TE Vwgh Beschluss 2021/9/15 Ra 2020/17/0100

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.09.2021
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §37
AVG §39 Abs2
AVG §58 Abs2
AVG §60
B-VG Art133 Abs4
VStG §24
VStG §25 Abs1
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §38

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer und die Hofrätin Mag. Dr. Zehetner sowie den Hofrat Dr. Terlitza als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des M H, vertreten durch Mag. Rainer Hochstöger, MBA, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Breitwiesergutstraße 10, gegen das am 9. September 2019 mündlich verkündete und am 15. Oktober 2019 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien, VGW-002/094/6503/2019-28, betreffend Übertretungen des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 2. April 2019 wurde der Revisionswerber als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung nach außen Berufener der M GmbH der Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 vierter Fall Glücksspielgesetz - GSpG iVm § 9 Abs. 1 VStG mit vier Glücksspielgeräten schuldig erkannt. Es wurden über ihn vier Geldstrafen in der Höhe von jeweils EUR 5.000,-- (sowie Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.

2        Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht Wien (Verwaltungsgericht) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung der Beschwerde des Revisionswerbers insoweit Folge, als es die verhängten Geldstrafen auf je EUR 3.000,-- herabsetzte. Im Übrigen wies es die Beschwerde als unbegründet ab und setzte den Beitrag zu den Kosten des Verfahrens bei der belangten Behörde neu fest (Spruchpunkt I.). Das Verwaltungsgericht erlegte dem Revisionswerber keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens auf (Spruchpunkt II.). Außerdem sprach es aus, dass eine ordentliche Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei (Spruchpunkt III.).

3        Mit Beschluss vom 25. Februar 2020, E 4201/2019-5, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der vom Revisionswerber dagegen erhobenen Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG ab und trat die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

4        Gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

5        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

7        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision - gesondert - vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8        Zur Zulässigkeit der Revision bringt der Revisionswerber zunächst vor, es liege ein Verstoß gegen die ständige Judikatur des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) zur dynamischen Kohärenzprüfung vor. Das Verwaltungsgericht habe im Hinblick auf die amtswegige Beurteilung der Unionsrechtskonformität des GSpG lediglich Unterlagen aus dem Zeitraum 2010 bis 2016 zu Grunde gelegt, die vom Revisionswerber vorgelegten Unterlagen seien unberücksichtigt geblieben.

9        Dazu ist auszuführen, dass die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt sind (vgl. EuGH 15.9.2011, Dickinger und Ömer, C-347/09, Rn. 83 f; 30.4.2014, Pfleger, C-390/12, Rn. 47 ff; 30.6.2016, Admiral Casinos & Entertainment AG, C-464/15, Rn. 31, 35 ff; 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C-3/17, Rn. 28, 62 ff; sowie 6.9.2018, Gmalieva s.r.o. u.a., C-79/17, Rn. 22 ff). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, durch die Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Gesamtwürdigung nachgekommen. Der Verwaltungsgerichtshof hat an dieser Gesamtwürdigung mit Erkenntnis vom 11. Juli 2018, Ra 2018/17/0048, 0049, mit näherer Begründung festgehalten. Von dieser Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht im Revisionsfall nicht abgewichen. Entgegen dem weiteren Vorbringen steht die angefochtene Entscheidung daher nicht im Widerspruch zum Urteil des EuGH vom 30. April 2014, Pfleger, C-390/12. Darüber hinaus wird die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht näher dargelegt (vgl. VwGH 20.7.2020, Ra 2020/17/0050).

10       Weiters bringt die Revision zu ihrer Zulässigkeit vor, das Verwaltungsgericht habe nicht festgestellt, dass im Kontrollzeitpunkt in dem von der M GmbH untervermieteten Lokal Glücksspiele veranstaltet worden seien.

11       Damit übersieht die Revision aber, dass das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang umfangreiche Feststellungen getroffen und eingehend begründet hat, warum es vom Vorliegen verbotener Ausspielungen ausgegangen ist, obwohl die Geräte bei Beginn der Kontrolle bereits heruntergefahren waren. Dagegen enthält die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung kein Vorbringen.

12       Der Revisionswerber rügt überdies, das Verwaltungsgericht sei von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 52 Abs. 1 Z 1 viertes Tatbild GSpG abgewichen, weil das Verwaltungsgericht zwar davon ausgegangen sei, „dass der Revisionswerber um die glücksspielrechtliche Relevanz dessen, was im gegenständlichen (untervermieteten) Lokal vor sich geht, wusste“, aber keine Feststellungen dahingehend getroffen habe, dass der Revisionswerber das Lokal jemals betreten habe, an den Umsätzen der Geräte beteiligt gewesen sei bzw. er gewusst habe, dass in dem Lokal vier „Geräte“ aufgestellt gewesen seien.

13       Ob das Verwaltungsgericht in jeder Hinsicht seiner Begründungs- und Ermittlungspflicht gerecht wurde, insbesondere ob es seiner Begründungspflicht in Ansehung der Tatfrage genügt hat, stellt eine einzelfallbezogene Frage des Verfahrensrechtes dar, welcher nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn tragende Grundsätze des Verfahrensrechts verletzt wurden bzw. wenn die in der angefochtenen Entscheidung getroffene Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (vgl. etwa VwGH 23.11.2018, Ra 2017/17/0715, mwN).

14       Das Verwaltungsgericht hat im Revisionsfall unter Bezugnahme auf eine den Revisionswerber betreffende Festnahmeanordnung der Staatsanwaltschaft Leoben, einschlägige Vorstrafen des Revisionswerbers, die Ergebnisse früherer Kontrollen im gegenständlichen Lokal (samt Beschlagnahmen und Einziehungen nach dem GSpG) und die Aussagen des Revisionswerbers bei der mündlichen Verhandlung über seine Tätigkeit in einer näher genannten Steuerberatungskanzlei geschlossen, dass der Revisionswerber Kenntnis davon gehabt habe, was in dem untervermieteten Lokal „vor sich geht“.

15       Die Revision bestreitet in ihrer Zulässigkeitsbegründung weder die Richtigkeit dieser Feststellungen noch tritt sie dem daraus gezogenen beweiswürdigenden Schluss auf die Kenntnis des Revisionswerbers von den verbotenen Ausspielungen in dem genannten Lokal entgegen. Dass im Revisionsfall die Beurteilung des Verwaltungsgerichtes grob fehlerhaft erfolgt wäre oder zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Ergebnis geführt hätte, ist nicht ersichtlich und wird von der Revision auch nicht aufgezeigt. Auf die von der Revision vermissten Feststellungen kommt es hingegen bei Zugrundelegung der vom Verwaltungsgericht festgestellten Umstände nicht an.

16       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 15. September 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020170100.L00

Im RIS seit

11.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

18.10.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten