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90 Straßenverkehrsrecht, KraftfahrrechtNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Gesetzwidrigkeit einer KurzparkzonenV wegen Unterlassung der gesetzlich vorgeschriebenen Anhörung der gesetzlichen Interessenvertretungen bei Erlassung einer solchen Verordnung; Anhörung der Interessenvertretungen vor Erlassung einer früheren KurzparkzonenV nicht ausreichend; Antragsbefugnis des unabhängigen Verwaltungssenates gemäß Art139 Abs1 B-VG auch für bereits außer Kraft getretene VerordnungenSpruch
Die Verordnung des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom 16. September 1992, Z A10/1-1781/19-1992, war gesetzwidrig.
Die Steiermärkische Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Feststellung im Landesgesetzblatt verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Beim Unabhängigen Verwaltungssenat für die Steiermark sind Berufungsverfahren gegen Bescheide anhängig, mit denen die Berufungswerber bestraft wurden, weil sie jeweils ihre PKW in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone ohne Entrichtung der Parkgebühr abgestellt hatten. Da "eine allfällige Bestrafung wegen Abgabenverkürzung voraus(setzt), daß die Tat im zeitlichen und örtlichen Geltungsbereich einer Kurzparkzone begangen wurde", sei die Frage, "ob eine Verordnung gemäß §25 StVO gesetzeskonform erlassen wurde ..., eine Vorfrage gemäß §57 Abs2 VfGG". Gestützt auf Art129 a Abs3 iVm. Art89 Abs2 B-VG begehrt der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark daher in den zu V150/94, V159/94 - V165/94, V170/94 - V244/94, V249/94 - V257/94 und V278/94 - V293/94 protokollierten Anträgen gemäß Art139 B-VG, "die Verordnung des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom 16.9.1992, GZ.: A10/1-1781/19-1992, wegen Gesetzwidrigkeit ihrem gesamten Inhalte nach aufzuheben", in eventu festzustellen, daß die genannte Verordnung gesetzwidrig war.
2. Bereits mit Verordnung vom 30. September 1991, Z A10/1-1588/6-1991, habe der Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz für weite Bereiche der Grazer Innenstadt eine flächendeckende Kurzparkzone gemäß §25 StVO 1960 eingerichtet. Unter Aufhebung dieser Verordnung sei mit der Verordnung vom 27. November 1991, Z A10/1-2177/12-1991, die maximale Parkdauer für den auf dem rechten Murufer gelegenen Teil der Kurzparkzone auf 180 Minuten erhöht worden.
Unter neuerlicher Aufhebung auch dieser Verordnung sei mit Verordnung des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom 16. September 1992, Z A10/1-1781/19-1992, kundgemacht durch Aufstellung der entsprechenden Verkehrszeichen am 19. September 1992, die höchstzulässige Parkdauer von 180 Minuten auch auf die Teile des linken Murufers erstreckt worden.
Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark erblickt nun die Gesetzwidrigkeit der Verordnung des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom 16. September 1992, Z A10/1-1781/19-1992, darin, daß diese entgegen der Anordnung des §94 f Abs1 StVO 1960 ohne Anhörung der Bundespolizeibehörde sowie der gesetzlichen beruflichen Interessenvertretungen erlassen wurde, obwohl Gefahr im Verzug nicht geltend gemacht wurde.
Schließlich weist der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark darauf hin, daß die Notariatskammer für die Steiermark auch vor Erlassung der beiden, der nunmehr angefochtenen Verordnung vorausgegangenen Verordnungen zur Einführung einer flächendeckenden, gebührenpflichtigen Kurzparkzone für das Stadtgebiet von Graz nicht gehört wurde. Gerade Interessen der Mitglieder dieser Kammer würden aber von dieser Verordnung nachhaltig berührt, "befinden sich doch fast alle Gerichte, Behörden und sonstige amtliche Dienststellen, die für den Aufgabenbereich der Notare von Relevanz sind, innerhalb des örtlichen Geltungsbereiches dieser Verordnung".
3. Der Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz hat unter Vorlage der Verordnungsakten Äußerungen zu diesen Verfahren erstattet, in denen er die Gesetzmäßigkeit der angefochtenen Verordnung verteidigt. Insbesondere sei bereits vor Erlassung der Verordnung des Stadtsenates vom 30. September 1991, mit der für den innerstädtischen Bereich eine flächendeckende Kurzparkzone festgelegt wurde, ein umfassendes Anhörungsverfahren gemäß §94 f Abs1 StVO 1960 unter Einbeziehung "sämtliche(r) der Behörde bekannten Interessenvertretungen einschließlich der Bundespolizeidirektion Graz" durchgeführt worden. Mehrere der anhörungsberechtigten Interessenvertretungen, insbesondere die Rechtsanwaltskammer, hätten positive Stellungnahmen abgegeben und darauf verwiesen, "daß eine Ausweitung des zeitlichen Geltungsbereiches der Verordnung über 90 Minuten hinaus wünschenswert wäre".
Mit Verordnung des Stadtsenates vom 27. November 1991 sei in der Folge für ein bereits von der Verordnung vom 30. September 1991 betroffenes Teilgebiet die maximale Parkdauer auf 180 Minuten erhöht worden. Auch dieser Verordnung liege ein Anhörungsverfahren unter Einbeziehung "aller der Behörde bekannten Interessenvertretungen" zugrunde.
Schließlich sei mit Verordnung des Stadtsenates vom 16. September 1992, mit der keine Veränderung an der Flächenausdehnung vorgenommen worden sei, die höchstzulässige Parkdauer auch in anderen Teilbereichen auf 180 Minuten erhöht worden. Regelungstechnisch sei "jeweils mit einer Aufhebung der vorangegangenen Verordnung vorgegangen" worden. Inhaltlich sei jedoch "lediglich eine von den Interessenvertretungen schon vorher beantragte Abänderung des Hinweises oder Zusatzes hinsichtlich des im §25 Abs1 StVO 1960 vorgesehenen maximalen Rahmens vorgenommen" worden.
Der Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz vertritt daher die
Ansicht, "daß Interessen von Mitgliedern einer Berufsgruppe
nicht berührt werden können, wenn die Behörde den geäußerten
Wünschen von Interessenvertretungen anläßlich der
grundlegenden Anhörung zur Verordnungserlassung ... erst zu
einem späteren Zeitpunkt, Schritt für Schritt ... nachkommt.
Eine (nachteilige) Berührung von Interessen von Mitgliedern gesetzlicher Interessenvertretungen hat somit durch die Verordnungsveränderung - auch wenn sie regelungstechnisch mit einer Aufhebung der vorangegangenen Verordnung vorgenommen wurden - nicht stattgefunden, sondern es wurde lediglich der in §25 Abs1 StVO gesetzlich vorgesehene zeitliche Rahmen für die maximale Parkdauer in Kurzparkzonen 'ausgereizt'." Die später erlassenen Verordnungen bildeten mit der ursprünglichen Verordnung eine Einheit. Es könne aber nicht Sinn und Zweck des Anhörungsverfahrens sein, Interessenvertretungen mit Dingen zu befassen, welche ohnehin ursprünglich begehrt wurden.
Die Nichtanhörung der Interessenvertretung der Notare rechtfertigt der Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz damit, "daß die innerhalb des Geltungsbereiches der Verordnung ihren Sitz habenden Notare wohl in ihrer Interessenlage den Rechtsanwälten gleichzuhalten sind, mag es nun die Erreichbarkeit von bzw. die Parkmöglichkeit bei Gerichten oder aber die Möglichkeit für Klienten, vor der Kanzlei des jeweiligen Notares zu parken, betreffen, sodaß die Interessen der Notare inhaltlich fraglos durch Anhörung der Rechtsanwaltskammer für Steiermark gewahrt worden sind. In der unterlassenen Anhörung der Notariatskammer kann daher ein Mangel der angefochtenen Verordnung nicht gelegen sein."
Hinsichtlich der von seiten des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark geltend gemachten unterbliebenen Anhörung der Bundespolizeibehörde verweist der Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz auf die einen Bestandteil des dem Verfassungsgerichtshof vorgelegten Verordnungsaktes bildende Stellungnahme eines Vertreters dieser Behörde, "wonach stets im Einvernehmen mit der Bundespolizeibehörde vorgegangen worden ist, mag dies auch nicht - einzelfallsbezogen - auf formellem Weg geschehen sein". §94 f Abs1 lita Z2 StVO 1960 normiere aber keine besonderen Formvorschriften bezüglich der Anhörung der Bundespolizeibehörde.
Der Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz beantragt daher, die angefochtene Verordnung nicht als gesetzwidrig aufzuheben und in eventu für den Fall der Aufhebung im Sinne des Art139 Abs5 letzter Satz B-VG eine Frist von drei Monaten zu gewähren, um ihm "Gelegenheit zu geben, im Interesse der Ordnung des ruhenden Verkehrs im Innenstadtbereich eine dementsprechende Ersatzverordnung zu erlassen".
4. In einem ergänzenden Schriftsatz weist der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark darauf hin, daß "eine weitere Überprüfung der angefochtenen Verordnung" ergeben habe, "daß mit der angefochtenen Verordnung unter litd eine weitere flächendeckende Kurzparkzone im Universitätsviertel geschaffen wurde". Die angefochtene Verordnung sei daher in ihrer räumlichen Ausdehnung nicht ident mit der vorangegangenen Verordnung vom 27. November 1991. Die unterbliebene Anhörung der gesetzlichen beruflichen Interessenvertretungen müsse daher "umso schwerer wiegen, da diesfalls das Argument, es habe sich niemand negativ betroffen fühlen können, wohl nicht gelten kann".
5. Der Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz teilt in einer "ergänzenden schriftlichen Äußerung" vom 18. Jänner 1995 schließlich mit, daß die durch den Unabhängigen Verwaltungssenat für die Steiermark angefochtene Kurzparkzonen-Verordnung "mittlerweile durch eine 'neue' flächendeckende Kurzparkzonen-Verordnung des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz abgelöst worden ist, nämlich durch die Verordnung vom 30.9.1994, GZ A10/1-358/40-1994". Ausdrücklich weist er auch darauf hin, daß durch die angefochtene Verordnung - entgegen der diesbezüglich unrichtigen eigenen Äußerung vom 7. Dezember 1994 - eine räumliche Ausdehnung der Kurzparkzone erfolgt ist. Unrichtig sei bloß das Vorbringen des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark, daß die Bundespolizeidirektion Graz "zu der Erweiterung im Universitätsbereich (nicht) ausdrücklich angehört" worden sei.
6. Die Steiermärkische Landesregierung teilte mit, daß sie auf die Abgabe einer Äußerung in diesen Verfahren verzichtet.
7. Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark erstattete eine Replik zur Äußerung des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom 18. Jänner 1995.
8. In weiteren, zu V299/94, V300/94, V302/94 - V307/94, V358/94 - V367/94 sowie V10/95 - V17/95 protokollierten Anträgen begehrt der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark aus den bereits dargestellten Gründen neuerlich die Aufhebung der eingangs genannten Kurzparkzonenverordnung. Auch in diesen Verfahren wurden Äußerungen erstattet.
9. Am 7. Februar 1995 ist beim Verfassungsgerichtshof ein zu V26/95 protokollierter - ebenfalls in die Verfahren miteinbezogener - Antrag des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark eingelangt, in dem die Feststellung begehrt wird, daß die Verordnung des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom 16. September 1992 gesetzwidrig war.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Der Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz hat mit der Verordnung vom 16. September 1992, Z A10/1-1781/19-1992, "gemäß §43 StVO 1960" für näher umschriebene, bereits von den Verordnungen vom 30. September 1991 und vom 27. November 1991 erfaßte Gebiete und zusätzlich für das unter litd der Verordnung vom 16. September 1992 näher umschriebene Gebiet des Universitätsviertels eine Kurzparkzone geschaffen. Gleichzeitig wurde "mit dieser Verordnung ... die Verordnung GZ. A10/1-2177/12-1991 vom 27. November 1991 aufgehoben".
2. Es ist offenkundig, daß der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark bei seiner Entscheidung über die bei ihm anhängigen Berufungen die Verordnung des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom 16. September 1992, Z A10/1-1781/19-1992, deren Übertretung Voraussetzung für die Bestrafung der Berufungswerber ist, anzuwenden hat. Die Verordnungsprüfungsverfahren sind sohin insoweit gemäß Art129 a Abs3 iVm. Art89 Abs2 und 3 sowie Art139 Abs1 B-VG zulässig.
3. Gemäß §94 f Abs1 lita Z3 StVO 1960 ist (außer bei Gefahr im Verzuge) vor Erlassung einer straßenpolizeilichen Verordnung die gesetzliche Interessenvertretung einer Berufsgruppe anzuhören, "wenn Interessen von Mitgliedern einer Berufsgruppe berührt werden". Bereits in VfSlg. 5784/1968 hat der Verfassungsgerichtshof angenommen, daß "das Interesse einer Berufsgruppe jedenfalls dann berührt wird, wenn durch eine Verkehrsbeschränkung die Ausübung des betreffenden Gewerbes ... erschwert oder gar unterbunden wird".
Es ist - auch in Anbetracht der Vorjudikatur (VfSlg. 5784/1968, 9818/1983, 11920/1988; VfGH 17.6.1994, V65/94) - davon auszugehen, daß die Festlegung einer flächendeckenden Kurzparkzone gemäß §25 StVO 1960 mindestens die Interessen der Mitglieder aller Berufsgruppen betrifft, die innerhalb der Kurzparkzone eine Arbeitsstätte oder ihren Berufssitz haben. Auch der Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz war offenbar dieser Rechtsauffassung, weil er vor Erlassung der - ursprünglichen, mittlerweile aber durch die Verordnung vom 27. November 1991 formell aufgehobenen, inhaltlich teilweise abgeänderten - Verordnung vom 30. September 1991 über die flächendeckende Kurzparkzone in Graz ein Anhörungsverfahren mit den in Betracht kommenden gesetzlichen beruflichen Interessenvertretungen - ausgenommen die Notariatskammer - durchführte.
Mit der nunmehr vom Unabhängigen Verwaltungssenat für die Steiermark angefochtenen Verordnung des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom 16. September 1992 wurde nicht nur die Parkdauer in einem Teilbereich der Kurzparkzone, sondern auch die Fläche der Kurzparkzone ausgeweitet und damit die frühere Verordnung inhaltlich verändert. Der Verfassungsgerichtshof vermag dem Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz nicht zu folgen, wenn dieser die Anhörung gesetzlicher Interessenvertretungen vor Erlassung der Verordnung vom 30. September 1991 bzw. vom 27. November 1991 als im Sinne des §94 f Abs1 StVO 1960 ausreichend zur Erlassung der Verordnung vom 16. September 1992 bezeichnet, sodaß sich vor Erlassung dieser Verordnung eine neuerliche Anhörung erübrige. Weder der Umstand, daß bei der ursprünglichen Anhörung einzelne Interessenvertretungen die zeitliche Ausweitung der seinerzeit geplanten Kurzparkzone vorschlugen, noch das vom Stadtsenat behauptete Fehlen einer aktuellen Interessenbeeinträchtigung im Zuge der Ausweitung der Kurzparkzone vermag von der gesetzlichen Anhörungspflicht zu entbinden. Kraft §94 f Abs1 lita Z3 StVO 1960 ist der gesetzlichen Interessenvertretung anheimgestellt, die Interessen der von ihr repräsentierten Mitglieder in jedes Verfahren zur Erlassung einer straßenpolizeilichen Verordnung einzubringen, wenn diese Interessen durch die geplante Verordnung berührt werden. Der für die Erlassung der straßenpolizeilichen Verordnung zuständigen Behörde ist es verwehrt, diese Interessenartikulation im Hinblick auf früher und in anderem (wenn auch ähnlichem) Zusammenhang abgegebene Äußerungen der zuständigen gesetzlichen Interessenvertretungen gleichsam zu antizipieren. Selbst bei Aufhebung einer straßenpolizeilichen Verordnung und ihrer darauffolgenden unveränderten Neuerlassung ist es nämlich möglich, daß auf Grund der Erfahrungen, welche die Mitglieder einer gesetzlichen Interessenvertretung mit einer derartigen Verordnung gemacht haben, von der gesetzlichen Interessenvertretung im Zuge der Neuerlassung ein von ihrer früheren Stellungnahme abweichender Standpunkt vertreten wird. Im übrigen ist es unbestritten, daß keine der in Betracht kommenden gesetzlichen Interessenvertretungen jemals zur flächenmäßigen Ausweitung der Kurzparkzone, welche durch die angefochtene Verordnung vom 16. September 1992 im Vergleich zur vordem verordneten Kurzparkzone bewirkt wurde, angehört wurde.
Die Verordnung des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom 16. September 1992, Z A10/1-1781/19-1992, wurde daher mangels Anhörung der gesetzlichen Interessenvertretungen der Berufsgruppen, deren Interessen durch die Einrichtung einer flächendeckenden Kurzparkzone berührt wurden, im Widerspruch zu §94 f StVO 1960 erlassen. Sie ist daher gesetzwidrig.
4. Da die Verordnung vom 16. September 1992 durch die Verordnung des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom 30. September 1994, Z A10/1-358/40-1994, ausdrücklich aufgehoben wurde, hatte sich der Verfassungsgerichtshof gemäß Art139 Abs4 B-VG auf den Ausspruch zu beschränken, daß jene Verordnung gesetzwidrig war. Zwar läßt Art139 Abs4 B-VG einen ausdrücklichen Hinweis darauf vermissen, daß die Gesetzwidrigkeit einer bereits außer Kraft getretenen Verordnung nicht nur auf Antrag eines Gerichts oder auf Grund eines Individualantrags, sondern auch auf Antrag eines unabhängigen Verwaltungssenates vom Verfassungsgerichtshof festzustellen ist. Gleichwohl geht der Verfassungsgerichtshof davon aus, daß die Antragsbefugnis des unabhängigen Verwaltungssenates gemäß Art139 Abs1 B-VG nicht auf im Zeitpunkt der Fällung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes noch geltende Verordnungen beschränkt ist, sondern ebenso wie die Antragsbefugnis der Gerichte oder der unmittelbar durch eine Verordnung betroffenen Personen auch für bereits außer Kraft getretene Verordnungen verfassungsgesetzlich eingeräumt wurde, sofern der unabhängige Verwaltungssenat die betreffende Verordnung nur in einer anhängigen Rechtssache anzuwenden hat. Der für den Umfang der Antragsbefugnis maßgebliche Sinn des konkreten (im Gegensatz zum abstrakten) Verordnungsprüfungsverfahrens gemäß Art139 Abs1, 4 und 6 B-VG ist es eben, die weitere Anwendung als gesetzwidrig erkannter Verordnungen in jenen Gerichts- oder Verwaltungsverfahren vor einem unabhängigen Verwaltungssenat auszuschließen, die Anlaß für die Einleitung des Verordnungsprüfungsverfahrens waren (ebenso Thienel, Das Verfahren der Verwaltungssenate, 2. Aufl., 1992, S. 123, unter Hinweis auf Art89 Abs3 iVm. Art129 a Abs3 B-VG).
5. Die Verpflichtung zur Kundmachung der Feststellung des Verfassungsgerichtshofes stützt sich auf Art139 Abs5 B-VG.
6. Dies konnte vom Verfassungsgerichtshof ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Beratung gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG beschlossen werden.
Schlagworte
Straßenpolizei, Kurzparkzone, Verordnungserlassung, VfGH / Legitimation, VfGH / Prüfungsgegenstand, Unabhängiger Verwaltungssenat, Anhörungsrecht (bei Verordnungserlassung)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1995:V150.1994Dokumentnummer
JFT_10049697_94V00150_00