Entscheidungsdatum
16.09.2021Norm
AsylG 2005 §10Spruch
L518 2224682-1/11E
L518 2224676-1/10E
L518 2224679-1/9E
L518 2224677-1/9E
L518 2224681-1/9E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Dr. STEININGER als Einzelrichter über die Beschwerde des (1.) XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Georgien, der (2.) XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Georgien, der (3.) XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Georgien, des (4.) XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Georgien und des (5.) XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Georgien, alle vertreten durch die BBU GmbH, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (1.) vom 23.09.2019, Zl. XXXX , (2.) vom 23.09.2019, Zl. XXXX , (3.) vom 23.09.2019, Zl. XXXX , (4.) vom 23.09.2019, Zl. XXXX und (5.) vom 23.09.2019, Zl. XXXX wegen §§ 3, 8, 10, 15b und 57 Asylgesetz (AsylG 2005) und §§ 46, 52 und 55 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 23.08.2021 zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
I.1. Der Erstbeschwerdeführer (BF1) ist mit der Zweitbeschwerdeführerin (BF2) in aufrechter Ehe verheiratet, die minderjährige Drittbeschwerdeführerin (BF3), der minderjährige Viertbeschwerdeführer (BF4) und der minderjährige Fünftbeschwerdeführer (BF5) sind die leiblichen Kinder des BF1 und der BF2. Sämtliche Beschwerdeführer sind Staatsangehörige Georgiens, der georgischen Volksgruppe zugehörig und orthodoxe Christen.
I.2. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin stellten im Gefolge ihrer illegalen Einreise in das Bundesgebiet am 10.09.2019 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz. Für die Dritt- bis Fünftbeschwerdeführer stellte die BF2 als gesetzliche Vertreterin am gleichen Tag einen Antrag auf internationalen Schutz im Familienverfahren.
I.3. Im Rahmen der niederschriftlichen Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes der LPD Wien am 10.09.2019 gab der Erstbeschwerdeführer an, den Namen XXXX zu führen und Staatsangehöriger von Georgien zu sein. Er sei am XXXX in XXXX geboren, Angehöriger der georgischen Volksgruppe, orthodoxer Christ und verheiratet. Er habe elf Jahre lang die Schule besucht, danach fünf Jahre Jus studiert und sei zuletzt als Polizist beschäftigt gewesen. Zu den Gründen seiner Ausreise befragt, führte der Erstbeschwerdeführer aus, dass er am 20.06.2019 anlässlich einer Demonstration gegen russische Abgeordnete als Polizist in Zivil Dienst versehen hätte. Dabei hätte er befreundete Vertreter der nationalen Partei getroffen. Danach wäre in das Innenministerium bestellt und dort beauftragt worden, gegen diese Personen auszusagen. Am 05.09.2019 wären ihm dann vom Ministerium seine Dienstwaffe und seine private Waffe abgenommen worden. Er wäre nochmals aufgefordert worden, gegen diese Personen auszusagen ansonsten er getötet werden würde. Das gleiche würde für seine Familie gelten.
I.4. Von der Zweitbeschwerdeführerin wurde ausgeführt, dass sie den Namen XXXX führte. Sie sei am XXXX in XXXX geboren, Angehörige der georgischen Volksgruppe, orthodoxe Christin und verheiratet. Sie habe elf Jahre lang die Schule besucht und danach vier Jahre lang Russisch auf Lehramt studiert. Zuletzt kümmerte sie sich um den Haushalt und die drei Kinder. Zu den Gründen für die Ausreise befragt, führte die BF2 aus, dass sie keine eigenen Fluchtgründe habe und ausschließlich wegen den Problemen ihres Gatten Georgien verlassen habe.
I.5. Als gesetzliche Vertretung für die minderjährigen Kinder gibt die BF2 bekannt, dass die BF3 den Namen XXXX führe und am XXXX geboren sei. Der BF4 führe den Namen XXXX und sei am XXXX geboren, der BF5 heiße XXXX und wäre am XXXX geboren. Bezüglich den Gründen gab die BF2 bekannt, dass die vom BF1 genannten Gründe auch für ihre Kinder gelten.
I.6. Nach Zulassung des Verfahrens wurde der BF1 und die BF2 am 18.09.2019 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, EAST Ost, im Beisein einer Dolmetscherin in georgischer Sprache von dem zur Entscheidung berufenen Organwalter im Asylverfahren niederschriftlich einvernommen.
Zu den Gründen seiner Antragstellung befragt gab der BF 1 an, dass es am 20.06.2019 in Tiflis anlässlich einer Demonstration zu Unruhen gekommen wäre. Er wäre als Polizist mit anderen Kollegen zur Unterstützung in die Hauptstadt beordert worden und hätte dort in Zivil Dienst versehen. Er wäre dann bei den Personen UGULAVA, BOKERIA, OKRUASHVILI und MELIA gestanden, die er gekannt hätte. Anhand einer bei der Demonstration verwendete Bodycam wurde festgestellt, dass sich der BF1 eine halbe Stunde bei diesen Personen aufgehalten hätte. Deswegen wäre eine Untersuchung eingeleitet und er im Ministerium am 25.08.2019 einvernommen worden. Aufgrund von Fotos der Bodycam wäre von ihm verlangt worden, dass er gegen diese Personen aussagen würde, dass sie einen Regierungsputsch organisiert hätten. Der BF1 hätte sich jedoch geweigert und wäre deswegen massiv unter Druck gesetzt worden, er wäre auch mit dem Umbringen bedroht worden. Am 05.09.2018 hätten ihn unbekannte Personen in der Arbeit abgeholt und in die Generalinspektion nach Tiflis gebracht. Dort hätte er genaue Instruktionen bezüglich der geplanten Aussage gegen die vier Personen erhalten. Auch wurde er darauf aufmerksam gemacht, dass er seine Dienstwaffe und eine private Waffe nur mehr im Dienst führen dürfe. Deswegen hätte er sich sehr eingeschränkt gefühlt und wäre ihm der Ernst der Sache bewusst geworden. Beim Verlassen der Inspektion hätte er Tickets gekauft und beschlossen, das Land zu verlassen.
Von der BF2 wurde zum Fluchtgrund befragt mitgeteilt, dass ihr Gatte am 05.09.2019 in das Ministerium bestellt worden wäre. Er wirkte danach sehr nervös und aufgeregt. Zudem hätte er schon Flugtickets dabeigehabt und gesagt, dass wir das Land dringend verlassen müssen. Sonst hätte sie und auch die drei Kinder keine anderen Fluchtgründe.
I.7. Der Antrag der BF auf internationalen Schutz wurde mit im Spruch genannten Bescheid der belangten Behörde gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (SP I.). Gem. § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Georgien nicht zugesprochen (SP II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (SP III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (SP IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung der BF nach Georgien gemäß § 46 FPG zulässig sei (SP V.) Gem § 15b Abs 1 AsylG wurde den BF aufgetragen, von 10.09.2019 in der Unterkunft BS Ost AIBE in Traiskirchen Unterkunft zu nehmen (SP VI.) und gem § 55 Absatz 1a FPG wurde eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise gewährt (SP VII.).
