TE Bvwg Erkenntnis 2021/5/26 W226 1268459-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.05.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

26.05.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z4
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §7 Abs1 Z2
AsylG 2005 §7 Abs4
AsylG 2005 §8 Abs1 Z2
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z3
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch


W226 1268459-3/23E


IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. WINDHAGER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen Gesellschaft mit beschränkter Haftung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.09.2018, Zl.: 319786102/170622696, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 11.05.2021 zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1.1 Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) brachte am 5. November 2004 nach vorangegangener illegaler Einreise in das Bundesgebiet einen Antrag auf die Gewährung von Asyl ein.

Nachdem dieser Asylantrag durch das Bundesasylamt mit Bescheid vom 7. Februar 2006, Zl. 04 22.639-BAS, abgewiesen worden war, gab der Unabhängige Bundesasylsenat der dagegen erhobenen Berufung statt, gewährte dem BF mit Bescheid vom 1. Februar 2008, Zl. 268.459/0/19E-VIII/22/06, gemäß § 7 AsylG 1997 Asyl und erkannte dem BF gemäß § 12 leg. cit. die Flüchtlingseigenschaft zu.

1.2 Am XXXX wurde der BF vom Landesgericht XXXX , wegen des Vergehens der Schlepperei nach dem § 114 Abs. 2 FPG zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten unbedingt und am XXXX vom Bezirksgericht XXXX wegen §§15, 127 StGB zu einer Geldstrafe von sechzig Tagessätzen zu je EUR 2 verurteilt.

1.3 Am 14. September 2010 langte bei der Außenstelle XXXX das Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX , mit welchem der BF wegen des Verbrechens des Raubes nach dem § 142 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Jahren verurteilt wurde, ein.

1.4 Mit Schreiben vom 14. September 2010 wurde der BF im Hinblick auf eine von der Behörde beabsichtigte Asylaberkennung zur Abgabe einer Stellungnahme zu den vom Bundesasylamt übersandten Länderfeststellungen zur Lage in der Russischen Föderation aufgefordert. Am 21. September 2010 langte beim Bundesasylamt ein Schreiben des BF vom 20. September 2010 ein, in dem der Beschwerdeführer ausführte, dass die Sicherheitslage in seinem Herkunftsstaat nach wie vor prekär sei und er Angst vor einer Rückkehr nach Tschetschenien habe. Der BF habe im Herkunftsstaat eine Hand verloren und weise sein Körper Metallsplitter auf. Der Beschwerdeführer habe nach dem Tod XXXX sogar in Österreich Angst, er sei aus politischen Gründen geflohen. Ihn erwarte in Tschetschenien der Tod.

1.5 Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 23. Februar 2011, Zl. 04 22.639-BAS, wurde dem BF der mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 1. Februar 2008, Zl. 268.459/0/19E-VIII/22/06, zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Absatz 1 Ziffer 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG), aberkannt. In Einem wurde unter Spruchpunkt I. festgestellt, dass ihm gemäß § 7 Absatz 4 AsylG die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme. Mit Spruchpunkt II. wurde festgestellt, dass dem BF gemäß § 8 Absatz 1 Ziffer 2 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt werde. Mit Spruchpunkt III. wurde der BF gemäß § 10 Absatz 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen.

In der Bescheidbegründung führt das Bundesasylamt im Wesentlichen aus, dass der BF in Österreich mehrfach straffällig geworden und zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt worden sei. Die vom BF begangene Tat sei als besonders schweres Verbrechen zu werten, eine günstige Zukunftsprognose sei im Fall des BF nicht zu stellen, da dieser schon früher zu Geld- und Freiheitsstrafen verurteilt worden sei. Der BF sei „wegen des Verbrechens des schweren Raubes“ rechtskräftig zu einer fünfjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Die Interessenabwägung gehe zu Lasten des BF aus. Es handle sich beim BF um einen Wiederholungstäter, der eine Gefahr darstelle, die Aberkennung des Status des Asylberechtigten sei daher geboten. Im Hinblick auf Spruchpunkt II. hätten sich keine Hinweise auf einen Sachverhalt ergeben, welche zur Gewährung subsidiären Schutzes führen würden. Es seien keine Hinweise auf familiäre Anknüpfungspunkte gegeben. Der BF sei nicht gewillt, sich der österreichischen Rechtsordnung zu unterwerfen, weshalb seine Ausweisung zulässig sei.

1.6 Dieser Bescheid wurde dem BF am 1. März 2011 zugestellt und erhob dieser dagegen am 15. März 2011 Beschwerde. Darin verweist der BF im Wesentlichen auf seine soziale Verfestigung und seine Heiratsabsicht. Er sei nach wie vor schutzbedürftig, ihm sei zumindest subsidiärer Schutz zu gewähren. Nach Auszügen aus Berichten zur Lage in Tschetschenien ersuchte der BF, ihm den Status nicht abzuerkennen.

1.7 Mit Erkenntnis vom 5. August 2011 gab der Asylgerichtshof der Beschwerde des BF statt, im Wesentlichen mit der Begründung, dass die vom BF verübten Straftaten unter Bedachtnahme auf Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und die erläuternden Bemerkungen in der Regierungsvorlage zum AsylG 2005, wonach „besonders schweres Verbrechen“ etwa Tötungsdelikte, Vergewaltigung, Kindesmisshandlung, Brandstiftung, Drogenhandel, bewaffneter Raub und dergleichen sind, nicht in diese Kategorie fallen, und behob den angefochtenen Bescheid ersatzlos.

1.8 Am 25. Juli 2018 leitete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein Aberkennungsverfahren infolge geänderter Verhältnisse im Herkunftsstaat ein und vernahm den BF dazu am 14. August 2018. Im Rahmen dieser Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl brachte der BF vor, psychische Probleme zu haben, Medikamente zu nehmen und Splitter im Zuge einer Operation entfernen zu lassen. Er gab an, dass er eine mündliche Einstellungszusage bei der Firma XXXX habe. Bisher habe ihn seine Behinderung an einer dauerhaften Beschäftigung gehindert. Er gab zudem an, eine Verlobte zu haben, deren Nachname er allerdings nicht nennen konnte, und die er heiraten möchte. Er sei aufgrund eines falschen Freundeskreises straffällig geworden, nun habe er gute Freunde gefunden, möchte in Zukunft arbeiten und anderen Menschen helfen.

1.9 Mit dem angefochtenen Bescheid vom 26. September 2018 erkannte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem BF den diesem mit Bescheid vom 1. Februar 2008, Zahl: 268.459/0/19E-VII/22/06, zuerkannten Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG), ab (Spruchpunkt I). Der Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) wurde dem BF nicht zuerkannt. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurden dem BF nicht erteilt und eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG iVm § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG iVm § 9 BFA-VG erlassen (Spruchpunkt III.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.) und die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.). Unter Spruchpunkt V. wurde gegen den BF ein Einreiseverbot auf die Dauer von acht Jahren erlassen.

Das BFA stellte fest, dass der BF russischer Staatsangehöriger sei, der Volksgruppe der Tschetschenen angehöre und sich zum muslimischen Glauben bekenne. Er sei XXXX geboren und seit 2004 in Österreich aufhältig. Er sei arbeitsfähig und leide an keiner lebensbedrohlichen psychischen oder physischen Krankheit. Aufgrund der Amputation aller Finger seiner linken Hand sei er zu 50% behindert. Der BF sei ledig und kinderlos. In seiner Heimat habe er eine Vielzahl an familiären Anknüpfungspunkten. Er sei in Österreich straffällig geworden, gehe zumindest seit 2013 keiner bezahlten Erwerbstätigkeit nach, verfüge über keine Angehörigen im Bundesgebiet und stelle eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar.

Begründend führte die Behörde zu Spruchpunkt I. aus, dass eine wesentliche nachhaltige Änderung der Umstände im Heimatstaat des BF stattgefunden habe, da es nach den Länderfeststellungen keine Verfolgung mehr von Veteranen der Tschetschenienkriege oder deren Angehörigen durch staatliche Behörden gebe. Aus den Länderberichten lasse sich daher keine Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung des BF in der Russischen Föderation aus Gründen der geschilderten Rückkehrbefürchtungen ableiten. Zur Situation des BF im Falle der Rückkehr führte die Behörde unter anderem aus, dass es in der russischen Föderation ein grundlegendes Sozialsystem und Arbeitslosenhilfe gäbe, sollte der BF keinen Beruf finden. Zur Behandlung seiner PTBS und Drogenabusus stünden diesem zudem bestimmte Behandlungsmöglichkeiten und Medikamente offen. Er habe nach wie vor familiäre Anknüpfungspunkte im Heimatland, welche ihn bei einer Rückkehr unterstützen könnten. Aufgrund der familiären Anknüpfungspunkte, der Beherrschung der russischen Sprache und der Erwerbsfähigkeit des BF gehe die Behörde allerdings davon aus, dass der BF binnen kurzer Zeit eine gesicherte Existenz aufbauen könne. Zum Privatleben des BF führte die Behörde aus, dass dessen private Interessen insbesondere angesichts seiner Straffälligkeit und fast durchgehender Erwerbslosigkeit hinter den Interessen der Öffentlichkeit zurücktreten müssten. Das Vorbringen des BF, eine Verlobte zu haben, sei mangels Namenskenntnis nicht glaubwürdig. Zum Einreiseverbot führte die belangte Behörde aus, dass eine Fortsetzung des Aufenthalts des BF in Österreich angesichts seiner strafgerichtlichen Verurteilungen und der verhängten Verwaltungsstrafen ein Grundinteresse der Gesellschaft an Ruhe, Sicherheit, Eigentum und sozialen Frieden beeinträchtige und dem BF die österreichische Rechtsordnung gleichgültig sei. Angesichts der finanziellen Lage des BF und mangels wesentlicher beruflicher Fortbildungen bzw Arbeitserfahrungen sei unter Berücksichtigung der hohen kriminellen Energie des BF zu befürchten, dass der BF auch in Zukunft erneut schwere Verbrechen in Erwerbsabsicht begehen werde.

1.10 Dagegen erhob der BF am 10. Oktober 2018 vollumfänglich Beschwerde. Zur Aberkennung des Asylstatus des BF wurde darin vorgebracht, dass die Länderberichte, anders als von der belangten Behörde festgehalten, zwar zeigen, dass eine Veränderung in Tschetschenien eingetreten sei, aber nicht von einer relevanten und nachhaltigen Verbesserung gesprochen werden könne, da sich die Gefahren nur verlagert hätten. Die subjektive Angst des BF sei daher objektivierbar und eine Verfolgung des BF könne bei einer Rückkehr – selbst in andere Landesteile - nicht ausgeschlossen werden, da der BF als aus dem Kaukasus Stammender erkannt werden würde und als aus dem Kaukasus stammender Muslim mit offensichtlichen Kriegsverletzungen unter dem Generalverdacht, Terrorist zu sein, stehe.
Zur Rückkehrentscheidung wurde ausgeführt, dass der BF bereits seit 2004 in Österreich lebe und zu Russland keinen Bezug mehr habe. Er spreche fließend Deutsch, die strafgerichtlichen Verurteilungen des BF lägen lange zurück, der BF habe nun eine Verlobte. Zum Einreiseverbot habe die Behörde sich primär auf die strafrechtlichen Verurteilungen und Verwaltungsstrafen des BF gestützt und nicht das gesamte Verhalten des BF einbezogen. Es sei bei dem BF von einer positiven Prognoseentscheidung auszugehen, da der BF seit 2009 nicht mehr verurteilt worden sei, eine Wohnung und Lebensgefährtin habe. Auch eine nachvollziehbare Begründung, warum genau ein Einreiseverbot in der Dauer von 8 Jahren erforderlich sei, fehle.

Darüber hinaus wurde ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren der belangten Behörde moniert. So habe sich diese nicht ausreichend mit der Behinderung des BF an der linken Hand und einem damit einhergehenden beschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt sowie den Möglichkeiten einer Behandlung seiner psychischen Probleme in der Russischen Föderation, wo es dafür keine adäquate medizinische Versorgung gäbe, auseinandergesetzt. Die Erinnerungslücken des BF, nämlich insbesondere bezüglich des Namens seiner Verlobten, seien auf die Einnahme der starken Medikamente zurückzuführen, womit sich die belangte Behörde ebenfalls nicht auseinandergesetzt habe.

1.11 Mit Straferkenntnis vom XXXX der Landespolizeidirektion XXXX , wurde über den BF eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) unter anderem wegen Lenken eines Fahrzeuges ohne gültige Lenkberechtigung und in einem durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand verhängt.

1.12 Am 18. Dezember 2020 wurde der BF vom Landesgericht XXXX XXXX , wegen (versuchten) gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach den §§ 15, 146, 147 Abs. 1 Z 1 3. Fall, 147 Abs. 2, 148 2. Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwanzig Monaten verurteilt.

1.13 Am 11. Mai 2021 führte das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, wobei der BF vom erkennenden Gericht nochmals ergänzend zu den begangenen Straftaten, zu den Fluchtgründen, zu den aktuellen Rückkehrbefürchtungen betreffend die Russische Föderation bzw. Tschetschenien sowie zu seiner Integration in Österreich befragt wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat nach Durchführung einer Beschwerdeverhandlung wie folgt erwogen:

1. Feststellungen:

Zum BF und seinem Fluchtgrund:

Der BF ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation, Zugehöriger der tschetschenischen Volksgruppe und bekennt sich zum muslimischen Glauben.

Er wuchs in Tschetschenien ( XXXX ) auf, wo er gemeinsam mit seinen Eltern und seiner Schwester die meiste Zeit bis zu seiner Ausreise lebte.

Die linke Hand des BF wurde aufgrund eines Bombenangriffs im Tschetschenienkrieg im Jahre XXXX amputiert, sodass er in Österreich als zu 50% behindert gilt. Wegen seiner amputierten Hand bezog der BF in Tschetschenien Invaliditätsrente. Aufgrund des Bombenangriffs trug der BF auch zahlreiche Granatsplitter im Körper davon, welche ihm in Krankenhäusern in Tschetschenien und später in Österreich entfernt wurden. Der BF leidet derzeit an keinen schweren physischen oder psychischen Krankheiten, nimmt allerdings Schlaf- und Schmerzmedikamente ein.

Der BF nahm im Zuge des ersten Tschetschenienkrieges an Demonstrationen teil und unterstützte tschetschenische Kämpfer mit Lebensmitteln, betätigte sich sonst aber nicht politisch in Tschetschenien und nahm auch nicht selbst an einem der Kriege teil. Er hatte keinen Kontakt zu Wahhabiten und ist ein normaler Moslem.

