TE Bvwg Beschluss 2021/4/13 G313 2223436-1

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Veröffentlicht am 13.04.2021
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Entscheidungsdatum

13.04.2021

Norm

BFA-VG §18 Abs2 Z1
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs5
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs4
VwGVG §28 Abs3

Spruch


G313 2223436-1/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Birgit WALDNER-BEDITS als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Nordmazedonien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.08.2019, Zl. XXXX , beschlossen:

A)             In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)             Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA oder belangte Behörde) vom 06.08.2019 wurde gemäß § 52 Abs. 5 FPG gegen den Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Nordmazedonien zulässig ist (Spruchpunkt III.), gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z. 1 FPG gegen den BF ein auf die Dauer von zehn Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.), gemäß § 55 Abs. 4 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt IV.) und einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z. 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.).

2. Gegen diesen Bescheid wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.

3. Am 16.09.2019 langte beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt ein. Mit Beschwerdevorlage wurde seitens des BFA beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF ist Staatsangehöriger von Nordmazedonien.

1.2. Mit Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 5 FPG iVm § 9 BFA-VG erlassen.

Die belangte Behörde führte die belangte Behörde in der Rechtlichen Beurteilung zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides nach Wiedergabe von § 52 Abs. 5 FPG und § 53 Abs. 3 FPG Folgendes an:

„Ihnen wurde in Österreich ein Daueraufenthalt-EU zugesprochen. Dies wurde Ihnen bescheidmäßig seitens des MA 35 Wien mitgeteilt. Sie wurden jedoch nach der Ihrer Verlängerung des Daueraufenthaltes-EU (06.08.2018) straffällig und Sie wurden wiederholt aufgrund eines Verstoßes gegen das Suchtmittelgesetz verurteilt. Sie wurden bis dato 8-mal rechtskräftig verurteilt. (…).“ (AS 394)

Dann wurden insgesamt acht rechtskräftige strafrechtliche Verurteilungen des BF angeführt, wobei der BF die ersten vier Mal zu einer bedingten, das fünfte und sechste Mal zu einer unbedingten, das siebte Mal zu einer bedingten und das achte Mal wieder zu einer unbedingten Freiheitsstrafe verurteilt wurde.

Daraufhin folgte folgende Ausführung der belangten Behörde:

„Somit ist seitens der Behörde der Tatbestand gem. § 53 Abs. 3 Z. 1 erfüllt. Sie wurden seit Ihrer Verlängerung Ihres Daueraufenthaltes-EU zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von einem Jahr (6 Monateunbedingt plus Widerruf der bedingten Freiheitsstrafe von 6 Monaten) verurteilt. Seitens der Behörde wird angemerkt, dass Sie aufgrund der rechtskräftigen Verurteilung wegen den Verbrechens nac § 27 2a (Verkauf von illegalen Substanzen auf öffentlichen Plätzen) und § 27 3 SMG (gewerbsmäßiger Verkauf von illegalen Substanzen) als Gefahr für die öffentliche Sicherheit, Ordnung und die Gesundheit Dritter einzustufen sind. Es wird seitens der Behörde angemerkt, dass Sie am 01.02.2019 zu einer bedingten Haftstrafe von 6 Monaten und diese bedingte Verurteilung durch eine neuerliche Verurteilung am 05.04.2019 in eine unbedingte Freiheitsstrafe umgewandelt wurden. Dies zeigt seitens der Behörde Ihre kriminelle Natur, dass Sie trotz Verhängung einer bedingten Strafe nicht gewillt sind sich an die in Österreich geltenden Gesetze zu halten. Somit versuchen Sie sich durch den Verkauf von illegalen Substanzen im öffentlichen Raum zu bereichern und schreckten bis dato trotz rechtskräftiger Verurteilung (Suchtmitteldelikte) nicht zurück diese illegale Tätigkeit wiederaufzunehmen. Sie werden diese strafbare Handlung, wie bereits mehrfach gewürdigt, aufgrund Ihrer persönlichen Situation wieder an den Tag legen. Sie sind dadurch eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung und die Gesundheit Dritter.