I.7.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus:
Es konnte nicht festgestellt werden, dass die BF einer asylrelevanten individuellen Verfolgung in Georgien ausgesetzt gewesen sind oder im Falle einer Rückkehr einer solchen ausgesetzt wären. Dem BF1 ist es nicht gelungen, bezüglich seines Fluchtvorbringens als glaubwürdig in Erscheinung zu treten. Es wurden auch keinerlei Beweismittel vorgelegt. Eine konkrete Verfolgung ist jedenfalls nicht ersichtlich.
Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GFK, noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam. Es hätten sich weiter keine Hinweise für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG ergeben und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK (§§ 55, 10 Abs. 2 AsylG 2005) dar.
I.8. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Georgien traf die belangte Behörde ausführliche, aktuelle Feststellungen mit nachvollziehbaren Quellenangaben.
I.9. Gegen diesen Bescheid wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.
In der Beschwerde wird die Verletzung von Verfahrensvorschriften, mangelhafte Beweiswürdigung und inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht.
Im Wesentlichen wurde neben Wiederholungen und allgemeinen Angaben vorgebracht, dass die Länderfeststellungen mangelhaft wären, würden sich beispielsweise keine Informationen zur Demonstration am 20.06.2019 finden. Zudem wird auf Berichte, dass Personen vom Innenministerium zu Falschaussagen gezwungen werden und den Einsatz von Bodycams bei Demonstrationen verwiesen. Ein Abgleich mit einschlägigen Länderberichten sowie Ermittlungen zum Fluchtvorbringen ist der Beweiswürdigung nicht zu entnehmen und hätten sich die Widersprüche im Fluchtvorbringen leicht auflösen lassen.
Es werde eine mündliche Beschwerdeverhandlung beantragt, weites falls nicht alle zu Lasten der BF gehenden Rechtswidrigkeiten im Bescheid in der Beschwerde geltend gemacht wurden, dies amtswegig aufzugreifen, den Bescheid zu beheben und den BF den Status der Asylberechtigten, in eventu den Status der subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, in eventu den Bescheid bezüglich des Spruchpunktes III. aufzuheben und die Rückkehrentscheidung und das Einreiseverbot aufzuheben, die Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären und einen Aufenthaltstitel aus den Gründen des Art. 8 EMRK zu erteilten, in eventu den Bescheid ersatzlos zu beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückzuverweisen.
I.10. Am 26.07.2021 langte eine Kontrollmitteilung der LPD Steiermark ein, in der mitgeteilt wurde, dass am 13.07.2021 um 18:40 Uhr die BF mit dem Zug EC158 am Grenzübergang Spielfeld nach einem mehrwöchigen Aufenthalt in Italien, in Österreich eingereist sind.
I.11. Am 23.08.2021 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung im Beisein der BF samt ihrer rechtsfreundlichen Vertretung, einem Dolmetscher für die georgische Sprache und eines Vertreters der belangten Behörde durchgeführt.
I.12. Hinsichtlich des Verfahrensganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
II.1. Feststellungen:
II.1.1. Zur Person der Beschwerdeführer:
Der BF1 führt den im Spruch genannten Namen, er ist Staatsangehörige von Georgien, Angehöriger der georgischen Volksgruppe und orthodoxer Christ. Der BF1 wurde am XXXX in XXXX geboren und lebte gemeinsam mit seiner Gattin (BF2), den gemeinsamen Kindern (BF3 bis BF5) und seiner Mutter im eigenen Haus. In Telawi hat der BF noch eine Eigentumswohnung, indem sich auch ein dem BF1 gehörender Schönheitssalon befindet. Der BF1 besuchte elf Jahre lang die Schule, studierte danach fünf Jahre Jus und war zuletzt als Polizist beschäftigt. Die Identität des BF1 steht fest.
Der BF1 ist der Gatte der BF2 und Vater der minderjährigen BF3 bis BF5.
Der BF hat Bluthochdruck, ist ansonsten gesund und gehört keiner COVID-19 Risikogruppe an.
Im Herkunftsland wohnen noch die Mutter und 10 bis 15 Tanten, Onkeln, Cousinen und Cousins.
Die BF2 führt den im Spruch genannten Namen, ist Staatsangehörige von Georgien, Angehörige der georgischen Volksgruppe und orthodoxe Christin. Die BF2 wurde am XXXX geboren und lebte dort mit dem BF1 und den BF3 bis BF5 in einem eigenen Haus mit der Mutter des BF1 zusammen. Die BF2 besuchte elf Jahre lang die Schule, studierte danach Russisch auf Lehramt. Beruflich tätig war die BF2 als Lehrerin für Russisch und Literatur. Zuletzt war sie als Haarstylisten im eigenen Schönheitssalon tätig. Die Identität der BF2 steht fest.
Die BF2 ist gesund und steht nicht in medizinischer Behandlung.
Im Herkunftsstaat leben noch die Eltern, zwei Tanten, zwei Onkel und eine Großmutter.
Die Drittbeschwerdeführerin führt den Namen XXXX und ist am XXXX in Georgien geboren, der Viertbeschwerdeführer führt den Namen XXXX und ist am XXXX in Georgien geboren und der Fünftbeschwerdeführer führt den Namen XXXX und ist am XXXX in Georgien geboren. Die drei minderjährigen BF sind Staatsangehörige von Georgien, Angehörige der georgischen Volksgruppe und christlich-orthodoxen Glaubens. Die Identitäten der BF3 bis BF5 stehen fest.
Die BF3 bis BF5 sind gesund und stehen nicht in medizinischer Behandlung.
In Georgien leben noch die bei den Eltern angeführten Verwandten.
Am 07.09.2019 verließen die BF Georgien legal mit dem Flugzeug nach Wien-Schwechat. Am 10.09.2010 stellten sie die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz.
Die BF verfügen über georgische Reisepässe.
Die BF sind in Österreich strafrechtlich unbescholten. Der Aufenthalt der Beschwerdeführer im Bundesgebiet war und ist nicht nach § 46a Abs. 1 Z. 1 oder Z. 3 FPG 2005 geduldet. Ihr Aufenthalt ist nicht zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig. Sie wurden nicht Opfer von Gewalt im Sinn der §§ 382b oder 382e EO.
Die BF gehörten keiner politischen Partei oder politisch aktiven Gruppierung an und hatte in ihrem Herkunftsstaat vor der Ausreise keine Schwierigkeiten mit staatlichen Organen, Sicherheitskräften oder Justizbehörden zu gewärtigen.
Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer vor der Ausreise Schwierigkeiten aufgrund ihres Bekenntnisses zur christlich-orthodoxen Religion bzw. ethnischen Zugehörigkeit zur georgischen Volksgruppe zu gewärtigen hatte.
Es kann nicht festgestellt werden, dass die BF vor ihrer Ausreise aus dem Herkunftsstaat einer individuellen Gefährdung oder psychischer und/oder physischer Gewalt durch staatliche Organe oder durch Dritte ausgesetzt war oder er im Falle einer Rückkehr dorthin einer solchen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt wären.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF1 wegen seiner polizeilichen Tätigkeit zu einer Falschaussage anlässlich einer Demonstration am 20.06.2019 genötigt und in weiterer Folge bedroht worden wäre.
Den BF droht im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat nicht die Todesstrafe. Ebenso kann keine anderweitige individuelle Gefährdung der Beschwerdeführerin festgestellt werden, insbesondere im Hinblick auf eine in Georgien drohende unmenschliche Behandlung, Folter oder Strafe sowie im Hinblick auf kriegerische Ereignisse, extremistische Anschläge, stammesbezogene Gewalt oder organisierte kriminelle Handlungen sowie willkürliche Gewaltausübung.
Die BF verfügen über eine – wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich – gesicherte Existenzgrundlage in ihrem Herkunftsstaat sowie über familiäre Anknüpfungspunkte und eine hinreichende Versorgung mit Nahrung und Unterkunft.
Die BF reisten zu unbekannter Zeit rechtswidrig nach Italien und wurden am 13.07.2021 um 18:40 Uhr von Beamten der LPD Steiermark am Grenzübergang Spielfeld im Zug EC158 bei der Einreise in das Bundesgebiet betreten.
Die BF haben keinen Deutsch- und Integrationskurs besucht.
Die BF haben in Österreich außer zwei Brüder der BF2 keine Verwandten und sind außerhalb der Familie für keine Person im Bundesgebiet sorgepflichtig.
Im gegenständlichen Fall ergab sich weder eine maßgebliche Änderung bzw. Verschlechterung in Bezug auf die den BF betreffende asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Herkunftsstaat, noch in sonstigen in der Person der BF gelegenen Umständen.
Ebenso ergab sich keine sonstige aktuelle und entscheidungsrelevante Bedrohungssituation des BF.
Eine relevante Änderung der Rechtslage konnte ebenfalls nicht festgestellt werden.
In Bezug auf die individuelle Lage der BF im Falle einer Rückkehr nach Georgien konnte keine im Hinblick auf den Zeitpunkt, an dem letztmalig über den Antrag auf internationalen Schutz inhaltlich entschieden wurde, maßgeblich geänderte oder gar verschlechterte Situation festgestellt werden.
Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF eine aktuelle sowie unmittelbare persönliche und konkrete Gefährdung oder Verfolgung in ihrem Heimatland Georgien droht. Ebenso konnte unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände nicht festgestellt werden, dass die BF im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat der Gefahr einer Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung iSd GFK ausgesetzt wäre.
Weiter konnte unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände nicht festgestellt werden, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung nach Georgien eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten würde oder für die BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Des Weiteren liegen die Voraussetzungen für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ nicht vor und ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung geboten. Die Abschiebung der BF nach Georgien ist zulässig und möglich.
Weitere Ausreisegründe und/oder Rückkehrhindernisse kamen bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen nicht hervor.
II.1.2. Zur Lage im Herkunftsstaat:
An dieser Stelle wird darauf hingewiesen, dass es sich bei Georgien um einen sicheren Herkunftsstaat gem. § 19 BFA-VG handelt.
Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat werden folgende Feststellungen getroffen:
Länderspezifische Anmerkungen
Letzte Änderung: 29.03.2021
Sofern nicht anders angegeben, schließen die Themenbereiche zu Georgien die Situation in den separatistischen Landesteilen Abchasien und Südossetien nicht ein.
Die Verwendung von Bezeichnungen wie "Regierung", "Behörden" o.Ä. im Zusammenhang mit Abchasien oder Südossetien stellen keine Wertung der Staatendokumentation hinsichtlich des Status dieser Gebiete dar.
COVID-19
Letzte Änderung: 29.03.2021
COVID-19-Infektionen kommen in allen Regionen des Landes vor; und es kommt landesweit zu unkontrollierter Übertragung von COVID-19 (USEMB 25.2.2021).
Georgien hat die Verbreitung von COVID-19 im Frühling 2020 durch strenge Maßnahmen weitgehend eingedämmt. Nachdem im Sommer 2020 die strengen Regeln aufgehoben, die Einreisebestimmungen an den Grenzen gelockert und Inlandstourismus beworben wurde, kam es ab Ende August 2020 zu einem exponentiellen Anstieg bei positiven Tests. Bis Mitte September 2020 stieg die Zahl der täglichen positiven Testergebnisse von niedrigen zweistelligen Zahlen auf etwa 150 (Eurasianet 18.9.2020) und um Mitte Oktober auf ungefähr 1.000 (Jam 16.10.2020). Gegen Ende November 2020 lag die tägliche Zahl positiver Tests um die 4.000 und die der Verstorbenen an oder mit SARS-CoV-2 bei 35-50 Personen (Agenda 26.11.2020). Im Dezember stieg die tägliche Zahl der Infektionen auf ca. 5.000. Mit strengen Maßnahmen konnte die zweite Welle bis Mitte Jänner 2021 weitgehend unter Kontrolle gebracht werden (civil 18.1.2021)
Die zentrale Homepage der Regierung mit Informationen über Covid-19 ist in Georgien unter www.stopcov.ge zu finden. Die Internetseite ist neben Georgisch auch auf Englisch, Abchasisch, Aserbaidschanisch, Armenisch und Russisch verfügbar. Somit wird gewährleistet, dass auch die Angehörigen von Minderheiten alle relevanten Informationen zur Pandemie im Allgemeinen, zur speziellen Hygiene und zu Maßnahmen der Regierung erhalten (BAMF 10.2020). Auf dieser Seite werden auch tagesaktuelle Zahlen zu bestätigten Infektionen, Genesungen, Todesfällen und Hospitalisierungen veröffentlicht (StopCoV.ge o.D.).
Der öffentliche Überlandverkehr wurde landesweit mit 25.2.2021 wieder aufgenommen (USEMB 25.2.2021). Mit Wirkung von 1.2.2021 durften Schulen, Hochschulen und Kindergärten wieder öffnen (Jam 23.1.2021). Weitere Lockerungen des wirtschaftlichen Lebens wurden im Zeitraum Februar-März 2021 ermöglicht (Gov.ge 24.2.2021). Stand Mitte März 2021 bestehen weiterhin nächtliche Ausgangssperren (USEMB 25.2.2021; vgl. Gov.ge 24.2.2021).
Mitte Jänner 2021 wurde der nationale Impfplan vorgestellt. Die Risikogruppen sollen bis Jahresmitte 2021 geimpft sein. Es ist nicht zu erwarten, dass Personen, die nicht den Risikogruppen angehören, vor dem Spätsommer/Frühherbst 2021 geimpft werden (civil 18.1.2021). Am 13.3.2021 erhielt Georgien, mit Unterstützung der Vereinten Nationen, erstmals 43.200 Impfdosen von Astra Zeneca (UNICEF 12.3.2021).
Mit 1.2.2021 wurden alle Einschränkungen für Linienflüge aufgehoben (1TV 1.2.2021; vgl. Jam 23.1.2021). Alle Personen, die einen vollständigen Impfschutz nachweisen können, müssen bei Einreise nicht in Quarantäne. Personen, die keinen Impfschutz und keinen negativen PCR-Test (nicht älter als 72 Stunden), nachweisen können, werden bei Einreise für unbestimmte Zeit und auf eigene Kosten in Quarantäne verbracht (USDOS 25.2.2021; vgl. MoF o.D.), falls eine Selbstisolierung nicht möglich ist. Bei Vorlage eines negativen PCR-Tests (nicht älter als 72 Stunden) muss eine achttägige Selbstisolation samt einer weiteren PCR-Testung fünf Tage nach Einreise auf eigene Kosten durchgeführt werden (MoF o.D.).
Trotz der Zugangsbeschränkungen unterstützt die Georgische Regierung die separatistische Region Abchasien bei der Bekämpfung von COVID-19 materiell und fachlich. Auch die Behandlung von abchasischen COVID-19-Patienten in Kern-Georgien wurde ermöglicht (CW 27.11.2020; vgl. Jam 16.10.2020). Internationale Hilfe in Südossetien ist auf das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) beschränkt. Die georgische Zentralregierung hat Zchinwali ebenfalls humanitäre Hilfe angeboten, aber der Vorschlag wurde nicht weiterverfolgt (CW 27.11.2020). Dennoch werden auch COVID-Patienten aus Südossetien in Georgien behandelt, wenn auch in geringerem Ausmaße als aus Abchasien (Jam 16.10.2020).
Quellen:
? 1TV - Pirveli Arkhi / First Channel (1.2.2021): Georgia resumes int'l flights, https://1tv.ge/en/news/georgia-resumes-intl-flights/, Zugriff 23.2.2021
? Agenda.ge (26.11.2020): Georgian gov’t introduces further coronavirus restrictions until Jan. 31, https://agenda.ge/en/news/2020/3722, Zugriff 30.11.2020
? BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Bundesrepublik Deutschland] (10.2020): Länderreport 31 - Georgien: Allgemeine Lage der ethnischen Minderheiten,
https://www.ecoi.net/en/file/local/2042046/laenderreport-31-Georgien.pdf, Zugriff 15.12.2020
? civil.ge (18.1.2021): COVID-19 Vaccine Rollout in Georgia: Waiting for Godot?, https://civil.ge/archives/391207, Zugriff 18.1.2021
? CW - Caucasus Watch (27.11.2020): Council of Europe reports on Abkhazia and Tskhinvali, https://caucasuswatch.de/news/3289.html, Zugriff 30.11.2020
? Eurasianet (18.9.2020): Georgia experiences its first wave of COVID-19, https://eurasianet.org/georgia-experiences-its-first-wave-of-covid-19, Zugriff 30.11.2020
? Jam News (23.1.2021): Protests after Georgia announces only partial lifting of Covid restrictions, https://jam-news.net/georgia-news-coronavirus-restrictions-that-will-change-protests/, Zugriff 25.1.2021
? Jam News (16.10.2020): Georgia: coronavirus patients from the other side of territorial conflict, https://jam-news.net/coronavirus-georgia-treatment-abkhazia-south-ossetia/, Zugriff 30.11.2020
? MoF - Ministry of Foreign Affairs [Georgien] (o.D.): Regulations for Crossing the Georgian Border in connection with the COVID-19 pandemic, https://mfa.gov.ge/MainNav/CoVID-19-sakitkhebi/sazgvris-kvetis-regulaciebi.aspx?lang=en-US, Zugriff 15.3.2021
? StopCoV.ge [Georgien] (o.D.): Prevention of Coronavirus Spread in Georgia, https://stopcov.ge/en/, Zugriff 15.3.2021
? UNICEF - Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (12.3.2021): Georgia will receive a first batch of 43,200 doses of COVID-19 vaccine through COVAX Facility, https://www.unicef.org/georgia/press-releases/georgia-will-receive-first-batch-43200-doses-covid-19-vaccine-through-covax-facility
? USEMB - U.S. Embassy in Georgia [Vereinigte Staaten von Amerika] (25.2.2021): COVID-19 Information for Georgia (Last Updated: February 25, 2021), https://ge.usembassy.gov/covid-19-information-on-georgia/, Zugriff 15.3.2021
Politische Lage
Letzte Änderung: 29.03.2021
Georgien wurde im April 1991 unabhängig [bis dahin Teilrepublik der Sowjetunion]. Nach der georgischen Unabhängigkeit erhöhten sich die Spannungen innerhalb Georgiens in den Gebieten Abchasien und Südossetien. 1992 erfolgten Unabhängigkeitserklärungen Südossetiens und Abchasiens, die jedoch von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt wurden (AA 23.9.2020). Russland betreibt gegenüber beiden Regionen eine Politik der informellen militärischen und wirtschaftlichen Annexion (bpb 26.8.2020; vgl. US DOS 11.3.2020) und kontrolliert ein Fünftel des georgischen Staatsgebiets (FAZ 23.2.2021; vgl. US DOS 11.3.2020).
Durch Verfassungsänderung am 17.11.2013 wurde das Land von einer Präsidialrepublik zu einer Parlamentarischen Demokratie. Die georgische Außenpolitik sieht in der Integration Georgiens in EU und NATO ein prioritäres Ziel für eine nachhaltige demokratische Entwicklung des Landes. Dies wirkt sich unmittelbar auf den innenpolitischen Reformwillen aus (AA 23.9.2020). In Georgien finden regelmäßig kompetitive Wahlen statt. Nachdem der Demokratisierungsprozess in den Jahren 2012-13 an Dynamik gewonnen hatte, kam es in den letzten Jahren zu einer Stagnation der Fortschritte. Oligarchen haben übergroßen Einfluss auf Politik und politische Entscheidungen und die Rechtsstaatlichkeit wird nach wie vor durch politische Interessen behindert. Das politische Leben in Georgien ist lebendig. Neue politische Parteien können in der Regel ohne Behinderungen gegründet werden und zu den Wahlen antreten. Allerdings war die politische Landschaft von der Dominanz abwechselnd einer Partei geprägt, was die Entwicklung und Stabilität konkurrierender Gruppen gehemmt hat (FH 3.3.2021).
Georgien hat eine doppelte Exekutive, wobei der Premierminister als Regierungschef und der Präsident als Staatsoberhaupt fungiert. Der Präsident wurde bis 2018 durch Direktwahl gewählt. Aufgrund einer Verfassungsänderung wird der Präsident in Zukunft indirekt für sechs Jahre von einem Gremium, bestehend aus nationalen, regionalen und lokalen Gesetzgebern, gewählt werden. Der Präsident ernennt formal den Premierminister, der vom Parlament nominiert wird (FH 3.3.2021; vgl. US DOS 11.3.2020).
Die ehemalige Außenministerin Salome Zurabischwili wurde am 28.11.2018 zur Präsidentin des Landes gewählt. Offiziell als unabhängige Kandidatin, jedoch unterstützt von der Regierungspartei „Georgischer Traum“, setzte sie sich in der Stichwahl mit fast 60 % gegen ihren Konkurrenten Grigol Vaschadze durch, welcher insbesondere von der oppositionellen Vereinigten Nationalen Bewegung von Ex-Präsident Saakaschwili unterstützt wurde (FAZ 29.11.2018; vgl. CW 29.11.2018, FH 3.3.2021). Die OSZE beurteilte den Wahlgang als kompetitiv und gut administriert, wobei der Wahlkampf von einer scharfen Rhetorik und Demonstrationen begleitet war. Hauptkritikpunkte waren allerdings die einseitige Verwendung staatlicher Verwaltungsressourcen sowie die Berichterstattung des öffentlichen Rundfunks zugunsten von Zurabischwili (OSCE/ODIHR 29.11.2018).
