Entscheidungsdatum
15.06.2021Norm
B-VG Art135 Abs4Spruch
W208 2242536-1/2Z
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Dr. Ewald SCHWARZINGER im Verfahren über die Beschwerde des XXXX , XXXX gegen den Bescheid des Heerespersonalamtes vom 21.04.2021, GZ P1589572/5-HPA/2021, betreffend Wohnkostenbeihilfe nach § 31 HDG:
Das Bundesverwaltungsgericht stellt gemäß Art 140 Abs 1 Z 1 lit a iVm Art 135 Abs 4 iVm Art 89 Abs 2 B-VG an den Verfassungsgerichtshof den
Antrag
die Zeichenfolge „als Eigentümer oder Miteigentümer oder Hauptmieter“ im ersten Halbsatz des § 31 Abs 2 Z 2 des Heeresgebührengesetzes (HGG 2001), BGBl. I Nr. 31/2001, in der Fassung BGBl. I Nr. 102/2019
als verfassungswidrig aufzuheben.
Text
Begründung:
I. Sachverhalt:
1. Der Beschwerdeführer (BF) vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) leistet seit 03.05.2021 seinen ordentlichen Präsenzdienst. Der Einberufungsbefehl wurde ihm am 18.03.2021 zugestellt. Am 23.03.2021 beantragte er bei der belangten Behörde (dem Heerespersonalamt) die Zuerkennung von Wohnkostenbeihilfe iHv € 480,-- für ein von ihm seit 18.05.2020 (behördliche Meldung gemäß ZMR) alleine bewohntes Zimmer in einer Wohngemeinschaft (WG) mit Mitbenützung von Küche/Wohnzimmer/Bad/Dusche/WC, das er mit Untermietvertrag vom 01.09.2020 von seinen beiden Mitbewohnerinnen Mareike F XXXX und Julia Eleanor P XXXX gemietet hatte.
Der BF hat keine Ersparnisse und ist auf das Zimmer in der WG angewiesen, weil er erst im Februar 2020 aus FRANKREICH (wo seine Eltern wohnen, die beide ihren Arbeitsplatz verloren haben und ihn nicht unterstützen können) nach ÖSTERREICH gezogen ist, um hier zu arbeiten. Seit Mai 2020 hält er sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser und bezahlt mit dem Lohn dafür seine Lebenserhaltungs- und Untermietkosten.
2. Mit Bescheid des Heerespersonalamtes vom 21.04.2021 (zugestellt am 27.04.2021) wurde der Antrag des BF auf Wohnkostenbeihilfe abgewiesen. Begründet wurde die Abweisung mit der gesetzlichen Definition der „eigenen Wohnung“ in § 31 Abs 2 Z 2 HGG 2001, wonach der Anspruchsberechtigte entweder Eigentümer oder Miteigentümer oder Hauptmieter sein müsse. Als Untermieter habe er keinen Anspruch.
3. Gegen diesen Bescheid erhob der BF rechtzeitig am 03.05.2021 Beschwerde und führte begründend aus, dass ihm, wenn ihm die Wohnkostenbeihilfe nicht zuerkannt werde, der Wohnungsverlust und die Obdachlosigkeit drohe. Die Vergütung im Grundwehrdienst reiche nicht aus, um die Wohnungskosten zu decken.
II. Zur Zulässigkeit des Antrages
1. Zum anfechtungsberechtigten Gericht
Das BVwG ist gemäß Art 89 iVm Art 135 Abs 4 iVm Art 140 Abs 1 Z 1 lit a des Bundes-Verfassungsgesetzes (in Folge: B-VG) verpflichtet, an den Verfassungsgerichtshof (VfGH) den Antrag auf Aufhebung eines Gesetzes zu stellen, gegen dessen Anwendung es aus dem Grund der Verfassungswidrigkeit Bedenken hat.
Derartige Bedenken sind seitens des BVwG im Hinblick auf die im Spruch angeführte Wortgruppe im § 31 Abs 2 Z 2 HGG 2001 entstanden, weil Anspruchsberechtigte als Mieter anders behandelt werden als Untermieter oder bloß vertraglich gegen Beteiligung an den Haushaltskosten berechtigte Mitbenützer in einer WG. Während erstere einen Anspruch auf Wohnkostenbeihilfe haben, schließt dies der Gesetzgeber für die zuletzt genannten Personen aus, was vor dem Hintergrund des Gleichheitsgebotes nach Art 7 B-VG nicht gerechtfertigt erscheint, weil es in allen Fällen um den drohenden Verlust der Unterkunft wegen Nichtbezahlung der Mietkosten bzw der vertraglich vereinbarten Beteiligung an den Haushaltskosten geht.