Somit war seitens der Behörde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 5 FPG zu erlassen.“

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang und die unter Punkt II. getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem Akteninhalt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, und § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA.

Da sich die gegenständliche – zulässige und rechtzeitige – Beschwerde gegen einen Bescheid des BFA richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA-VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG (Anmerkung: sog. Bescheidbeschwerden) dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2).

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 leg cit. nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1
B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Das Modell der Aufhebung des Bescheids und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) § 28 VwGVG Anm11). Gemäß dieser Bestimmung kann die Berufungsbehörde, sofern der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen. Wie oben ausgeführt, ist aufgrund von § 17 VwGVG die subsidiäre Anwendung von § 66 Abs. 2 AVG durch die Verwaltungsgerichte ausgeschlossen.

Im Gegensatz zu § 66 Abs. 2 AVG setzt § 28 Abs. 3 VwGVG die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung nicht mehr voraus.

Der VwGH hat mit Erkenntnis vom 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063 (Waffenverbot), in Bezug auf die grundsätzliche Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte nach § 28 VwGVG und die Möglichkeit der Zurückverweisung ausgesprochen, dass angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte darstellt. So kommt eine Aufhebung des Bescheides nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden. Das Verwaltungsgericht hat nachvollziehbar zu begründen, wenn es eine meritorische Entscheidungszuständigkeit nicht als gegeben annimmt, etwa weil es das Vorliegen der Voraussetzungen der Z 1 und Z 2 des § 28 Abs. 2 VwGVG verneint bzw. wenn es von der Möglichkeit des § 28 Abs. 3 erster Satz VwGVG nicht Gebraucht macht.

3.2. Mit Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 5 FPG iVm § 9 BFA-VG erlassen.

Gemäß § 52 Abs. 5 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt-EU“ verfügt, eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

Der mit „Schutz des Privat- und Familienlebens“ betitelte § 9 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012, idF BGBl. I Nr. 56/2018, lautet wie folgt:

„§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2.

das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3.

die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4.

der Grad der Integration,

5.

die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6.

die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7.

Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.

die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9.

die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(…).“

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts auf das Privat- und Familienleben nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, welche in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, der Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Gefährdungsprognose jedenfalls das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache einer Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen (vgl. etwa VwGH 22.8.2019, Ra 2019/21/0062, Rn. 9, mwN).

Für eine nachvollziehbare Gefährdungsprognose ist es nicht ausreichend, wenn lediglich das Gericht, die Urteilsdaten, die maßgeblichen Strafbestimmungen und die verhängte Strafe angeführt werden, (vgl. VwGH 19.5.2015, Ra 2015/21/0001; 19.5.2015, Ra 2014/21/0057, mwN). Im Rahmen der zu treffenden Feststellungen kann es fallbezogen mitunter aber auch nicht ausreichend sein, die im Urteilstenor des Strafgerichts zum Ausdruck kommenden Tathandlungen wiederzugeben, sondern es sich als notwendig darstellen, darüberhinausgehende Feststellungen zu treffen, um die Gefährdungsprognose in einer dem Gesetz entsprechenden Weise vornehmen zu können (vgl. VwGH 01.03.2018, Ra 2018/19/0014).

Wenn auch laut VwGH Suchtgiftdelinquenz ein besonders verpöntes Fehlverhalten darstellt, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist und an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse besteht (vgl. etwa VwGH 29.3.2012, 2011/23/0662; 20.8.2013, 2013/22/0082), sowie es grundsätzlich im Fall von strafbaren Handlungen infolge Gewöhnung an Suchtmittel neben dem Abschluss einer Therapie noch eines maßgeblichen Zeitraums des Wohlverhaltens bedarf, um einen Wegfall der Gefährdung annehmen zu können (vgl. etwa 22.5.2014, Ro 2014/21/0007, mwN), bedeutet dies nicht, dass in jeglichen Fällen einer Suchtmitteldelinquenz und einer zur Überwindung derselben vorgenommenen Therapie eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gerechtfertigt wäre (vgl. etwa zu einem Fall, in dem das Strafgericht nach § 39 Abs. 1 SMG vorgegangen ist, VwGH 19.5.2015, Ra 2015/21/0001). Vielmehr ist auch diesfalls die Beurteilung anhand der Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. (vgl. VwGH 01.03.2018, Ra 2018/19/0014)