Das Parlament Georgiens hat 150 Sitze, wovon 120 über Parteienlisten und 30 über Direktmandate in Wahlkreisen vergeben werden. Bei den Wahlen 2016 wurden noch 72 Direktmandate vergeben (KP 26.11.2020). Die Änderungen zu einem reinen Verhältniswahlrecht wurden vom Parlament für die nächsten, planmäßig 2024 stattfindenden Wahlen, beschlossen (KP 23.11.2019; vgl. RFE/RL 28.11.2019, taz 2.11.2020, FH 3.3.2021, US DOS 11.3.2020). Die Reform des Wahlrechts konnte erst nach Massenprotesten 2019 durchgesetzt werden (taz 2.11.2020; vgl. DW 24.6.2019, US DOS 11.3.2020).
Die Wahlhürde für die Verhältniswahl ist auf 1% der Stimmen festgelegt. Es besteht ein Begrenzungsmechanismus, der vorsieht, dass keine einzelne Partei, die weniger als 40% der abgegebenen Stimmen erhält, die Mehrheit der Sitze im Parlament erhalten darf. Im Falle einer vorgezogenen Neuwahl zwischen 2020 und 2024 wird diese nach demselben Wahlsystem wie im Jahr 2020 durchgeführt. Alle nachfolgenden Wahlen werden jedoch auf der Grundlage des vollständig proportionalen Wahlsystems durchgeführt, wie es für die Parlamentswahlen 2024 vorgesehen ist (civil 8.3.2020; vgl. KP 11.4.2020).
Bei den trotz COVID-Panedmie am 31.10.2020 durchgeführten Parlamentswahlen erzielte die bisherige Regierungspartei Georgischer Traum 48% der Stimmen und mit 91 Sitzen erneut eine satte Mehrheit von 60% der Mandate (KP 26.11.2020; vgl. EN 2.11.2020). Das größte Oppositionsbündnis, die Vereinigte Nationale Bewegung, erhielt 26,9% der Stimmen zugeschrieben (EN 2.11.2020). Insgesamt haben neun Parteien den Sprung ins Parlament geschafft (KP 26.11.2020; vgl. Jam 26.11.2020). Der Gründer des Wahlbündnisses Georgischer Traum, Bidzina Iwanischwili, hatte zur Parlamentswahl 2020 wieder das Amt des Parteivorsitzenden übernommen, allerdings ohne sich um irgendeine Regierungsfunktion zu bewerben. Im Februar 2021 erfolgte der nach seinen Aussagen endgültige Rückzug ins Privatleben. Es zeigt sich allerdings das Hauptproblem, das Iwanischwili seiner Partei und dem Land hinterlassen hat: Eine Mehrheitspartei ohne klare Programmatik, ohne klare innerparteiliche Demokratie und ohne politisch selbständige Charaktere an ihrer Spitze. Eine Partei, die nach wie vor den Verdacht nicht ausräumen kann, nur willfähriges Erfüllungsinstrument ihres Gründers und Mentors zu sein, der nach wie vor im Hintergrund die Fäden zieht (KP 11.2.2021). Kobachidse ist der Nachfolger von Bidsina Iwanischwili als Vorsitzender der Regierungspartei "Georgischer Traum" (FAZ 18.2.2021).
Die unterlegene Opposition prangerte erhebliche Wahlmanipulationen an und mobilisierte ihre Anhänger auf der Straße. Die Sicherheitskräfte setzten Schlagstöcke und Wasserwerfer ein (KP 26.11.2020; vgl. EN 2.11.2020). Einheimische Wahlbeobachter*innen stellten zahlreiche Ungereimtheiten fest (taz 2.11.2020). Gemäß OSZE waren die Parlamentswahlen kompetitiv und insgesamt wurden die Grundfreiheiten respektiert. Dennoch haben weitverbreitete Vorwürfe von der Ausübung von Druck auf die Wähler und der unklaren Abgrenzung zwischen der Regierungspartei und dem Staat das Vertrauen der Öffentlichkeit in einige Aspekte des Wahlvorganges unterminiert. Der grundlegend überarbeitete Rechtsrahmen bot eine solide Grundlage für die Abhaltung demokratischer Wahlen und die technischen Aspekte der Wahlen wurden trotz der Herausforderungen durch die COVID-19-Pandemie effizient gehandhabt. Jedoch hat sich die Dominanz der Regierungspartei in den Wahlkommissionen negativ auf die Wahrnehmung ihrer Unparteilichkeit und Unabhängigkeit ausgewirkt, insbesondere auf den unteren Ebenen (OSCE/ODIHR 1.11.2020; vgl. HRW 13.1.2021).
In Folge rief die Opposition zum Boykott der Stichwahl am 21.11.2020 in 17 Direktwahlkreisen auf, wodurch sich alle Kandidaten des Georgischen Traums sich bei einer Wahlbeteiligung von 26% durchsetzen konnten (KP 26.11.2020; vgl. Eurasianet 27.11.2020). Die Oppositionsparteien planen aus Protest, ihre Parlamentssitze nicht zu besetzen (KP 26.11.2020; vgl. Eurasianet 27.11.2020, Jam 26.11.2020). Die 90 Abgeordneten der Regierungspartei sind ausreichend, damit das Parlament seine Arbeit aufnehmen kann - um Gesetze zu verabschieden, die Abgeordneten auf die Parlamentsausschüsse zu verteilen und eine Regierung zu ernennen. Das Parlament wird jedoch nicht in der Lage sein, die Verfassung zu ändern oder die Präsidentin abzusetzen (Jam 26.11.2020; vgl. HRW 13.1.2021). Als Regierungschef wurde Giorgi Gacharia ernannt. Dieser ist nach nur zwei Monaten im Amt am 18.2.2021 zurückgetreten (Standard 18.2.2021, 22.2.2021). Als Nachfolger wurde der frühere Verteidigungsminister Irakli Garibaschwili mit den Stimmen der Regierungsfraktion Georgischer Traum zum neuen Regierungschef gewählt (Standard 22.2.2021).
Die Opposition boykottiert Stand Ende Februar 2021 weiterhin die Arbeit im Parlament (Standard 22.2.2021). Es ist weder durch die Intervention von US-Botschafter Kelly Degnan noch durch andere internationale Moderatoren gelungen, die politische Krise in Georgien zu lösen und die Opposition davon zu überzeugen, den Parlamentsboykott aufzugeben (Jam 26.11.2020; vgl. HRW 13.1.2021). Oppositionsvertreter zeigten sich zuletzt aber zu Gesprächen mit der Regierung bereit, um Auswege aus der Krise zu finden. Die Situation müsse entschärft werden, sagte der Oppositionspolitiker Nika Melia und bekräftigte zugleich seine Forderung nach Neuwahlen, welche die Regierungsfraktion aber vehement ablehnt. Zuletzt hatte sich die Lage zugespitzt, weil Melia in Untersuchungshaft genommen werden sollte. Ihm wird die versuchte Erstürmung des Parlaments 2019 vorgeworfen. Verhandlungen mit der Opposition seien notwendig, sagte Garibaschwili, "aber nicht mit diesen Verbrechern" (Standard 22.2.2021).
