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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
B-VG Art130 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Neumair, über die Beschwerde der F in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 20. August 1996, Zl. SD 849/96, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 20. August 1996 wurde die Beschwerdeführerin, eine irakische Staatsangehörige, gemäß § 17 Abs. 1 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.
Die Beschwerdeführerin sei ihren Angaben zufolge am 22. Februar 1995 illegal nach Österreich gelangt. Sie habe am 24. Februar 1995 einen Asylantrag mit der Begründung gestellt, daß sie am 15. Juni 1990 Dilsuz F. geheiratet hätte, der in Österreich als anerkannter Flüchtling leben würde. Der Asylantrag sei vom Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 22. März 1996 im Instanzenzug abgewiesen worden; dies mit der Begründung, daß der Bestand einer Ehe nicht hätte nachgewiesen werden können, zumal die Beschwerdeführerin das in der Berufung angekündigte Duplikat der Heiratsurkunde nicht vorgelegt hätte. Der von der Beschwerdeführerin eingebrachte Antrag auf Wiederaufnahme des Asylverfahrens sei rechtskräftig als verspätet zurückgewiesen worden. Im vorliegenden Verfahren mache die Beschwerdeführerin geltend, daß sie die Heiratsurkunde aus widrigen Gründen erst nach Abschluß des Asylverfahrens hätte beibringen können; im vorliegenden Verfahren müßte diese aber berücksichtigt werden. Hiezu sei festzuhalten, daß das Asylverfahren rechtskräftig beendet worden sei und die Beschwerdeführerin auch bei aufrechtem Bestand der Ehe keine Aufenthaltsberechtigung hätte. Mangels einer Aufenthaltsberechtigung sei aber die Ausweisung zu verfügen, sofern dem nicht § 19 FrG entgegenstehe.
Selbst wenn man einen durch die Ausweisung bewirkten Eingriff i.S. des § 19 leg. cit. annehmen wollte - die Beschwerdeführerin habe es im Ausweisungsverfahren unterlassen, die angeblich richtige Heiratsurkunde bzw. Bestätigung vorzulegen -, sei dieser schon deshalb nicht beträchtlich, weil die Beschwerdeführerin, folge man ihren Angaben, seit fünf Jahren keinen gemeinsamen Wohnsitz mit ihrem Gatten gehabt und erst jetzt versucht habe, eine Familienzusammenführung vorzunehmen. Die Ausweisung sei aber jedenfalls zur Verteidigung eines geordneten Fremdenwesens, somit zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele, dringend geboten, komme doch einem geordneten Fremdenwesen ein hoher Stellenwert zu. Die Beschwerdeführerin habe jedenfalls kein Asyl erlangt und könne auch im Inland keine Aufenthaltsbewilligung zur Familienzusammenführung erhalten.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Ansicht der belangten Behörde, daß sich die Beschwerdeführerin nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, bleibt in der Beschwerde unbekämpft. Auf dem Boden der unbestrittenen maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen hegt der Gerichtshof gegen diese Beurteilung keine Bedenken. Vorbehaltlich der Zulässigkeit gemäß § 19 FrG war somit die Beschwerdeführerin nach § 17 Abs. 1 leg. cit. auszuweisen. Entgegen der Beschwerdemeinung hatte die belangte Behörde insoweit - anders als im Grunde des § 17 Abs. 2 leg. cit. - kein Ermessen zu üben (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 30. September 1993, Zl. 93/18/0349).
2.1. Die Beschwerde hält den angefochtenen Bescheid wegen Verstoßes gegen § 19 FrG für rechtswidrig. Die Beschwerdeführerin lebe nunmehr mit ihrem Ehegatten zusammen, weshalb ein Fall der Familienzusammenführung gegeben sei. Die Beschwerdeführerin sei "ordentlich" gemeldet; es bestehe ein gemeinsamer Haushalt, ebenso ein Sozialversicherungsschutz. Weiters sei darauf hinzuweisen, daß für ihren ausreichenden Unterhalt durch ihren Gatten gesorgt sei, und daß sie unbescholten sei. Es seien daher keine Umstände ersichtlich, die im Wege der "konkreten Interessenabwägung" die Ausweisung der Beschwerdeführerin dringend gebieten würden. Überdies sei zu berücksichtigen, daß die Beschwerdeführerin im Fall einer Ausweisung, welche eine "Abschiebung in den Irak ... bedeutet", mit schweren Repressalien zu rechnen habe. Es wurden somit auch unabhängig von der Frage der Familienzusammenführung wesentliche und schwerwiegende Interessen der Beschwerdeführerin berührt.
2.2.1. Die belangte Behörde hat für den Fall der Annahme eines im Grunde des § 19 FrG relevanten Eingriffes in das Familienleben der Beschwerdeführerin durch die Ausweisung die Auffassung vertreten, daß dieser "nicht beträchtlich" sei, weil die Beschwerdeführerin seit fünf Jahren nicht mit ihrem Ehegatten zusammengelebt und "erst jetzt versucht hat, eine Familienzusammenführung herbeizuführen". Anders als die Beschwerde meint, hat damit die belangte Behörde nicht zum Ausdruck gebracht, "daß eine Familienzusammenführung offenbar deshalb nicht vorliegen könne, da die Beschwerdeführerin seit fünf Jahren keinen gemeinsamen Wohnsitz hatte". Vielmehr ist die Argumentation der belangten Behörde dahin zu verstehen, daß ein in der Familienzusammenführung begründeter angenommener relevanter Eingriff i.S. des § 19 FrG in seinem Gewicht, dadurch (deutlich) gemindert wäre, daß die Beschwerdeführerin, nach fünfjährigem Getrenntleben der Ehepartner, erst seit kurzer Zeit (etwa eineinhalb Jahre) mit ihrem Gatten zusammenlebt. Diese Beurteilung der persönlichen, für ein Verbleiben in Österreich sprechenden Interessen der Beschwerdeführerin als nicht stark ausgeprägt kann nicht als rechtsirrig angesehen werden; dies umso weniger, als der gesamte (zum Teil unerlaubte) Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet noch viel zu kurz ist, um ihr ein größeres Ausmaß an Integration zugestehen zu können.
Demgegenüber hat die belangte Behörde den maßgeblichen öffentlichen Interessen an einer Ausreise der Beschwerdeführerin aus Österreich - zutreffend - großes Gewicht beigemessen. Denn der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften durch die Normadressaten kommt aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zu (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa das Erkenntnis vom 24. Oktober 1996, Zl. 96/18/0435, mwN). Dieses gewichtige Interesse der Allgemeinheit hat durch den bereits einige Monate dauernden unrechtmäßigen Aufenthalt der Beschwerdeführerin, der zudem - von der belangten Behörde richtig erkannt - nach den Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes (§ 6 Abs. 2) vom Inland aus nicht legalisiert werden kann, eine erhebliche Beeinträchtigung erfahren. Das solcherart als überwiegend zu wertende öffentliche Interesse wird dadurch, daß die Beschwerdeführerin nach dem Beschwerdevorbringen in geordneten Verhältnissen lebt und unbescholten ist, nicht wesentlich geschmälert.
2.2.2. Was schließlich die von der Beschwerdeführerin im Fall ihrer Abschiebung in den Irak befürchteten Repressalien anlangt, so ist festzuhalten, daß mit der Ausweisung ausschließlich die Verpflichtung zur Ausreise aus Österreich verbunden ist (§ 22 Abs. 1 FrG), nicht hingegen damit (auch) ausgesprochen wird, daß der Fremde in ein bestimmtes Land auszureisen hat oder daß er (allenfalls) abgeschoben wird (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. September 1996, Zl. 95/18/0479).
3. Im Lichte der vorstehenden Ausführungen, aus denen sich die rechtliche Unbedenklichkeit der bekämpften Entscheidung in inhaltlicher Hinsicht ergibt, ist den Verfahrensrügen betreffend mangelhaftes Ermittlungsverfahren (einschließlich Verletzung des Rechtes auf Parteiengehör) und unzureichende (nicht nachvollziehbare) Begründung des Ergebnisses der Interessenabwägung der Boden entzogen.
4. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Schlagworte
Ermessen Ermessen VwRallg8European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996180583.X00Im RIS seit
11.07.2001