Im gegenständlichen Fall wurde im Zuge der Begründung der Rückkehrentscheidung auf insgesamt acht rechtskräftige strafrechtliche Verurteilungen des BF Bezug genommen und bei der Vornahme der Beurteilung der Gefährdungsprognose nur auf die Straffälligkeit des BF und die vom BF verübten Delikte Bezug genommen, die den strafrechtlichen Verurteilungen konkret zugrunde gelegenen strafbaren Handlungen jedoch unberücksichtigt gelassen.

Wie aus dem Strafrechtsurteil wegen unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften von April 2019 im Verwaltungsakt hervorgehend, hat der BF einen Antrag auf Aufschub des Strafvollzugs zur Wahrnehmung von therapeutischen Maßnahmen gemäß § 39 SMG gestellt (AS 287).

Es fehlen im gegenständlichen Fall Ermittlungen und Feststellungen zu einer vom BF in Zusammenhang mit seinen Suchtmitteldelikten tatsächlich besuchten Suchtmitteltherapie und gegebenenfalls dazu, wie diese Therapie (bislang) verlaufen ist.

Die Berücksichtigung des Gesamtverhaltens des BF und aller individuellen Umstände wäre jedoch notwendig gewesen, um eine hinreichend begründete Beurteilung der Gefährdungsprognose vornehmen und nach Durchführung einer umfassenden Interessensabwägung unter Berücksichtigung der Aufenthaltsdauer und all der familiären bzw. privaten Bindungen des BF im österreichischen Bundesgebiet auf die Zu- bzw. Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung schließen zu können.

Eine hinreichend begründete Beurteilung der Gefährdungsprognose hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides liegt somit nicht vor.

Hingewiesen wird zudem darauf, dass die belangte Behörde nach Schlussfolgerung unter dem Punkt „Zu Spruchpunkt I.:“, dass „somit seitens der Behörde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 5 FPG zu erlassen war“ (AS 396), in der Rechtlichen Beurteilung unter dem Unterpunkt „Zu Spruchpunkt II.:“ eine Interessensabwägung bzw. Verhältnismäßigkeitsprüfung durchgeführt hat (AS 396ff), die sie offenbar „Zu Spruchpunkt I.:“ durchführen wollte.

Nachdem die belangte Behörde auf die Familienangehörigen des BF im Bundesgebiet und sein zu ihnen bestehendes Verhältnis eingegangen war und folglich kein schützenswertes Familienleben und mangels festgestellter sozialer oder beruflicher Bindungen in Österreich auch kein schützenswertes Privatleben des BF festgestellt hatte (AS 397f), führte sie eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durch, berücksichtigte dabei jedoch wie bereits vormals bei der Prüfung unter dem Punkt „Zu Spruchpunkt I.:“ nur die strafrechtlichen Verurteilungen und die vom BF verübten Delikte und nicht die von ihm begangenen konkreten strafbaren Handlungen. Die belangte Behörde führte aus:

„(…) Sie wurden in Österreich 8-mal rechtskräftig verurteilt und versuchen sich durch den gewerbsmäßigen Verkauf von illegalen Substanzen zu bereichern. Sie wurden zuletzt aufgrund Ihrer Tatwiederholung zu einer Haftstrafe von einem Jahr (6 Monate und des Widerrufes der bedingten Freiheitsstrafe von 6 Monaten) verurteilt. In Anbetracht des derart hohen Schuld- und Unrechtsgehaltes der von Ihnen begangenen Verbrechen und Vergehen und dass Sie vielmehr, trotz des bereits einmal verspürten Haftübels in Ihrer Vergangenheit, offenbar gänzlich davon unbeeindruckt, neuerlich straffällig wurden, Ihre Gleichgültigkeit (sowie Ihr gänzlich fehlender Respekt) der körperlichen Unversehrtheit Anderer betreffend, ist eine positive Prognose für ein künftig deliktsfreies Leben nicht möglich und es muss daher von einer aktuell gegenwärtigen Gefahr gesprochen werden. Sie sind somit eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, Sowie eine Gefahr für die Gesundheit Dritter. Sie konnten kein relevant schützenswertes Privat- und Familienleben in Kontext zu einer geregelten Fremdenpolitik in Österreich nachweisen und dies konnte auch seitens der Behörde nicht ermittelt werden.

Ihnen war bewusst, dass die Begehung von derartigen Straftaten zu aufenthaltsbeendenden Maßnahmen führen wird. Sie nahmen diese Trennung, von Ihren sozialen und privaten Kontakten, in Kauf oder fanden sich zumindest damit ab. Die Behörde sollte davon ausgehen, dass Sie durch den mittlerweile fast 45-jährigen Aufenthalt im Bundesgebiet durchaus einen bestimmten Grad der Integration erreicht haben. Dies konnte jedoch nicht festgestellt werden. Sie haben seit Ihrer Geburt 4 Monate gearbeitet, haben keinerlei Maßnahmen zur Integration in den Arbeitsmarkt gesetzt und leben von der Hilfestellung Österreichs. Sie sind nicht willig sich in die österreichische Gesellschaft zu integrieren. Sie nutzen die in Österreich vorhandenen Unterstützungen um sich ein angenehmes Leben zu verschaffen. Dies stellt seitens der Behörde keine Integration dar. Sie wurden bereits zum achten Mal rechtskräftig verurteilt und befinden sich derzeit in Strafhaft. Ihnen war bewusst, dass die Begehung von Straftaten zu aufenthaltsbeendenden Maßnahmen führen wird, und nahmen Sie durch die Begehung von neuerlichen Straftaten die Trennung von Ihren sozialen Kontakten bewusst in Kauf oder fanden sich zumindest damit ab.

Sie halten sich seit Ihrer Geburt im Bundesgebiet auf. Sie haben in Österreich keine Ausbildung abgeschlossen und weisen während Ihres gesamten Aufenthaltes im Bundesgebiet kein längeres ordentliches Beschäftigungsverhältnis auf.

Derzeit befinden Sie sich aufgrund der rechtskräftigen Verurteilung in der Dauer von 12 Monaten in der Justizanstalt (…).

Bemerkenswert ist auch die deutlich erkennbare Wiederholung in Ihrer Deliktshistorie. Dies deutet auf Ihre fehlende Einsicht hin sich durch bereits gesetzte strafbare Handlungen von der Begehung weiterer Delikte abhalten zu lassen. Sie lassen sich auch nicht durch Verurteilungen sowie Verbüßung einer Haftstrafe von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abhalten. Somit haben Sie Ihren Unwillen zur Beachtung der österreichischen Gesetze mehrmals eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Ihre Tathandlungen und die Art der Ausführung belegen die Tatsache, dass Sie keinerlei Respekt vor dem Vermögen und dem Eigentum sowie der Gesundheit anderer Menschen und deren körperlichen Integrität haben.

Sie zeigten sich auch nicht willig, seit der Verübung Ihrer ersten Straftaten und den daraus folgenden Verurteilungen und der Haftstrafe, aus dem Geschehenen zu lernen und setzten Sie erneut strafbare Handlungen. Sie zeigten in Ihrem bisherigen Verhalten in keinster Weise gewillt zu sein, Ihren Lebensweg zu ändern, sondern ist es vielmehr davon auszugehen, dass Sie nach Ihrer Entlassung wiederum in Ihren alten modus operandi zurückfallen.

Sie können auch in Nordmazedonien eine Beschäftigung finden. Sie sind arbeitsfähig und können somit auch in Nordmazedonien am Arbeitsleben aktiv teilnehmen.

Sie hätten sich bereits vor Begehung Ihrer ersten Straftat in Österreich bewusst sein müssen, dass Sie im Falle einer rechtskräftigen Verurteilung Gefahr liefen, mit einer Rückkehrentscheidung und einem Einreiseverbot belegt zu werden. Sie wussten um die Möglichkeit der Verhängung aufenthaltsbeendender Maßnahmen und haben diese und die damit verbundene Trennung von Ihrem sozialen Umfeld bewusst in Kauf genommen. In einer Gesamtwürdigung wiegen daher die Gründe für das Verlassen des Bundesgebietes weit mehr, als jene, die für einen Verbleib in Österreich sprechen. Für Ihren Verbleib in Österreich spricht Ihr inzwischen doch langjähriger Aufenthalt. Sie werden jedoch seit Februar 2019 in der Justizanstalt (…) angehalten, nachdem Sie wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels und des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften zu einer unbedingten Strafhaft in der Dauer von 6 Monaten, plus des Widerrufes der bedingten Strafe von 6 Monaten, rechtskräftig verurteilt wurden. Insofern besteht bereits eine Trennung von Ihrem privaten und sozialen Umfeld. Die Behörde verkennt nicht, dass Sie langjährige Kontakte zu Österreich aufweisen, doch ist die von Ihnen ausgehende Gefährdung, so massiv, dass ein Verbleib Ihrer Person in Österreich unmöglich erscheint. Es musste Ihnen klar sein, dass mit neuen Straftaten eine Außerlandesbringung einhergehen wird. Eine Rückführung nach Nordmazedonien wurde von Ihnen offensichtlich bewusst in Kauf genommen und somit auch die damit verbundene Trennung von Ihrem privaten und sozialen Umfeld.

Sie sind eigenständig und auch bei einem Aufenthalt in Nordmazedonien hätten Sie die Möglichkeit mit dem von Ihnen angeführten familiären und privaten Umfeld den persönlichen Kontakt zu wahren. Die heutigen Kommunikationsmittel ermöglichen einen kostengünstigen und grenzüberschreitenden Kontakt und Kommunikation, dies völlig ortsungebunden, wodurch Sie auch weiterhin den Kontakt zu Ihren Bekannten aufrechterhalten können.

Daher ist die Rückkehrentscheidung nach § 9 Abs. 1-3 BFA-VG zulässig. (…)“ (AS 398ff)

Die belangte Behörde hat im Zuge dieser Interessensabwägung hinsichtlich der Straffälligkeit des BF in Österreich wie unter dem Punkt „Zu Spruchpunkt I.:“ nur auf die strafrechtlichen Verurteilungen des BF und die von ihm verübten Delikte Bezug genommen, die konkreten strafbaren Handlungen des BF jedoch außer Acht gelassen.

Es wurde zwar zunächst darauf hingewiesen, dass die Tathandlungen und die Art der Ausführung die Tatsache belegen, dass der BF keinen Respekt vor dem Vermögen, dem Eigentum und der Gesundheit und der körperlichen Integrität anderer Menschen hat (AS 399), dann jedoch nichts Konkretes zu den vom BF begangenen strafbaren Handlungen und der „Art der Ausführung“ angeführt.

Die belangte Behörde führte an, „die Behörde verkennt nicht, dass Sie langjährige Kontakte zu Österreich aufweisen, doch ist die von Ihnen ausgehende Gefährdung, so massiv, dass ein Verbleib ihrer Person in Österreich unmöglich erscheint“ (AS 400), ohne angeführt zu haben, aufgrund welchen konkreten Verhaltens des BF und welcher Umstände von einer solchen massiven Gefährdung ausgegangen wird.

Hinzuweisen ist zudem darauf, dass die belangte Behörde unter dem Unterpunkt „Zu Spruchpunkt II.:“ eine Interessensabwägung nach § 9 Abs. 1-3 BFA-VG iVm Art. 8 Abs. 2 EMRK durchgeführt hat und währenddessen auch ansatzweise die Zulässigkeit der Abschiebung des BF nach Nordmazedonien geprüft hat.

Diesbezüglich hat die belangte Behörde inmitten ihrer durchgeführten Interessensabwägung Folgendes festgehalten:

„(…) Sie können auch in Nordmazedonien eine Beschäftigung finden. Sie sind arbeitsfähig und können somit auch in Nordmazedonien am Arbeitsleben aktiv teilnehmen. (…)“ (AS 400)

Es wäre jedenfalls unter einem eigenen Punkt zu prüfen gewesen, ob die Abschiebung des BF nach Nordmazedonien angesichts seiner individuellen Verhältnisse in seinem Herkunftsstaat bzw. seiner individuellen Rückkehrsituation vor dem Hintergrund aktueller Länderberichte zulässig ist oder nicht.

Bei dieser Prüfung wären dann auch seine in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 16.07.2019 in Bezug auf seinen Herkunftsstaat getätigten Aussagen zu berücksichtigen gewesen, darunter die Verneinung eines aufrechten Kontaktes zu Personen in seinem Heimatstaat (AS 311), seine Angabe befragt danach, ob es ihm möglich wäre in seinem Heimatstaat wieder Fuß zu fassen, „wenn ich meine Pension bekomme sicher; ich spreche die Sprache, ungebrochen“ (AS 311), und die Antwort des BF auf die Frage, ob es in Mazedonien (nunmehr: Nordmazedonien) noch Verwandte gebe, „ich weiß es nicht, ich habe keine Ahnung; meine Familie hat ein Haus in Mazedonien; ich war einmal dort; ich weiß nicht wer das Haus jetzt hat; ich muss zuerst mit meinem Leben klarkommen“. (AS 314f)

Eine (hinreichende) Begründung der Zulässigkeit der Abschiebung des BF nach Nordmazedonien ist unterblieben.

Auch zu Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides wurde keine hinreichend begründete Beurteilung der Gefährdungsprognose vorgenommen, sondern wie bereits unter den Punkten „Zu Spruchpunkt I.:“ und „Zu Spruchpunkt II.:“ vorwiegend auf die strafrechtlichen Verurteilungen des BF und die von ihm verübten Delikte Bezug genommen.

Die belangte Behörde führte an:

„(…) Die von Ihnen begangenen Taten, Ihre Ausführung und der erkennbare Wiederholungswille Ihrerseits ergeben ein eindeutiges Persönlichkeitsbild von Ihnen und lässt die Behörde zu der Prognoseentscheidung kommen, dass Sie aus Ihren strafrechtlichen Verurteilungen und der Haftstrafe nichts gelernt haben und Ihre Einstellung nicht ändern, sondern wiederum Straftaten begehen werden und weiterhin die Gesundheit sowie die Rechte von Dritten absichtlich und in Bereicherungsabsicht beeinträchtigen werden. Dies ergibt sich unter anderem aus Ihrer Kriminalhistorie und auch aus Ihrer Arbeitssituation.“ (AS 404)

Die belangte Behörde führte dann bloß verweisartig an:

„Bei der Bemessung des Einreiseverbotes, kann sich die Behörde nicht auf die bloße Beurteilung von Rechtsfragen zurückziehen, sondern ist insbesondere auch die Intensität der privaten und familiären Bindungen zu Österreich einzubeziehen (VwGH 7.11.2012, 2012/18/0057).

Wie bereits zur Frage der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung ausführlich geprüft und festgestellt, sind Ihre familiären und privaten Anknüpfungspunkte in Österreich nicht dergestalt, dass sie einen Verbleib in Österreich rechtfertigen würden. Die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verletzt in Ihrem Fall Art. 8 EMRK nicht. Es muss daher davon ausgegangen werden, dass das öffentliche Interesse an Ordnung und Sicherheit Ihrem persönlichen Interesse an einem Verbleib in Österreich überwiegt.“ (AS 405)

Die belangte Behörde nahm daraufhin allgemein auf die Gefährlichkeit von Suchtgiftdelikten Bezug und führte dann an:

„(…) Es ist Ihnen ein absolut planvolles, zielorientiertes kriminelles Handeln vorzuwerfen, das außerdem absolut gewinnorientiert ausgerichtet war und offensichtlich dazu diente, ihnen das wirtschaftliche Fortkommen zu sichern. Angesichts Ihres gezielten, Vorgehens ist Ihnen auch eine besondere kriminelle Energie zu unterstellen. Insofern besteht bei der Behörde kein Zweifel darüber, dass Sie auf Grund dieses persönlichen Verhaltens eine massive Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit darstellen und eine Weiterbelassung Ihrer Person im Bundesgebiet unter keinen Umständen zu tolerieren ist.

Die belangte Behörde gelangte in diesem Zusammenhang zur Ansicht, dass das befristete Einreiseverbot für die Dauere von zehn Jahren dringende geboten ist bzw. das öffentliche Interesse der Erlassung einer Rückkehrentscheidung iVm einem für die angeführte Dauer befristeten Einreiseverbot weitaus höher wiegt– zur Verhinderung weiterer Straftaten insbesondere auf dem Suchtgiftsektor – als das private Interesse Ihrer Person an einem Verbleib in Österreich.

Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens und bei Berücksichtigung der Ergebnisse dieses Verfahrens kann die Behörde keinesfalls eine günstige Zukunftsprognose stellen, weshalb die Verfügung eines befristeten Einreiseverbotes für den angegebenen Zeitraum die einzig adäquate Maßnahme darstellt, um auf die von Ihnen ausgehende Gefährdung der öffentlichen Sicherheit zu reagieren.

Die Gesamtbeurteilung Ihres Verhaltens, Ihrer Lebensumstände sowie Ihrer familiären und privaten Anknüpfungspunkte hat daher im Zuge der von der Behörde vorgenommenen Abwägungsentscheidung ergeben, dass die Erlassung des Einreiseverbotes in der angegebenen Dauer gerechtfertigt und notwendig gewesen ist, die von Ihnen ausgehende schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu verhindern. Das ausgesprochene Einreiseverbot ist daher zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringende geboten. (…).“ (AS 405f)

Eine hinreichend begründete Beurteilung der Gefährdungsprognose wurde somit nicht vorgenommen, wurde doch auf ein dem BF vorwerfbares „absolut planvolles, zielorientiertes und absolut gewinnorientiert ausgerichtetes kriminelles Handeln“ hingewiesen, ohne konkret angeführt zu haben, bezüglich welcher strafbarer Handlungen von einem absolut planvollen, zielorientierten und absolut gewinnorientiert ausgerichteten kriminellen Handeln des BF auszugehen sei.

Der angefochtene Bescheid war insgesamt mangelhaft, wurde doch keine hinreichend begründete Beurteilung der Gefährdungsprognose auf Basis konkreter Feststellungen vorgenommen, dies sowohl im Hinblick auf Spruchpunkt I. als auch auf Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides, und fehlt zudem eine an die Feststellung der Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung direkt angeschlossene hinreichende Begründung der Zulässigkeit der Abschiebung des BF nach Normazedonien, wofür zu prüfen gewesen wäre, ob aufgrund seiner individuellen Rückkehrsituation vor dem Hintergrund aktueller Länderberichte für den BF ein Abschiebungshindernis iSv Art. 3 EMRK besteht oder nicht.

Hingewiesen wird zudem noch darauf, dass bei der Vornahme der Beurteilung der Gefährdungsprognose von der belangten Behörde auch das (Wohl-) Verhalten des BF nach Strafhaftentlassung in Freiheit zu berücksichtigen sein wird.

3.2.4. Aus den dargelegten Gründen war Spruchpunkt I. samt fortfolgenden Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

4. Entfall einer mündlichen Verhandlung

Da im gegenständlichen bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entfallen.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.


Schlagworte

Behebung der Entscheidung Ermittlungspflicht Gefährdungsprognose Haft Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung Suchtmitteldelikt Voraussetzungen Wohlverhalten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:G313.2223436.1.00

Im RIS seit

08.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

08.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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