Im November 2004 reiste der BF ins österreichische Bundesgebiet ein, wo er einen Asylantrag stellte. Nachdem dieser Asylantrag durch das Bundesasylamt mit Bescheid vom 7. Februar 2006, Zl. 04 22.639-BAS, abgewiesen worden war, gab der Unabhängige Bundesasylsenat der dagegen erhobenen Berufung statt, gewährte dem BF mit Bescheid vom 1. Februar 2008, Zl. 268.459/0/19E-VIII/22/06, gemäß § 7 AsylG 1997 Asyl und erkannte dem BF gemäß § 12 leg. cit. die Flüchtlingseigenschaft zu.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 23. Februar 2011 wurde dem BF der mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 1. Februar 2008, Zl. 268.459/0/19E-VIII/22/06, zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Absatz 1 Ziffer 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG), aberkannt. In Einem wurde unter Spruchpunkt I. festgestellt, dass ihm gemäß § 7 Absatz 4 AsylG die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme. Mit Spruchpunkt II. wurde festgestellt, dass dem BF gemäß § 8 Absatz 1 Ziffer 2 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt werde. Mit Spruchpunkt III. wurde der BF gemäß § 10 Absatz 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen. Mit Erkenntnis vom 5. August 2011 gab der Asylgerichtshof der Beschwerde des BF gegen den oben genannten Bescheid statt und behob den angefochtenen Bescheid ersatzlos.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 26. September 2018 erkannte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem BF den diesem mit Bescheid vom 1. Februar 2008, Zahl: 268.459/0/19E-VII/22/06, zuerkannten Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG), ab (Spruchpunkt I). Der Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) wurde dem BF nicht zuerkannt. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurden dem BF nicht erteilt und eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG iVm § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG iVm § 9 BFA-VG erlassen (Spruchpunkt III.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.) und die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.). Unter Spruchpunkt V. wurde gegen den BF ein Einreiseverbot auf die Dauer von acht Jahren erlassen.

Der BF ist ledig, kinderlos und hat keine Obsorgeverpflichtungen. Der BF spricht und versteht Deutsch einwandfrei. Zusätzlich spricht und versteht er Tschetschenisch sowie Russisch. Der BF hat keine nahen Angehörigen im Bundesgebiet. Kinder eines Onkels des BF leben in Österreich. Der BF hat eine Freundin in XXXX , mit welcher er aber weder zusammenlebt, noch eine intensive Beziehung führt. Der BF geht keiner karitativen Tätigkeit in Vereinen nach.

Vor seiner Ausreise aus seinem Herkunftsstaat absolvierte der BF eine Ausbildung als Jurist in einer technischen Schule in XXXX . Während seines Aufenthalts in Österreich ging der BF nur kurzfristig einer Erwerbstätigkeit nach: von Juni bis Juli 2008 war der BF bei der XXXX als Arbeiter beschäftigt und von September 2019 bis Mai 2020 arbeitete der BF (geringfügig) bei XXXX als Estrichleger. Bei der Firma XXXX oder der Firma XXXX war der BF nicht beschäftigt. Den Großteil seines Aufenthalts in Österreich war der BF somit erwerbslos und lebte von staatlichen Unterstützungsleistungen.

Über den BF wurden in Österreich mehrere Verwaltungsstrafen verhängt, unter anderem 2019, wo dieser ohne Führerschein in einem Kfz unterwegs und beim Lenken des Fahrzeuges in durch Suchtgift beeinträchtigtem Zustand war. Zudem wurde der BF viermal in Österreich rechtskräftig strafrechtlich verurteilt und zwar:

1.)       XXXX vom XXXX

PAR 114/2 FPG

Datum der (letzten) Tat 07.03.2007

Freiheitsstrafe 6 Monate

Vollzugsdatum 26.05.2014

Nachtrag: zu XXXX vom XXXX

Aus der Freiheitsstrafe entlassen am XXXX , bedingt, Probezeit 3 Jahre

XXXX

Nachtrag: zu XXXX vom XXXX

Bedingte Entlassung aus der Freiheitsstrafe wird widerrufen

XXXX

2.)      BG XXXX vom XXXX

PAR 15 127 StGB

Datum der (letzten) Tat: 12.01.2008

Geldstrafe von 60 Tags zu je 2,00 EUR (120,00 EUR) im NEF 30 Tage Ersatzfreiheitsstrafe

Vollzugsdatum: 17.06.2014

3.)      LG XXXX

PAR 142/1 StGB

Freiheitsstrafe 5 Jahre

Vollzugsdatum 26.03.2014

4.)      LG XXXX

§§ 146, 147 (1) Z 1 1. 3. Fall, 147 (2), 148 2. Fall StGB § 15

Datum der (letzten) Tat 06.08.2020

Freiheitsstrafe 20 Monate

Der BF verbrachte damit mittlerweile fast sieben Jahre seines 17-jährigen Aufenthaltes im Gefängnis. Der BF lebt im Bundesgebiet.

Festgestellt wird, dass der in Art. 1 Abschnitt C Z 5 der GFK angeführte Endigungsgrund eingetreten ist. Es kann nicht festgestellt werden, dass dem BF im Falle der Rückkehr eine aktuelle Verfolgung aus asylrelevanten Gründen drohen würde.

Eine Rückkehr des BF in die Russische Föderation stellt keine Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention dar. Im Falle der Rückkehr in die Russische Föderation droht dem BF weder die Todesstrafe noch eine Haftstrafe unter unmenschlichen Bedingungen, Folter oder unmenschliche Behandlung.

Dem BF droht in der Russischen Föderation keine Doppelbestrafung und auch außerhalb der Strafverfolgung keine Verfolgung auf Grund des der Verurteilung in Österreich zugrundliegenden Verhaltens. Dem BF droht im Falle der Rückkehr in die Russische Föderation keine Folter oder unmenschliche Behandlung auf Grund seiner Verurteilung in Österreich und des dieser Verurteilung zugrundeliegenden Verhaltens. Ihm droht im Falle der Rückkehr in die Russische Föderation keine Verfolgung wegen der Asylantragstellung oder wegen des langjährigen Aufenthaltes außerhalb der Russischen Föderation.

Der BF ist erkennbar in der Lage, eine Erwerbstätigkeit auszuüben und ist auch arbeitswillig.

Es ist dem BF jedenfalls möglich und zumutbar, sich in der Russischen Föderation, entweder in Tschetschenien selbst oder auch in anderen Landesteilen niederzulassen und anzumelden sowie durch eigene Erwerbstätigkeit seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Viele russische Städte verfügen über eine große tschetschenische Diaspora und bieten die stärkeren Metropolen und Regionen Russlands bei vorhandener Arbeitswilligkeit auch Chancen für russische Staatsangehörige aus den Kaukasusrepubliken. Der BF hat auch Zugang zu Sozialbeihilfen, Krankenversicherung und medizinischer Versorgung.

Zudem verfügt der BF über Verwandte in seinem Herkunftsstaat bzw Tschetschenien. Die Mutter des BF ist mittlerweile verstorben, zu seinem Vater und seiner Schwester hat der BF aber weiterhin guten Kontakt. Der Vater des BF ist in Pension und arbeitete früher als Buchhalter. Die Schwester des BF ist verheiratet und hat Familie. Weiters halten sich dort Onkels und Cousins väterlicherseits des BF auf.

Zur Lage in der Russischen Föderation/Tschetschenien:

Politische Lage

Letzte Änderung: 04.09.2020

Die Russische Föderation hat ca. 143 Millionen Einwohner (GIZ 7.2020c; vgl. CIA 28.2.2020). Russland ist eine Präsidialdemokratie mit föderativem Staatsaufbau. Der Präsident verfügt über weit reichende exekutive Vollmachten, insbesondere in der Außen- und Sicherheitspolitik (GIZ 7.2020a; vgl. EASO 3.2017). Er ernennt auf Vorschlag der Staatsduma den Vorsitzenden der Regierung, die stellvertretenden Vorsitzenden und die Minister, und entlässt sie (GIZ 7.2020a). Wladimir Putin ist im März 2018 bei der Präsidentschaftswahl mit 76,7% im Amt bestätigt worden (Standard.at 19.3.2018; vgl. FH 4.2.2019). Die Wahlbeteiligung lag der Nachrichtenagentur TASS zufolge bei knapp 67% und erfüllte damit nicht ganz die Erwartungen der Präsidialadministration (Standard.at 19.3.2018). Putins wohl stärkster Widersacher Alexej Nawalny durfte nicht bei der Wahl kandidieren. Er war zuvor in einem von vielen als politisch motiviert eingestuften Prozess verurteilt worden und rief daraufhin zum Boykott der Abstimmung auf, um die Wahlbeteiligung zu drücken (Presse.at 19.3.2018; vgl. FH 4.2.2019). Oppositionelle Politiker und die Wahlbeobachtergruppe Golos hatten mehr als 2.400 Verstöße gezählt, darunter mehrfach abgegebene Stimmen und die Behinderung von Wahlbeobachtern. Wähler waren demnach auch massiv unter Druck gesetzt worden, an der Wahl teilzunehmen. Auch die Wahlkommission wies auf mutmaßliche Manipulationen hin (Tagesschau.de 19.3.2018; vgl. FH 1.2018). Putin kann dem Ergebnis zufolge nach vielen Jahren an der Staatsspitze weitere sechs Jahre das Land führen (Tagesschau.de 19.3.2018; vgl. OSCE/ODIHR 18.3.2018).

Die Verfassung wurde per Referendum am 12.12.1993 mit 58,4% der Stimmen angenommen. Sie garantiert die Menschen- und Bürgerrechte. Das Prinzip der Gewaltenteilung ist zwar in der Verfassung verankert, jedoch verfügt der Präsident über eine Machtfülle, die ihn weitgehend unabhängig regieren lässt. Er ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte, trägt die Verantwortung für die Innen- und Außenpolitik und kann die Gesetzesentwürfe des Parlaments blockieren. Die Regierung ist dem Präsidenten untergeordnet, der den Premierminister mit Zustimmung der Staatsduma ernennt. Das Zweikammerparlament, bestehend aus Staatsduma und Föderationsrat, ist in seinem Einfluss stark beschränkt. Am 15. Januar 2020 hat Putin in seiner jährlichen Rede zur Lage der Nation eine Neuordnung des politischen Systems vorgeschlagen und eine Reihe von Verfassungsänderungen angekündigt. Dmitri Medwedjew hat den Rücktritt seiner Regierung erklärt. Sein Nachfolger ist der Leiter der russischen Steuerbehörde Michail Mischustin. In dem neuen Kabinett sind 15 von 31 Regierungsmitgliedern ausgewechselt worden. Die Verfassungsänderungen ermöglichen Wladimir Putin für zwei weitere Amtszeiten als Präsident zu kandidieren. Der Volksentscheid über eine umfassend geänderte Verfassung fand am 1. Juli 2020 statt, nachdem er aufgrund der Corona Pandemie verschoben worden war. Bei einer Wahlbeteiligung von ca. 65% der Stimmberechtigten stimmten laut russischer Wahlkommission knapp 78% für und mehr als 21% gegen die Verfassungsänderungen. Neben der so genannten Nullsetzung der bisherigen Amtszeiten des Präsidenten, durch die der amtierende Präsident 2024 und theoretisch auch 2030 zwei weitere Male kandidieren darf, wird das staatliche Selbstverständnis der Russischen Föderation in vielen Bereichen neu definiert. Der neue Verfassungstext beinhaltet deutlich sozialere und konservativere Inhalte als die Ursprungsverfassung aus dem Jahre 1993 (GIZ 7.2020a). Nach dem Referendum kam es zu Protesten von einigen hundert Personen in Moskau. Bei dieser nicht genehmigten Demonstration wurden 140 Personen festgenommen. Auch in St. Petersburg gab es Proteste (MDR 16.7.2020).

Der Föderationsrat ist als „obere Parlamentskammer“ das Verfassungsorgan, das die Föderationssubjekte auf föderaler Ebene vertritt. Er besteht aus 178 Abgeordneten: Jedes Föderationssubjekt entsendet je einen Vertreter aus Exekutive und Legislative in den Föderationsrat. Die Staatsduma mit 450 Sitzen wird für fünf Jahre gewählt. Es gibt eine Fünfprozentklausel (GIZ 7.2020a; vgl. AA 2.3.2020c).

Zu den wichtigen Parteien der Russischen Föderation gehören: die Regierungspartei Einiges Russland (Jedinaja Rossija) mit 1,9 Millionen Mitgliedern; Gerechtes Russland (Sprawedliwaja Rossija) mit 400.000 Mitgliedern; die Kommunistische Partei der Russischen Föderation (KPRF) mit 150.000 Mitgliedern, die die Nachfolgepartei der früheren KP ist; die Liberaldemokratische Partei (LDPR) mit 185.000 Mitgliedern, die populistisch und nationalistisch ausgerichtet ist; die Wachstumspartei (Partija Rosta), die sich zum Neoliberalismus bekennt; Jabloko, eine demokratisch-liberale Partei mit 55.000 Mitgliedern; die Patrioten Russlands (Patrioty Rossii), links-zentristisch mit 85.000 Mitgliedern; die Partei der Volksfreiheit (PARNAS) und die demokratisch-liberale Partei mit 58.000 Mitgliedern (GIZ 7.2020a). Die Zusammensetzung der Staatsduma nach Parteimitgliedschaft gliedert sich wie folgt: Einiges Russland (343 Sitze), Kommunistische Partei Russlands (42 Sitze), Liberaldemokratische Partei Russlands (39 Sitze), Gerechtes Russland (23 Sitze), Vaterland-Partei (1 Sitz), Bürgerplattform (1 Sitz) (RIA Nowosti 23.9.2016; vgl. Global Security 21.9.2016). Die sogenannte Systemopposition stellt die etablierten Machtverhältnisse nicht in Frage und übt nur moderate Kritik am Kreml (SWP 11.2018).

Russland ist eine Föderation, die (einschließlich der international nicht anerkannten Annexion der Republik Krim und der Stadt föderalen Ranges Sewastopol) aus 85 Föderationssubjekten mit unterschiedlichem Autonomiegrad besteht. Die Föderationssubjekte (Republiken, Autonome Gebiete, Autonome Kreise, Gebiete, Regionen und Föderale Städte) verfügen über jeweils eine eigene Legislative und Exekutive (GIZ 7.2020a; vgl. AA 2.3.2020c). Die Gouverneure der Föderationssubjekte werden auf Vorschlag der jeweils stärksten Fraktion der regionalen Parlamente vom Staatspräsidenten ernannt. Dabei wählt der Präsident aus einer Liste dreier vorgeschlagener Kandidaten den Gouverneur aus (GIZ 7.2020a).

Es gibt acht Föderationskreise (Nordwestrussland, Zentralrussland, Südrussland, Nordkaukasus, Wolga, Ural, Sibirien, Ferner Osten), denen jeweils ein Bevollmächtigter des Präsidenten vorsteht. Der Staatsrat der Gouverneure tagt unter Leitung des Präsidenten und gibt der Exekutive Empfehlungen zu aktuellen politischen Fragen und zu Gesetzesprojekten. Nach der Eingliederung der Republik Krim und der Stadt Sewastopol in die Russische Föderation wurde am 21.3.2014 der neunte Föderationskreis Krim gegründet. Die konsequente Rezentralisierung der Staatsverwaltung führt seit 2000 zu politischer und wirtschaftlicher Abhängigkeit der Regionen vom Zentrum. Diese Tendenzen wurden bei der Abschaffung der Direktwahl der Gouverneure in den Regionen und der erneuten Unterordnung der regionalen und kommunalen Machtorgane unter das föderale Zentrum („exekutive Machtvertikale“) deutlich (GIZ 7.2020a).

Bei den in einigen Regionen stattgefundenen Regionalwahlen am 8.9.2019 hat die Regierungspartei Einiges Russland laut Angaben der Wahlleitung in den meisten Regionen ihre Mehrheit verteidigt. Im umkämpften Moskauer Stadtrat verlor sie allerdings viele Mandate (Zeit Online 9.9.2019). Hier stellt die Partei künftig nur noch 25 von 45 Vertretern, zuvor waren es 38. Die Kommunisten, die bisher fünf Stadträte stellten, bekommen 13 Sitze. Die liberale Jabloko-Partei bekommt vier und die linksgerichtete Partei Gerechtes Russland drei Sitze (ORF 18.9.2019). Die beiden letzten waren bisher nicht im Moskauer Stadtrat vertreten. Zuvor sind zahlreiche Oppositionskandidaten von der Wahl ausgeschlossen worden, was zu den größten Protesten seit Jahren geführt hat (Zeit Online 9.9.2019), bei denen mehr als 1.000 Demonstranten festgenommen wurden (Kleine Zeitung 28.7.2019). Viele von den Oppositionskandidaten haben zu einer "smarten Abstimmung" aufgerufen. Die Bürgerinnen sollten jeden wählen – nur nicht die Kandidaten der Regierungspartei. Bei den für die russische Regierung besonders wichtigen Gouverneurswahlen gewannen die Kandidaten der Regierungspartei überall (Zeit Online 9.9.2019).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (2.3.2020c): Russische Föderation – Politisches Portrait, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/russischefoederation-node/politisches-portrait/201710, Zugriff 10.3.2020

?        CIA – Central Intelligence Agency (28.2.2020): The World Factbook, Central Asia: Russia, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/rs.html, Zugriff 10.3.2020

?        EASO – European Asylum Support Office (3.2017): COI-Report Russian Federation - State Actors of Protection, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1489999668_easocoi-russia-state-actors-of-protection.pdf, Zugriff 10.3.2020

?        FH – Freedom House (4.2.2019): Jahresbericht zu politischen Rechten und bürgerlichen Freiheiten im Jahr 2018 - Russland, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002603.html, Zugriff 10.3.2020

?        GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (7.2020a): Russland, Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/russland/geschichte-staat/#c17836, Zugriff 17.7.2020

?        GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (7.2020c): Russland, Gesellschaft, https://www.liportal.de/russland/gesellschaft/, Zugriff 17.7.2020

?        Global Security (21.9.2016): Duma Election - 18 September 2016, https://www.globalsecurity.org/military/world/russia/politics-2016.htm, Zugriff 10.3.2020

?        Kleine Zeitung (28.7.2019): Mehr als 1.300 Festnahmen bei Kundgebung in Moskau, https://www.kleinezeitung.at/politik/5666169/Russland_Mehr-als-1300-Festnahmen-bei-Kundgebung-in-Moskau, Zugriff 10.3.2020

?        MDR 16.7.2020): Mehr als 140 Demonstranten in Moskau festgenommen, https://www.mdr.de/nachrichten/politik/ausland/festnahme-moskau-putin-kritiker-bei-protest-100.html, Zugriff 21.7.2020

?        ORF – Observer Research Foundation (18.9.2019): Managing democracy in Russia: Elections 2019, https://www.orfonline.org/expert-speak/managing-democracy-in-russia-elections-2019-55603/, Zugriff 10.3.2020

?        OSCE/ODIHR - Organization for Security and Co-operation in Europe/Office for Democratic Institutions and Human Rights (18.3.2018): Russian Federation Presidential Election Observation Mission Final Report, https://www.osce.org/odihr/elections/383577?download=true, Zugriff 10.3.2020

?        Presse.at (19.3.2018): Putin: "Das russische Volk schließt sich um Machtzentrum zusammen", https://diepresse.com/home/ausland/aussenpolitik/5391213/Putin_Das-russische-Volk-schliesst-sich-um-Machtzentrum-zusammen, Zugriff 10.3.2020

?        RIA Nowosti (23.9.2016): ??? ???????? ?????????? ??????? ? ???????, https://ria.ru/20160923/1477668197.html, Zugriff 10.3.2020

?        Standard.at (19.3.2018): Putin sichert sich vierte Amtszeit als Russlands Präsident, https://derstandard.at/2000076383332/Putin-sichert-sich-vierte-Amtszeit-als-Praesident, Zugriff 10.3.2020

?        Tagesschau.de (19.3.2018): Klarer Sieg für Putin, https://www.tagesschau.de/ausland/russland-wahl-putin-101.html, Zugriff 10.3.2020

?        Zeit Online (9.9.2019): Russische Regierungspartei gewinnt Regionalwahlen, https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-09/russland-kreml-partei-sieg-regionalwahlen-moskau, Zugriff 10.3.2020

Tschetschenien

Letzte Änderung: 09.04.2020

Die Einwohnerzahl Tschetscheniens liegt bei ca. 1,5 Millionen. Laut Aussagen des Republikoberhauptes Ramzan Kadyrow sollen rund 600.000 Tschetschenen außerhalb der Region leben – eine Hälfte davon in der Russischen Föderation, die andere Hälfte im Ausland. Experten zufolge hat die Hälfte von ihnen Tschetschenien während der Kriege nach dem Zerfall der Sowjetunion verlassen, bei der anderen Hälfte handelt es sich um Siedlungsgebiete außerhalb Tschetscheniens. Diese entstanden bereits vor über einem Jahrhundert, teilweise durch Migration aus dem Russischen in das Osmanische Reich, und zwar über Anatolien bis in den arabischen Raum. Was die Anzahl von Tschetschenen in anderen russischen Landesteilen anbelangt, so ist es aufgrund der öffentlichen Datenlage schwierig, verlässliche Aussagen zu treffen (ÖB Moskau 12.2019).

In Tschetschenien gilt Ramzan Kadyrow als Garant Moskaus für Stabilität. Mit Duldung der russischen Staatsführung hat er in der Republik ein autoritäres Herrschaftssystem geschaffen, das vollkommen auf seine eigene Person ausgerichtet ist und weitgehend außerhalb des föderalen Rechtsrahmens funktioniert (ÖB Moskau 12.2019, vgl. AA 13.2.2019, FH 4.3.2020). Fraglich bleibt auch die föderale Kontrolle über die tschetschenischen Sicherheitskräfte, deren faktische Loyalität vorrangig dem Oberhaupt der Republik gilt. Im Juni 2016 beschloss das tschetschenische Parlament die vorzeitige Selbstauflösung, um vorgezogene Neuwahlen parallel zu den Wahlen zum Oberhaupt der Republik durchzuführen. Bei den russlandweiten Wahlen vom 18.9.2016 lag die Wahlbeteiligung in Tschetschenien weit über dem landesweiten Durchschnitt. Kadyrow wurde laut offiziellen Angaben bei hoher Wahlbeteiligung mit überwältigender Mehrheit für eine weitere Amtszeit von fünf Jahren gewählt. Unabhängige Medien berichteten über Unregelmäßigen bei den Wahlen. Auch im Vorfeld der Wahlen hatte Human Rights Watch über massive Druckausübung auf Kritiker des derzeitigen Machthabers berichtet. Das tschetschenische Oberhaupt bekundet immer wieder seine absolute Loyalität gegenüber dem Kreml. Gegen vermeintliche Extremisten und deren Angehörige, aber auch gegen politische Gegner, wird rigoros vorgegangen (ÖB Moskau 12.2019, vgl. AA 13.2.2019). Um die Kontrolle über die Republik zu behalten, wendet Kadyrow unterschiedliche Formen der Gewalt an, wie z.B. Entführungen, Folter und außergerichtliche Tötungen (FH 4.3.2020, vgl. AA 13.2.2019). Dies kann manchmal auch außerhalb Russlands stattfinden. Kadyrow wird verdächtigt, die Ermordung von unliebsamen Personen, die ins Ausland geflohen sind, angeordnet zu haben (FH 4.3.2020).

Während der mittlerweile über zehn Jahre dauernden Herrschaft des amtierenden Republikführers Ramzan Kadyrow gestaltete sich Tschetscheniens Verhältnis zur Russischen Föderation ambivalent. Einerseits ist Kadyrow bemüht, die Zugehörigkeit der Republik zu Russland mit Nachdruck zu bekunden, tschetschenischen Nationalismus mit russischem Patriotismus zu verbinden, Russlands Präsidenten in der tschetschenischen Hauptstadt Grozny als Staatsikone auszustellen und sich als „Fußsoldat Putins“ zu präsentieren. Andererseits hat er das Föderationssubjekt Tschetschenien so weit in einen Privatstaat verwandelt, dass in der Umgebung des russischen Präsidenten die Frage gestellt wird, inwieweit sich die von Wladimir Putin ausgebaute „föderale Machtvertikale“ dorthin erstreckt. Zu Kadyrows Eigenmächtigkeit gehört auch eine Außenpolitik, die sich vor allem an den Mittleren Osten und die gesamte islamische Welt richtet. Kein anderer regionaler Führer beansprucht eine vergleichbare, über sein eigenes Verwaltungsgebiet und die Grenzen Russlands hinausreichende Rolle. Kadyrow inszeniert Tschetschenien als Anwalt eines russländischen Vielvölker-Zusammenhalts, ist aber längst zum „inneren Ausland“ Russlands geworden. Deutlichster Ausdruck dieser Entwicklung ist ein eigener Rechtszustand, in dem islamische und gewohnheitsrechtliche Regelungssysteme sowie die Willkür des Republikführers in Widerspruch zur Gesetzgebung Russlands geraten (SWP 3.2018).

Ein Abkommen von September 2018 über die Abtretung von umstrittenem Territorium von Inguschetien an Tschetschenien hatte politische Unruhen in Inguschetien zur Folge (ÖB Moskau 12.2019). Der Konflikt um die Grenzziehung flammt immer wieder auf. Im März 2019 wurden Proteste in Inguschetien gewaltsam aufgelöst, wobei manche Teilnehmer körperlich gegen die Polizei Widerstand leisteten. 33 Personen wurden festgenommen (HRW 14.1.2020). Die Proteste hatten außerdem den Rücktritt des inguschetischen Präsidenten Junus-bek Jewkurow im Juni 2019 zur Folge (ÖB Moskau 12.2019). Jewkurows Nachfolger ist Machmud-Ali Kalimatow (NZZ 29.6.2019).

Quellen:

?        AA - Auswärtiges Amt (13.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, https://www.ecoi.net/en/file/local/1458482/4598_1551701623_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-russischen-foederation-stand-dezember-2018-13-02-2019.pdf, Zugriff 10.3.2020

?        FH – Freedom House (4.3.2020): Jahresbericht zu politischen Rechten und bürgerlichen Freiheiten im Jahr 2019 - Russland, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025879.html, Zugriff 5.3.2020

?        HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): Jahresbericht zur Menschenrechtssituation im Jahr 2019 – Russland, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022681.html, Zugriff 3.3.2020

?        NZZ – Neue Zürcher Zeitung (29.6.2019): Die Nordkaukasus-Republik Inguschetien ist innerlich zerrissen, https://www.nzz.ch/international/nordkaukasus-inguschetien-nach-protesten-innerlich-zerrissen-ld.1492435, Zugriff 11.3.2020

?        ÖB Moskau (12.2019): Asylländerbericht Russische Föderation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2025975/RUSS_%C3%96B_Bericht_2019_12.pdf, Zugriff 10.3.2020

?        SWP – Stiftung Wissenschaft und Politik (3.2018): Tschetscheniens Stellung in der Russischen Föderation. Ramsan Kadyrows Privatstaat und Wladimir Putins föderale Machtvertikale, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/studien/2018S01_hlb.pdf, Zugriff 10.3.2020

Sicherheitslage

Letzte Änderung: 09.04.2020

Wie verschiedene Anschläge mit zahlreichen Todesopfern in den letzten Jahren gezeigt haben, kann es in Russland, auch außerhalb der Kaukasus-Region, zu Anschlägen kommen (AA 19.3.2020a, vgl. BMeiA 19.3.2020, GIZ 2.2020d, EDA 19.3.2020). Die russischen Behörden halten ihre Warnung vor Anschlägen aufrecht und rufen weiterhin zu besonderer Vorsicht auf (AA 19.3.2020a, vgl. BMeiA 19.3.2020, EDA 19.3.2020). Trotz verschärfter Sicherheitsmaßnahmen kann das Risiko von Terrorakten nicht ausgeschlossen werden. Die russischen Sicherheitsbehörden weisen vor allem auf eine erhöhte Gefährdung durch Anschläge gegen öffentliche Einrichtungen und größere Menschenansammlungen hin (Untergrundbahn, Bahnhöfe und Züge, Flughäfen etc.) (EDA 19.3.2020).

Russland tritt als Protagonist internationaler Terrorismusbekämpfung auf und begründet damit seinen Militäreinsatz in Syrien. Vom Beginn des zweiten Tschetschenienkriegs 1999 bis ins Jahr 2013 sah es sich mit 75 größeren Terroranschlägen auf seinem Staatsgebiet konfrontiert, die Hunderten Zivilisten das Leben kosteten. Verantwortlich dafür war eine über Tschetschenien hinausgehende Aufstandsbewegung im Nordkaukasus. Die gewaltsamen Zwischenfälle am Südrand der Russischen Föderation gingen 2014 um 46% und 2015 um weitere 51% zurück. Auch im Global Terrorism Index, der die Einwirkung des Terrorismus je nach Land misst, spiegelt sich diese Entwicklung wider. Nach der Militärintervention in Syrien Ende September 2015 erklärte der sogenannte Islamische Staat (IS) Russland den Dschihad und übernahm die Verantwortung für den Abschuss eines russischen Passagierflugzeugs über dem ägyptischen Sinai mit 224 Todesopfern. Seitdem ist der Kampf gegen die Terrormiliz zu einer Parole russischer Außen- und Sicherheitspolitik geworden, auch wenn der russische Militäreinsatz in Syrien gewiss nicht nur von diesem Ziel bestimmt ist, sondern die Großmachtrolle Russlands im Mittleren Osten stärken soll. Moskau appelliert beim Thema Terrorbekämpfung an die internationale Kooperation (SWP 4.2017).

Eine weitere Tätergruppe rückt in Russland ins Zentrum der Medienaufmerksamkeit, nämlich Islamisten aus Zentralasien. Die Zahl der Zentralasiaten, die beim sog. IS kämpfen, wird auf einige tausend geschätzt (Deutschlandfunk 28.6.2017).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (19.3.2020a): Russische Föderation: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/russischefoederationsicherheit/201536#content_0, Zugriff 19.3.2020

?        BMeiA (19.3.2020): Reiseinformation Russische Föderation, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/russische-foederation/, Zugriff 19.3.2020

?        Deutschlandfunk (28.6.2017): Anti-Terrorkampf in Dagestan. Russische Methoden, https://www.deutschlandfunk.de/anti-terrorkampf-in-dagestan-russische-methoden.724.de.html?dram:article_id=389824, Zugriff 19.3.2020

?        EDA – Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (19.3.2020): Reisehinweise für Russland, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/russland/reisehinweise-fuerrussland.html, Zugriff 19.3.2020

?        GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (2.2020d): Russland, Alltag, https://www.liportal.de/russland/alltag/#c18170, Zugriff 19.3.2020

?        SWP – Stiftung Wissenschaft und Politik (4.2017): Russland und der Nordkaukasus im Umfeld des globalen Jihadismus, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2017A23_hlb.pdf, Zugriff 19.3.2020

Nordkaukasus

Letzte Änderung: 09.04.2020

Die Menschenrechtsorganisation Memorial beschreibt in ihrem Bericht über den Nordkaukasus vom Sommer 2016 eindrücklich, dass die Sicherheitslage für gewöhnliche Bürger zwar stabil ist, Aufständische einerseits und Kritiker der bestehenden Systeme sowie Meinungs- und Menschenrechtsaktivisten andererseits weiterhin repressiven Maßnahmen und Gewalt bis hin zum Tod ausgesetzt sind (AA 13.2.2019). In internationalen sicherheitspolitischen Quellen wird die Lage im Nordkaukasus mit dem Begriff „low level insurgency“ umschrieben (SWP 4.2017).