2. Zum zur Anfechtung zuständigen Spruchkörper
Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist; da eine solche Norm nicht zu finden ist, ist zur Behandlung der anhängigen Beschwerde und somit zu Anfechtung ein Einzelrichter zuständig.
3. Zur Präjudizialität
Gemäß § 27 1. Fall VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde zu überprüfen.
Die Rechtsgrundlage für die Ablehnung des Anspruchs des Untermieters auf Wohnkostenbeihilfe ist § 31 Abs 2 Z 2 HGG 2001, der auf Grund der klaren Formulierung einer verfassungskonformen – die Ungleichbehandlung zwischen Mietern und Untermietern vermeidenden – Auslegung, nicht zugänglich ist und ist diese Bestimmung daher für die Entscheidung des BVwG präjudiziell.
III. Die maßgeblichen Rechtsvorschriften:
§ 31 HGG 2001 lautet (die antragsgegenständliche Zeichenfolge ist hervorgehoben):
„3. Abschnitt
Wohnkostenbeihilfe
Anspruch
§ 31. (1) Mit der Wohnkostenbeihilfe sind Anspruchsberechtigten jene Kosten abzugelten, die ihnen nachweislich während des Wehrdienstes für die erforderliche Beibehaltung jener eigenen Wohnung entstehen, in der sie nach den Bestimmungen des Meldegesetzes 1991 (MeldeG), BGBl. Nr. 9/1992, gemeldet sind. Dabei gilt Folgendes:
1. Ein Anspruch besteht nur für jene Wohnung, in der der Anspruchsberechtigte bereits zum Zeitpunkt der Wirksamkeit der Einberufung gegen Entgelt gewohnt hat.
2. Wurde der Erwerb einer Wohnung nachweislich bereits vor dem Zeitpunkt nach Z 1 eingeleitet, so besteht ein Anspruch auch dann, wenn die Wohnung erst nach diesem Zeitpunkt bezogen wird.
3. Hat der Anspruchsberechtigte nach dem Zeitpunkt nach Z 1 eine andere eigene Wohnung bezogen und sich in dieser Wohnung gemeldet, so gebühren, sofern nicht Z 2 anzuwenden ist, an Stelle der Kosten für diese Wohnung die ehemaligen Kosten jener eigenen Wohnung, in der der Anspruchsberechtigte zu diesem Zeitpunkt gewohnt hat.
4. Ein Anspruch besteht auch dann, wenn das Nutzungsrecht des Anspruchsberechtigten an der Wohnung erst nach dem Zeitpunkt nach Z 1 durch Eintritt in den Mietvertrag nach § 14 Abs. 2 des Mietrechtsgesetzes (MRG), BGBl. Nr. 520/1981, oder sonstigen Übergang von Todes wegen oder auf Grund einer Ehescheidung oder Auflösung einer eingetragenen Partnerschaft entstanden ist.
(2) Als eigene Wohnung gelten Räumlichkeiten,
1. die eine abgeschlossene Einheit bilden und in denen der Anspruchsberechtigte einen selbständigen Haushalt führt oder
2. die der Anspruchsberechtigte als Eigentümer oder Miteigentümer oder Hauptmieter bewohnt, jeweils mit weiteren Personen als Miteigentümer oder Haupt- oder Untermieter oder sonstigen Personen, die sich an den Haushaltskosten beteiligen, oder
3. die der Anspruchsberechtigte als Heimplatz zum Zweck der Absolvierung einer Ausbildung benötigt und deren Nutzung er für die Dauer seiner Anspruchsberechtigung nicht ruhend stellen kann.
(3) Als Kosten für die Beibehaltung der eigenen Wohnung gelten
1. alle Arten eines Entgeltes für die Benützung der Wohnung samt dem nach § 15 Abs. 1 MRG auf die Wohnung entfallenden Anteil an den Betriebskosten und laufenden öffentlichen Abgaben,
2. allfällige zusätzliche Leistungen (Pauschale) für die als Bestandteil des jeweiligen Rechtsverhältnisses mit dem Recht zur Wohnungsbenützung verbundene Berechtigung zur Inanspruchnahme von Gemeinschaftseinrichtungen,
3. Rückzahlungen von Verbindlichkeiten, die zur Schaffung des jeweiligen Wohnraumes eingegangen wurden und
4. ein Grundgebührenpauschbetrag in der Höhe von 0,7 vH des Bezugsansatzes pro Kalendermonat.
