem unter anderem Soldaten der Regierung bedient worden seien. Dies sei ihnen von der Al-Shabaab untersagt worden. Ihr Mann sei von der Al-Shabaab inhaftiert worden und zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden. Nach seiner Entlassung hätten die BF und ihr Mann wieder Soldaten der Regierung bedient, woraufhin ihr Mann von der Al-Shabaab im Oktober 2017 mitgenommen und getötet worden sei. Nach mehrmaliger Bedrohung durch die Al-Shabaab habe sich die BF entschlossen, Somalia zu verlassen. Im Falle einer Rückkehr habe sie Angst von der Al-Shabaab getötet zu werden.
2. Nach Zulassung ihres Asylverfahrens wurde die BF niederschriftlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) am 23.10.2018 in Anwesenheit einer Vertrauensperson von einer Organwalterin einvernommen. Sie gab im Wesentlichen an, für zwei Jahre eine Koranschule besucht zu haben. Zu ihrer Volksgruppenzugehörigkeit präzisierte sie, dass sie Hawiye sei, dem Sub-Clan XXXX sowie dem Sub-Sub-Clan XXXX anzugehören. Sie sei gesund, verwitwet und habe keine Kinder. Sie habe seit ihrer Geburt bis April 2018 in der Ortschaft XXXX in der Provinz Galgaduud gelebt. Bevor sie dort gemeinsam mit ihrem Mann gelebt habe, habe sie bei ihren Eltern gelebt. Im Mai 2018 habe sie Somalia von Mogadischu aus verlassen. Ihre Familie sei in Somalia zurückgeblieben. Zu ihrer beruflichen Tätigkeit konkretisierte sie, sie habe gemeinsam mit ihrem Mann einen kleinen Imbiss in XXXX betrieben. Aufgrund mehrerer Probleme und da ihr Mann umgebracht worden sei, habe sie nicht mehr dort arbeiten können. Ihre Eltern hätten sich getrennt und habe die BF seit dem Verlassen ihrer Heimat keinen Kontakt mehr zu ihnen, zumal sie deren Telefonnummer verloren habe. Sie wüsste insbesondere nicht, ob sie noch dort seien und habe gehört, ihre Eltern seien wegen ihr von der Al-Shabaab attackiert worden. Befragt gab sie an, sie von ihrer Tante in Mogadischu gehört zu haben, dass ihr Vater attackiert worden sei. Sie habe zwei minderjährige Halbbrüder, welche bei ihrer Mutter leben würden und damals alle in XXXX gelebt hätten. Zu ihrer familiären Situation gab die BF befragt an, ihre Mutter habe sich seit der Schwangerschaft zu ihr von ihrem Vater getrennt und habe die BF bei ihrer Mutter gelebt, bis sie geheiratet habe.
Befragt zu ihrem Fluchtvorbringen schilderte sie im Wesentlichen von der Al-Shabaab bedroht worden zu sein und habe ihr eine Zwangsverheiratung gedroht, nachdem ihr Mann von der Al-Shabaab umgebracht worden sei. Galgaduud sei unter der Besetzung der Al-Shabaab gewesen und haben die Soldaten der Regierung es nicht geschafft, XXXX zu befreien. Die Soldaten der Regierung seien ab und zu nach XXXX gekommen, wobei sich währenddessen die Al-Shabaab-Mitglieder versteckt oder die Ortschaft verlassen hätten. Ihr Mann habe den Soldaten der Regierung im Imbiss etwas verkauft und sei dieser deswegen an die Al-Shabaab verraten worden. Die Al-Shabaab habe dies als Verrat betrachtet und jene Leute terrorisiert und umgebracht. Ihr Mann sei von Al-Shabaab-Männern mitgenommen, drei Tage lang festgehalten, bedroht und gewarnt worden. Befragt gab sie an, den Männern persönlich nicht begegnet zu sein, und sei ihr Mann mit dem Umbringen bedroht worden, falls er wieder an die Soldaten verkaufe. Sie habe davon zuerst von einer Freundin erfahren und habe dies dann von ihrem Mann erzählt bekommen. Einen Monat später habe ihr Mann den Soldaten der Regierung abermals etwas verkauft. Dies habe er nicht ablehnen können, weil ihm ansonsten eine Zugehörigkeit zur Al-Shabaab unterstellt worden wäre, und gab die BF befragt an, dass ihr Mann von den Regierungssoldaten hinsichtlich der Drohung der Al-Shabaab nicht ernstgenommen worden sei und sei diesem eine Zusammenarbeit mit der Al-Shabaab unterstellt worden. In der gleichen Nacht hätten drei Al-Shabaab-Männer die BF und ihren Mann durch Einbruch in deren Haus aufgesucht. Sie hätten ihren Mann beschuldigt, ein Verräter und Spion für die Regierung zu sein und ihn mitgenommen sowie umgebracht. Die BF sei von den Al-Shabaab-Männern verletzt worden, als die BF ihren Mann festhalten haben wolle. Sie habe sich eine Narbe auf der linken Seite des Kopfes sowie einen Bruch des linken Fußes zugezogen. Die Leiche ihres Mannes sei gefunden worden, die BF habe sie aber nicht gesehen. Sie sei für fünf Monate zu ihrem Vater gezogen. Die Al-Shabaab habe dann geplant, die BF mit einem Al-Shabaab-Mann zu verheiraten. Da sie fürchtete bei Ablehnung ebenso wie ihr verstorbener Mann getötet zu werden, habe sie zugesagt und um Zeit gebeten. Ihr Vater habe ihr zwecks Vermeidung von Problem zur Heirat geraten. Sie sei dann zu ihrer Mutter gegangen und habe den Al-Shabaab-Mann nicht heiraten wollen. Ihre Mutter habe sie zu ihrer Tante nach Mogadischu geschickt, zumal sie bereits eine Tochter verloren habe. Da es auch die Al-Shabaab in Mogadischu gebe, habe ihr Onkel vorgeschlagen, die BF solle Somalia verlassen und sei sie dann zum Schlepper gebracht worden. Befragt, was der BF im Fall einer etwaigen Rückkehr drohe, gab diese an, eine alleinstehende Frau zu sein, von einem von der Al-Shabaab besetzten Ort zu kommen und wies diese daraufhin, dass sie sich vor Zwangsverheiratung fürchte. Sie habe niemanden männlichen, der sie beschütze und habe sie Angst, weil sie von der Al-Shabaab bedroht und verletzt worden sei.
Zur Herrschaft der Al-Shabaab in XXXX gab die BF im Wesentlichen an, die Leute hätten nach dem Al-Shabaab-Gesetz gelebt und dort Steuern gezahlt, haben die Frauen ihren ganzen Körper verhüllen müssen und habe es Missionsarbeit seitens der Al-Shabaab gegeben. Befragt gab sie an, dass in XXXX die Al-Shabaab nicht in der Mehrzahl sei, weswegen es möglich sei, dass Regierungssoldaten dort hinkommen könnten. XXXX sei unter der Herrschaft der Al-Shabaab.
3. Mit Bescheid, datiert mit 01.02.2018, (gemeint wohl 2019) Zl. 1202566402/180761464, wurde der Antrag der BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Der BF wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BVA-VG wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Somalia zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung bestimmt (Spruchpunkt VI.). Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, aufgrund der vagen, widersprüchlichen Angaben sei es der BF nicht gelungen, eine Furcht vor Verfolgung glaubhaft zu machen und könne auch von einer solchen konkreten Verfolgung gegen die Person der BF auch im Falle einer Rückkehr nicht ausgegangen werden. Auch könne aus den persönlichen Merkmalen der BF wie Volksgruppenzugehörigkeit oder Religion aus der allgemeinen Lage in Somalia keine Verfolgungsgefahr abgeleitet werden. Festgestellt wurde, dass der BF eine Rückkehr nach Somalia zumutbar sei. Die BF sei gesund, leistungsfähig und leide an keiner lebensbedrohlichen Krankheit. Sie könne auf die Berufserfahrung als Köchin und auf verwandtschaftliche Kontakte vor Ort zurückgreifen, die ihr analog zur Ausreise eine Hilfestellung geben könnten. Ebenso könne sie als Angehörige der Volksgruppe der Hawiye gleichfalls auf deren Unterstützung zurückgreifen. Auch habe sich hinsichtlich der Dürresituation die Versorgungslage aufgrund aktueller Regenfälle wieder entspannt. Insbesondere könne sich die BF in Mogadischu niederlassen. Auch wurde auf unzählige in Somalia und Mogadischu aktive humanitäre Organisationen sowie auf die Möglichkeit der Rückkehrhilfe verwiesen. Aus dem Vorbringen der BF und der allgemeinen Situation alleine sei somit hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten nichts zu gewinnen. Hinsichtlich des Spruchpunktes IV. sei festzuhalten, dass sich aus dem Aufenthalt der BF eine rechtlich relevante Bindung zu Österreich nicht ableiten lasse, zumal ein schützenswertes Familienleben in Bezug auf Österreich nicht bestehe und sonst keine wesentlichen Anknüpfungspunkte der BF an Österreich feststünden. Da keine Verfestigungs- oder Integrationstatbestände verwirklicht seien, sei eine Rückkehrentscheidung als zulässig zu erachten.
4. Mit einem am 01.03.2019 beim BFA einbrachten Schriftsatz erhob die BF gegen den oben genannten Bescheid rechtzeitig Beschwerde hinsichtlich aller Spruchpunkte an das Bundesverwaltungsgericht. Darin wurde beantragt, den angefochtenen Bescheid dahingehend zu ändern, dass der BF der Status einer Asylberechtigten und in eventu der Status einer subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt werde, allenfalls eine Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären, allenfalls einen Aufenthaltstitel aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen und allenfalls festzustellen, dass die Abschiebung nach Somalia unzulässig sei. Weiters wurde die Beauftragung eines landeskundlichen Sachverständigen sowie die Anberaumung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung beantragt.
Im Wesentlichen wurde in der Beschwerdebegründung auf die Verfolgung der Beschwerdeführerin durch die Al-Shabaab hingewiesen. Festgehalten wurde insbesondere, dass es sich bei der BF, nach Ermordung ihres Ehemanns, um eine alleinstehende Frau handle. Für die BF als eine alleinstehende Frau ohne familiären Bezug bestehe für den Fall einer Abschiebung außerdem die reale Gefahr, dass sie in eine existenzbedrohende Lage geriete. Insbesondere werde auf die katastrophale Sicherheitslage für Frauen sowie auf die fehlende Möglichkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative hingewiesen. Auch habe sich die BF in Österreich intensiv um Integration bemüht, versuche die BF die deutsche Sprache zu erlernen, und habe sie soziale Kontakte geknüpft. Sie sei arbeitsfähig und –willig sowie unbescholten und stelle in Falle der Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung keine Belastung für die Gebietskörperschaft dar.
5. Die Beschwerde langte am 06.03.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
6. Am 27.04.2021 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Zuhilfenahme einer geeigneten Dolmetscherin für die Sprache Somalisch statt, zu welcher die BF samt Rechtsvertretung erschienen ist. Die belangte Behörde blieb der Verhandlung entschuldigt fern. Im Rahmen dessen standen unter anderem die persönlichen Verhältnisse der BF, ihre Fluchtgründe und die Situation im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat im Vordergrund.
Die BF hat zur Verhandlung im Übrigen einen Freund mitgebracht, den sie nach eigenen Angaben traditionell geheiratet habe.
Vorgelegt wurden Befund des AKH, Abteilung Gynäkologie vom 24.06.2019 betreffend gynäkologischen Eingriff (Beilage ./1), Teilnahmebestätigung des Vereins „V.I.E.L.E“ betreffend Nachholen es Pflichtschulabschlusses vom 22.04.2021 (Beilage ./2), Konvolut an Integrationsunterlagen (ÖIF-Teilnahmebestätigung, Werte- und Orientierungskurs vom 17.04.2019, Zertifikat ÖSD A1 vom 22.07.2020, Zeugnis des ÖIF für Integrationsprüfung A2 vom 21.12.2020, Anwesenheitsbestätigung des „VIELE Frauenzentrum“ hinsichtlich Anmeldung und Teilnahme am Deutschkurs B1, Teilnahmebestätigung der Polizei-Kriminalprävention vom 11.06.2019).
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung zog die BF nach Rücksprache mit ihrer Rechtsvertretung aus freien Stücken ihre Beschwerde gegen den Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids zurück. Die BF beantragte explizit durch die Rechtsvertretung die Gewährung von subsidiären Schutz und führte diesbezüglich im Wesentlichen ergänzend aus, sie habe hinsichtlich des Abbruchs des Kontaktes zu ihrer Familie im gesamten Verfahren gleichlautende Angaben gemacht, weshalb nicht davon auszugehen sei, dass sie im Falle einer Rückkehr auf ein familiäres Netzwerk zurückgreifen könne. In den letzten Jahren habe es wiederholt Abfolgen von Dürre und Flut gegeben und sei die Versorgungslage, auch aufgrund der Heuschreckenplage sowie der Auswirkungen von COVID-19, schlecht. Aufgrund der Pandemie seien Grenzen geschlossen worden. Hilfslieferungen und Pestizide hätten nicht eingeführt werden können. All dies habe zu einer wesentlichen Verschlechterung der Versorgungslage geführt. Es könne nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass die BF eventuelle Familienmitglieder oder Verwandte an den Orten wiederfinden werde, an welchen sie sie vor der Flucht zurückgelassen habe. Es sei daher davon auszugehen, dass die BF im Falle einer Rückkehr in eine existenzbedrohende Notlage geriete.
Die BF ersuchte um Frist zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme binnen zwei Wochen.
7. Mit Schreiben der BF vom 20.05.2021 wurde durch ihre Rechtsvertretung zum Länderinformationsblatt Stellung bezogen. Hierin betonte die BF insbesondere die nach wie vor katastrophale Versorgungs- und Sicherheitslage und fehlende Existenzmöglichkeit im Falle einer Rückkehr und legte sie Berichte zu Somalia vor. So sei Somalia eines jener Länder, das am schlechtesten auf die Pandemie vorbereitet sei. Die erfassten Zahlen von COVID-Betroffenen seien nicht aussagekräftig, weil zu wenig Testmöglichkeiten beständen und gäbe es Vorerkrankungen in höherem Ausmaß als in Europa. Die infolge der Pandemie geschlossenen Grenzen würden auch die Versorgungslage erneut verschlechtern. Im Vergleich zu den Jahren 2017 sowie 2018 sei es nicht wie erhofft zu einer nachhaltigen Verbesserung der Versorgungslage gekommen und biete sich Mogadischu nicht als interne Fluchtalternative an. So sei auch davon auszugehen, dass die Lebensmittelpreise steigen und sich die Versorgungslage, auch infolge von Dürre, Fluten und Heuschreckenplagen, weiter verschärfe. Etwa Social Distancing sei aufgrund der Lebensbedingung in Somalia schwierig. Es sei davon auszugehen, nachdem die BF kein soziales oder familiäres Netzwerk mehr habe, dass sie von eben diesen Auswirkungen der Pandemie besonders betroffen sein würde und sie damit in eine existenzbedrohende Lage geriete. Besonders für Rückkehrerinnen ohne soziales Netzwerk sei es schwer, Arbeit zu finden, oder Wohnraum anzumieten, zumal es hierfür Garanten bedürfe. Auch habe die Verschiebung von Wahlen zu erheblichen Unruhen in Mogadischu und anderen Regionen in Somalia geführt. Dies werde von der Al Shabaab genutzt, welche mehr Anschläge verübe. Menschen würden zu Hundertausenden aus Mogadischu fliehen. Mogadischu habe sich endgültig als interne Fluchtalternative disqualifiziert. Die Sicherheit sei nie stabil gewesen. Abschließend sei noch auf die Schließung von Flüchtlingslagern in Kenia hinzuweisen, wodurch eine halbe Million Menschen nach Somalia zurückzutreiben drohe. Dies werde die Versorgungslage ebenso verschlechtern, wie die Rückkehr vieler Somalis aufgrund der Hungersnot in Jemen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person der BF
Die BF ist eine Staatsangehörige Somalias, volljährig, kinderlos und sunnitisch-muslimischen Glaubens. Nach eigenen Angaben ist die BF mit einem in Österreich Asylberechtigten seit 25.06.2019 traditionell-islamisch verheiratet. Ihre Muttersprache ist Somalisch in Wort und Schrift und spricht die BF ein bisschen Arabisch. Sie gehört der Volksgruppe der Hawiye, dem Sub-Clan XXXX und dem Sub-Sub-Clan XXXX an. Am 10.08.2018 stellte sie einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
Die BF besuchte in Somalia zwei Jahre eine Koranschule und hat die BF nach eigenen Angaben in ihrer Heimat einen kleinen Imbiss bzw. eine kleine Landwirtschaft zusammen mit ihrem verstorbenen Mann betrieben.
Die BF stammt aus der Region Galguduud und ist im Dorf XXXX geboren und lebte dort bis April 2018.
Von April bis Mai 2018 hat sie sich in Mogadischu, unter anderem bei ihrer Tante, aufgehalten.
Die BF hat Somalia im Mai 2018 verlassen.
Die BF hat eine Mutter, einen Vater sowie einen 19- und 17-jährigen Halbbruder mütterlicherseits aus Somalia, sowie eine Tante mütterlicherseits aus Mogadischu, welche verheiratet ist und Kinder hat. Zu den engen Verwandten zählt die BF weiters ihre Cousine und ihre Kinder aus Somalia. Der Mann ihrer Tante aus Mogadischu war Unternehmer und lebten ihre Tante sowie ihr Mann in guten Verhältnissen.
Der Vater der BF hat weitschichtige Verwandte aus Somalia, wie Cousins und Cousinen, welche die BF nicht so gut kennt.
Die BF ist bei ihrer Mutter in XXXX aufgewachsen, welche sich von dem Vater der BF vor deren Geburt trennte. Ihre Mutter hat wieder geheiratet und mit ihrem neuen Ehemann, dem Stiefvater der BF, einen Tierverkauf betrieben. Jene sind nach Angaben der BF nur im Alltagsleben zurechtgekommen.
Die BF ist gesund und leidet an keiner lebensbedrohlichen Krankheit.
Festgestellt wird, dass die BF in Österreich strafrechtlich unbescholten ist.
In Österreich hat die BF keine Verwandten. Die BF versteht an sie in Deutsch gestellte Fragen und antwortet auch prompt in deutscher Sprache, welche grammatikalisch noch ausbaubedürftig ist. Die BF hat eine Integrationsprüfung Sprachniveau A2 bestanden. Sie besucht einen Deutschkurs.
Die BF zog im Rahmen der mündlichen Verhandlung die Beschwerde hinsichtlich des Spruchpunktes I. des angefochtenen Bescheids, mit welchem der Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen worden war, zurück.
1.2. Zur maßgeblichen Situation in Somalia
Im Folgenden werden die wesentlichen Passagen aus dem vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Somalia (COI-CMS Version 2), Stand 08.07.2021, wiedergegeben:
COVID-19
Letzte Änderung: 07.07.2021
Zwischen 19.3.2020 und 2.1.2021 wurden über 81.000 Menschen getestet, knapp 4.700 waren infiziert (HIPS 2021, S. 24). Im ersten Quartal 2021 entwickelte sich eine neue Welle. Im Zeitraum 16.3.-7.5.2021 wurden 11.504 Infektionen bestätigt, 537 Personen starben an oder mit Covid-19 (UNSC 19.5.2021, Abs. 61). Mit Stand 27.6.2021 waren in Somalia 7.235 aktive Fälle registriert, insgesamt 775 Personen waren verstorben. Seit Beginn der Pandemie waren nur 140.128 Tests durchgeführt worden (ACDC 27.6.2021). Mitte März 2021 trafen die ersten Impfstoffe in Somalia ein. Mit Stand 29.4.2021 waren 121.700 Personen immunisiert (UNSC 19.5.2021, Abs. 61). Im August 2020 wurde der internationale Flugverkehr wieder aufgenommen (PGN 10.2020, S. 9). Regeln zum social distancing oder auch Präventionsmaßnahmen wurden kaum berücksichtigt (HIPS 2021, S. 24). Trotz Warnungen wurden Moscheen durchgehend – ohne Besucherbeschränkung – offengehalten (DEVEX 13.8.2020). Mitte Feber 2021 warnte die Gesundheitsministerin vor einer Rückkehr der Pandemie. Die Zahl an Neuinfektionen und Toten stieg an (Sahan 16.2.2021b). Ende Feber 2021 wurden alle Demonstrationen in Mogadischu verboten, da eine neue Welle von Covid-19 eingetreten war. Zwischen 1. und 24. Feber verzeichnete Somalia mehr als ein Drittel aller Covid-19-Todesopfer der gesamten Pandemie (PGN 2.2021, S. 16). Die tatsächlichen Infektionszahlen sind aufgrund wenig verfügbarer bzw. erreichbarer Testmöglichkeiten, Stigma, wenig Vertrauen in Gesundheitseinrichtungen sowie teilweise der Leugnung von COVID-19 völlig unklar (UC 13.6.2021, S. 9). Testungen sind v.a. auf Städte beschränkt (UC 13.6.2021, S. 2) und generell so gut wie inexistent. Die offiziellen Todeszahlen sind niedrig, das wahre Ausmaß wird aber wohl nie wirklich bekannt werden (STC 4.2.2021). Die Zahl an Infektionen dürfte höher liegen, als offiziell bekannt. Viele potenziell Infizierte melden sich nicht, da sie eine gesellschaftliche Stigmatisierung fürchten (UNFPA 12.2020, S. 1). Auch, dass es in Spitälern kaum Kapazitäten für Covid-19-Patienten gibt, ist ein Grund dafür, warum viele sich gar nicht erst testen lassen wollen – ein Test birgt für die Menschen keinen Vorteil (DEVEX 13.8.2020). Die informellen Zahlen zur Verbreitung von Covid-19 in Somalia und Somaliland sind also um ein Vielfaches höher als die offiziellen. Einerseits sind die Regierungen nicht in der Lage, breitflächig Tests (es gibt insgesamt nur 14 Labore) oder gar Contact-Tracing durchzuführen. Gleichzeitig behindern Stigma und Desinformation die Bekämpfung von Covid-19 in Somalia und Somaliland. Mit dem Virus geht eine Stigmatisierung jener einher, die infiziert sind, als infiziert gelten oder aber infiziert waren. Mancherorts werden selbst Menschen, die Masken tragen, als infiziert gebrandmarkt. Die Angst vor einer Stigmatisierung und die damit verbundene Angst vor ökonomischen Folgen sind der Hauptgrund, warum so wenige Menschen getestet werden. Es wird berichtet, dass z.B. Menschen bei (vormals) Infizierten nicht mehr einkaufen würden. IDPs werden vielerorts von der Gastgemeinde gemieden – aus Angst vor Ansteckung. Dies hat auch zum Verlust von Arbeitsplätzen – z. B. als Haushaltshilfen – geführt. Dabei fällt es gerade auch IDPs schwer, Präventionsmaßnahmen umzusetzen. Sie leben oft in Armut und in dicht bevölkerten Lagern, und es mangelt an Wasser (DEVEX 13.8.2020). Somalia ist eines jener Länder, dass hinsichtlich des Umgangs mit der Pandemie die geringsten Kapazitäten aufweist (UNFPA 12.2020, S. 1). Humanitäre Partner haben schon im April 2020 für einen Plan zur Eindämmung von Covid-19 insgesamt 256 Millionen US-Dollar zur Verfügung gestellt (UNSC 13.11.2020, Abs. 51). UNSOS unterstützt medizinische Einrichtungen, stellt Ausrüstung zur Bekämpfung der Pandemie zur Verfügung. Bis Anfang Juni konnten die UN und AMISOM eine substanzielle Zahl an Behandlungsplätzen schaffen (darunter auch Betten zur Intensivpflege) (UNSC 13.8.2020, Abs. 69). Trotzdem gibt es nur ein speziell für Covid-19-Patienten zugewiesenes Spital, das Martini Hospital in Mogadischu. Dieses ist unterbesetzt und schlecht ausgerüstet; von 150 Betten verfügen nur 11 über ein Beatmungsgerät und Sauerstoffversorgung (Sahan 25.2.2021c). In ganz Somalia und Somaliland gab es im August 2020 für Covid-Patienten nur 24 Intensivbetten (DEVEX 13.8.2020). Es gibt so gut wie keine präventiven Maßnahmen und Einrichtungen. Menschen, die an Covid-19 erkranken, bleibt der Ausweg in ein Privatspital – wenn sie sich das leisten können (Sahan 25.2.2021c). Der türkische Rote Halbmond hat Somalia im Feber 2021 weitere zehn Beatmungsgeräte zukommen lassen (AAG 26.2.2021). Im März 2021 spendete die Dahabshil Group dem Staat Sauerstoffverdichter, mit denen insgesamt 250 Patienten versorgt werden können. Die Firma übernimmt auch die technische Instandhaltung (Sahan 11.3.2021). Insgesamt bleiben Test- und Behandlungsmöglichkeiten für Covid-19-Infizierte aber beschränkt (UNFPA 12.2020, S. 1). Nachdem die Bildungsinstitutionen ihreArbeit wieder aufgenommen hatten, sind nicht alle Kinder zurück in die Schule gekommen. Dies liegt an finanziellen Hürden, an der Angst vor einer Infektion, aber auch daran, dass Kinder zur Arbeit eingesetzt werden. Außerdem zeigt eine Studie aus Puntland, dass die Zahl an Frühehen zugenommen hat. Gleichzeitig wurden Immunisierungskampagnen und auch Ernährungsprogramme unterbrochen. Manche Gesundheitseinrichtungen sind teilweise nur eingeschränkt aktiv – nicht zuletzt, weil viele Menschen diese aufgrund von Ängsten nicht in Anspruch nehmen; der Patientenzustrom hat sich in der Pandemie verringert (UNFPA 12.2020, V-VI). Remissen sind im Zuge der Covid-19-Pandemie zurückgegangen (IPC 3.2021, S. 2; vgl. UNFPA 12.2020). Eine Erhebung im November und Dezember 2020 hat gezeigt, dass 22% der städtischen, 12% der ländlichen und 6% der IDP-Haushalte Remissen beziehen. Die Mehrheit der Empfänger berichtete von Rückgängen von über 10% (IPC 3.2021, S. 2). Auch der Export von Vieh – der wichtigste Wirtschaftszweig – ist wegen der Pandemie zurückgegangen (UNFPA 12.2020, S. 1). Aus Somaliland hingegen wird berichtet, dass die Remissen im Jahr 2020 um 15 % auf 1,3 Milliarden US-Dollar angewachsen sind (SLP 7.4.2021).
Internationale und nationale Flüge operieren uneingeschränkt. Ankommende müssen am Aden Adde International Airport in Mogadischu und auch am Egal International Airport in Hargeysa einen negativen Covid-19-Test vorweisen, der nicht älter als drei Tage ist. Wie in Mogadischu mit Personen umgegangen wird, welche diese Vorgabe nicht erfüllen, ist unbekannt. In Hargeysa werden Personen ohne Test auf eigene Kosten in eine von der Regierung benannte Unterkunft zur zweiwöchigen Selbstisolation geschickt. Die Landverbindungen zwischen Dschibuti und Somaliland wurden wieder geöffnet, der Hafen in Berbera ist in Betrieb (GW 11.6.2021).
Restaurants, Hotels, Bars und Geschäfte sind offen, es gelten Hygienemaßnahmen und solche zum Social Distancing. Die Maßnahmen außerhalb Mogadischus können variieren. Es kann jederzeit geschehen, dass Behörden Covid-Maßnahmen kurzfristig verschärfen (GW 11.6.2021).
Quellen:
• AAG - Anadolu Agency [Türkei] (26.2.2021): Turkish Red Crescent donates 10 ventilators to Somalia, https://www.aa.com.tr/en/turkey/turkish-red-crescent-donates-10-ventilators-to-somalia/215 8421 , Zugriff 1.3.2021
• ACDC -African Union Center for Disease Control and Prevention (27.6.2021):Africa CDC Dashbord Covid-19, https://africacdc.org/covid-19/ , Zugriff 1.7.2021
• DEVEX / Sara Jerving (13.8.2020): Stigma and weak systems hamper the Somali COVID-19 response, https://www.devex.com/news/stigma-and-weak-systems-hamper-the-somali-covid-19response-97895 , Zugriff 12.10.2020
• GW - GardaWorld (11.6.2021): Somalia: Somalia: Authorities maintaining COVID-19 restrictions largely unchanged as of June 11 /update 13, https://www.garda.com/crisis24/news-alerts/489466/ somalia-authorities-maintaining-covid-19-restrictions-largely-unchanged-as-of-june-11-update-13 , Zugriff 1.7.2021
• HIPS - The Heritage Institute for Policy Studies (2021): State of Somalia Report 2020, Year in Review, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/SOS-REPORT-2020-Final-2.pdf , Zugriff 12.2.2021
• IPC - Integrated Food Security Phase (3.2021): Somalia – IPC Acute Food Insecurity and Acute Malnutrition Analysis January-June 2021, https://reliefweb.int/report/somalia/somalia-ipc-acute-f ood-insecurity-and-acute-malnutrition-analysis-january-june , Zugriff 9.3.2021
• PGN - Political Geography Now (2.2021): Somalia Control Map & Timeline - February 2021, per e-Mail, mit Zugriffsberechtigung verfügbar auf: https://www.polgeonow.com/2021/02/somalia-cont rol-map-2021.html
• PGN - Political Geography Now (10.2020): Somalia Control Map & Timeline - October 2020, per e-Mail, mit Zugriffsberechtigung verfügbar auf: https://www.polgeonow.com/2020/10/somalia-mapof-al-shabaab-control.html
• RE - Radio Ergo (25.2.2021): No masks, gloves or oxygen in Mogadishu hospital, says grieving husband who lost pregnant wife to COVID19, https://radioergo.org/en/2021/02/25/no-masks-glove s-or-oxygen-in-mogadishu-hospital-says-grieving-husband-who-lost-pregnant-wife-to-covid19/ , Zugriff 10.3.2021
• Sahan - Sahan / Mogadishu Times (11.3.2021): The Somali Wire Issue No. 100, per e-Mail, Originallink auf Somali: http://mogtimes.com/articles/41259/Sawirro-Dahabshiil-Group-oo-ka-jawaabt ay-baaqii-DF-kuna-wareejisay-Oxygen
• Sahan - Sahan / Somali Wire Team (25.2.2021c): Editor’s Pick – COVID-19 has not been prevented, it is used as a political weapon, in: The Somali Wire Issue No. 87, per e-Mail
• Sahan - Sahan / Hiiraan Online (16.2.2021b): The Somali Wire Issue No. 83, per e-Mail, Originallink auf Somali: https://www.hiiraan.com/news/2021/Feb/wararka_maanta15-176705.htm
• SLP - Somaliland Post (7.4.2021): Somaliland: WorldRemit founder launches Sahamiye Foundation to tackle the Country’s development challenges, https://somalilandpost.net/somaliland-worldremit
-founder-launches-sahamiye-foundation-to-tackle-the-countrys-development-challenges/ , Zugriff 13.4.2021
• STC - Safe the Children (4.2.2021): 840,000 children going hungry as Somalia declares state of emergency over locust invasion, https://www.savethechildren.net/news/840000-children-going-h ungry-somalia-declares-state-emergency-over-locust-invasion , Zugriff 3.3.2021
• UC - University of Cambridge (13.6.2021): Lockdowns, lives and livelihoods: the impact of COVID19 and public health responses to conflict affected populations - a remote qualitative study in Baidoa and Mogadishu, Somalia, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/s13031-021-00382 -5.pdf , Zugriff 30.6.2021
• UNFPA - UN Population Fund (12.2020): COVID-19 Socio-Economic Impact Assessment for Puntland, https://somalia.unfpa.org/en/publications/covid-19-socio-economic-impact-assessment-punt land , Zugriff 11.3.2021
• UNSC - UN Security Council (19.5.2021): Situation in Somalia; Report of the Secretary-General [S/2021/485], https://www.ecoi.net/en/file/local/2052226/S_2021_485_E.pdf , Zugriff 21.6.2021
• UNSC - UN Security Council (13.11.2020): Situation in Somalia; Report of the Secretary-General
[S/2020/1113], https://www.ecoi.net/en/file/local/2041334/S_2020_1113_E.pdf , Zugriff 2.12.2020
• UNSC - UN Security Council (13.8.2020): Situation in Somalia; Report of the Secretary-General [S/2020/798], https://www.ecoi.net/en/file/local/2036555/S_2020_798_E.pdf , Zugriff 9.10.2020
Sicherheitslage und Situation in den unterschiedlichen Gebieten
Letzte Änderung: 29.03.2021
Zwischen Nord- und Süd-/Zentralsomalia sind gravierende Unterschiede bei den Zahlen zu Gewalttaten zu verzeichnen (ACLED 2021). Auch das Maß an Kontrolle über bzw. Einfluss auf einzelne Gebiete variiert. Während Somaliland die meisten der von ihm beanspruchten Teile kontrolliert, ist die Situation in Puntland und – in noch stärkerem Ausmaß – in Süd-/Zentralsomalia komplexer. In Mogadischu und den meisten anderen großen Städten hat al Shabaab keine Kontrolle, jedoch eine Präsenz. Dahingegen übt al Shabaab über weite Teile des ländlichen Raumes Kontrolle aus. Zusätzlich gibt es in Süd-/Zentralsomalia große Gebiete, wo unterschiedliche Parteien Einfluss ausüben; oder die von niemandem kontrolliert werden; oder deren Situation unklar ist (LIFOS 9.4.2019, S.6).
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Quellen:
• ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project (2021): Curated Data - Africa (21 January 2021), https://acleddata.com/curated-data-files/ , Zugriff 26.1.2021
• LIFOS - Lifos/Migrationsverket [Schweden] (9.4.2019): Somalia - Folkbokförning, medborgarskap och identitetshandlngar, https://www.ecoi.net/en/file/local/2007147/190423300.pdf , Zugriff 17.3.2021
• PGN - Political Geography Now (10.2020): Somalia Control Map & Timeline - October 2020, per e-Mail, mit Zugriffsberechtigung verfügbar auf: https://www.polgeonow.com/2020/10/somalia-mapof-al-shabaab-control.html
Banadir Regional Administration (BRA; Mogadischu)
Letzte Änderung: 07.07.2021
Noch vor zehn Jahren kontrollierte al Shabaab die Hälfte der Stadt, die gleichzeitig Schauplatz heftiger Grabenkämpfe war (BBC 18.1.2021). Heute hingegen ist Mogadischu unter Kontrolle von Regierung und AMISOM (PGN 2.2021, S. 1f). Generell hat sich die Lage für die Zivilbevölkerung in den vergangenen Jahren aber verbessert (FIS 7.8.2020, S. 4). Die Regierung unternimmt einiges, um die Sicherheit in der Stadt zu verbessern. So wurden etwa 20 zusätzliche Checkpoints errichtet und im Zeitraum November 2019 bis Jänner 2020 190 gezielte Sicherheitsoperationen durchgeführt (UNSC 13.2.2020, Abs. 18). Die Kapazitäten der Sicherheitsbehörden in Mogadischu haben sich verbessert, sie können nunmehr Gebiete kontrollieren, in welchen al Shabaab zuvor ungehindert agieren konnte (FIS 7.8.2020, S. 20). Im Jahr 2019 hat die Einrichtung neuer Checkpoints, die Besetzung dieser Kontrollpunkte mit frischen Truppen, die regelmäßigere Auszahlung des Soldes und die Rotation der Mannschaften zur Moral und Effizienz der Sicherheitskräfte und damit zur Verbesserung der Sicherheitslage in Mogadischu beigetragen. Al Shabaab kann weniger Material und Operateure nach Mogadischu schleusen (FIS 7.8.2020, S. 9f). Die Checkpoints haben also die Sicherheit verbessert (BMLV 25.2.2021).
Auch die Militäroperation Badbaado in Lower Shabelle hat die Fähigkeiten von al Shabaab, Sprengsätze herzustellen und nach Mogadischu zu transportieren, wesentlich vermindert (HIPS 2021, S. 20).
Allerdings werden solche Maßnahmen nicht permanent aufrecht erhalten; werden sie aber vernachlässigt, steigt auch wieder die Zahl an Anschlägen durch al Shabaab (FIS 7.8.2020, S. 9f). Die Checkpoints wurden teilweise wieder abgebaut (BMLV 25.2.2021). Zudem haben Teile der Sicherheitskräfte seit Monaten keinen Sold erhalten, im Feber 2021 hielten sich Soldaten in Mogadischu an den Bewohnern schadlos (SG 8.2.2021). In Mogadischu kommt es immer wieder auch zu Auseinandersetzungen der somalischen Sicherheitskräfte untereinander, bei denen nicht selten auch Unbeteiligte zu Schaden kommen (AA 3.12.2020). Insgesamt ist die Sicherheitslage in Mogadischu ständigen Änderungen unterworfen (FIS 7.8.2020, S. 4). So kam es etwa im Zuge der politischen Krise im Feber und dann wieder im April 2021 zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen der Bundesregierung loyalen Kräften einerseits und oppositionellen Kräften andererseits (UNSC 19.5.2021, Abs. 20f). Im Zuge dieser Krise haben sich unterschiedliche Fraktionen unterschiedliche Teile von Mogadischu „gesichert“ (BBC 31.5.2021). Hawiyemilizen der Opposition - zum Teil Soldaten der somalischen Armee - hatten große Teile der Stadt unter Kontrolle genommen, rund 200.000 Menschen haben die Stadt verlassen (TNH 20.5.2021). Anfang Mai 2021 wurden rund drei Viertel der Stadt von der Opposition kontrolliert (Sahan 5.5.2021) während sich die in der Stadt befindlichen Farmaajo-loyalen Kräfte maßgeblich aus - irregulären - Einheiten der NISA zusammensetzten (Sahan 4.5.2021).
Einerseits reicht die in Mogadischu gegebene Stärke der unterschiedlichen Sicherheitskräfte weiterhin nicht aus, um eine flächendeckende Präsenz sicherzustellen (BMLV 25.2.2021). Andererseits bietet die Stadt für al Shabaab alleine aufgrund der dichten Präsenz von Behörden und internationalen Organisationen viele attraktive Ziele (NLMBZ 3.2019, S. 23). Innerhalb der Stadt hat sich die Sicherheit zwar verbessert, al Shabaab kann aber nach wie vor Anschläge durchführen – wenngleich die Durchführung schwierigerer geworden ist (BMLV 25.2.2021). Täglich kommt es zu Zwischenfällen in Zusammenhang mit al Shabaab (FIS 7.8.2020, S. 5).
Es gilt als höchst unwahrscheinlich, dass al Shabaab die Kontrolle über Mogadischu zurückerlangt. In Mogadischu besteht kein Risiko, von al Shabaab zwangsrekrutiert zu werden. Aus einigen Gegenden flüchten junge Männer sogar nach Mogadischu, um sich einer möglichen (Zwangs-)Rekrutierung zu entziehen (BMLV 25.2.2021).
Bei einem Abzug von AMISOM aus Mogadischu droht hingegen die Rückkehr von al Shabaab (ICG 27.6.2019, S. 5; vgl. BBC 18.1.2021, BMLV 25.2.2021).
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Anschläge und Attentate: Mogadischu bleibt ein Hotspot terroristischer Gewalt (ACCORD
31.5.2021, S. 11/14). Al Shabaab ermordet dort immer noch regelmäßig Menschen (BBC
23.11.2020). Üblicherweise zielt al Shabaab mit größeren (mitunter komplexen) Angriffen auf
Vertreter des Staates [„officials“], Gebäude und Fahrzeuge der Regierung, Hotels, Geschäfte,
Militärfahrzeuge und -Gebäude sowie Soldaten von Armee und AMISOM (LIFOS 3.7.2019, S. 23f). Nach anderen Angaben sind v.a. jene Örtlichkeiten betroffen, die von der ökonomischen und politischen Elite als Treffpunkte verwendet werden – z.B. Restaurants und Hotels (BS 2020, S. 14).
Nicht alle Teile von Mogadischu sind bezüglich Übergriffen von al Shabaab gleich unsicher. Ein ausschließlich von der Durchschnittsbevölkerung frequentierter Ort ist kein Ziel der al Shabaab (BMLV 25.2.2021). Die Hauptziele von al Shabaab befinden sich in den inneren Bezirken: militärische Ziele, Regierungseinrichtungen und das Flughafenareal (FIS 7.8.2020, S. 8). Die meisten Anschläge richten sich gegen Villa Somalia, Mukarama Road, Bakara-Markt, die Flughafenstraße und Regierungseinrichtungen (LIFOS 3.7.2019, S. 25f; vgl. FIS 7.8.2020, S. 25). Die Außenbezirke hingegen werden von manchen als die sichersten Teile der Stadt erachtet, da es dort so gut wie nie zu größeren Anschlägen kommt. Allerdings kommt es dort öfter zu gezielten Tötungen (FIS 7.8.2020, S. 6f/12).
Zivilisten: Generell unterstützt die Zivilbevölkerung von Mogadischu nicht die Ideologie von al Shabaab. Am Stadtrand ist die Unterstützung größer, die meisten Bewohner haben al Shabaab gegenüber aber eine negative Einstellung. Sie befolgen die Anweisungen der Gruppe nur deshalb, weil sie Repressalien fürchten. Al Shabaab agiert wie eine Mafia: Sie droht jenen mit ernsten Konsequenzen, welche sich Wünschen der Gruppe entgegensetzen (FIS 7.8.2020, S. 14f). Al Shabaab greift Zivilisten nicht spezifisch an (LIFOS 3.7.2019, S. 25). Diese leiden auf zwei Arten an der Gewalt durch al Shabaab: Einerseits sind jene einem erhöhten Risiko ausgesetzt, die in Verbindung mit der Regierung stehen oder von al Shabaab als Unterstützer der Regierung wahrgenommen werden (LIFOS 3.7.2019, S. 42). Andererseits besteht für Zivilisten das Risiko, bei Anschlägen zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein und so zum Kollateralschaden von Sprengstoffanschlägen und anderer Gewalt zu werden (LIFOS 3.7.2019, S. 25/42; vgl. FIS 7.8.2020, S. 24ff).
Bewegungsfreiheit: Auch wenn Mogadischu von Sicherheitskräften und AMISOM geschützt wird, kann al Shabaab indirekt Kontrolle ausüben. Dadurch wird die Mobilität der Stadtbewohner im Alltag eingeschränkt (LIFOS 3.7.2019, S. 21). Die Menschen wissen um diese Gefahr bestimmter Örtlichkeiten und versuchen daher, diese zu meiden. Sie bewegen sich in der Stadt, vermeiden aber unnötige Wege. Für viele Bewohner der Stadt ist die Instabilität Teil ihres Lebens geworden. Sie versuchen, Gefahren auszuweichen, indem sie Nachrichten mitverfolgen und sich gegenseitig warnen (FIS 7.8.2020, S. 25f). Zudem gibt es in Mogadischu mehrere hundert Straßensperren und Kontrollpunkte von Armee, Polizei und NISA. Einige davon sind permanent eingerichtet, andere werden mobil eingerichtet. Ob Gebühren oder illegale Abgaben verlangt werden, ist unklar (FIS 7.8.2020, S. 22f). Diese Checkpoints schränken die Bewegungsfreiheit mehr ein, als es die Bedrohung durch al Shabaab tut (BMLV 25.2.2021). Jedenfalls gehen die Sicherheitskräfte an derartigen Sperren mittlerweile verantwortungsvoller vor, die Situation hat sich verbessert. Es liegen keine Informationen vor, wonach es dort zu schweren Vergehen oder Übergriffen kommen würde (FIS 7.8.2020, S. 22f).
Die Gewaltkriminalität in der Stadt ist hoch. Monatlich sterben mehrere Menschen bei Raubüberfällen oder aus anderen Gründen verübten Morden (FIS 7.8.2020, S. 19). Bei manchen Vorfällen ist unklar, von wem oder welcher Gruppe die Gewalt ausgegangen ist; Täter und Motiv bleiben unbekannt. Es kommt zu Rachemorden zwischen Clans, zu Gewalt aufgrund wirtschaftlicher Interessen oder aus politischer Motivation. Lokale Wirtschaftstreibende haben in der Vergangenheit auch schon al Shabaab engagiert, um Auftragsmorde durchzuführen (FIS 7.8.2020, S. 5). Gleichzeitig haben die Bewohner eine hohe Hemmschwelle, um sich an die Polizei zu wenden. Das Vertrauen ist gering (FIS 7.8.2020, S. 15/20; vgl. BMLV 25.2.2021). Die Fähigkeit der Behörden, bei kleineren Delikten wie etwa Diebstahl zu intervenieren, ist derart gering, dass Menschen keinen Nutzen darin sehen, Anzeige zu erstatten. Hat eine Person Angst vor al Shabaab, dann kann ein Hilfesuchen bei der Polizei – aufgrund der Unterwanderung selbiger – die Gefahr noch verstärken. Die Polizei ist auch nicht in der Lage, Menschen bei gegebenen Schutzgeldforderungen seitens al Shabaab zu unterstützen (FIS 7.8.2020, S. 15/20).
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Vorfälle: 2020 waren die Bezirke Dayniile (28 Vorfälle), Dharkenley (35), Hodan (39) und Yaqshiid (22), in geringerem Ausmaß die Bezirke Hawl Wadaag (17), Heliwaa (14), Karaan (18) und Wadajir/Medina (19) von Gewalt betroffen. Zivilisten waren 2020 v.a. in den Bezirken Dharkenley, Hawl Wadaag, Hodan, in geringerem Ausmaß in Dayniile (15 Vorfälle), Dharkenley (16), Hodan (18) und Yaqshiid (12) von gegen sie gerichteter Gewalt betroffen (ACLED - siehe Tabelle weiter unten).
In Benadir/Mogadischu lebten einer Schätzung im Jahr 2014 zufolge ca. 1,65 Millionen Menschen (UNFPA 10.2014, S. 31f). Im Vergleich dazu meldete die ACLED-Datenbank im Jahr 2019 insgesamt 134 Zwischenfälle, bei welchen gezielt Zivilisten getötet wurden (Kategorie „violence against civilians“). Bei 120 dieser 134 Vorfälle wurde jeweils ein Zivilist oder eine Zivilistin getötet. Im Jahr 2020 waren es 96 derartige Vorfälle (davon 86 mit je einem Toten). Die Zahl an Zwischenfällen mit Todesopfern (meist ein Todesopfer) in der Region Benadir entwickelte sich in den vergangenen Jahren folgendermaßen (es bleibt zu berücksichtigen, dass es je nach Kontrolllage und Informationsbasis zu over- bzw. under-reporting kommen kann; die Zahl der Todesopfer wird aufgrund der Schwankungsbreite bei ACLED nicht berücksichtigt):
Quelle: (ACLED 2016) (ACLED 2017) (ACLED 2019) (ACLED 2020) (ACLED 2021)
Dabei handelte es sich laut ACLED Datenbank bei folgenden Fällen um „Violence against Civilians“ (es handelt sich hierbei jedoch um keine exakten Zahlen, daACLED einige Unschärfen aufweist; auch „normale“ Morde sind inkludiert):
Quelle: (ACLED 2016) (ACLED 2017) (ACLED 2019) (ACLED 2020) (ACLED 2021)
Quellen:
• AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (3.12.2020): Somalia – Reise- und Sicherheitshinweise – Reisewarnung, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/somalia-node/somali asicherheit/203132#content_6 , Zugriff 3.12.2020
• ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin & Asylum Research and Documentation / Höhne, Markus / Bakonyi, Jutta (31.5.2021): Somalia - Al-Schabaab und Sicherheitslage; Lage von Binnenvertriebenen und Rückkehrer·innen [sic]; Schutz durch staatliche und nicht-staatliche Akteure; Dokumentation zum COI-Webinar mit Markus Höhne und Jutta Bakonyi am 5. Mai 2021, https: //www.ecoi.net/en/file/local/2052555/20210531_COI-Webinar+Somalia_ACCORD_Mai+2021.pdf , Zugriff 28.6.2021
• ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project (2021): Curated Data - Africa (21 January 2021), https://acleddata.com/curated-data-files/ , Zugriff 26.1.2021
• ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project/University of Sussex (2020): Africa (Data through 11 January 2020), http://www.acleddata.com/data/ , Zugriff 16.1.2020
• ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project/University of Sussex (2019): Africa (Data through 19 January 2019), http://www.acleddata.com/data/ , Zugriff 23.1.2019
• ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project/University of Sussex (2017): Africa Data, Version 8 (1997-2017), http://www.acleddata.com/data/ , Zugriff 10.1.2018
• ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project/University of Sussex (2016): Africa Data, Version 7 (1991-2016), http://www.acleddata.com/data/ , Zugriff 21.12.2017
• BBC - BBC News (31.5.2021): Somaliland elections: Could polls help gain recognition? https: //www.bbc.co.uk/news/world-africa-57255602 , Zugriff 21.6.2021
• BBC - BBC News (18.1.2021): Somali concern at US troop withdrawal, https://www.bbc.com/news /world-africa-55677077 , Zugriff 3.2.2021
• BBC - BBC News (23.11.2020): Life after al-Shabab: Driving a school bus instead of an armed pickup truck, https://www.bbc.co.uk/news/stories-55016792 , Zugriff 2.12.2020
• BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung [Österreich] (25.2.2021): Interview der Staatendokumentation mit einem Länderexperten
• BS - Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 - Somalia Country Report, https://www.bti-project.org/ content/en/downloads/reports/country_report_2020_SOM.pdf , Zugriff 4.5.2020
• FIS - Finnish Immigration Service [Finnland] (7.8.2020): Somalia: Fact-Finding Mission to Mogadishu in March 2020, https://migri.fi/documents/5202425/5914056/Somalia+Fact-Finding+Missio n+to+Mogadishu+in+March+2020.pdf/2f51bf86-ac96-f34e-fd02-667c6ae973a0/Somalia+Fact
-Finding+Mission+to+Mogadishu+in+March+2020.pdf?t=1602225617645 , Zugriff 17.3.2021
• HIPS - The Heritage Institute for Policy Studies (2021): State of Somalia Report 2020, Year in Review, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/SOS-REPORT-2020-Final-2.pdf , Zugriff 12.2.2021
• ICG - International Crisis Group (27.6.2019): Women and Al-Shabaab’s Insurgency, https://www. ecoi.net/en/file/local/2011897/b145-women-and-al-shabaab_0.pdf , Zugriff 9.12.2020
• LIFOS - Lifos/Migrationsverket [Schweden] (3.7.2019): Säkerhetssituationen i Somalia, https://ww
w.ecoi.net/en/file/local/2015777/190827400.pdf , Zugriff 17.3.2021
• NLMBZ - Ministerie von Buitenlandse Zaken [Niederlande] (3.2019): Country of Origin Information Report on South and Central Somalia (nicht veröffentlichte englische Version), niederländische
Version auf https://www.ecoi.net/en/file/local/2006489/Algemeen_ambtsbericht_Zuid-_en_Centr aal-_Somalie__maart_2019.pdf , Zugriff 2.12.2020
• PGN - Political Geography Now (2.2021): Somalia Control Map & Timeline - February 2021, per e-Mail, mit Zugriffsberechtigung verfügbar auf: https://www.polgeonow.com/2021/02/somalia-cont rol-map-2021.html
• Sahan - Sahan / Ahmed Abdullahi Sheikh (5.5.2021): Editor’s Pick – Roble and struggle to „demilitarise“ Somalia’s vote, in: The Somali Wire Issue No. 137, per e-Mail
• Sahan - Sahan / Matt Bryden (4.5.2021): Editor’s Pick – A way forward for Somalia, in: The Somali Wire Issue No. 136, per e-Mail
• SG - Somali Guardian (8.2.2021): Somalia on Knife Edge as President’s Term Ends,https://somaliguardian.com/somalia-on-knife-edge-as-presidents-term-ends/ , Zugriff 12.2.2021
• TNH - The New Humanitarian (20.5.2021): Somalia’s political crisis explained, https://www.thenew humanitarian.org/news-feature/2021/5/20/somalias-political-crisis-explained , Zugriff 21.6.2021
• UNFPA - UN Population Fund (10.2014): Population Estimation Survey 2014 – Somalia, https:
//somalia.unfpa.org/sites/default/files/pub-pdf/Population-Estimation-Survey-of-Somalia-PESS-2 013-2014.pdf , Zugriff 28.1.2021
• UNSC - UN Security Council (19.5.2021): Situation in Somalia; Report of the Secretary-General [S/2021/485], https://www.ecoi.net/en/file/local/2052226/S_2021_485_E.pdf , Zugriff 21.6.2021
• UNSC - UN Security Council (17.2.2021): Situation in Somalia; Report of the Secretary-General [S/2021/154], https://www.ecoi.net/en/file/local/2046029/S_2021_154_E.pdf , Zugriff 2.3.2021
• UNSC - UN Security Council (13.2.2020): Situation in Somalia; Report of the Secretary-General [S/2020/121], https://www.ecoi.net/en/file/local/2025872/S_2020_121_E.pdf , Zugriff 26.3.2020
Galmudug (Galgaduud, Teile von Mudug)
Letzte Änderung: 07.07.2021
Dem Bundesstaat Galmudug sind Teile der Regionen Mudug und Galgaduud zugeordnet (BFA
8.2017, S. 25).
Ahlu Sunna Wal Jama’a (ASWJ): Im Feber 2020 intervenierte die Bundesarmee zugunsten des nunmehrigen Präsidenten Qoorqoor und gegen die vormals alliierte Miliz der ASWJ (PGN 10.2020, S. 6). Äthiopien hatte zuvor bereits seit 2018 seine Zuwendungen an ASWJ reduziert und schließlich eingestellt (BMLV 25.2.2021). Die Spannungen eskalierten, und es kam bei Dhusamareb zu schweren Kämpfen zwischen ASWJ, Bundesarmee und der Spezialeinheit Haramcad. Dabei gab es dutzende Verluste (UNSC 13.5.2020, Abs. 9). ASWJ wurde in der Folge durch die Bundesarmee aufgelöst (PGN 10.2020, S. 3); nach anderenAngaben ist die Regierung von Galmudug mit ASWJ weiter im Gespräch (UNSC 13.11.2020, Abs. 8). Jedenfalls befindet sich die politische Führung der ASWJ im innerstaatlichen Exil in der puntländischen Hauptstadt Garoowe. Ihre Miliz wurde teilweise entwaffnet, teilweise – nach einer Ausbildungszeit in Mogadischu – in die staatlichen Sicherheitskräfte übernommen. Damit ist ASWJ zerschlagen und ausgeschaltet, wiewohl die Miliz bei entsprechender Zuwendung binnen Wochen wieder aufgebaut werden könnte (BMLV 25.2.2021). Einige Anführer der ASWJ verblieben auf ihren Posten der Lokalverwaltung, die ehemaligen Kämpfer der Miliz bilden das Gros der lokal stationierten Bundestruppen (PGN 2.2021, S. 12).
Auch einige andere Clanmilizen wurden teils entwaffnet, teils in die Sicherheitskräfte übernommen (BMLV 25.2.2021).
Clans: Im Dezember 2019 kam es zwischen zwei Clans in der Region Mudug zu schweren Auseinandersetzungen und dutzenden Verlusten. Die Bundesarmee wurde zum Eingreifen entsendet. Nach der Entsendung von Vermittlern der Bundesregierung und nachfolgenden Versöhnungsgesprächen wurde ein gemeinsames Friedenskomitee gegründet (UNSC 13.2.2020, Abs. 39). Im März 2021 kam es zu weiteren Gesprächen zwischen den Ayr und Saleeban (UNSC 19.5.2021, Abs. 31). Zuvor war die Bundesarmee in Galmudug nicht präsent, nun ist sie an vielen Orten vorzufinden – bis hin zur Grenze mit Puntland. Mit mehreren lokalen Milizen wurden Abkommen geschlossen. In Galinsoor wurde ein Ausbildungslager eingerichtet, u.a. werden dort lokale Milizen entwaffnet und integriert. Dieser Schritt wurde auch deshalb ergriffen, weil in den letzten Jahren bei Kämpfen zwischen Clanmilizen dutzende Menschen ums Leben gekommen sind (PGN 10.2020, S. 2/5f). Allerdings ist es im Bezirk Dhusamareb Anfang 2021 wieder zu Clankämpfen gekommen. Der Vorsitzende des Militärgerichts hat Angehörige der Bundesarmee explizit davor gewarnt, an derartigen Auseinandersetzungen teilzunehmen (Sahan 19.2.2021a).
Gebietskontrolle und al Shabaab: Galmudug kann Cadaado und Dhusamareb sichern und kontrolliert die Hauptverbindungsroute sowie das Gebiet zwischen dieser Straße und der äthiopischen Grenze (BMLV 25.2.2021). Die Grenze des Einflussbereichs von al Shabaab richtet sich in etwa nach der Achse Hobyo-Dhusamareb, wurde aber auch in Richtung Cadaado erweitert. Die Bezirke Ceel Dheere und Ceel Buur befinden sich samt Bezirkshauptstädten unter Kontrolle von al Shabaab, dies gilt auch für die Bezirkshauptstadt Xaradheere sowie für Teile dieses Bezirks und Teile des Bezirks Dhusamareb (PGN 2.2021, S. 1). 2021 kam es vermehrt zu Aktivitäten im Bereich Ba’ad Weyne (PGN 2.2021, S. 11ff). Al Shabaab kontrolliert weiterhin nahezu die gesamte Küste und auch Teile des Hinterlands in den Bezirken Ceel Dheere, Ceel Buur und Xaradheere sowie das Gebiet von Gal Hareri (HIPS 2021, S.16). Die Städte Dhusamareb, Cadaado und Galkacyo sowie die Orte Matabaan und Guri Ceel können hinsichtlich einer Anwesenheit von (staatlichem) Sicherheitspersonal und etablierter Verwaltung als konsolidiert erachtet werden (BMLV 25.2.2021).
Jedenfalls hat al Shabaab die Präsenz in Galmudug verstärkt. Neben Middle Shabelle und Mogadischu findet sich dort das operative Schwergewicht der Gruppe (BMLV 25.2.2021), sie hat dort ihre Aktivitäten intensiviert (UNSC 13.11.2020, Abs. 8). Im Norden von Galmudug ist al Shabaab näher an die wichtige Straße Belet Weyne-Galkacyo und damit an die dort liegenden Städte herangerückt (PGN 10.2020, S. 2f/13ff). Die Gruppe steht bis zu 40 Kilometer außerhalb von Dhusamareb (HIPS 2021, S. 16), und dringt in Gebiete vor, wo sie vor Auflösung der ASWJ nicht operieren konnte. Sie ist zwischenzeitlich auch schon bis direkt an die Straße vorgedrungen (PGN 2.2021, S. 12). Al Shabaab hat Orte unweit von Guri Ceel und Cadaado eingenommen und wiederholt Ziele in und um Dhusamareb sowie im September 2020 sogar direkt an der Straße angegriffen (PGN 10.2020, S. 2f/13ff). Bisher gab es im Bereich Dhusamareb kaum Aktivitäten von al Shabaab. Dies hat sich geändert. Es kommt nun zu Sprengstoffanschlägen, Mörserangriffen und bewaffneten Zusammenstößen mit Sicherheitskräften und AMISOM (UNSC 13.11.2020,Abs. 15). In der Vergangenheit wurde das Gebiet vonASWJ verteidigt, dieAuflösung dieser Miliz durch die Bundesarmee hat zum Vorstoß von al Shabaab beigetragen. Immerhin verfügte die ASWJ über beachtliche militärische Schlagkraft und war ein erbitterter Gegner von al Shabaab (PGN 10.2020, S. 2f/13ff). Angesichts der gestiegenen Aktivitäten von al Shabaab in Galmudug hat die Regierung den Aufbau der Polizei beschleunigt (UNSC 13.11.2020, Abs. 8). Zuletzt hat al Shabaab in Mudug zwei relevante Orte eingenommen: Ba’adweyne und Wisil. Bei letzterem kam es zu schweren Kämpfen mit dutzenden Toten. Al Shabaab hat die Bewohner aufgefordert, Schutzgeld zu bezahlen oder das Gebiet zu räumen.Außerdem forderte die Gruppe die Übergabe junger Männer und Frauen für den Kampf. Hunderte Familien sind daraufhin geflüchtet (Sahan 1.7.2021b).
Generell hat die Regierung von Galmudug die Kontrolle über die Städte Dhusamareb, Cadaado, Matabaan und Cabudwaaq übernommen. Die Städte Dhusamareb und Guri Ceel sind weitgehend frei von al Shabaab; Dhusamareb gilt als sicher. Dort befindet sich das Hauptquartier einer Division der Bundesarmee (BMLV 25.2.2021) sowie eine Garnison von AMISOM-Truppen aus Dschibuti (UNSC 17.2.2021, Abs. 80). Im Jahr 2020 waren erstmals Truppen der Bundesarmee im Gebiet Hobyo aktiv (PGN 10.2020, S. 2/6/10).
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Vorfälle: In den beiden Regionen Galgaduud und Mudug lebten einer Schätzung im Jahr 2014 zufolge ca. 1,29 Millionen Einwohner (UNFPA 10.2014, S. 31f). Im Vergleich dazu meldete die ACLED-Datenbank im Jahr 2019 insgesamt 51 Zwischenfälle, bei welchen gezielt Zivilisten getötet wurden (Kategorie „violence against civilians“). Bei 39 dieser 51 Vorfälle wurde jeweils ein Zivilist oder eine Zivilistin getötet. Im Jahr 2020 waren es 36 derartige Vorfälle (davon 25 mit je einem Toten). Die Zahl an Zwischenfällen mit Todesopfern (meist ein Todesopfer) in den Regionen Mudug und Galgaduud entwickelte sich in den vergangenen Jahren folgendermaßen
(es bleibt zu berücksichtigen, dass es je nach Kontrolllage und Informationsbasis zu over- bzw. under-reporting kommen kann; die Zahl der Todesopfer wird aufgrund der Schwankungsbreite bei ACLED nicht berücksichtigt):