Das Kaukasus-Emirat, das seit 2007 den islamistischen Untergrundkampf im Nordkaukasus koordiniert, ist seit Ende 2014 durch das Überlaufen einiger Feldkommandeure zum sog. IS von Spaltungstendenzen erschüttert und geschwächt (SWP 10.2015, vgl. ÖB Moskau 12.2019). Der IS verstärkte 2015 seine russischsprachige Propaganda in Internet-Foren wie Furat Media, ohne dass die Behörden laut Nowaja Gazeta diesem Treiben große Aufmerksamkeit widmeten. Am 23. Juni 2015 rief der IS-Sprecher Muhammad al-Adnani ein „Wilajat Kavkaz“, eine „Provinz Kaukasus“, als Teil des IS-Kalifats aus. Es war ein propagandistischer Akt, der nicht bedeutet, dass der IS in dieser Region militärisch präsent ist oder sie gar kontrolliert, der aber den zunehmenden Einfluss dieser Terrormiliz auf die islamistische Szene im Nordkaukasus symbolisiert. Zuvor hatten mehr und mehr ideologische und militärische Führer des Kaukasus-Emirats dem „Kalifen“ Abu Bakr al-Baghdadi die Treue geschworen und sich von al-Qaida abgewandt. Damit bestätigte sich im islamistischen Untergrund im Nordkaukasus ein Trend, dem zuvor schon Dschihad-Netzwerke in Nordafrika, Jemen, Pakistan und Afghanistan gefolgt waren (SWP 10.2015).

Ein Risikomoment für die Stabilität in der Region ist die Verbreitung des radikalen Islamismus. Innerhalb der extremistischen Gruppierungen verschoben sich etwa ab 2014 die Sympathien zur regionalen Zweigstelle des sog. IS, die mittlerweile das Kaukasus-Emirat praktisch vollständig verdrängt haben soll. Dabei sorgt nicht nur Propaganda und Rekrutierung des IS im Nordkaukasus für Besorgnis der Sicherheitskräfte. So wurden Mitte Dezember 2017 im Nordkaukasus mehrere Kämpfer getötet, die laut Angaben des Anti-Terrorismuskomitees dem IS zuzurechnen waren. Das rigide Vorgehen der Sicherheitskräfte, aber auch die Abwanderung islamistischer Kämpfer in die Kampfgebiete in Syrien und in den Irak, haben dazu geführt, dass die Gewalt im Nordkaukasus in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen ist (ÖB Moskau 12.2019). 2018 erzielten die Strafverfolgungsbehörden maßgebliche Erfolge, die Anzahl terroristisch motivierter Verbrechen wurde mehr als halbiert. Sechs Terroranschläge wurden verhindert und insgesamt 50 Terroristen getötet. In der ersten Hälfte des Jahres 2019 nahm die Anzahl bewaffneter Vorfälle im Vergleich zum Vorjahr weiter ab. Der größte Anteil an Gewalt im Nordkaukasus entfällt weiterhin auf Dagestan und Tschetschenien (ÖB Moskau 12.2019).

Im Jahr 2018 sank die Gesamtzahl der Opfer des bewaffneten Konflikts im Nordkaukasus gegenüber 2017 um 38,3%, und zwar von 175 auf 108 Personen. Von allen Regionen des Föderationskreis Nordkaukasus hatte Dagestan die größte Zahl der Toten und Verwundeten zu verzeichnen; Tschetschenien belegte den zweiten Platz (Caucasian Knot 30.8.2019).

Im Jahr 2019 liegt die Gesamtopferzahl des Konfliktes im Nordkaukasus [Anm.: durch Addieren aller Quartalsberichte von Caucasian Knot] bei 44 Personen, davon wurden 31 getötet (Caucasian Knot 9.9.2019, Caucasian Knot 14.9.2019, Caucasian Knot 18.12.2019, Caucasian Knot 11.3.2020).

Quellen:

?        AA - Auswärtiges Amt (13.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, https://www.ecoi.net/en/file/local/1458482/4598_1551701623_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-russischen-foederation-stand-dezember-2018-13-02-2019.pdf, Zugriff 19.3.2020

?        Caucasian Knot (30.8.2019): In 2018, the count of conflict victims in Northern Caucasus dropped by 38%, https://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/reduction_number_victims_2018/, Zugriff 19.3.2020

?        Caucasian Knot (9.9.2019): 21 people fell victim to armed conflict in Northern Caucasus in Q1 of 2019, https://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/48385/, Zugriff 19.3.2020

?        Caucasian Knot (14.9.2019): In Quarter 2 of 2019, 10 people fell victim to armed conflict in Northern Caucasus, https://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/48465/, Zugriff 19.3.2020

?        Caucasian Knot (18.12.2019): In 3rd quarter of 2019, seven persons fell victim to armed conflict in Northern Caucasus, https://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/49431/, Zugriff 19.3.2020

?        Caucasian Knot (11.3.2020): Infographics. Statistics of victims in Northern Caucasus in Quarter 4 of 2019 under the data of Caucasian Knot, https://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/50267/, Zugriff 19.3.2020

?        ÖB Moskau (12.2019): Asylländerbericht Russische Föderation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2025975/RUSS_%C3%96B_Bericht_2019_12.pdf, Zugriff 19.3.2020

?        SWP – Stiftung Wissenschaft und Politik (10.2015): Reaktionen auf den »Islamischen Staat« (ISIS) in Russland und Nachbarländern, http://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2015A85_hlb.pdf, Zugriff 19.3.2020

?        SWP – Stiftung Wissenschaft und Politik (4.2017): Russland und der Nordkaukasus im Umfeld des globalen Jihadismus, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2017A23_hlb.pdf, Zugriff 19.3.2020

Tschetschenien

Letzte Änderung: 09.04.2020

Als Epizentrum der Gewalt im Kaukasus galt lange Zeit Tschetschenien. Die Republik ist in der Topographie des bewaffneten Aufstands mittlerweile aber zurückgetreten; angeblich sind dort nur noch kleinere Kampfverbände aktiv. Dafür kämpfen Tschetschenen in zunehmender Zahl an unterschiedlichen Fronten außerhalb ihrer Heimat – etwa in der Ostukraine sowohl auf Seiten pro-russischer Separatisten als auch auf der ukrainischen Gegenseite, sowie in Syrien und im Irak (SWP 4.2015). In Tschetschenien konnte der Kriegszustand überwunden und ein Wiederaufbau eingeleitet werden. In einem Prozess der „Tschetschenisierung“ wurde die Aufstandsbekämpfung im zweiten Tschetschenienkrieg an lokale Sicherheitskräfte delegiert, die sogenannten Kadyrowzy. Diese auf den ersten Blick erfolgreiche Strategie steht aber kaum für nachhaltige Befriedung (SWP 4.2017).

Im Jahr 2018 wurden in Tschetschenien mindestens 35 Menschen Opfer des bewaffneten Konflikts, von denen mindestens 26 getötet und neun weitere verletzt wurden. Unter den Opfern befanden sich drei Zivilisten (zwei getötet, einer verletzt), elf Exekutivkräfte (drei getötet, acht verletzt) und 21 Aufständische (alle getötet). Im Vergleich zu 2017, als es 75 Opfer gab, sank die Gesamtopferzahl 2018 um 53,3% (Caucasian Knot 30.8.2019). 2019 wurden in Tschetschenien im Rahmen des bewaffneten Konflikts sechs Personen getötet und fünf verletzt [Anm.: durch Addieren aller Quartalsberichte von Caucasian Knot] (Caucasian Knot 9.9.2019, Caucasian Knot 14.9.2019, Caucasian Knot 18.12.2019, Caucasian Knot 11.3.2020).