In den Fällen des Abs. 2 Z 2 sind die Kosten nur anteilig abzugelten gemessen am Eigentumsanteil des Anspruchsberechtigten oder an der Anzahl der weiteren Mieter oder sonstigen Personen, die sich an den Haushaltskosten beteiligen. Allfällige Mieteinnahmen des Anspruchsberechtigten sind entsprechend abzuziehen.“
IV. Verfassungsrechtliche Bedenken:
1. Die antragsgegenständliche Norm – die mit BGBl. I Nr. 102/2019 am 01.12.2019 in Kraft getreten ist – sieht die Zuerkennung von Wohnkosten nur für „Anspruchsberechtigte“ vor die als „Eigentümer oder Miteigentümer oder Hauptmieter“, jeweils mit weiteren Personen als Miteigentümer oder Haupt- oder Untermieter oder sonstigen Personen, die sich an den Haushaltskosten beteiligen, eine Wohnung bewohnen.
In den Erläuterungen zu Regierungsvorlage (509 der Beilagen XXVI. GP – RV, Seite 9) ist dazu das Folgende ausgeführt (Auszug - Hervorhebungen durch BVwG):
„Die geltende Rechtslage betreffend den Anspruch auf Wohnkostenbeihilfe geht im Wesentlichen auf die Neuerlassung des (damaligen) Heeresgebührengesetzes 1992 (HGG 1992), BGBl. Nr. 422, zurück.
Demnach ist für die Zuerkennung einer Wohnkostenbeihilfe unter anderem zwingend erforderlich, dass die entsprechende Räumlichkeit als ‚eigene Wohnung‘ zu qualifizieren ist, worunter nach geltendem Recht (Abs. 2) nur Räumlichkeiten zu verstehen sind, welche eine selbstständige Haushaltsführung ermöglichen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und jüngsten Judikatur des Bundesverwaltungsgerichtes ist dies schon dann ausgeschlossen, wenn Küche, Bad und WC von verschiedenen Personen (Mitbewohnern) gemeinsam benutzt werden.
De facto führt diese Rechtslage dazu, dass Wohngemeinschaften und Heimplätze als anspruchsbegründende ‚eigene Wohnung‘ ausscheiden. Dies trifft vor allem junge Wehrpflichtige, die sich auf Grund ihrer Lebensumstände (zB in Berufsausbildung) keine eigene Wohnung leisten können und daher Wohngemeinschaften oder Heimplätze beziehen müssen. In der Praxis gewinnen aber gerade diese Wohnverhältnisse zunehmend an Bedeutung, sodass es – den Intentionen des Gesetzgebers folgend – richtig erscheint, auch diese Wohnverhältnisse als mögliche Grundvoraussetzung für die Zuerkennung einer Wohnkostenbeihilfe anzuerkennen. Der Begriff der ‚eigenen Wohnung‘ im Sinne des Heeresgebührengesetzes soll daher entsprechend erweitert werden.
Die unter Abs. 2 Z 1 des vorliegenden Entwurfes zu subsumierenden Fällen entsprechen der geltenden Rechtslage und werden unverändert übernommen (vgl. § 32 Abs. 2 erster Satz HGG 2001).
Abs. 2 Z 2 des vorliegenden Entwurfes soll jene auf Grund der bisherigen Verwaltungspraxis erkannten Problemfälle bei geteilten Eigentums- und Besitzverhältnissen bzw. sonstigen Wohngemeinschaften im Sinne der oben geschilderten Problematik abschließend regeln. Entsprechend des jeweils vorliegenden Rechtstitels an den Räumlichkeiten sollen in diesen Fällen aber nur jene Kosten als Wohnkostenbeihilfe anteilig abgegolten werden, die der jeweilige Anspruchsberechtigte aus diesem Rechtstitel heraus zu tragen hat. Können daraus keine schlüssigen Ableitungen über die Höhe der dem Anspruchsberechtigten zufallenden Wohnkosten getroffen werden oder ist ein derartiger Rechtstitel nicht vorhanden (zB kommt dies vor allem bei Wohngemeinschaften mit Familienmitgliedern vor), so sind die entsprechenden anteiligen Wohnkosten von der Behörde zu ermitteln, wobei grundsätzlich davon auszugehen ist, dass für jede Mitbenützung einer Wohnung eine angemessene Gegenleistung gebührt und daher im Zweifel von einer adäquaten Aufteilung der Wohnkosten ausgegangen werden kann (Abs. 3).“
Aus den Erläuterungen ist einerseits abzuleiten, dass gerade für Personen die sich keine eigene Wohnung leisten können, die Möglichkeit geschaffen werden sollte, die Wohnkosten erstattet zu erhalten und zwar auch dann, wenn sie die Kosten mit weiteren Personen teilen. Als weitere Personen führt das Gesetz sodann Mieteigentümer, Haupt- oder Untermieter oder sonstige Personen an, die sich an den Haushaltskosten beteiligen. Warum allerdings Anspruchsberechtigter nur sein soll, wer als Eigentümer oder Miteigentümer oder Hauptmieter die Wohnung bewohnt und wie (im vorliegenden Fall) – nicht auch als Untermieter – bleibt im Dunkeln. Eine sachliche Rechtfertigung für diese Ungleichbehandlung des Untermieters ist nicht erkennbar.
Der Verfassungsgerichtshof hat in einem Erkenntnis vom 16.06.1997, G3503/96 zur Vorgängerbestimmung dem § 33 Heeresgebührengesetz 1992 noch das Folgende festgehalten:
„Dem Gesetzgeber kann nicht entgegengetreten werden, wenn er die Gewährung von Wohnkostenbeihilfe nicht für alle, sondern nur für solche Fälle vorsieht, in denen der Verlust der Unterkunft deshalb eine besondere Härte darstellen würde, weil das - aufgrund welchen Titels immer - dem Wehrpflichtigen zustehende Recht, diese Unterkunft zu benützen, objektiv einen beachtlichen wirtschaftlichen Wert darstellt. Die Annahme, daß dies typischerweise nur dann der Fall ist, wenn dem Betreffenden sämtliche üblicherweise den Bestandteil eines Haushalts bildenden Räumlichkeiten zur autonomen Verwendung zur Verfügung stehen, ist zumindest vertretbar. Daraus folgt, daß der Gesetzgeber, ohne gegen den Gleichheitsgrundsatz zu verstoßen, die definitionsmäßige Abgrenzung der Wohnungen, für die Wohnkostenbeihilfe gebührt, in der in § 33 Abs 2 HeeresgebührenG 1992 normierten Weise vornehmen durfte.
Die Auslegung des § 33 HeeresgebührenG 1992 durch die belangte Behörde, wonach dann, wenn eine sogenannte ‚Wohngemeinschaft‘ besteht, wenn also mehrere Personen in einer Wohnung Unterkunft nehmen und jede Person nur über einen Wohn-Schlafraum verfügt, während Küche, Bad und WC gemeinsam benützt werden, diese Personen keinen ‚selbständigen Haushalt‘ führen und daher über keine ‚eigene Wohnung‘ iS des § 33 HeeresgebührenG 1992 verfügen, ist zumindest vertretbar.“
Der VwGH hat in einem Erkenntnis vom 24.03.1999, 98/11/0067 festgestellt:
„§ 33 Abs 2 HGG 1992, der eine Legaldefinition der eigenen Wohnung enthält, und § 33 Abs 3 HGG 1992, in dem die mit der Wohnkostenbeihilfe abzugeltenden Kosten umschrieben werden, enthalten keine Einschränkung auf bestimmte Rechtsgründe für die Benützung der Wohnung. Entscheidend ist nach § 33 Abs 1 HGG 1992 allein, dass dem WehrPfl während des Präsenzdienstes Kosten für die Beibehaltung der eigenen Wohnung entstehen. Diese Voraussetzung ist auch dann gegeben, wenn der WehrPfl im Rahmen eines Prekariums Entgelt zu leisten hat - die Entrichtung eines Entgelts schließt die Annahme eines Prekariums nicht aus - , um den Eigentümer nicht zum Widerruf des Prekariums zu veranlassen. Auch in diesem Fall entstehen dem WehrPfl Kosten für die Beibehaltung einer eigenen Wohnung.“
In seinem Erkenntnis vom 19.10.2010, 2007/11/0011 hat der VwGH ausgeführt:
„Die Materialien zum HGG 2001 (RV, 357 BlgNR 21. GP) legen dar, dass als Probleme ‚Unklarheiten und Vollziehungsschwierigkeiten betreffend die Zuerkennung von Familienunterhalt und Wohnkostenbeihilfe‘ bestanden hätten; als Lösung wird eine ‚sachgerechte Beseitigung der aufgezeigten Probleme im Wege der Neuerlassung eines Heeresgebührengesetzes 2001‘ angeboten, die u.a. eine ‚Materielle Erweiterung des Anspruches auf Wohnkostenbeihilfe‘ zum Inhalt habe.
Zu §§ 31 und 32 wird Folgendes ausgeführt:
‚Im Rahmen des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201, wurden die Anspruchsvoraussetzungen für die Erlangung einer Wohnkostenbeihilfe speziell mit dem Ziel eines Ausschlusses missbräuchlicher Manipulationen abgeändert. Die nunmehrigen Regelungsinhalte haben sich in der nunmehr fast fünfjährigen Vollziehungspraxis im Wesentlichen bewährt und insbesondere auch zu einer erheblichen Steigerung der 'sozialen Treffsicherheit' der gegenständlichen Sozialleistung geführt. Diese Inhalte sollen daher grundsätzlich unverändert bleiben. Es soll lediglich zur Vermeidung vereinzelt entstandener Zweifelsfragen ausdrücklich klargestellt werden, dass entsprechend der zugrunde liegenden Absicht des Gesetzgebers und der bisherigen Verwaltungspraxis ein Anspruch auf Wohnkostenbeihilfe nur im Falle einer durchgehenden Kostentragung für die Wohnungsbenützung besteht.
In seltenen Einzelfällen sind allerdings vom Gesetzgeber nicht intendierte, sachlich kaum gerechtfertigte Härten entstanden, die nunmehr im Wege einer Adaptierung dieser Regelungen beseitigt werden sollen. So besteht derzeit bei einem Wohnungswechsel grundsätzlich dann kein Anspruch auf Wohnkostenbeihilfe, wenn eine (andere eigene) Wohnung erst nach Antritt des Wehrdienstes bezogen wurde. ...‘“
Die genannten Erkenntnisse sind allesamt vor dem Inkrafttreten des BGBl. I Nr. 102/2019 ergangen.
Der neu gefasste § 31 Abs 2 Z 2 HGG 2001 idF BGBl. I Nr. 102/2019 wollte ebenfalls aufgetretene Praxisprobleme beseitigen und die Wohnkostenbeihilfe bei Wohngemeinschaften so neu regeln, dass gerade finanziell schwächere Personen davon profitieren. Dem Gesetzgeber scheint dabei aber eine, vor dem Hintergrund des Gleichheitssatzes des Art 7 B-VG, nicht rechtfertigbare Ungleichbehandlung von Mietern und Untermietern (aber auch anderen vertraglich berechtigten Mitbenützern einer Wohngemeinschaft) unterlaufen zu sein, deren rechtliche Position – was den drohenden Verlust der Wohnung bei Nichtzahlung des vereinbarten Entgelts betrifft – vergleichbar ist.
Dass der Gesetzgeber „Untermieter oder sonstige Personen die sich an den Haushaltskosten beteiligen“ als Mitbewohner (Mitzahler) eines Anspruchsberechtigen in einer WG anerkennt, denselben Personenkreis aber nicht als anspruchsberechtigt sieht, ist aus Sicht des BVwG sachlich nicht begründbar und erscheint damit verfassungsgesetzlich unzulässig.
Diese Ungleichbehandlung kann durch die vorgeschlagene Streichung der Wortgruppe „Eigentümer oder Miteigentümer oder Hauptmieter“ im ersten Halbsatz des § 31 Abs 2 Z 2 HGG 2001 beseitigt werden. Eine Missbrauchsgefahr ist damit nicht verbunden, weil nach wie vor ein vertraglich verbindlicher Rechtstitel für die Mitbenützung durch den Anspruchsberechtigten nach der Rechtsprechung des VwGH Voraussetzung ist (vgl etwa VwGH 25.05.2004, 2003/11/0053), dessen Vorliegen im Einzelfall der Anspruchsberechtigte zu beweisen haben wird.
Die frühere Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs, die die sachliche Rechtfertigung der Ungleichbehandlung im „beachtlichen wirtschaftlichen Wert“ sah, erscheint vor dem Hintergrund der neuen Regelungen zur WG jedenfalls nicht (mehr) anwendbar.
Schlagworte
Gesetzprüfungsantrag Gleichheitsgrundsatz Präjudizialität Präsenzdienst Ungleichbehandlung Untermiete verfassungsrechtliche Bedenken Wohngemeinschaft WohnkostenbeihilfeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W208.2242536.1.00Im RIS seit
08.10.2021Zuletzt aktualisiert am
08.10.2021