TE Bvwg Erkenntnis 2021/6/1 W251 2211132-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.06.2021
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Entscheidungsdatum

01.06.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch


W251 2211132-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Angelika SENFT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Somalia, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.11.2018, Zl. 1202569208-180761570, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein männlicher Staatsangehöriger Somalias, stellte am 10.08.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Am 11.08.2018 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Dabei gab er zu seinen Fluchtgründen befragt an, dass er mehrmals von der Al-Shabaab kontaktiert worden sei. Sie haben mehrere Jugendliche in der Gegend zwangsrekrutiert und haben auch ihn rekrutieren wollen. Er habe nicht zur Al-Shabaab wollen. Da ihn diese getötet hätten, habe er Somalia verlassen.

3. Am 12.11.2018 fand die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) statt. Der Beschwerdeführer gab im Wesentlichen an, dass er von einem Mann namens Hussein kontaktiert worden sei, der ihn aufgefordert habe, zu einer Person namens „ XXXX “ zu kommen. Dieser habe ihn aufgefordert, ihn und seine Gruppe zu unterstützen. Etwa fünf Monate später sei er erneut kontaktiert und zur Teilnahme an einem Training aufgefordert worden. Da er an dem Training nicht habe teilnehmen wollen, habe seine Mutter die Flucht für ihn organisiert. Die Männer der Al-Shabaab seien zu seiner Mutter nach Hause gekommen, und haben nach dem Beschwerdeführer gefragt und gedroht, ihn zu bestrafen, wenn sie ihn finden. Sein Vater sei umgebracht worden, da er sich geweigert habe, seinen Bruder zu Al-Shabaab zu bringen.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz zur Gänze ab (Spruchpunkte I. und II.) und erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.). Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Somalia zulässig sei (Spruchpunkte IV. und V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung eingeräumt (Spruchpunkt VI.).

Begründend führte das Bundesamt aus, dass der Beschwerdeführer seine Fluchtgründe nicht habe glaubhaft machen können. Es drohe dem Beschwerdeführer auch keine Gefahr, die die Erteilung eines subsidiären Schutzes rechtfertigen würde. Der Beschwerdeführer verfüge in Österreich zudem über kein schützenswertes Privat- und Familienleben, welches einer Rückkehrentscheidung entgegenstehen würde.

5. Der Beschwerdeführer erhob gegen den Bescheid fristgerecht Beschwerde und brachte im Wesentlichen vor, dass sich der angefochtene Bescheid in weiten Teilen in einer Aneinanderreihung von Textbausteinen erschöpfe, die sich aber nur teilweise auf das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführer beziehen. Hinsichtlich der widersprüchlichen geographischen Angaben sei anzumerken, dass der Beschwerdeführer keine Landkarte lesen könne. Der Beschwerdeführer sei bei seiner Rückkehr einer Bedrohung durch Al-Shabaab ausgesetzt.

6. Mit Schreiben seiner Vertreterin vom 27.04.2021 erstattete der Beschwerdeführer eine Stellungnahme zu den eingebrachten Länderberichten und beantragte, seine Ehefrau als Zeugin einzuvernehmen.

7. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 29.04.2021 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die somalische Sprache und im Beisein der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers eine mündliche Verhandlung durch.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

1.1.1. Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX . Er ist somalischer Staatsangehöriger und bekennt sich zum sunnitisch-muslimischen Glauben. Er spricht Somali als Muttersprache, ist traditionell islamisch verheiratet und kinderlos (AS 13, 59; Verhandlungsprotokoll vom 29.04.2021 = VP S. 9f).

1.1.2. Der Beschwerdeführer ist Angehöriger des Clans der Sheikal, Subclan Lobogi, Subsubclan XXXX (AS 15, 59; VP S. 8).

1.1.3. Der Beschwerdeführer wurde nicht in der Stadt XXXX geboren oder ist dort aufgewachsen. Sein Herkunftsort in Somalia konnte nicht festgestellt werden. (AS 59 f, 66; VP S. 6 ff).

1.1.4. Der Beschwerdeführer hat 12 Jahre die Schule besucht (AS 15, 59; VP S. 10). Er hat keine Berufsausbildung. Er hat auf dem landwirtschaftlich betriebenen Feld der Familie gearbeitet (AS 60; VP S. 10 f).

1.1.5. Der Vater des Beschwerdeführers ist bereits verstorben. Er hat neben seiner Mutter noch vier Brüder und sechs Schwestern (AS 17, 60; VP S. 12). Der Beschwerdeführer hat nach wie vor Kontakt zu seiner Mutter in Somalia.

1.1.6. Der Beschwerdeführer reiste im Sommer 2017 aus seinem Herkunftsstaat aus (AS 60; VP S. 10 ff). Er ist unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich eingereist und stellte am 10.08.2018 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

1.1.7. Der Beschwerdeführer leidet an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten. Er ist arbeitsfähig (AS 58; VP S. 4, 14). Er gehört keiner COVID-19 Risikogruppe an und weißt diesbezüglich auch keine Dispositionen auf.

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Das vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Verfolgungsvorbringen kann nicht festgestellt werden.

1.2.1. Der Beschwerdeführer wurde von Al-Shabaab nicht zur Zusammenarbeit aufgefordert, zwangsrekrutiert oder bedroht.

1.2.2. Der Beschwerdeführer hat Somalia weder aus Furcht vor Eingriffen in seine körperliche Integrität noch wegen Lebensgefahr verlassen.

Im Falle der Rückkehr nach Somalia droht dem Beschwerdeführer weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch die Al Shabaab oder durch andere Personen.

1.2.3. Der Beschwerdeführer hatte in Somalia selber keine konkret und individuell gegen ihn gerichteten Probleme aufgrund seiner Clanzugehörigkeit.

1.3. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Dem Beschwerdeführer droht bei einer Rückkehr nach Somalia kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit.

Der Beschwerdeführer kann dort grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Der Beschwerdeführer ist mit den Gepflogenheiten in Somalia vertraut. Der Beschwerdeführer verfügt über eine Schulbildung und Berufserfahrung und ist arbeitsfähig Er kann selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen und von seiner Familie finanziell unterstützt werden.

Der Beschwerdeführer kann zudem Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen.

Es ist dem Beschwerdeführer möglich nach anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Rückkehr nach Somalia wieder Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.

Dem Beschwerdeführer droht auch bei einer Ansiedlung in der Stadt Mogadischu kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit. Er kann sich auch in der Stadt Mogadischu ansiedeln, dort Fuß fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.

1.4. Zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

Der Beschwerdeführer ist seit seiner Antragsstellung am 10.08.2018 aufgrund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG in Österreich durchgehend rechtmäßig aufhältig.

Der Beschwerdeführer hat einen Werte- und Orientierungskurs des ÖIF (Beilage ./B) und das Modul „Sicherheit & Polizei“ (Beilage ./A) besucht. Er verfügt über sehr geringe Deutschkenntnisse (VP S. 13 f).

Der Beschwerdeführer geht keiner beruflichen Tätigkeit nach und lebt von der Grundversorgung (Beilage ./I, VP S. 14).

Er war nicht Mitglied in Verein und ist keiner gemeinnützigen Tätigkeit nachgegangen (VP S. 14 f).

Der Beschwerdeführer hat keine wesentlichen freundschaftlichen Kontakte oder Bekanntschaften in Österreich knüpfen können (VP S. 14 f). Er hat in Österreich am 14.12.2020 eine somalische Staatsangehörige, die in Österreich lebt, traditionell nach islamischen Ritus geheiratet. Er ist in Österreich nicht standesamtlich verheiratet (VP S. 15). Der Beschwerdeführer und seine Frau wohnen nicht in einer gemeinsamen Wohnung (VP S. 21). Es besteht kein Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Frau.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten (Beilage ./I).

1.5. Zur maßgeblichen Situation in Somalia:

Die Länderfeststellungen zur Lage in Somalia basieren auf nachstehenden Quellen:

-        Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA zu Somalia vom 31.03.2021 (LIB)

-        FFM Report Somalia, Sicherheitslage in Somalia, August 2017 (FFM),

-        Focus Somalia Clans und Minderheiten vom 31.05.2017 (Focus Somalia),

-        ACCORD Themendossier humanitäre Lage in Somalia, vom 22.02.2021 (ACCORD)

-        FSNAU-FEWS Net, Post Deyr Technical Release, 04.02.2021 (FSNAU)

1.5.1. Politische Situation

Somalia ist faktisch zweigeteilt in die somalischen Bundesstaaten und Somaliland, einen selbst ausgerufenen unabhängigen Staat, der international nicht anerkannt wird (LIB, Kapitel Politische Lage).

Seit dem Zusammenbruch des Staates 1991 war Süd-/Zentralsomalia immer wieder von gewaltsamen Konflikten betroffen. Somalia hat bei der Bildung eines funktionierenden Bundesstaates Fortschritte erzielt, staatliche und regionale Regierungsstrukturen wurden etabliert, auf vielen Gebieten wurden große Fortschritt erzielt. Somalia hat den Zustand eines failed state überwunden, bleibt aber ein fragiler Staat. Die vorhandenen staatlichen Strukturen sind sehr schwach, es gibt keine flächendeckende effektive Staatsgewalt (LIB, Kapitel Politische Lage).

Somalia befindet sich in einer schweren Verfassungs- und politischen Krise. Das Versagen, einen Kompromiss zu finden, hat nicht nur den demokratischen Prozess unterminiert, es hat die Sicherheit Somalias vulnerabel gemacht. Denn al Shabaab hat sich die politische Krise zu Nutzen gemacht und die Angriffe seit Anfang 2021 verstärkt (LIB, Kapitel Politische Lage).

Es konnten neue Bezirks- und Regionalverwaltungen etabliert werden. Neben Puntland wurden in den letzten Jahren vier neue Bundesstaaten geschaffen: Galmudug, Jubaland, South-West State (SWS) und HirShabelle. Somaliland wird als sechster Bundesstaat erachtet. Offen sind noch der finale Status und die Grenzen der Hauptstadtregion Benadir/Mogadischu (LIB, Kapitel Politische Lage).

Die Bildung der Bundesstaaten erfolgte im Lichte der Clanbalance: Galmudug und HirShabelle für die Hawiye; Puntland und Jubaland für die Darod; der SWS für die Rahanweyn; Somaliland für die Dir. Allerdings finden sich in jedem Bundesstaat Clans, die mit der Zusammensetzung ihres Bundesstaates unzufrieden sind, weil sie plötzlich zur Minderheit wurden (LIB, Kapitel Politische Lage).

1.5.2. Sicherheitslage

Während Somaliland die meisten der von ihm beanspruchten Teile kontrolliert, ist die Situation in Puntland und – in noch stärkerem Ausmaß – in Süd-/Zentralsomalia komplexer, wo die Sicherheitslage instabil bzw. volatil bleibt (LIB, Kapitel Sicherheitslage).

AMISOM hält in Kooperation mit der somalischen Armee, regionalen Sicherheitskräften sowie mit regionalen und lokalen Milizen die Kontrolle über die seit 2012 eroberten Gebiete. Während die somalische Regierung und ihre Alliierten zwar im Großen und Ganzen territoriale Gewinne verzeichnen und die Kontrolle über die meisten Städte halten können, ist es ihnen nicht gelungen, die Kontrolle in ländliche Gebiete auszudehnen. Die Kontrolle der somalischen Bundesregierung ist im Wesentlichen auf Mogadischu beschränkt; die Kontrolle anderer urbaner und ländlicher Gebiete liegt bei den Regierungen der Bundesstaaten, welche der Bundesregierung de facto nur formal unterstehen (LIB, Kapitel Sicherheitslage Süd-/Zentralsomalia, Puntland).

Zusätzlich gibt es in Süd-/Zentralsomalia große Gebiete, wo unterschiedliche Parteien Einfluss ausüben; oder die von niemandem kontrolliert werden; oder deren Situation unklar ist (LIB, Kapitel Sicherheitslage Süd-/Zentralsomalia, Puntland).

In Mogadischu und den meisten anderen großen Städten hat al Shabaab keine Kontrolle, jedoch eine Präsenz. Dahingegen übt al Shabaab über weite Teile des ländlichen Raumes Kontrolle aus. Al Shabaab kontrollierte im Jahr 2019 so viel Land, wie schon seit dem Jahr 2010 nicht mehr. Man rechnet mit 20% des gesamten Staatsterritoriums. Die somalische Regierung und AMISOM können keinen Schutz vor allgemeiner oder terroristischer Kriminalität im Land garantieren. Generell ist die Regierung nicht in der Lage, für Sicherheit zu sorgen. Dafür ist sie in erster Linie auf AMISOM, aber auch auf Unterstützung durch die USA – angewiesen. Dies wird sich in den nächsten Jahren nicht ändern (LIB, Kapitel Sicherheitslage Süd-/Zentralsomalia, Puntland).

In den Jahren 2018 und 2019 war die Zahl an Vorfällen zunächst rückläufig – v.a. wegen der intensivierten Operationen gegen al Shabaab. Die Gruppe konnte dabei aus einigen strategisch wichtigen Punkten vertrieben werden. Die Zahl an zivilen Opfern durch Sprengstoffanschläge ging demnach 2020 gegenüber 2019 um 50% zurück. Im Jahr 2020 haben sich aber zuletzt die Angriffe auf somalische Kräfte und AMISOM wieder gemehrt. Dies kann direkt mit den politischen Streitigkeiten zwischen Bund und Bundesstaaten in Zusammenhang gebracht werden, da dadurch für den Kampf gegen al Shabaab notwendige Ressourcen umgeleitet wurden. Aufgrund des politischen Streits rund um das Ende der Präsidentschaft Farmajos ist die Sicherheitslage in einer Abwärtsspirale. Sicherheitskräfte haben teilweise seit Monaten keinen Sold erhalten und halten sich in Mogadischu und anderen Landesteilen an der Bevölkerung schadlos. Ein weiteres Zurückdrängen von al Shabaab durch AMISOM kann auf der aktuellen Grundlage nicht erwartet werden (LIB, Kapitel Sicherheitslage Süd-/Zentralsomalia, Puntland).

Ein Vordringen größerer Kampfverbände der al Shabaab in unter Kontrolle der Regierung stehende Städte kommt nur in seltenen Fällen vor. Bisher wurden solche Penetrationen innert Stunden durch AMISOM und somalische Verbündete beendet. Eine Infiltration der Städte durch verdeckte Akteure von al Shabaab kommt in manchen Städten vor. Städte mit konsolidierter Sicherheit – i.d.R. mit Stützpunkten von Armee und AMISOM – können von al Shabaab zwar angegriffen, aber nicht eingenommen werden (LIB, Kapitel Sicherheitslage Süd-/Zentralsomalia, Puntland).

Al Shabaab führt nach wie vor eine effektive Rebellion und bleibt die signifikanteste Bedrohung für Frieden und Sicherheit. Die Gruppe führt ihren Kampf mit zunehmender Intensität und Häufigkeit. Die Angriffe auf sogenannte high-profile-Ziele in Mogadischu und anderswo wurden verstärkt. Angriffe gelten Regierungseinrichtungen, Behördenmitarbeitern, Sicherheitskräften, internationalen Partnern und öffentlichen Plätzen – z.B. Restaurants und Hotels. Al Shabaab führt weiterhin regelmäßige Angriffe auf Regierungsstellungen durch (LIB, Kapitel Sicherheitslage Süd-/Zentralsomalia, Puntland).

1.5.3. Mogadischu:

Mogadischu bleibt weiterhin unter Kontrolle der Regierung und AMISOM. Generell hat sich die Lage für die Zivilbevölkerung in den vergangenen Jahren verbessert. Die Regierung unternimmt einiges, um die Sicherheit in der Stadt zu verbessern. So wurden etwa 20 zusätzliche Checkpoints errichtet und im Zeitraum November 2019 bis Jänner 2020 190 gezielte Sicherheitsoperationen durchgeführt. Die Kapazitäten der Sicherheitsbehörden in Mogadischu haben sich verbessert, sie können nunmehr Gebiete kontrollieren, in welchen al Shabaab zuvor ungehindert agieren konnte (LIB, Kapitel Sicherheitslage Mogadischu).

Allerdings werden solche Maßnahmen nicht permanent aufrechterhalten; werden sie aber vernachlässigt, steigt auch wieder die Zahl an Anschlägen durch al Shabaab. Die Checkpoints wurden teilweise wieder abgebaut. Zudem haben Teile der Sicherheitskräfte seit Monaten keinen Sold erhalten, im Feber 2021 hielten sich Soldaten in Mogadischu an den Bewohnern schadlos. In Mogadischu kommt es immer wieder auch zu Auseinandersetzungen der somalischen Sicherheitskräfte untereinander, bei denen nicht selten auch Unbeteiligte zu Schaden kommen. Insgesamt ist die Sicherheitslage in Mogadischu ständigen Änderungen unterworfen (LIB, Kapitel Sicherheitslage Mogadischu).

Es gilt als höchst unwahrscheinlich, dass al Shabaab die Kontrolle über Mogadischu zurückerlangt. Bei einem Abzug von AMISOM aus Mogadischu droht hingegen die Rückkehr von al Shabaab (LIB, Kapitel Sicherheitslage Mogadischu).

In Mogadischu betreibt al Shabaab nahezu eine Schattenregierung: Betriebe werden eingeschüchtert und „besteuert“ und eigene Gerichte sprechen Recht. Jedenfalls verfügt al Shabaab über großen Einfluss in Mogadischu und ist in der Lage, nahezu im gesamten Stadtgebiet verdeckte Operationen durchzuführen bzw. Steuern und Abgaben einzuheben (LIB, Kapitel Sicherheitslage Mogadischu).

Für Mogadischu selbst gilt die IPC-Stufe 2 (stressed); für IDP’s (Banadir) die IPC-Stufe 3 (crisis) (FSNAU).

Mogadischu ist über einen internationalen Flughafen sicher erreichbar (LIB Kapitel Rückkehr). Mogadischu verfügt über einige Gesundheitseinrichtungen, Spitäler und Kliniken (LIB Kapitel Medizinische Versorgung).

Die (Clan-)Zusammensetzung der Bevölkerung von Mogadischu ist sehr heterogen. Dort können sich Angehörige jedes Clans niederlassen. Zudem gibt aus Mogadischu keine Meldungen hinsichtlich erheblichen Problemen bei der Bewegungsfreiheit (LIB Kapitel Bewegungsfreiheit).

1.5.4. Al-Shabaab:

Die Gruppe ist weiterhin eine gut organisierte und einheitliche Organisation mit einer strategischen Vision: der Eroberung Somalias. Allerdings wandelt sich al Shabaab langsam zu einer mafiösen Entität, bei der das Eintreiben von „Steuern“ über den bewaffneten Kampf gestellt wird (LIB, Kapitel Al Shabaab)

Die Menschen auf dem Gebiet von al Shabaab sind einer höchst autoritären und repressiven Herrschaft unterworfen. Die Gruppe versucht, alle Aspekte des öffentlichen und privaten Lebens der Menschen zu kontrollieren. Die mit der Nichtbefolgung strenger Vorschriften verbundenen harten Bestrafungen haben ein generelles Klima der Angst geschaffen. Dadurch kann al Shabaab die Bevölkerung kontrollieren, rekrutieren, Gebiete kontrollieren, Steuern eintreiben und ihre Gesetze durchsetzen (LIB, Kapitel Al Shabaab).

In den von ihr kontrollierten Gebieten verfügt al Shabaab über effektive Verwaltungsstrukturen, eine Art von Rechtsstaatlichkeit und eine effektive Polizei. Die Verwaltung von al Shabaab wurzelt auf zwei Grundsätzen: Angst und Berechenbarkeit (LIB, Kapitel Al Shabaab).

Zwangsrekrutierung: In Mogadischu besteht kein Risiko, von al Shabaab zwangsrekrutiert zu werden. Aus einigen Gegenden flüchten junge Männer sogar nach Mogadischu, um sich einer möglichen (Zwangs-)Rekrutierung zu entziehen (LIB, Kapitel Sicherheitslage Mogadischu).

Hauptrekrutierungsbereich von al Shabaab ist Süd-/Zentralsomalia. Dabei versucht die Gruppe junge Männer durch Überzeugungsarbeit, ideologische und religiöse Beeinflussung und finanzielle Versprechen anzulocken. Jene, die arbeitslos, arm und ohne Aussicht sind, können trotz fehlenden religiösem Verständnis auch schon durch kleine Summen motiviert werden. Für manche Kandidaten spielen auch Rachegefühle gegen Gegner der al Shabaab eine Rolle (LIB, Kapitel Zwangsrekrutierung und Kindersoldaten).

Verweigerung: Üblicherweise richtet al Shabaab ein Rekrutierungsgesuch an einen Clan oder an ganze Gemeinden und nicht an Einzelpersonen. Die meisten Rekruten werden über Clans rekrutiert. Es wird also mit den Ältesten über neue Rekruten verhandelt. Dabei wird mitunter auch Druck ausgeübt. Kommt es bei diesem Prozess zu Problemen, dann bedeutet das nicht notwendigerweise ein Problem für den einzelnen Verweigerer, denn die Konsequenzen einer Rekrutierungsverweigerung trägt üblicherweise der Clan. Damit al Shabaab die Verweigerung akzeptiert, muss eine Form der Kompensation getätigt werden. Entweder der Clan oder das Individuum zahlt oder aber die Nicht-Zahlung wird durch Rekruten kompensiert. So gibt es also für Betroffene manchmal die Möglichkeit des Freikaufens. Diese Wahlmöglichkeit ist freilich nicht immer gegeben. In den Städten liegt der Fokus der al Shabab eher auf dem Eintreiben von Steuern, in ländlichen Gebieten auf der Aushebung von Rekruten. Es besteht die Möglichkeit, dass einem Verweigerer bei fehlender Kompensationszahlung die Exekution droht. Insgesamt finden sich allerdings keine Beispiele dafür, wo al Shabaab einen Rekrutierungsverweigerer exekutiert hat (LIB, Kapitel Zwangsrekrutierung und Kindersoldaten).

1.5.5. Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates:

Im somalischen Kulturraum existieren drei Rechtsquellen: traditionelles Recht (Xeer), islamisches Schariarecht (v.a. für familiäre Angelegenheiten) sowie formelles Recht. Bürger wenden sich aufgrund der Mängel im formellen Justizsystem oft an die traditionelle oder die islamische Rechtsprechung. Der mangelnde (Rechts-)Schutz durch die Regierung führt dazu, dass sich Staatsbürger der Schutzgelderpressung durch al Shabaab beugen (LIB, Kapitel Rechtsschutz, Justizwesen).

Staatlicher Schutz ist auch im Falle von Clankonflikten von geringer Relevanz, die „Regelung“ wird grundsätzlich den Clans selbst überlassen. Aufgrund der anhaltend schlechten Sicherheitslage sowie mangels Kompetenz der staatlichen Sicherheitskräfte und Justiz muss der staatliche Schutz in Zentral- und Südsomalia als schwach bis nicht gegeben gesehen werden. Staatliche Sicherheitskräfte können und wollen oftmals nicht in Clankonflikte eingreifen. Befinden sich Angehörige eines bestimmten Clans oder von Minderheiten in Gefahr oder sind diese bedroht, kann nicht davon ausgegangen werden, dass Zugang zu effektivem staatlichem Schutz gewährleistet ist (LIB, Kapitel Rechtsschutz, Justizwesen).

1.5.6. Clanstruktur:

Die Zugehörigkeit zu einem Clan ist der wichtigste identitätsstiftende Faktor für Somalis. Sie bestimmt, wo jemand lebt, arbeitet und geschützt wird. Darum kennen Somalis üblicherweise ihre exakte Position im Clansystem (LIB, Kapitel Minderheiten und Clans).

Die Clanfamilien unterteilen sich in die Ebenen der Clans, Sub(sub)clans, Lineages und die aus gesellschaftlicher Sicht bei den nomadischen Clans wichtigste Ebene, die sogenannte Mag/Diya (Blutgeld/Kompensation) zahlenden Gruppe (Jilib), die für Vergehen Einzelner gegen das traditionelle Gesetz (Xeer) Verantwortung übernimmt (Focus, S. 8 f, LIB Kapitel Rechtsschutz und Justizwesen).

Clanschutz bedeutet für eine Einzelperson die Möglichkeit vom eigenen Clan gegenüber einem Aggressor von außerhalb des Clans geschützt zu werden. Die Rechte einer Gruppe werden durch Gewalt oder die Androhung von Gewalt geschützt. Ein Jilib oder Clan muss in der Lage sein, Kompensation zu zahlen - oder zu kämpfen. Schutz und Verletzlichkeit einer Einzelperson sind deshalb eng verbunden mit der Macht ihres Clans. Generell - aber nicht überall - funktioniert Clanschutz besser als der Schutz durch Staat oder Polizei. Darum aktivieren Somalis im Konfliktfall (Verbrechen, Streitigkeit etc.) tendenziell eher Clanmechanismen. Durch dieses System der gegenseitigen Abschreckung werden Kompensationen üblicherweise auch ausbezahlt (LIB, Kapitel Rechtsschutz und Justizwesen).

Die sogenannten „noblen“ Clanfamilien können (nach eigenen Angaben) ihre Abstammung auf mythische gemeinsame Vorfahren und den Propheten Mohammed zurückverfolgen. Die meisten Minderheiten sind dazu nicht in der Lage. Als "noble" Clanfamilien gelten die traditionell nomadischen Hawiye, Darod, Dir und Isaaq sowie die sesshaften Digil und Mirifle/Rahanweyn. Alle Mehrheitsclans sowie ein Teil der ethnischen Minderheiten – nicht aber die berufsständischen Gruppen – haben ihr eigenes Territorium. Dessen Ausdehnung kann sich u. a. aufgrund von Konflikten verändern (LIB, Kapitel Bevölkerungsstruktur).

In Mogadischu verfügen die Hawiye-Clans Abgaal, Habr Gedir und teilweise auch Murusade über eine herausragende Machtposition. Allerdings leben in der Stadt Angehörige aller somalischen Clans, auch die einzelnen Bezirke sind diesbezüglich meist heterogen (LIB, Kapitel Bevölkerungsstruktur).

Als Minderheiten werden jene Gruppen bezeichnet, die aufgrund ihrer geringeren Anzahl schwächer als die „noblen“ Mehrheitsclans sind. Dazu gehören Gruppen anderer ethnischer Abstammung; Gruppen, die traditionell als unrein angesehene Berufe ausüben; sowie die Angehörigen „nobler“ Clans, die nicht auf dem Territorium ihres Clans leben oder zahlenmäßig klein sind (LIB, Kapitel Bevölkerungsstruktur).

Ashraf und Sheikhal werden als religiöse Clans bezeichnet. Die Ashraf beziehen ihren religiösen Status aus der von ihnen angegebenen Abstammung von der Tochter des Propheten; die Sheikhal aus einem vererbten religiösen Status. Beide Clans werden traditionell respektiert und von den Clans, bei welchen sie leben, geschützt. Die Sheikhal sind außerdem eng mit dem Clan der Hawiye/Hirab assoziiert und nehmen sogar einige Sitze der Hawiye im somalischen Parlament ein. Ein Teil der Ashraf lebt als Teil der Benadiri in den Küstenstädten, ein Teil als Clan der Digil-Mirifle in den Flusstälern von Bay und Bakool (LIB Kapitel Ethnische Minderheiten).

Aufgrund der großen sozialen, wirtschaftlichen und politischen Bedeutung der Clans ist es auch heute für Somalier im somalischen Kulturraum essentiell und in der Diaspora zumindest nicht irrelevant, sich in diesem System verorten zu können (Focus, S. 20). Jüngere Somalier im urbanen Raum oder in der Diaspora sind heute häufig nur noch in der Lage, ihre Clanzugehörigkeit bis zur Stufe Sub-Clan sowie vier oder fünf Generationen im Abtirsiimo (Abstammungslinie) aufzuzählen. Es kommt aber selbst bei jungen Somalier in der Diaspora nicht vor, dass sie gar keine Ahnung von ihrem Clan und ihrem Abtirsiimo haben. Sogar wenn sie sich für das Clansystem nicht interessieren, können sie zumindest ihren Clan und Sub-Clan sowie den Abtirsiimo bis zum Urgroßvater nennen. Fast alle Somalier kennen zumindest ihren Clan-Ältesten (Focus, S. 24).

1.5.7. Grundversorgung:

Die somalische Wirtschaft hat mit dem dreifachen Schock aus Covid-19, einer Heuschreckenplage und Überschwemmungen zu kämpfen. Dabei hat sich die Wirtschaft als resilienter erwiesen, als zuvor vermutet. Trotzdem bleibt die somalische Wirtschaft im Allgemeinen weiterhin fragil. Dies hängt mit der schmalen Wirtschaftsbasis zusammen. Die Mehrheit der Bevölkerung ist von Landwirtschaft und Fischerei abhängig und dadurch externen und Umwelteinflüssen besonders ausgesetzt (LIB Kapitel Grundversorgung).

Es gibt kein nationales Mindesteinkommen. In einer von Jahrzehnten des Konflikts zerrütteten Gesellschaft hängen die Möglichkeiten des Einzelnen generell sehr stark von seinem eigenen und vom familiären Hintergrund sowie vom Ort (Stadt-Land- und Nord-Süd-Gefälle) ab. Generell zeigt vor allem die urbane Ökonomie in Somalia – allen voran in Mogadischu – eine Erholung. Es gibt einen Bau-Boom. Supermärkte, Restaurants und Geschäfte werden eröffnet. Alleine der Telekom-Konzern Hormuud Telecom hat in den vergangenen Jahren tausende Arbeitsplätze geschaffen und beschäftigt heute mehr als 20.000 Frauen und Männer. In Puntland und Teilen Südsomalias – insbesondere Mogadischu – boomt der Bildungsbereich (LIB Kapitel Grundversorgung).

Einerseits wird berichtet, dass die Arbeitsmöglichkeiten für Flüchtlinge, Rückkehrer und andere vulnerable Personengruppen limitiert sind. Andererseits wird ebenso berichtet, dass die besten Jobs oft an Angehörige der Diaspora fallen – etwa wegen besserer Sprachkenntnisse. Gerade um eine bessere Arbeit zu erhalten, ist man aber auch auf persönliche Beziehungen und das Netzwerk des Clans angewiesen. Dementsprechend schwer tun sich IDPs, wenn sie vor Ort über kein Netzwerk verfügen; meist sind sie ja nicht Mitglieder der lokalen Gemeinde (LIB, Kapitel Grundversorgung).

Viele Menschen leben vom Kleinhandel oder von ihrer Arbeit in Restaurants oder Teehäusern. Allerdings ist eine Arbeit in der Gastwirtschaft mit niedrigem Ansehen verbunden. Die Mehrheitsbevölkerung ist derartige Tätigkeiten sowie jenen auf Baustellen äußerst abgeneigt. Dort finden sich vielmehr marginalisierte Gruppen – z.B. IDPs – die oft auch als Tagelöhner arbeiten.

Die Mehrheit der Bevölkerung lebt von Subsistenzwirtschaft, sei es als Kleinhändler, Viehzüchter oder Bauern. Zusätzlich stellen Remissen für viele Menschen und Familien ein Grundeinkommen dar. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung ist direkt oder indirekt von der Viehzucht abhängig. Die große Masse der werktätigen Männer und Frauen arbeitet in Landwirtschaft, Viehzucht und Fischerei (62,8%). Der nächstgrößere Anteil an Personen arbeitet als Dienstleister oder im Handel (14,1%). 6,9% arbeiten in bildungsabhängigen Berufen (etwa im Gesundheitsbereich oder im Bildungssektor), 4,8% als Handwerker, 4,7% als Techniker, 4,1% als Hilfsarbeiter und 2,3% als Manager (LIB, Kapitel Grundversorgung).

Insgesamt ist das traditionelle Recht (Xeer) ein soziales Sicherungsnetz, eine Art der Sozial- und Unfall- bzw. Haftpflichtversicherung. Die Mitglieder des Qabiil (diya-zahlende Gruppe; auch Jilib) helfen sich bei internen Zahlungen – z.B. bei Krankenkosten – und insbesondere bei Zahlungen gegenüber Außenstehenden aus. Neben der Kernfamilie scheint der Jilib [Anm.: untere Ebene im Clansystem] maßgeblich für die Abdeckung von Notfällen verantwortlich zu sein. Wenn eine Person Unterstützung braucht, dann wendet sie sich an den Jilib oder – je nach Ausmaß – an untere Ebenen (z.B. Großfamilie) (LIB, Kapitel Grundversorgung).

Frauen stoßen immer mehr in ehemals männlich dominierte Wirtschaftsbereiche vor – etwa bei Viehzucht, in der Landwirtschaft und im Handel. Frauen tragen nunmehr oft den Hauptteil zum Familieneinkommen bei. Gerade auch die Hungersnot von 2011 und die Dürre 2016/17 haben den Vorstoß von Frauen in männliche Domänen weiter vorangetrieben. In Süd-/Zentralsomalia und Puntland sind Frauen in 43% der Haushalte mittlerweile die Hauptverdiener (LIB, Kapitel Grundversorgung).

Trotzdem bietet sich für vom Land in Städte ziehende Frauen meist nur eine Tätigkeit als z.B. Wäscherin an, da es diesen Frauen i.d.R. an Bildung und Berufsausbildung mangelt. Allerdings können sie z.B. auch als Kleinhändlerin tätig werden. Sie verkaufen Treibstoff, Milch, Fleisch, Früchte, Gemüse oder Khat auf Märkten oder auf der Straße. 80%-90% des derart betriebenen Handels wird von Frauen kontrolliert. Außerdem arbeiten Frauen in der Landwirtschaft. Andere arbeiten als Dienstmädchen, Straßenverkäuferin, Köchin, Schneiderin, Müllsammlerin oder aber auch auf Baustellen. Für Frauen gibt es auch weiterhin kulturelle Einschränkungen bezüglich der Berufsausübung, z.B. können sie nicht Taxifahrer werden (LIB, Kapitel Grundversorgung).

Für viele Haushalte sind Remissen aus der Diaspora eine unverzichtbare Einnahmequelle. Diese Remissen, die bis zu 40% eines durchschnittlichen Haushaltseinkommens ausmachen, tragen wesentlich zum sozialen Sicherungsnetz bei und fördern die Resilienz der Haushalte (LIB, Kapitel Grundversorgung).

1.5.8. Aktuelle Grundversorgungslage (Nahrungsmittelversorgung, Dürre, Überflutung)

Aufgrund einer schlechten und unregelmäßigen Niederschlagsverteilung, der schweren Überschwemmungen, der Heuschreckenplage und der sozioökonomischen Auswirkungen von COVID-19 und den anhaltenden Konflikten wird erwartet, dass bis zu 2,7 Millionen Menschen in ganz Somalia voraussichtlich bis Mitte 2021 mit Lücken beim Nahrungsmittelkonsum oder der Erschöpfung von Vermögenswerten, die auf eine Krise hindeuten (IPC-Phase 3), konfrontiert sein werden, wenn keine humanitäre Hilfe geleistet wird. Die verfügbaren Prognosen deuten auf eine erhöhte Wahrscheinlichkeit von unterdurchschnittlichen Niederschlägen während der Gu-Saison 2021 (April bis Juni) im größten Teil des Landes hin, was sich nachteilig auf die Ernährungssicherheit und die Ernährungsergebnisse auswirken würde (FSNAU).

Die verzögerte und unregelmäßige Niederschlagsverteilung kennzeichnete die Deyr-Saison von Oktober bis Dezember 2020, was zu unterdurchschnittlichen kumulierten Niederschlägen im größten Teil des Landes führte. Die schlechten Regenfälle führten zu einer unzureichenden Wiederauffüllung der Weide- und Wasserressourcen und zu einer unterdurchschnittlichen Deyr-Pflanzenproduktion. Darüber hinaus verursachte der Zyklon Gati Ende November in den nordöstlichen Küstengebieten erhebliche Schäden und Todesfälle bei Nutztieren, obwohl die Regenfälle letztendlich die trockenen Bedingungen linderten. Des Weiteren verursachten wiederkehrende Überschwemmungen zwischen Juli und Anfang November weitere Vertreibungen der Bevölkerung und beschädigten Ernten und Ackerland in den Flussgebieten der Regionen Hiiraan, Shabelle und Juba. Trotz günstiger Niederschläge in Hagaa/Karan (Juli-September) in agropastoralen und pastoralen Gebieten im Nordwesten konnten die Regenfälle die Ernteverluste nicht ausgleichen, die durch schlechte Gu-Niederschläge (April-Juni 2020) während der Pflanz-, Keim- und Vegetationsperiode verursacht wurden (FSNAU).

Die Getreideproduktion in der Deyr-Saison 2020 in Südsomalia wird auf 78 600 Tonnen geschätzt, was 20 Prozent unter dem Durchschnitt von 1995-2019 liegt. Die Hauptfaktoren für eine unterdurchschnittliche Produktion sind schlechte und unregelmäßige Niederschläge, wiederkehrende Überschwemmungen, Wüstenheuschrecke und Konflikte. Im Nordwesten wird die im November 2020 geerntete Gu/Karan-Getreideproduktion im Jahr 2020 auf 17 100 Tonnen geschätzt, was 58 Prozent unter dem Durchschnitt von 2010-2019 liegt. Dies ist hauptsächlich auf schlechte und unregelmäßige Niederschläge sowie den Befall mit Wüstenheuschrecken und Stängelbohrern sowohl bei Hirse als auch Mais zurückzuführen (FSNAU).

Die ländliche Bevölkerung verzeichnet einen mehrfachen Rückgang der Nahrungsmittel- und Einkommensquellen. In pastoralen Gebieten haben unterdurchschnittliche Niederschläge in Teilen des Nordens, angrenzenden Gebieten Zentral-Somalias, Küstengebieten und der Region Gedo zu Wasserknappheit und Weidemangel geführt, was zu einer atypischen, früher als normalen Migration von Nutztieren in entfernte Weidegebiete führte. Infolgedessen ist die Verfügbarkeit von Milch zum Verzehr und Verkauf begrenzt. Darüber hinaus hat ein starker Rückgang der Viehausfuhren seit August 2020 Pastoralisten und andere Haushalte, die in der Wertschöpfungskette von Nutztieren arbeiten, nachteilig beeinflusst (FSNAU).

In den Gebieten entlang der Flüsse Shabelle und Juba zerstörten wiederkehrende Überschwemmungen Ackerland und Getreide und verdrängten die lokale Bevölkerung, was zu erheblichen Ernteverlusten und Einkommensverlusten durch landwirtschaftliche Beschäftigung führte. Infolgedessen wird ein erheblicher Teil der armen Haushalte in Flussgebieten bis Mitte 2021 auch mit moderaten bis großen Lücken beim Lebensmittelkonsum konfrontiert sein FSNAU).

Die Zahl an Menschen, die in ganz Somalia stark oder sehr stark von Lücken in der Nahrungsmittelversorgung betroffen sind (IPC 3 und höher), ist von 1,3 Millionen Anfang 2020 auf 1,6 Millionen Anfang 2021 angewachsen. Weitere 2,5 Millionen Menschen leiden ebenfalls an Problemen bei der Nahrungsmittelversorgung. Die meisten ländlichen Gebiete fallen im Zeitraum Jänner-März 2021 unter IPC 2, jene in den Regionen Togdheer agro-pastoral, East Golis pastoral (Sanaag) und Coastal Deeh pastoral sowie Middle Shabelle riverine und Lower Juba riverine fallen in IPC 3. Dahingegen befinden sich Southern Inland pastoral (Hiiraan, Shabelle, Bakool, Bay und Juba) sowie Juba Cattle pastoral in IPC 1. Die meisten armen Stadtbewohner („urban poor“) sowie IDPs finden sich in IPC 2; die IDPs in Burco, Laascaanood, Bossaso, Garoowe, Qardho und Baidoa in IPC 3 (LIB Kapitel Grundversorgung).

Für die urbane Bevölkerung in Mogadischu gilt IPC-Stufe 2 (stressed), für IDP-Lager in Mogadischu gilt IPC-Stufe 3 (crisis) (FSNAU).

Am 22. November 2020 ist der Zyklon Gati in Bari, in der halbautonomen Region Puntland, auf Land getroffen. Im Distrikt Iskushuban sind etwa 60.000 Menschen und im Distrikt Bossaso schätzungsweise 40.000 Personen betroffen gewesen. Etwa 90 Prozent der Betroffenen sind IDPs oder Flüchtlinge gewesen, die in flutgefährdeten Gebieten wohnen. 42.000 Personen sind vertrieben worden, jedoch sind fast alle der Vertriebenen bis 30. November 2020 wieder in ihre Herkunftsgebiete zurückgekehrt. Viele der zurückgekehrten Haushalte wohnen jedoch in beschädigten Häusern oder Unterkünften. Der Zyklon hat zudem zu Zerstörung von Vermögenswerten der Lebensgrundlage in bedeutendem Ausmaß geführt. Zusätzlich ist aufgrund der durch den Sturm verursachten Zerstörung der Zugang zu einigen Gebieten in Bari eingeschränkt worden. Dies hat Nahrungsmittellieferungen und Lieferungen anderer Güter an lokale Märkte behindert und hat zu einem Preisanstieg geführt (ACCORD).

Die Löhne für Hilfsarbeiten sind laut im November 2020 veröffentlichtem Market Update der FSNAU im Oktober 2020 in den meisten Regionen Somalias leicht gestiegen, außer in den zentralen Regionen, wo die Löhne leicht zurückgegangen seien. Im Vergleich mit dem Fünfjahresschnitt für den Monat Oktober (2015-2019) ist es zu einem leichten bis moderaten Anstieg in den Regionen Sorghum Belt [Bay, Bakool, Gedo und Hiran], Banadir [Mogadischu] und den zentralen und nördlichen Regionen gekommen. Dies wird der relativen Verbesserung der Arbeitsmöglichkeiten während des Jahres zugeschrieben. Im Jubatal sowie den Shabelle-Regionen sind die Löhne aufgrund der negativen Auswirkungen von Überflutungen und Konflikten auf die saisonalen landwirtschaftlichen Aktivitäten und Arbeit geringer (ACCORD).

45,9 Prozent der beschäftigten Personen ab 15 Jahren sind in der Landwirtschaft tätig. In letzter Zeit ist der Dienstleistungssektor wichtiger geworden, insbesondere Geldüberweisung, Telekommunikation und Baugewerbe. Der Handwerksbereich ist weiterhin träge. Der größte Teil der Beschäftigten sind Hilfsarbeitskräfte (41 Prozent) (ACCORD).

1.5.9. Binnenflüchtlinge (IDPs):

IDPs sind andauernden schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt, ihre besondere Schutzlosigkeit und Hilfsbedürftigkeit werden von allerlei nichtstaatlichen – aber auch staatlichen – Stellen ausgenutzt und missbraucht.

Schläge, Vergewaltigungen, Abzweigung von Nahrungsmittelhilfen, Bewegungseinschränkung und Diskriminierung aufgrund von Clanzugehörigkeit sind an der Tagesordnung; es kommt auch zu Vertreibungen und sexueller Gewalt. Dies trifft in erster Linie Bewohner von IDP-Lagern – in Mogadischu v.a. jene IDPs, die nicht über Clanbeziehungen in der Stadt verfügen. Weibliche IDPs sind hinsichtlich einer Vergewaltigung besonders gefährdet. 2018 betrafen 80 % der gemeldeten Fälle geschlechtsspezifischer Gewalt IDPs. Zu den Tätern gehören bewaffnete Männer und Zivilisten. Für IDPs in Lagern gibt es keinen Rechtsschutz, und es gibt in Lagern auch keine Polizisten, die man im Notfall alarmieren könnte (LIB, Kapitel Binnenflüchtlinge).

In Mogadischu sind die Bedingungen für IDPs in Lagern hart. Oft fehlt es dort an simplen Notwendigkeiten, wie etwa Toiletten. Landesweit fehlen in 80 % der IDP-Lager Wasserstellen – v.a. in Benadir, dem SWS und Jubaland. Die Rate an Unterernährung ist hoch, der Zugang zu grundlegenden Diensten eingeschränkt. Es mangelt ihnen zumeist an Zugang zu genügend Lebensmitteln und akzeptablen Unterkünften. Allerdings ist der Zustand von IDP-Lagern unterschiedlich. Während die neueren meist absolut rudimentär sind, verfügen ältere Lager üblicherweise über grundlegende Sanitär-, Gesundheits- und Bildungseinrichtungen (LIB, Kapitel Binnenflüchtlinge).

1.5.10. Medizinische Versorgung:

Die medizinische Versorgung ist im gesamten Land äußerst mangelhaft. Die Infrastruktur bei der medizinischen Versorgung ist minimal und beschränkt sich meist auf Städte und sichere Gebiete. Die Ausrüstung reicht nicht, um auch nur die grundlegendsten Bedürfnisse der Bevölkerung ausreichend abdecken zu können (LIB, Kapitel Medizinische Versorgung).

In Mogadischu gibt es mindestens zwei Spitäler, die für jedermann zugänglich sind. In manchen Spitälern kann bei Notlage über die Ambulanzgebühr verhandelt werden. Im Gegensatz zu Puntland werden in Süd-/Zentralsomalia Gesundheitseinrichtungen vorwiegend von internationalen NGOs unter Finanzierung von Gebern betrieben. Allerdings sind die öffentlichen Krankenhäuser mangelhaft ausgestattet, was Ausrüstung/medizinische Geräte, Medikamente, ausgebildete Kräfte und Finanzierung angeht. Dabei ist der Standard von Spitälern außerhalb Mogadischus erheblich schlechter (LIB, Kapitel Medizinische Versorgung).

Die Primärversorgung wird oftmals von internationalen Organisationen bereitgestellt und ist für Patienten kostenfrei. Allerdings muss manchmal für Medikamente bezahlt werden. Private Einrichtungen, die spezielle Leistungen anbieten, sind sehr teuer. Medikamente, die Kindern oder ans Bett gebundenen Patienten verabreicht werden, sind kostenlos (LIB, Kapitel Medizinische Versorgung).

An psychiatrischen Spitälern gibt es nur zwei, und zwar in Mogadischu; daneben gibt es drei entsprechende Abteilungen an anderen Spitälern und vier weitere Einrichtungen. Psychisch Kranken haftet meist ein mit Diskriminierung verbundenes Stigma an. Nach wie vor ist das Anketten psychisch Kranker eine weit verbreitete Praxis (LIB, Kapitel Medizinische Versorgung).

Grundlegende Medikamente sind verfügbar, darunter solche gegen die am meisten üblichen Krankheiten sowie jene zur Behandlung von Diabetes, Bluthochdruck, Epilepsie und von Geschwüren. Auch Schmerzstiller sind verfügbar. Medikamente können ohne Verschreibung gekauft werden. Die Versorgung mit Medikamenten erfolgt in erster Linie über private Apotheken. Für Apotheken gibt es keinerlei Aufsicht (LIB, Kapitel Medizinische Versorgung).

1.5.11. Bewegungsfreiheit:

Gesetze schützen das Recht auf Bewegungsfreiheit im Land und das Recht zur Ausreise. Diese Rechte sind in einigen Landesteilen eingeschränkt (LIB, Kapitel Bewegungsfreiheit und Relokation).

Reisende sind durch die zahlreichen, von unterschiedlichen Gruppen betriebenen Straßensperren, an welchen Wegzoll erpresst wird, einer Gefahr ausgesetzt. Neben den Straßensperren kann auch das Aufflammen bewaffneter Auseinandersetzungen ein Risiko darstellen. Viele der Hauptstraßen werden nur teilweise von AMISOM und Armee kontrolliert. Trotzdem bereisen Zivilisten und Wirtschaftstreibende tagtäglich die Überlandverbindungen (LIB, Kapitel Bewegungsfreiheit und Relokation).

In Mogadischu gibt es mehrere hundert permanente oder mobile Kontrollpunkte, dadurch wird die Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Zeitweise sperren Sicherheitskräfte ganze Straßenzüge, wodurch die Bewegungsfreiheit für Menschen und Waren erheblich behindert wird. Insgesamt können sich Menschen in Mogadischu aber unabhängig von ihrer Clanzugehörigkeit frei bewegen und sich niederlassen (LIB, Kapitel Bewegungsfreiheit und Relokation).

Innerstaatliche Fluchtalternativen bestehen jedenfalls für einen Teil der somalischen Bevölkerung. Üblicherweise genießen Somalis den Schutz ihres eigenen Clans, weshalb man davon ausgehen kann, dass sie in Gebieten, in denen ihr Clan Einfluss genießt, grundsätzlich in Sicherheit sind (LIB, Kapitel Bewegungsfreiheit und Relokation).

Die sicherste Arte des Reisens in Süd-/Zentralsomalia ist das Fliegen. Mogadischu kann international erreicht werden (LIB, Kapitel Bewegungsfreiheit und Relokation; Rückkehr).

1.5.12. Rückkehrer:

Schon nach den Jahren 2011 und 2012 hat die Zahl der aus der Diaspora nach Süd-/Zentralsomalia zurückkehrenden Menschen stark zugenommen. Viele lokale Angestellte internationaler NGOs oder Organisationen sind aus der Diaspora zurückgekehrte Somali. Andere kommen nach Somalia auf Urlaub oder eröffnen ein Geschäft. Bis November 2019 sind insgesamt 91.232 Somalis über AVR-Programme des UNHCR zurückgeführt worden, mehrheitlich aus Kenia, aber auch aus Dschibuti, Libyen und dem Jemen (LIB, Kapitel Rückkehr).

Rückkehrer werden nicht von somalischen Behörden misshandelt. Mit technischer und finanzieller Unterstützung haben sich verschiedene westliche Länder über die letzten Jahre hinweg für die Schaffung und anschließende Professionalisierung eines speziell für Rückführung zuständigen Returnee Management Offices (RMO) innerhalb des Immigration and Naturalization Directorates (IND) eingesetzt. Staatliche Repressionen sind nicht die Hauptsorge der Rückkehrer. Rückkehrer werden vom RMO/IND grundsätzlich mit Respekt behandelt. Am Flughafen kann es zu einer Befragung von Rückkehrern durch das RMO hinsichtlich Identität, Nationalität, Familienbezügen sowie zum gewünschten zukünftigen Aufenthaltsort kommen. Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für unbegleitete Minderjährige und andere Rückkehrer (LIB, Kapitel Rückkehrer).

1.5.13. Zur aktuellen Covid-19-Pandemie:

COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet. In Österreich gibt es mit Stand 10.05.2021, 627.683 bestätigte Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen und 10.382 Todesfälle (https://www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus/Neuartiges-Coronavirus-(2019-nCov).html); in Somalia wurden mit Stand vom 10.05.2021 14.415 Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen, wobei 747 diesbezügliche Todesfälle bestätigt wurden (https://covid19.who.int/region/emro/country/so).

Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten, Immunschwächen, etc.) auf.

Zwischen 19.3.2020 und 2.1.2021 wurden über 81.000 Menschen getestet, knapp 4.700 waren infiziert. Testungen sind so gut wie inexistent. Die offiziellen Todeszahlen sind niedrig, das wahre Ausmaß wird aber wohl nie wirklich bekannt werden. Die Zahl an Infektionen dürfte höher liegen, als offiziell bekannt. Viele potenziell Infizierte melden sich nicht, da sie eine gesellschaftliche Stigmatisierung fürchten. (LIB, Kapitel Covid).

Im August 2020 wurde der internationale Flugverkehr wiederaufgenommen. Internationale und nationale Flüge operieren uneingeschränkt. Ankommende müssen am Aden Adde International Airport in Mogadischu und auch am Egal International Airport in Hargeysa einen negativen Covid-19-Test vorweisen, der nicht älter als vier Tage ist. Wie in Mogadischu mit Personen umgegangen wird, welche diese Vorgabe nicht erfüllen, ist unbekannt. Möglicherweise werden diese zusätzlich getestet und in Quarantäne geschickt (LIB, Kapitel Covid).

Regeln zum social distancing oder auch Präventionsmaßnahmen wurden kaum berücksichtigt. Trotz Warnungen wurden Moscheen durchgehend – ohne Besucherbeschränkung – offengehalten. Restaurants, Hotels, Bars und Geschäfte sind offen, es gelten Hygienemaßnahmen und solche zum Social Distancing (LIB, Kapitel Covid).

Auch, dass es in Spitälern kaum Kapazitäten für Covid-19-Patienten gibt, ist ein Grund dafür, warum viele sich gar nicht erst testen lassen wollen – ein Test birgt für die Menschen keinen Vorteil. Somalia ist eines jener Länder, dass hinsichtlich des Umgangs mit der Pandemie die geringsten Kapazitäten aufweist. Humanitäre Partner haben schon im April 2020 für einen Plan zur Eindämmung von Covid-19 insgesamt 256 Millionen US-Dollar zur Verfügung gestellt. UNSOS unterstützt medizinische Einrichtungen, stellt Ausrüstung zur Bekämpfung der Pandemie zur Verfügung. Bis Anfang Juni konnten die UN und AMISOM eine substanzielle Zahl an Behandlungsplätzen schaffen (darunter auch Betten zur Intensivpflege) Trotzdem gibt es nur ein speziell für Covid-19-Patienten zugewiesenes Spital, das Martini Hospital in Mogadischu. Dieses ist unterbesetzt und schlecht ausgerüstet (LIB, Kapitel Covid).

Nachdem die Bildungsinstitutionen ihre Arbeit wiederaufgenommen hatten, sind nicht alle Kinder zurück in die Schule gekommen. Dies liegt an finanziellen Hürden, an der Angst vor einer Infektion, aber auch daran, dass Kinder zur Arbeit eingesetzt werden. Außerdem zeigt eine Studie aus Puntland, dass die Zahl an Frühehen zugenommen hat (LIB, Kapitel Covid).

Gleichzeitig wurden Immunisierungskampagnen und auch Ernährungsprogramme unterbrochen. Manche Gesundheitseinrichtungen sind teilweise nur eingeschränkt aktiv – nicht zuletzt, weil viele Menschen diese aufgrund von Ängsten nicht in Anspruch nehmen; der Patientenzustrom hat sich in der Pandemie verringert. Remissen sind im Zuge der Covid-19-Pandemie zurückgegangen. Eine Erhebung im November und Dezember 2020 hat gezeigt, dass 22% der städtischen, 12% der ländlichen und 6% der IDP-Haushalte Remissen beziehen. Die Mehrheit der Empfänger berichtete von Rückgängen von über 10%. Auch der Export von Vieh – der wichtigste Wirtschaftszweig – ist wegen der Pandemie zurückgegangen (LIB, Kapitel Covid).

Die Maßnahmen außerhalb Mogadischus können variieren. Es kann jederzeit geschehen, dass Behörden Covid-Maßnahmen kurzfristig verschärfen (LIB, Kapitel Covid).

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt sowie in den Gerichtsakt, durch Einvernahme des Beschwerdeführers und seiner Frau in der mündlichen Verhandlung und durch Einsichtnahme in die im Verfahren vorgelegten Urkunden.

Die Feststellungen basieren auf den in den Klammern angeführten Beweismitteln.

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

2.1.1. Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor dem Bundesamt, in der Beschwerde und vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die getroffenen Feststellungen zum Namen und zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers gelten ausschließlich zur Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Asylverfahren.

2.1.2. Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, seiner Religions- und Clanzugehörigkeit, seinem Familienstand und seiner Muttersprache gründen sich auf seinen diesbezüglich gleichbleibenden Angaben. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im Verfahren im Wesentlichen gleich gebliebenen Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.

2.1.3. Dass der Beschwerdeführer nicht aus dem Dorf XXXX stammt, ergibt sich aus folgenden Gründen:

Zunächst ist nicht nachvollziehbar, wieso der Beschwerdeführer nicht weiß, in welcher Region das Dorf XXXX liegt. Er gab in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt zunächst Jubada Hoose an, korrigierte sich dann aber auf Jubada Dhehe.

Während der Beschwerdeführer in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt angab, in einem Dorf etwa eine halbe Stunde im Westen von XXXX gelebt zu haben, erklärte er in der Beschwerdeverhandlung auf Nachfrage der erkennenden Richterin, direkt im Dorf XXXX gelebt zu haben.

Die Angaben des Beschwerdeführers in der Beschwerdeverhandlung, ob er direkt in XXXX oder etwas außerhalb gelabt habe, waren äußerst widersprüchlich und nicht nachvollziehbar:

„R: Haben Sie direkt im Dorf XXXX gelebt?

BF: Im Westen vom Dorf.

R: Können Sie mir das genauer erklären, was Sie mit Westen vom Dorf meinen.

BF: Ich meinte damit, dass ich im Westen vom Dorf gewohnt habe.

R: Können Sie mir das bitte Genauer erklären?

BF: Ich meine im westlichen Bereich vom Dorf selbst, die Hütten waren nicht alle nebeneinander, sie waren weiter voneinander entfernt.

R: Haben Sie direkt im Dorf gewohnt oder waren Sie weiter vom Dorf weg?

BF: Ich habe nicht in XXXX gelebt, sondern in einer Ortschaft, die von XXXX ein wenig entfernt war.

R belehrt den BF konkrete, detaillierte sowie nachvollziehbare Angaben zu machen.

BF: Ich habe in XXXX gewohnt. Das ist außerhalb des Dorfes. Das Dorf teilt sich in verschiedene Dorfteile und das war ein Teil davon.

R: Das verstehe ich nicht.

D: Ich habe beim BF nachgefragt und ich kann seine Angaben auch nicht nachvollziehen.

D an BF: Ist XXXX ein Teil von XXXX oder gehören die zum selben Verwaltungsdistrikt?

BF: XXXX ist ein Teil des Dorfes XXXX . Damit meine ich, dass ist so wie der 2. oder 3. Bezirk in der Stadt Wien.

R: Dh., Sie haben direkt im Dorf XXXX gelebt?

BF: Ja, es sind Dorfteile, die sind Teil des Dorfes, wie ich es bereits erklärt habe“ (VP S. 7f).

Da der Beschwerdeführer einmal angibt, außerhalb des Dorfes gewohnt zu haben, während er einige Fragen später erklärt, direkt in der Stadt gelebt zu haben, sind die Angaben nicht glaubhaft.

Es ist auch nicht nachvollziehbar, warum der Beschwerdeführer in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt angibt, in XXXX im Ortsteil XXXX gewohnt zu haben, während er in der Beschwerdeverhandlung erklärt, im Ortsteil XXXX gewohnt zu haben. Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Herkunftsort sind widersprüchlich und unplausibel und daher nicht glaubhaft.

In der Beschwerdeverhandlung dazu aufgefordert, seinen Herkunftsort XXXX genau zu beschreiben, gab der Beschwerdeführer lediglich an:

„BF: Es gibt eine landwirtschaftliche Ortschaft, es gibt ein Dorf. Die Einwohner sind Landwirte.

BF schweigt.

R: Was können Sie mir noch sagen?

BF: Der Fluss Jubba fließt durch XXXX . Der Sand dort ist dunkel.

R: Bitte beschreiben Sie mir Ihren Herkunftsort XXXX möglichst detailliert und ausführlich.

BF: In der Nähe von uns gibt es Felder. Es gibt dort somalische Hütten. Es gibt dort Büsche. Die Erde ist dunkel.

BF schweigt.

R: Bitte sagen Sie mir weitere Details zu Ihrem Heimatort, beschreiben Sie ihn mir so, wie Sie ihn in Erinnerung haben.

BF: Es ist ein landwirtschaftliches Dorf, dort gibt es Landwirtschaften, die Erde ist dunkel, der Fluss Jubba fließt durch die Ortschaft. Dort wird Mais und Sesam angebaut. Das Dorf ist für die Landwirtschaft berühmt“ (VP S. 6).

Es ist nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer, obwohl er Zeit seines Lebens in dem Dorf gewohnt haben soll, lediglich derart allgemeine, vage und ausweichende Angaben ohne lebensnahe Details machen kann. Dazu kommt, dass einer Abbildung des Dorfes XXXX entnommen werden kann, dass der Fluss Jubba nicht durch, sondern an dem Ort vorbeifließt.

Des Weiteren ist auf der Abbildung zu sehen, dass das Dorf etwa 500-600 m breit und lang ist, wofür ein Fußweg von etwa 10 Minuten benötigt wird. Es ist daher nicht plausibel, dass der Beschwerdeführer angibt, vom einen zum anderen Ende des Dorfes „einige Stunden“ (VP S. 7) zu brauchen. Er gab auch in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt an, dass er vom Stadtrand bis zur Brücke etwa drei Stunden gebraucht hätte, was vor dem Hintergrund, dass die Brücke etwa 150-200 m vom Stadtrand entfernt ist, nicht glaubhaft ist. Das selbst dann nicht, wenn der Beschwerdeführer und sein Begleiter einen Eselskarren mit Holzkohle transportieren mussten.

Aufgrund der widersprüchlichen und unplausiblen Angaben geht das erkennende Gericht davon aus, dass der Beschwerdeführer nicht aus dem Dorf XXXX stammt. XXXX ist daher nicht der Herkunftsort des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer versucht seinen tatsächlichen Herkunftsort in Somalia zu verschleiern, er machte diesbezüglich bewusst unrichtige Angaben. Es kann daher nicht festgestellt werden, aus welchem Ort bzw. aus welcher Region in Somalia der Beschwerdeführer tatsächlich stammt.

2.1.4. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer 12 Jahre die Grundschule besucht hat, ergeben sich aus seinen Angaben in der Erstbefragung.

Im weiteren Verfahren hat sich der Beschwerdeführer zu seiner Schulbildung befragt zunehmend widersprochen und angegeben, dass er mit 12 Jahren (sohin 2008) begonnen hätte, die Schule zu besuchen und dies bis 2017 getan habe (sohin 9 Jahre). In der Beschwerdeverhandlung und vor dem Bundesamt erklärte er aber, dass er lediglich vier Jahre die Schule besucht hätte. Diese Angaben sind nicht in Einklang zu bringen und daher nicht glaubhaft.

Das erkennende Gericht geht davon aus, dass der Beschwerdeführer versucht, seine Schulbildung herabzusetzen, um seine Chancen im Verfahren zu erhöhen. Die diesbezüglichen Angaben sind jedoch nicht glaubhaft. Da den zur Ausreise zeitnäheren Angaben die höhere Glaubwürdigkeit zukommt, legt das Gericht bezüglicher der Angaben zur Schulbildung die Angaben des Beschwerdeführers in der Erstbefragung den Feststellungen zurgrunde.

Dass der Beschwerdeführer in der familiären Landwirtschaft gearbeitet hat, ergibt sich aus seinen gleichbleibenden Angaben in der Beschwerdeverhandlung.

2.1.5. Die Angaben des Beschwerdeführers hinsichtlich seiner Familienangehörigen waren im gesamten Verfahren im Wesentlichen gleichbleibend. Nicht glaubhaft ist aber, dass der Beschwerdeführer keinen Kontakt mehr zu seiner Mutter in Somalia pflegt.

Es ist nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer den Kontakt zu seiner Mutter nicht aufrechterhalten hat bzw. herstellen kann, zumal der Beschwerdeführer in der Beschwerdeverhandlung angab, dass zuletzt ein Schlepper in Griechenland den Kontakt per Telefon zu seiner Mutter hergestellt hätte. Es ist nicht glaubhaft, dass ein Schlepper in Griechenland die Mutter des Beschwerdeführers kontaktieren kann, der Beschwerdeführer selbst jedoch nicht.

Es ist auch nicht plausibel, dass der Beschwerdeführer, wie in der Beschwerdeverhandlung angegeben, die Telefonnummer seiner Mutter nicht kennen soll. Es erscheint nicht lebensnahe, dass der Schlepper in Griechenland mit dem Schlepper in Somalia Kontakt aufgenommen hätte und dieser dann mit der Mutter des Beschwerdeführer

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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