Quellen:

?        Caucasian Knot (30.8.2019): In 2018, the count of conflict victims in Northern Caucasus dropped by 38%, https://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/reduction_number_victims_2018/, Zugriff 19.3.2020

?        Caucasian Knot (9.9.2019): 21 people fell victim to armed conflict in Northern Caucasus in Q1 of 2019, https://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/48385/, Zugriff 19.3.2020

?        Caucasian Knot (14.9.2019): In Quarter 2 of 2019, 10 people fell victim to armed conflict in Northern Caucasus, https://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/48465/, Zugriff 19.3.2020

?        Caucasian Knot (18.12.2019): In 3rd quarter of 2019, seven persons fell victim to armed conflict in Northern Caucasus, https://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/49431/, Zugriff 19.3.2020

?        Caucasian Knot (11.3.2020): Infographics. Statistics of victims in Northern Caucasus in Quarter 4 of 2019 under the data of Caucasian Knot, https://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/50267/, Zugriff 19.3.2020

?        SWP – Stiftung Wissenschaft und Politik (4.2015): Dagestan: Russlands schwierigste Teilrepublik, http://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/studien/2015_S08_hlb_isaeva.pdf, Zugriff 19.3.2020

?        SWP – Stiftung Wissenschaft und Politik (4.2017): Russland und der Nordkaukasus im Umfeld des globalen Jihadismus, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2017A23_hlb.pdf, Zugriff 19.3.2020

Rechtsschutz / Justizwesen

Letzte Änderung: 04.09.2020

Es gibt in der Russischen Föderation Gerichte bezüglich Verfassungs-, Zivil-, Verwaltungs- und Strafrecht. Es gibt den Verfassungsgerichtshof, den Obersten Gerichtshof, föderale Gerichtshöfe und die Staatsanwaltschaft. Die Staatsanwaltschaft ist verantwortlich für Strafverfolgung und hat die Aufsicht über die Rechtmäßigkeit der Handlungen von Regierungsbeamten. Strafrechtliche Ermittlungen werden vom Ermittlungskomitee geleitet (EASO 3.2017). Die russischen Gerichte sind laut Verfassung unabhängig, allerdings kritisieren sowohl internationale Gremien (EGMR – Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, EuR – Europäischer Rat) als auch nationale Organisationen (Ombudsmann, Menschenrechtsrat) regelmäßig Missstände im russischen Justizwesen. Einerseits kommt es immer wieder zu politischen Einflussnahmen auf Prozesse, andererseits beklagen viele Bürger die schleppende Umsetzung von Urteilen bei zivilrechtlichen Prozessen (ÖB Moskau 12.2019). Der Judikative mangelt es auch an Unabhängigkeit von der Exekutive, und berufliches Weiterkommen in diesem Bereich ist an die Einhaltung der Präferenzen des Kremls gebunden (FH 4.3.2020).

In Strafprozessen kommt es nur sehr selten zu Freisprüchen der Angeklagten. Am 1. Oktober 2019 trat eine Reform des russischen Gerichtswesens in Kraft, mit der eigene Gerichte für Berufungs-und Kassationsverfahren geschaffen wurden, sowie die Möglichkeit von Sammelklagen eingeführt wurde. Wenngleich diese Reformen ein Schritt in die richtige Richtung sind, bleiben grundlegende Mängel des russischen Gerichtswesens bestehen (z.B. de facto „Schuldvermutung“ im Strafverfahren, informelle Einflussnahme auf die Richter, etc.). Laut einer Umfrage des Lewada-Zentrums über das Vertrauen der Bevölkerung in die staatlichen Institutionen Ende 2018 rangieren die Gerichte, die Staatsanwaltschaft und die Polizei eher im unteren Bereich. 33% der Befragten zweifeln daran, dass man den Gerichten vertrauen kann, 25% sind überzeugt, dass die Gerichte das Vertrauen der Bevölkerung nicht verdienen und nur 28% geben an, ihnen zu vertrauen (ÖB Moskau 12.2019). Der Kampf der Justiz gegen Korruption steht mitunter im Verdacht einer Instrumentalisierung aus wirtschaftlichen bzw. politischen Gründen (ÖB Moskau 12.2019; vgl. AA 13.2.2019). So wurde in einem aufsehenerregenden Fall der amtierende russische Wirtschaftsminister Alexej Uljukaew im November 2016 verhaftet und im Dezember 2017 wegen Korruptionsvorwürfen seitens des mächtigen Leiters des Rohstoffunternehmens Rosneft zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt (ÖB Moskau 12.2019).

2010 ratifizierte Russland das 14. Zusatzprotokoll der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), das Änderungen im Individualbeschwerdeverfahren vorsieht. Das 6. Zusatzprotokoll über die Abschaffung der Todesstrafe ist zwar unterschrieben, wurde jedoch nicht ratifiziert. Der russische Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat jedoch das Moratorium über die Todesstrafe im Jahr 2009 bis zur Ratifikation des Protokolls verlängert, sodass die Todesstrafe de facto abgeschafft ist. Auch das Römer Statut des Internationalen Strafgerichtshofs wurde von Russland nicht ratifiziert. Spannungsgeladen ist das Verhältnis der russischen Justiz zu den Urteilen des EGMR. Moskau sieht im EGMR ein politisiertes Organ, das die Souveränität Russlands untergraben möchte (ÖB Moskau 12.2019). Im Juli 2015 stellte der russische Verfassungsgerichtshof klar, dass bei einer der russischen Verfassung widersprechenden Konventionsauslegung seitens des EGMR das russische Rechtssystem aufgrund der Vorrangstellung des Grundgesetzes gezwungen sein wird, auf die buchstäbliche Befolgung der Entscheidung des Straßburger Gerichtes zu verzichten. Diese Position des Verfassungsgerichtshofs wurde im Dezember 2015 durch ein Föderales Gesetz unterstützt, welches dem VfGH das Recht einräumt, Urteile internationaler Menschenrechtsinstitutionen nicht umzusetzen, wenn diese nicht mit der russischen Verfassung in Einklang stehen (ÖB Moskau 12.2019; vgl. AA 13.2.2019, USDOS 11.3.2020). Der russische Verfassungsgerichtshof zeigt sich allerdings um grundsätzlichen Einklang zwischen internationalen gerichtlichen Entscheidungen und der russischen Verfassung bemüht. Mit Ende 2018 waren beim EGMR 11.750 Anträge aus Russland anhängig. Im Jahr 2018 wurde die Russische Föderation in 238 Fällen wegen einer Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verurteilt. Besonders zahlreich sind Konventionsverstöße wegen unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung und Verstöße gegen das Recht auf Leben, insbesondere im Zusammenhang mit dem bewaffneten Konflikt in Tschetschenien oder der Situation in den russischen Gefängnissen. Außerdem werden Verstöße gegen das Recht auf Freiheit und Sicherheit, das Recht auf ein faires Verfahren und das Recht auf ein wirksames Rechtsmittel gerügt (ÖB Moskau 12.2019).

Am 10.2.2017 fällte das Verfassungsgericht eine Entscheidung zu Artikel 212.1 des Strafgesetzbuchs, der wiederholte Verstöße gegen das Versammlungsrecht als Straftat definiert. Die Richter entschieden, die Abhaltung einer „nichtgenehmigten“ friedlichen Versammlung allein stelle noch keine Straftat dar. Am 22.2.2017 überprüfte das Oberste Gericht das Urteil gegen den Aktivisten Ildar Dadin, der wegen seiner friedlichen Proteste eine Freiheitsstrafe auf Grundlage von Artikel 212.1. erhalten hatte, und ordnete seine Freilassung an. Im Juli 2017 trat eine neue Bestimmung in Kraft, wonach die Behörden Personen die russische Staatsbürgersch

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten