TE OGH 2021/9/2 9Ob19/21s

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Veröffentlicht am 02.09.2021
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau, Hon.-Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner und Mag. Korn in der Rechtssache der klagenden Partei ***** H*****, vertreten durch Gibel Zirm Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. ***** C*****, vertreten durch Dr. Margit Kaufmann, Rechtsanwältin in Wien, 2. ***** U*****, wegen Aufkündigung, infolge der außerordentlichen Revision der erstbeklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 20. Jänner 2021, GZ 38 R 210/20v-30, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision der erstbeklagten Partei wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1]            1. Die vom Erstbeklagten geltend gemachte Nichtigkeit (§ 477 Abs 1 Z 4 ZPO) wurde geprüft, liegt aber nicht vor. Es trifft zwar zu, dass sich der Zweitbeklagte am vorliegenden Verfahren (Aufkündigung und Räumung eines gemieteten Gastronomielokals) nicht beteiligt hat. Die Zustellungen an ihn einschließlich der (nachgeholten) Zustellung des Berufungsurteils erfolgten jedoch durch Hinterlegung und sind durch die aktenkundigen Rückscheine dokumentiert. Bei einem Rückschein handelt es sich um eine öffentliche Urkunde, die gemäß § 292 Abs 1 ZPO vollen Beweis darüber macht, dass die darin beurkundeten Zustellvorgänge eingehalten wurden (2 Ob 96/07t). Liegt ein solcher Rückschein vor, ist es die Sache dessen, dem gegenüber die Zustellung nicht wirksam sein soll, den iSd § 292 Abs 2 ZPO zulässigen Gegenbeweis der Vorschriftswidrigkeit der Zustellung zu führen (2 Ob 96/07t; RS0040471, RS0036420 [T1]). Dies setzt – in Form zulässiger Neuerungen (3 Ob 202/03g) – konkrete Tatsachenbehauptungen über die beim Zustellvorgang unterlaufenen Fehler voraus, die nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen sind (zB 2 Ob 96/07t; RS0040507 [insb T4]). Der erstmals in der Revision des Erstbeklagten erstattete Hinweis darauf, dass der Zweitbeklagte die für ihn hinterlegten Sendungen nicht behoben hat, reicht hier nicht aus, eine Vorschriftswidrigkeit des Zustellvorgangs bezüglich des Zweitbeklagten anzunehmen.

[2]            2. Ob ein erheblich nachteiliger Gebrauch anzunehmen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (RS0021018, RS0068103 ua), womit – von einer auffallenden und im Interesse der Rechtssicherheit zu korrigierenden Fehlbeurteilung abgesehen – keine erhebliche Rechtsfrage vorliegt (s RS0068103 [T3]). Das Gleiche gilt für die Frage, ob es sich bei einem konkreten Verhalten um ein unleidliches Verhalten nach § 30 Abs 2 Z 3 MRG handelt (s RS0042984), weil regelmäßig eine Abwägung im Einzelfall vorzunehmen ist (RS0042984 [T3, T11, T13]).

[3]            Eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung liegt hier nicht vor. Der Oberste Gerichtshof hat das Vorliegen des Kündigungsgrundes des erheblich nachteiligen Gebrauchs im Hinblick auf festgestellte monatelange Verschmutzungen durch eine ungewöhnlich große Anhäufung von Unrat und Abfällen unter Hinweis auf die damit verbundene Gefahr von Ungezieferbildung bereits gebilligt (10 Ob 272/99v). Ebenso wurde mehrfach ein unleidliches Verhalten in massiven Geruchsbelästigungen erblickt, wenn sie das bei Unternehmen dieser Art übliche und unvermeidbare Ausmaß übersteigen (zB 6 Ob 616/89; 10 Ob 521/94; s auch 7 Ob 111/19b).

[4]            Der Erstbeklagte bringt auch keine Argumente gegen die Verwirklichung dieser Kündigungsgründe vor. Soweit er in der Zulassungsbeschwerde erstgerichtliche Ausführungen dazu vermisst, welche Kündigungsgründe zum Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung erfüllt gewesen sein sollten, ist auf die umfangreichen Feststellungen des Erstgerichts zum Verhalten der den Beklagten zuzurechenden Mitarbeiter, zur ordnungswidrigen Müllentsorgung, der anhaltend massiven Geruchsbelästigung und zu den Zuständen im Haus, in dem das Bestandobjekt liegt, zu verweisen, die den Zeitraum sowohl vor als auch nach der Einbringung der Aufkündigung betreffen. Soweit sich der Erstbeklagte gegen die Verwertung von Urkunden richtet, weil sie erst nach dem Zeitpunkt der Aufkündigung erstellt worden seien, wurde mit ihnen das Fortdauern des Zustandes belegt (vgl RS0070340, RS0067534).

[5]             3. Die außerordentliche Revision des Erstbeklagten ist daher mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Textnummer

E132730

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0090OB00019.21S.0902.000

Im RIS seit

10.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

10.10.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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