Quellen:
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? bpb - Bundeszentrale für Politische Bildung [Bundesrepublik Deutschland] (26.8.2020): Georgien, https://www.bpb.de/internationales/weltweit/innerstaatliche-konflikte/54599/georgien, Zugriff 25.2.2021
? civil.ge (8.3.2020): Georgian Dream, Opposition Reach Consensus over Electoral Reform, https://civil.ge/archives/341385, Zugriff 25.2.2021
? CW - Caucasus Watch (29.11.2018): Surabischwili gewinnt Wahl: Georgien bekommt erstmals eine Präsidentin, http://caucasuswatch.de/news/1190.html, Zugriff 25.2.2021
? DW - Deutsche Welle (24.6.2019): Proteste in Tiflis trotz Zugeständnissen, https://www.dw.com/de/proteste-in-tiflis-trotz-zugest%C3%A4ndnissen/a-49339505, Zugriff 25.2.2021
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? Eurasianet (27.11.2020): Georgian politics still deadlocked after runoff polls, https://eurasianet.org/georgian-politics-still-deadlocked-after-runoff-polls, Zugriff 30.11.2020
? FAZ - Frankfurter Allgemeine (23.2.2021): Warum die Lage in Georgien eskaliert, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/festnahme-in-georgien-hunderte-anhaenger-demonstrieren-in-tiflis-17212521.html, Zugriff 25.2.2021
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? FAZ - Frankfurter Allgemeine (29.11.2018): Georgien bekommt eine Präsidentin, https://www.faz.net/aktuell/salome-surabischwili-wird-neue-praesidentin-in-georgien-15915289.html, Zugriff 25.2.2021
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Abchasien
Letzte Änderung: 29.03.2021
Abchasien (ca. 200.000 Einwohner) hat sich [im Jahr 1992; Time 23.7.2012] – unterstützt von Russland – als unabhängig erklärt und sucht die weitere Annäherung an Russland. Die Regierung in Tiflis hat keine Verwaltungshoheit über das Gebiet, in dem sich de facto ein politisches System mit Regierung, Parlament und Justiz etabliert hat. Eigene Streitkräfte, unterstützt durch russisches Militär, sichern die zunehmend von ihnen befestigte Verwaltungsgrenze zu Georgien. Diese ist nur in einem sehr geringen Maße für Einwohner der Gebiete durchlässig. Militärische Auseinandersetzungen gibt es seit 2008 keine mehr (AA 17.11.2020).
Die Regierung in Tiflis hat ursprünglich die Autonomie, aber nicht die Unabhängigkeit Abchasiens anerkannt (ACLED 2.2020). Seit 2008 hat sich die Abhängigkeit von Moskau weiter verstärkt. Abchasien bemüht sich zwar, ein Mindestmaß an Unabhängigkeit von Russland zu bewahren, dies wird jedoch durch die politische und wirtschaftliche Isolation des de-facto-Staates erschwert. Die wirtschaftliche Entwicklung stagniert, und trotz eines aufgeblähten Verwaltungsapparats sind öffentliche Leistungen, wie Gesundheit und Bildung, unterfinanziert. Die Coronavirus-Epidemie verdeutlicht die Unzulänglichkeit des Gesundheitssystems sowie die dadurch entstehenden Gefahren für die Bevölkerung. Russland betreibt eine schrittweise Eingliederung abchasischer Einheiten in die russischen Streitkräfte (bpb 26.8.2020).
Abchasien ist eine Präsidialrepublik. Das Staatsoberhaupt - der Präsident - wird für fünf Jahre gewählt. Die Legislative wird durch die Volksversammlung - das Parlament der Republik Abchasien - vertreten. Die Exekutive wird durch die Regierung repräsentiert, die vom Präsidenten geleitet wird. Das Ministerkabinett wird durch den Präsidenten der Republik Abchasien gebildet und ist ihm gegenüber rechenschaftspflichtig (PrA o.D.). Während die Volksmeinung einen Einfluss auf die abchasische Innenpolitik hat, ist das Funktionieren der politischen Institutionen Abchasiens fast ausschließlich von der wirtschaftlichen und politischen Unterstützung aus Moskau abhängig. Dennoch weist das politische System eine starke Opposition und zivilgesellschaftliche Aktivität auf. Allerdings behindert die Korruption innerhalb der Parteien deren demokratiepolitische Funktion. Im Allgemeinen wird das Vereinigungsrecht geachtet. Ähnliches gilt für das Versammlungsrecht. Politische Parteien und Organisationen der Zivilgesellschaft organisieren regelmäßig Proteste (FH 4.3.2020a).
Im Jänner 2020 kam es in Abchasiens Hauptstadt Sochumi zu heftigen Protesten gegen den De-Facto-Präsidenten Raul Khajimba. Ihm wurde von den Demonstranten vorgeworfen, bei seiner Wiederwahl im September 2019 nicht die erforderliche Stimmenmehrheit erzielt zu haben. Die Demonstranten stürmten das Präsidentengebäude und forderten seinen Rücktritt. Nach Vermittlung durch die Russische Föderation trat Khajimba zurück. Die Wahlbehörde annullierte das Wahlergebnis vom September 2019 und die Wahlwiederholung am 22.3.2020 gewann Oppositionsführer und Ex-Geheimdienstchef Aslan Bzhaniya mit rund 57 Prozent der Stimmen (NZZ 22.3.2020). Die Wahlen hatten trotz Bedenken wegen der COVID-19-Pandemie stattgefunden (JW 26.3.2020). Nach den Wahlen ernannte Bzhaniya den Ex-Präsidenten (2011-2014) Aleksander Ankvab zum Premierminister (civil.ge 24.4.2020; vgl. JW 26.3.2020).
Das Recht auf Rückkehr der vertriebenen Georgier wird von den abchasischen de facto-Behörden verwehrt. Nur der Verwaltungskreis Gali im südlichen Teil Abchasiens, nahe dem georgischen Hauptterritorium, ist noch stark georgisch/minegrelisch besiedelt. Sie werden von der abchasischen de-facto-Regierung benachteiligt (z.B. beim Erwerb von Aufenthalts- und Arbeitserlaubnissen, der Besetzung öffentlicher Stellen, dem Zugang zu Bildung oder bei der Gesundheitsfürsorge). Ziel ist es offenbar, die georgische Bevölkerung entweder zur Aufgabe der georgischen Staatsangehörigkeit oder zum Verlassen ihrer angestammten Heimat zu veranlassen (AA 17.11.2020). Die ethnisch georgische Bevölkerung ist regelmäßig von Wahlen und politischer Repräsentation ausgeschlossen. Im Jahr 2017 argumentierten die abchasischen „Behörden“, dass die Mehrheit der Einwohner des Distrikts Gali georgische Staatsbürger seien und daher nicht wählen dürften (FH 4.3.2020a). In Abchasien verbietet das Rechtssystem Eigentumsansprüche von ethnischen Georgiern, die Abchasien vor, während oder nach dem Krieg von 1992 bis 93 verlassen haben, wodurch Binnenvertriebenen ihre Eigentumsrechte in Abchasien entzogen werden (US DOS 11.3.2020; vgl. FH 4.3.2020a). Die abchasischen Behörden verfolgen eine Politik, die den rechtlichen Status von ethnischen Georgiern im Distrikt Gali bedroht. Sie schlossen Dorfschulen und zwingen georgische Schüler, ausschließlich in russischer Sprache zu lernen (US DOS 11.3.2020).
Die abchasischen Behörden und russische Streitkräfte schränken weiterhin die Bewegungsfreiheit der lokalen Bevölkerung entlang der administrativen Grenzlinie (ABL) ein, gleichwohl sie Flexibilität bei Reisen nach Georgien aus medizinischen Gründen, zwecks Pensionsleistungen, Bildung, etc. zeigen. Dorfbewohner, die sich unerlaubt der administrativen Grenze oder den Grenzübergängen nähern, riskieren die Inhaftierung durch die Grenzschutzbeamten der Russischen Föderation. Russische Grenzschutzbeamte entlang der ABL setzen die Vorschriften der abchasischen Behörden mittels Festnahmen und Geldbußen durch (US DOS 11.3.2020).
Nepotismus und Korruption, die oft auf Clan- und ethnischen Bindungen beruhen, haben erhebliche Auswirkungen auf die abchasische Justiz. Die Umsetzung gerichtlicher Entscheidungen ist nach wie vor uneinheitlich. Das Strafrechtssystem wird durch den eingeschränkten Zugang der Angeklagten zu qualifiziertem Rechtsbeistand, Verletzungen des ordentlichen Verfahrens und langwierige Untersuchungshaft untergraben (FH 4.3.2020a). Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) hat keinen Zugang zu Gefängnissen und Haftanstalten in Abchasien. Die Zustände dort gelten als chronisch schlecht (US DOS 11.3.2020).
Im März 2019 nahm der UN-Menschenrechtsrat erneut eine Resolution an, die große Besorgnis über die Menschenrechtssituation in Abchasien ausdrückte, wobei insbesondere Entführungen, willkürliche Festnahmen, Verletzung von Eigentumsrechten, das Fehlen muttersprachlichen Schulunterrichts, mangelnde Freizügigkeit und Diskriminierung aufgrund ethnischer Herkunft und Verweigerung des Rückkehrrechts für die geflüchtete georgische Bevölkerung genannt werden. Die Diskriminierung dieser Bevölkerungsteile kann als zielgerichtet bewertet werden, um sie zum Verlassen zu bewegen (AA 17.11.2020; vgl. FH 4.3.2020a).
Hinsichtlich der Religionsfreiheit erfährt die georgisch-orthodoxe Kirche Restriktionen und Diskriminierung. Die Zeugen Jehovas sind als extremistische Organisation klassifiziert und seit 1995 verboten (FH 4.3.2020a; vgl. US DOS 10.6.2020). Obgleich Vorsteher der muslimischen Gemeinde in der Vergangenheit angegriffen wurden, dürfen Muslime ihren Glauben frei praktizieren (FH 4.3.2020a).
Quellen:
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? ACLED - Armed Conflict Location and Event Data Project (2.2020): ACLED Methodology and Coding Decisions around Political Conflict and Demonstrations in Central Asia and the Caucasus, https://acleddata.com/acleddatanew/wp-content/uploads/dlm_uploads/2020/02/ACLED_Central-Asia-and-the-Caucasus_Methodology_2019.pdf, Zugriff 12.3.2021
? AJ - Al Jazeera (9.1.2020): Crowds storm president's office in Georgia's breakaway Abkhazia, https://www.aljazeera.com/news/2020/01/crowds-storm-president-office-georgia-breakaway-abkhazia-200109154012926.html, Zugriff 25.2.2021
? bpb - Bundeszentrale für Politische Bildung [Bundesrepublik Deutschland] (26.8.2020): Georgien, https://www.bpb.de/internationales/weltweit/innerstaatliche-konflikte/54599/georgien, Zugriff 25.2.2021
? civil.ge (24.4.2020): Former Abkhaz Leader Appointed as Government Head, https://civil.ge/archives/348420, Zugriff 25.2.2021
? FH - Freedom House (4.3.2020a): Freedom in the World 2020 – Abkhazia, https://freedomhouse.org/country/abkhazia/freedom-world/2020, Zugriff 12.3.2021
? JW - Junge Welt (26.3.2020): Abchasien will Veränderung, https://www.jungewelt.de/artikel/375260.abchasien-abchasien-will-ver%C3%A4nderung.html, Zugriff 25.2.2021
? NZZ - Neue Zürcher Zeitung (22.3.2020): Abchasier küren Ex-Geheimdienstchef zum neuen Präsidenten, https://www.nzz.ch/international/abchasier-kueren-ex-geheimdienstchef-zum-neuen-praesidenten-ld.1547947, Zugriff 25.2.2021
? PrA - President of the Republic of Abkhazia [Republik Abchasien] (o.D.): Brief Information, http://presidentofabkhazia.org/en/respublika_abkhazia/respublika-abkhaziya-obshchaya-informatsiya/, Zugriff 25.2.2021
? Time (23.7.2012): Paradise Lost: 20 Years of Independence in Abkhazia, https://time.com/3790443/paradise-lost-20-years-of-independence-in-abkhazia/, Zugriff 25.2.2021
? US DOS - U.S. Department of State [Vereinigte Staaten von Amerika] (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Georgia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/03/GEORGIA-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 12.3.2021
? US DOS - US Department of State [Vereinigte Staaten von Amerika] (10.6.2020): 2019 Report on International Religious Freedom, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/06/GEORGIA-2019-INTERNATIONAL-RELIGIOUS-FREEDOM-REPORT.pdf, Zugriff 26.2.2021
Südossetien
Letzte Änderung: 29.03.2021
Südossetien - amtliche Bezeichnung in Georgien auch: Region Tskhinvali - hat eine Fläche von ca. 3.900 km² (gov.ge o.D.). Die schlechte wirtschaftliche Lage führt zu massiver Abwanderung der Bevölkerung (bpb 26.8.2020). Laut offiziellen Zahlen lebten dort im Jahr 2015 etwa 53.000 Menschen; zur letzten sowjetischen Volkszählung 1989 betrug die Bevölkerung des Gebietes noch 98.500 (Jam 20.2.2026; vgl. bpb 26.8.2020). Unabhängige Schätzungen gehen davon aus, dass die tatsächliche Bevölkerungszahl aktuell nur noch bei 39.000 liegt (bpb 28.6.2020).
Große Teile Südossetiens wurden nach dem Ende eines Bürgerkriegs 1992 de facto unabhängig. Der Krieg im Jahr 2008 führte zum Einmarsch russischer Truppen und zur Vertreibung der zuvor noch bestehenden georgischen Regierungspräsenz sowie etlicher ethnischer Georgier. Nur Russland und eine Handvoll anderer Staaten haben seither die Unabhängigkeit Südossetiens anerkannt (FH 4.3.2020s; vgl. ACLED 2.2020). Seither hat sich die Abhängigkeit von Moskau weiter verstärkt. Russische Beihilfen finanzieren fast 90 % des öffentlichen Haushalts (bpb 26.8.2020; vgl. FH 4.3.2020s). Die wirtschaftliche Entwicklung stagniert, und trotz eines aufgeblähten Verwaltungsapparats sind öffentliche Leistungen, wie Gesundheit und Bildung, unterfinanziert. Die COVID-19-Epidemie verdeutlicht die Unzulänglichkeit der abchasischen und südossetischen Gesundheitssysteme sowie die dadurch entstehenden Gefahren für die Bevölkerung (bpb 26.8.2020).
Moskau übt einen entscheidenden Einfluss auf die Politik und die Regierungsführung aus (FH 4.3.2020s). Russland unterhält weiterhin Stützpunkte und Truppen in Südossetien und betreibt die schrittweise Eingliederung südossetischer Einheiten in die russischen Streitkräfte (bpb 26.8.2020). Manche Quellen geben an, Südossetien sei von Russland militärisch besetzt (ACLED 2.2020).
Die letzten Parlamentswahlen fanden im Juni 2019 statt. Trotz besserer Gesetze konnten sich viele Regierungskritiker und Anhänger der Opposition nicht zur Kandidatur anmelden, was der Regierungspartei half, ihre Dominanz im Parlament aufrechtzuerhalten. Moskau übt einen entscheidenden Einfluss auf Politik und Regierungsführung aus und schränkt die Möglichkeiten politischer Parteien erheblich ein, sich außerhalb eines engen politischen Spektrums frei zu betätigen (FH 4.3.2020s).
Im März 2019 drückte eine Resolution des UN-Menschenrechtsrates erneut große Besorgnis über die Menschenrechtssituation in Südossetien aus, wobei insbesondere Entführungen, willkürliche Festnahmen, Verletzung von Eigentumsrechten, das Fehlen muttersprachlichen Schulunterrichts, mangelnde Freizügigkeit und Diskriminierung aufgrund ethnischer Herkunft und Verweigerung des Rückkehrrechts für die geflüchtete georgische Bevölkerung genannt werden. Die Diskriminierung dieser Bevölkerungsteile kann als zielgerichtet bewertet werden, um diese zur Abwanderung zu bewegen (AA 17.11.2020; vgl. FH 4.3.2020s). Die südossetischen de facto-Behörden verweigern den meisten wegen des Konflikts von 2008 vertriebenen ethnischen Georgiern die Rückkehr nach Südossetien und erlauben den meisten internationalen Organisationen keinen regelmäßigen Zugang nach Südossetien zur Leistung humanitärer Hilfe (US DOS 11.3.2020).
Russische und südossetische Kräfte verschieben gezielt Grenzmarkierungen und errichten Befestigungen, was den Zugang der Bevölkerung u.a. zu landwirtschaftlichen Nutzflächen erschwert. Zivilisten werden häufig infolge von "illegalen Grenzübertritten" verhaftet und kommen erst gegen Zahlung eines Bußgeldes frei (bpb 26.8.2020; vgl. US DOS 11.3.2020, AI 3.7.2019, FH 4.3.2020s). Einige werden auch von südossetischen Gerichten zu Haftstrafen verurteilt. Alleine im Jänner 2021 wurden, laut offizieller Tifliser Angaben, 13 örtliche Bewohner von südossetischen Behörden festgenommen. Drei davon wurden nach einer Verwarnung wieder frei gelassen (Jam 9.2.2021).
Im Gegensatz zu vorangegangenen Jahren wurden 2019 die Grenzübergänge zu Kerngeorgien ohne Vorankündigung für längere Zeiträume geschlossen (FH 4.3.2020s). Im Zuge der Eindämmung der COVID-19-Pandemie wurden ab Februar 2020 die Grenzen zu Georgien und der Russischen Föderation vollständig geschlossen (Eurasianet 3.5.2020; vgl. RES 6.7.2020, IWPR 30.5.2020, Sputnik 10.4.2020) und somit Südossetien effektiv vom Rest der Welt isoliert (Eurasianet 3.5.2020). Die Grenze zu Russland wurde im September 2020 wieder geöffnet (RES 10.9.2020).
Die lokalen Medien stehen weitgehend unter Kontrolle der Behörden. Die Redefreiheit wird unterdrückt und ein Klima von Angst und Einschüchterung ist weit verbreitet (AI 8.4.2020). Die lokalen Medien stehen weitgehend unter Kontrolle der Behörden, Selbstzensur ist weit verbreitet und gegen kritische Medien werden häufig Verleumdungsklagen eingebracht. Aufgrund des erheblichen russischen Einflusses auf die Innenpolitik und Entscheidungsfindung arbeitet die Regierung Südossetiens nicht transparent. Behörden-Korruption ist weit verbreitet. Ein systematischer Zugang diese zu bekämpfen besteht nicht. Die Justiz ist nicht unabhängig. Sie unterliegt politischer Einflussnahme und Manipulation und dient zur Bestrafung vermeintlicher politischer Gegner. Körperliche Übergriffe und schlechte Bedingungen sind Berichten zufolge in Gefängnissen und Haftanstalten weit verbreitet (FH 4.3.2020s).
Die Bewohner demonstrieren gelegentlich gegen Umweltzerstörung, das schleppende Tempo des Wiederaufbaus nach dem Krieg und seltener gegen politische Missstände. Die Versammlungsfreiheit ist jedoch stark eingeschränkt. Teilnehmer an nicht genehmigten Versammlungen laufen Gefahr, angeklagt zu werden (FH 4.3.2020s).
Die Mehrheit der Bevölkerung sind orthodoxe Christen. Es gibt aber auch eine beträchtliche muslimische Gemeinschaft. Ein Teil des Eigentums der georgisch-orthodoxen Kirche wird von der südossetisch-orthodoxen Kirche kontrolliert. Der Oberste Gerichtshof Südossetiens hat im Jahr 2017 die Zeugen Jehovas als extremistische Organisation verboten (FH 4.3.2020s).
Quellen:
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? ACLED - Armed Conflict Location and Event Data Project (2.2020): ACLED Methodology and Coding Decisions around Political Conflict and Demonstrations in Central Asia and the Caucasus, https://acleddata.com/acleddatanew/wp-content/uploads/dlm_uploads/2020/02/ACLED_Central-Asia-and-the-Caucasus_Methodology_2019.pdf, Zugriff 12.3.2021
? AI - Amnesty International (8.4.2020): South Ossetia/Tskhinvali Region: Persecution of Journalists who speak out [EUR 56/2112/2020], https://www.amnesty.org/download/Documents/EUR5621122020ENGLISH.pdf, Zugriff 25.2.2021
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? bpb - Bundeszentrale für Politische Bildung [Bundesrepublik Deutschland] (26.8.2020): Georgien, https://www.bpb.de/internationales/weltweit/innerstaatliche-konflikte/54599/georgien, Zugriff 25.2.2021
? Eurasianet (3.5.2020): Dashboard: Coronavirus in Eurasia - April 27-May 3, https://eurasianet.org/dashboard-coronavirus-in-eurasia-april-27-may-3, Zugriff 25.2.2021
? FH - Freedom House (4.3.2020s): Freedom in the World 2020 - South Ossetia, https://freedomhouse.org/country/south-ossetia/freedom-world/2020, Zugriff 12.3.2021
? gov.ge - Go