Entscheidungsdatum
16.06.2021Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z5Spruch
W129 2197358-1/19E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter DDr. Markus GERHOLD über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.05.2018, 781006408/180197429/BMI-BFA_STM_AST_01, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt II. bis VII. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und werden die Spruchpunkte II. und VII. des angefochtenen Bescheides behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer reiste erstmals im Oktober 2008 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 15.10.2008 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Der Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid vom 26.05.2009 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Die befristete Aufenthaltsberechtigung wurde ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 bis zum 14.12.2009 erteilt.
3. Mit Schreiben, eingelangt am 08.06.2009, gab der Beschwerdeführer eine schriftliche Erklärung ab, dass er beabsichtige, freiwillig in seinen Herkunftsstaat zurückzukehren. Mit Schreiben vom 30.06.2009 erfolgte die Mitteilung durch IOM, dass er am 29.06.2009 unter Gewährung von Rückkehrhilfe aus dem Bundesgebiet ausgereist ist.
4. Der Beschwerdeführer stellte am 26.02.2018 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz und gab bei der Erstbefragung am selben Tag im Wesentlichen und zusammengefasst an, dass er seit seiner Operation Ende 2017 an Gedächtnisschwund leide, er brauche jemanden, der sich um ihn kümmere. Er sei im Jahr 2009 in seine Heimat zurückgekehrt, weil er sich mit seiner Familie zerstritten habe. Zwischenzeitlich hätten sie sich versöhnt und, weil er pflegebedürftig sei, hätten sie entschieden, dass er hierherkomme. Andere Gründe habe er nicht. Er habe vom Krankenhaus Befunde in russischer Sprache mit und könne sie bei Bedarf vorlegen.
5. Am 09.04.2018 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen. Im Zuge dessen gab er im Wesentlichen und sinngemäß an, dass er 2008 in Österreich um Asyl angesucht habe und auch subsidiären Schutz gewährt bekommen habe. Er sei dann 2009 freiwillig nach „Russland“ zurückgekehrt. Gefragt, warum er zurückgekehrt sei, führte er aus, er habe einen Streit mit seiner Frau gehabt und habe sich entschlossen, nach „Russland“ zurückzukehren. Unter Hinweis, dass der Beschwerdeführer somit keinerlei Verfolgungshandlungen in der Russischen Föderation zu befürchten habe; er 9 Jahre dortgeblieben sei, führte der Beschwerdeführer aus, dass seine Verwandten gesagt hätten, er solle zu seiner Frau gehen, sie solle sich um ihn kümmern. Gefragt, warum er erneut in Österreich um Asyl ansuche, führte er aus, dass er sich nicht gesund fühle. Er wolle wieder bei seiner Frau sein. Er habe aber keine Verfolgung zu behaupten. Zudem habe er sich wieder mit seiner Frau versöhnt.
6. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.05.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Der dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 26.05.2009, Zahl 08 10.064-BAG, zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten wurde ihm gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt II.). Im Spruchpunkt III. wurde ihm die mit Bescheid vom 26.05.2009, Zahl 08 10.064-BAG, erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 9 Abs. 4 AsylG 2005 entzogen. Dem Beschwerdeführer wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG erlassen (Spruchpunkt V.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig ist (Spruchpunkt VI.). Weiters wurde ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VII.).
7. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Dabei wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass nicht nachvollziehbar sei, dass der Beschwerdeführer arbeitsfähig sei. Der Beschwerdeführer habe angegeben, dass er nach der schweren Operation an Gedächtnisschwund leide und jemanden brauche (Frau und Kinder), der sich um ihn kümmern könne. Aus den Angaben des Beschwerdeführers ergebe sich, dass er weder arbeitsfähig sei noch alleine in der Russischen Föderation leben könne. Der Beschwerdeführer bemühe sich sehr, um eine Integration in die österreichische Gesellschaft. Drüber hinaus lebe die Familie des Beschwerdeführers, nämlich seine Frau, seine erwachsenen Kinder und seine Schwester in Österreich. Es sei daher das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und die Schutzwürdigkeit des Privatlebens des Fremden zu berücksichtigen. Im Übrigen habe er einige gute Freunde gefunden und ein stabiles, soziales Umfeld aufgebaut. Der persönliche Lebensmittelpunkt des Beschwerdeführers liege somit in Österreich. Zudem habe die Behörde unterlassen, dem Beschwerdeführer vor Erlass der Aberkennungsentscheidung die Möglichkeit, einer Stellungnahme einzuräumen, weshalb ein erheblicher Verfahrensmangel vorliege.
8. Mit Schreiben vom 04.06.2018 legte die belangte Behörde die Beschwerde sowie die bezughabenden Akten dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor, wo das Konvolut am 05.06.2018 einlangte.
9. Am 04.07.2018 wurde eine mündliche Verhandlung durchgeführt, in der die Beschwerdesache ausführlich erörtert wurde.
10. Mit Schriftsatz vom 06.10.2020 übermittelte der Beschwerdeführer – nachdem ihm der aktuelle Länderbericht zur Russischen Föderation vom 27.03.2020 übermittelt wurde - eine Stellungnahme.
11. Mit Schreiben vom 04.12.2020 wurde das XXXX Wien aufgefordert, Fragen im Zusammenhang mit dem Gesundheitszustand des Beschwerdeführers zu beantworten.
12. Am 22.12.2020 langten Unterlagen des XXXX Wien beim Bundesverwaltungsgericht ein, die in weiterer Folge zum Parteiengehör zugestellt wurden.
13. Mit Schreiben, welches am 25.01.2021 beim Bundesverwaltungsgericht einlangten, gab der Beschwerdeführer dazu eine Stellungnahme ab.
14. Am 20.04.2021 langte eine Aufenthaltsbestätigung der XXXX ein, demnach der der Beschwerdeführer am 09.03.2021 in die stationäre Pflege aufgenommen worden sei. Im Begleitschreiben führte der Beschwerdeführer aus, die Unterbringung sei nach einem Schlaganfall im Februar veranlasst worden. Zudem wurde darauf hingewiesen, dass die Kosten für die Unterbringung nur für sechs Monate übernommen worden seien, da der Status des Beschwerdeführers ungeklärt sei.
15. Am 23.04.2021 wurden weitere Unterlagen vorgelegt, und zwar ein Schreiben des XXXX vom 17.02.2021 sowie ein Befundbericht vom 16.02.2021.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation, welcher der tschetschenischen Volksgruppe angehört und sich zum islamischen Glauben bekennt.
Der Beschwerdeführer lebte im Herkunftsstaat in XXXX (Tschetschenien) und ist auch von dort nach Österreich ausgereist. Der Beschwerdeführer lebte auch in Kasachstan. Der Beschwerdeführer hat im Herkunftsstaat die Schule besucht (8 Klassen Grundstufe) und hat drei Jahre Berufsschule absolviert. Er hat in der Russischen Föderation auf Baustellen als Helfer gearbeitet. Zudem hat er seinen Wehrdienst absolviert. Im Herkunftsstaat lebt ein leiblicher Bruder des Beschwerdeführers. Dieser konnte sich um den Beschwerdeführer in der Vergangenheit nicht ausreichend kümmern.
1.2. Der Beschwerdeführer reiste erstmals im Oktober 2008 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 15.10.2008 einen Antrag auf internationalen Schutz. Der Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid vom 26.05.2009 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Die befristete Aufenthaltsberechtigung wurde ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 bis zum 14.12.2009 erteilt.
Mit Schreiben vom 08.06.2009 gab der Beschwerdeführer eine schriftliche Erklärung ab, dass er beabsichtigte freiwillig in seinen Herkunftsstaat zurückzukehren. Mit Schreiben vom 30.06.2009 erfolgte die Mitteilung durch IOM, dass er am 29.06.2009 unter Gewährung von Rückkehrhilfe aus dem Bundesgebiet ausgereist ist.
Der Beschwerdeführer stellte am 26.02.2018 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
1.3. Der Beschwerdeführer wurde von der XXXX für Neurologie zur Durchführung einer supportiven Therapie bei geplanter Radiatio eines Meningeomsrezidivs frontal und sagittal nach erfolgter Teilresektion im August 2020 stationär aufgenommen. Der Beschwerdeführer wurde im Dezember 2020 aus dem Krankenhaus entlassen. Zudem leidet der Beschwerdeführer an Anämie und epileptischen Anfällen.
Der Beschwerdeführer wurde nach einem Schlaganfall im Februar 2021 in die stationäre Pflege bei der XXXX aufgenommen.
Der Beschwerdeführer ist auf Unterstützung angewiesen und ist nicht arbeitsfähig.
Die dem Gericht – mit Ausnahme des Medikamentes Dominal - bekanntgegebenen benötigten Medikamente (siehe Prä-Anästhesie-Beurteilung vom 14.08.2020) bzw dessen Wirkstoffe und bei Fehlen des Wirkstoffes ein alternativer Wirkstoff sind im Herkunftsstaat verfügbar. Hinsichtlich des Medikamentes Dominal wird darauf hingewiesen, dass psychiatrische Behandlungen für diverse psychische Störungen und Krankheiten in der gesamten Russischen Föderation verfügbar sind.
1.4. Weder war der Beschwerdeführer in der Russischen Föderation einer Verfolgung ausgesetzt noch droht eine solche aktuell. Der Beschwerdeführer ist im Falle einer Rückkehr in die Russische Föderation nicht aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht.
1.5. In Österreich befindet sich die Exgattin des Beschwerdeführers. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.03.2020, W125 1266329-4, wurde die Beschwerde hinsichtlich der Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten betreffend die Exgattin abgewiesen und ihr ein Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung“ für die Dauer von zwölf Monaten erteilt. Zudem halten sich die Kinder des Beschwerdeführers im Bundesgebiet auf. Zur Tochter XXXX ist auszuführen, dass mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tag die Beschwerde gegen den „Bescheid“ des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.06.2018 mangels Vorliegens eines Bescheides als unzulässig zurückgewiesen wurde (W111 1266331-3). Der Antrag auf internationalen Schutz dieser Tochter vom 27.12.2012 ist daher weiterhin offen. Seinen Kindern XXXX und XXXX (W111 1266330-3, W111 1266333-3) wurden mit Erkenntnissen vom heutigen Tag die Beschwerden hinsichtlich der Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen und ihnen jeweils ein Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ für die Dauer von zwölf Monaten erteilt. Zwei weitere Kinder des Beschwerdeführers ( XXXX und XXXX ) wohnen mit deren Familien ebenfalls im Bundesgebiet. Die volljährige Tochter, XXXX , leidet (insbesondere) an rezidivierenden Sturzattacken mit Bewusstseinsstörung und bedarf einer Betreuung im Alltag.
Wie bereits ausgeführt, leben in Österreich die Ex-Ehegattin sowie die Kinder des Beschwerdeführers. Zudem lebt eine leibliche Schwester in Österreich, zu der aber kein Kontakt besteht. Der Beschwerdeführer hat keine weiteren Kontakte zu dauerhaft in Österreich aufenthaltsberechtigten Personen. Der Beschwerdeführer bedarf, wie bereits ausgeführt, Unterstützung. Seine Ex-Ehegattin sowie seine Kinder kümmerten sich um den Beschwerdeführer, der sich aktuell in stationärer Pflege befindet. Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.
1.6. Zur Russischen Föderation wird Folgendes festgestellt:
Medizinische Versorgung
Letzte Änderung: 27.03.2020
Das Recht auf kostenlose medizinische Grundversorgung für alle Bürger ist in der Verfassung verankert (GIZ 2.2020c, vgl. ÖB Moskau 12.2018). Voraussetzung ist lediglich eine Registrierung des Wohnsitzes im Land. Am Meldeamt nur temporär registrierte Personen haben Zugang zu notfallmäßiger medizinischer Versorgung, während eine permanente Registrierung stationäre medizinische Versorgung ermöglicht. Fälle von Diskriminierung aufgrund von Religion oder ethnischer Herkunft bezüglich der Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen sind nicht bekannt (ÖB Moskau 12.2019). Das Gesundheitswesen wird im Rahmen der „Nationalen Projekte“, die aus Rohstoffeinnahmen finanziert werden, modernisiert. So wurden landesweit sieben föderale Zentren mit medizinischer Spitzentechnologie und zwölf Perinatalzentren errichtet, Transport und Versorgung von Unfallopfern verbessert, sowie Präventions- und Unterstützungsprogramme für Mütter und Kinder entwickelt. Schrittweise werden die Gehälter für das medizinische Personal angehoben sowie staatliche Mittel in die Modernisierung bestehender Kliniken investiert. Seit 2002 ist die Lebenserwartung in Russland stetig gestiegen (GIZ 2.2020c).
Medizinische Versorgung wird von staatlichen und privaten Einrichtungen zu Verfügung gestellt. StaatsbürgerInnen haben im Rahmen der staatlich finanzierten, obligatorischen Krankenversicherung (OMS) Zugang zu einer kostenlosen medizinischen Versorgung (IOM 2018, vgl. ÖB Moskau 12.2019). Jede/r russische Staatsbürger/in, egal ob er einer Arbeit nachgeht oder nicht, ist von der Pflichtversicherung erfasst (ÖB Moskau 12.2019). Dies gilt somit auch für Rückkehrer, daher kann jeder russische Staatsbürger bei Vorlage eines Passes oder einer Geburtsurkunde (für Kinder bis 14) eine OMS-Karte erhalten (IOM 2018, vgl. ÖB Moskau 12.2019). Diese müssen bei der nächstliegenden Krankenversicherung eingereicht werden. An staatlichen wie auch an privaten Kliniken sind medizinische Dienstleistungen verfügbar, für die man direkt bezahlen kann (im Rahmen der freiwilligen Krankenversicherung – Voluntary Medical Insurance DMS) (IOM 2018). Durch die Zusatzversicherung sind einige gebührenpflichtige Leistungen in einigen staatlichen Krankenhäusern abgedeckt (ÖB Moskau 12.2019).
Die kostenfreie Versorgung umfasst Notfallbehandlung, ambulante Behandlung, inklusive Vorsorge, Diagnose und Behandlung von Krankheiten zu Hause und in Kliniken, stationäre Behandlung und teilweise kostenlose Medikamente. Behandlungen innerhalb der OMS sind kostenlos. Für die zahlungspflichtigen Dienstleistungen gibt es Preislisten auf den jeweiligen Webseiten der öffentlichen und privaten Kliniken (IOM 2018, vgl. ÖB Moskau 12.2019), die zum Teil auch mit OMS abrechnen (GTAI 27.11.2018). Immer mehr russische Staatsbürger wenden sich an Privatkliniken (GTAI 27.11.2018, vgl. Ostexperte 22.9.2017).
Das noch aus der Sowjetzeit stammende Gesundheitssystem bleibt ineffektiv. Trotz der schrittweisen Anhebung der Honorare sind die Einkommen der Ärzte und des medizinischen Personals noch immer niedrig (GIZ 2.2020c). Dies hat zu einem System der faktischen Zuzahlung durch die Patienten geführt, obwohl ärztliche Behandlung eigentlich kostenfrei ist (GIZ 2.2020c, vgl. AA 13.2.2019). Kostenpflichtig sind einerseits Sonderleistungen (Einzelzimmer u. Ä.), andererseits jene medizinischen Leistungen, die auf Wunsch des Patienten durchgeführt werden (z.B. zusätzliche Untersuchungen, die laut behandelndem Arzt nicht indiziert sind) (ÖB Moskau 12.2019).
Personen haben das Recht auf freie Wahl der medizinischen Anstalt und des Arztes, allerdings mit Einschränkungen. Für einfache medizinische Hilfe, die in der Regel in Polikliniken erwiesen wird, haben Personen das Recht, die medizinische Anstalt nicht öfter als einmal pro Jahr, unter anderem nach dem territorialen Prinzip (d.h. am Wohn-, Arbeits- oder Ausbildungsort), zu wechseln. Davon ausgenommen ist ein Wechsel im Falle einer Änderung des Wohn- oder Aufenthaltsortes. Das bedeutet aber auch, dass die Inanspruchnahme einer medizinischen Standardleistung (gilt nicht für Notfälle) in einem anderen als dem „zuständigen“ Krankenhaus, bzw. bei einem anderen als dem „zuständigen“ Arzt, kostenpflichtig ist. In der ausgewählten Einrichtung können Personen ihren Allgemein- bzw. Kinderarzt nicht öfter als einmal pro Jahr wechseln. Falls eine geplante spezialisierte medizinische Behandlung im Krankenhaus nötig wird, erfolgt die Auswahl der medizinischen Anstalt durch den Patienten gemäß der Empfehlung des betreuenden Arztes oder selbstständig, falls mehrere medizinische Anstalten zur Auswahl stehen. Abgesehen von den oben stehenden Ausnahmen sind Selbstbehalte nicht vorgesehen (ÖB Moskau 12.2019).
Die Versorgung mit Medikamenten ist grundsätzlich bei stationärer Behandlung sowie bei Notfallbehandlungen kostenlos. Es wird aber berichtet, dass in der Praxis die Bezahlung von Schmiergeld zur Durchführung medizinischer Untersuchungen und Behandlungen teilweise erwartet wird (ÖB Moskau 12.2019). Bestimmte Medikamente werden kostenfrei zur Verfügung gestellt, z.B. Medikamente gegen Krebs und Diabetes (DIS 1.2015). In Notfällen sind Medikamente in Kliniken, wie auch an Ambulanzstationen, kostenfrei erhältlich. Gewöhnlich kaufen russische Staatsbürger ihre Medikamente jedoch selbst. Bürgerinnen mit speziellen Krankheiten wird Unterstützung gewährt, u.a. durch kostenfreie Medikamente, Behandlung und Transport. Die Kosten für Medikamente variieren, feste Preise bestehen nicht (IOM 2018). Weiters wird berichtet, dass die Qualität der medizinischen Versorgung hinsichtlich der zur Verfügung stehenden Ausstattung von Krankenhäusern und der Qualifizierung der Ärzte landesweit variieren kann (ÖB Moskau 12.2019). Im Zuge der Lokalisierungspolitik der Russischen Föderation sinkt der Anteil an hochwertigen ausländischen Medikamenten. Es wurde über Fälle von Medikamenten ohne oder mit schädlichen Wirkstoffen berichtet. Als Gegenmaßnahme wurde 2018 ein neues System der Etikettierung eingeführt, sodass nun nachvollzogen werden kann, wo und wie die Arzneimittel hergestellt und bearbeitet wurden. Die Medikamentenversorgung ist zumindest in den Großstädten gewährleistet und teilweise kostenfrei (AA 13.2.2019).
Das Wissen und die technischen Möglichkeiten für anspruchsvollere Behandlungen sind meistens nur in den Großstädten vorhanden. Das Hauptproblem ist jedoch weniger die fehlende technische Ausstattung, sondern ein Ärztemangel, obwohl die Zahl der Ärzte 2018 leicht gestiegen ist. Hinzu kommt, dass die Gesundheitsversorgung zu stark auf die klinische Behandlung ausgerichtet ist. Da in den letzten Jahren die Zahl der Krankenhäuser und Ärztezentren abgenommen hat, hat die Regierung darauf reagiert und 2018 beschlossen, dass bis 2024 360 neue medizinische Einrichtungen, darunter 30 onkologische Zentren, gebaut und weitere 1.200 saniert werden sollen. Zusätzlich sollen 800 mobile Einrichtungen eröffnet werden. Parallel zu diesen Beschlüssen wurden jedoch 2018 300 staatliche Krankenhäuser geschlossen. Den größten Fortschritt in der medizinischen Versorgung brachten 2018 die Einführung der Telemedizin und die digitale Erbringung der medizinischen Leistung. Patienten können seit dem 1.4.2018 einen Termin über ihr e-Konto vereinbaren oder einen digitalen Arzt in Anspruch nehmen. Diagnose und Behandlung erfolgen online. Mit der Einführung der Telemedizin haben sich die langen Wartezeiten auf eine Behandlung verkürzt (AA 13.2.2019).
Aufgrund der Bewegungsfreiheit im Land ist es für alle Bürger der Russischen Föderation möglich, bei Krankheiten, die in einzelnen Teilrepubliken nicht behandelbar sind, zur Behandlung in andere Teile der Russischen Föderation zu reisen (vorübergehende Registrierung) (vgl. dazu die Kapitel 19. Bewegungsfreiheit und 19.1 Meldewesen) (DIS 1.2015, vgl. AA 13.2.2019).
Staatenlose, die dauerhaft in Russland leben, sind bezüglich ihres Rechts auf medizinische Hilfe russischen Staatsbürgern gleichgestellt. Bei Anmeldung in der Klinik muss die Krankenversicherungskarte (oder die Polizze) vorgelegt werden, womit der Zugang zur medizinischen Versorgung auf dem Gebiet der Russischen Föderation gewährleistet ist (ÖB Moskau 12.2019).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (13.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, https://www.ecoi.net/en/file/local/1458482/4598_1551701623_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-russischen-foederation-stand-dezember-2018-13-02-2019.pdf, Zugriff 19.3.2020
- GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (2.2020c): Russland, Gesellschaft, https://www.liportal.de/russland/gesellschaft/#c18140, Zugriff 19.3.2020
- GTAI – German Trade and Invest (27.11.20186): Russlands Privatkliniken glänzen mit hohem Wachstum, https://www.gtai.de/GTAI/Navigation/DE/Trade/Maerkte/suche,t=russlands-privatkliniken-glaenzen-mit-hohem-wachstum,did=2183416.html, Zugriff 19.3.2020
- DIS – Danish Immigration Service (1.2015): Security and human rights in Chechnya and the situation of Chechens in the Russian Federation – residence registration, racism and false accusations; Report from the Danish Immigration Service’s fact finding mission to Moscow, Grozny and Volgograd, the Russian Federation; From 23 April to 13 May 2014 and Paris, France 3 June 2014, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1423480989_2015-01-dis-chechnya-fact-finding-mission-report.pdf, Zugriff 19.3.2020
- IOM – International Organisation of Migration (2018): Länderinformationsblatt Russische Föderation, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698619/18364377/Russland_%2D_Country_Fact_Sheet_2018%2C_deutsch.pdf?nodeid=20101366&vernum=-2, Zugriff 19.3.2020
- ÖB Moskau (12.2019): Asylländerbericht Russische Föderation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2025975/RUSS_%C3%96B_Bericht_2019_12.pdf, Zugriff 19.3.2020
- Ostexperte.de (22.9.2017): Privatkliniken in Russland immer beliebter, https://ostexperte.de/russland-privatkliniken/, Zugriff 19.3.2020
Tschetschenien
Letzte Änderung: 27.03.2020
Wie jedes Subjekt der Russischen Föderation hat auch Tschetschenien eine eigene öffentliche Gesundheitsverwaltung, die die regionalen Gesundheitseinrichtungen wie z.B. regionale Spitäler (spezialisierte und zentrale), Tageseinrichtungen, diagnostische Zentren und spezialisierte Notfalleinrichtungen leitet. Das Krankenversicherungssystem wird vom territorialen verpflichtenden Gesundheitsfonds geführt. Schon 2013 wurde eine dreistufige Roadmap eingeführt, mit dem Ziel, die Verfügbarkeit und Qualität des tschetschenischen Gesundheitssystems zu erhöhen. In der ersten Stufe wird die primäre Gesundheitsversorgung, inklusive Notfall- und spezialisierter Gesundheitsversorgung, zur Verfügung gestellt. In der zweiten Stufe wird die multidisziplinäre spezialisierte Gesundheitsversorgung und in der dritten Stufe die spezialisierte Gesundheitsversorgung zur Verfügung gestellt (BDA CFS 31.3.2015). Es sind somit in Tschetschenien sowohl primäre als auch spezialisierte Gesundheitseinrichtungen verfügbar. Die Krankenhäuser sind in einem besseren Zustand als in den Nachbarrepubliken, da viele vor nicht allzu langer Zeit erbaut wurden (DIS 1.2015).
Bestimmte Medikamente werden kostenfrei zur Verfügung gestellt, z.B. Medikamente gegen Krebs und Diabetes. Auch gibt es bestimmte Personengruppen, die bestimmte Medikamente kostenfrei erhalten. Dazu gehören Kinder unter drei Jahren, Kriegsveteranen, schwangere Frauen und Onkologie- und HIV-Patienten. Verschriebene Medikamente werden in staatlich lizensierten Apotheken kostenfrei gegen Vorlage des Rezeptes abgegeben (DIS 1.2015). Weitere Krankheiten, für die Medikamente kostenlos weitergegeben werden (innerhalb der obligatorischen Krankenversicherung), sind:
- infektiöse und parasitäre Krankheiten
- Tumore
- endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten
- Krankheiten des Nervensystems
- Krankheiten des Blutes und der blutbildenden Organe sowie bestimmte Störungen mit Beteiligung des Immunsystems
- Krankheiten des Auges und der Augenanhangsgebilde
- Krankheiten des Ohres und des Warzenfortsatzes
- Krankheiten des Kreislaufsystems
- Krankheiten des Atmungssystems
- Krankheiten des Verdauungssystems
- Krankheiten des Urogenitalsystems
- Schwangerschaft, Geburt, Abort und Wochenbett
- Krankheiten der Haut und der Unterhaut
- Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems und des Bindegewebes
- Verletzungen, Vergiftungen und bestimmte andere Folgen äußerer Ursachen
- Geburtsfehler und Chromosomenfehler
- bestimmte Zustände, die ihren Ursprung in der Perinatalperiode haben
- Symptome und abnorme klinische und Laborbefunde, die nicht in der Kategorie der Internationalen Klassifikation von Krankheiten gelistet sind (BDA CFS 31.3.2015).
Die obligatorische Krankenversicherung deckt unter anderem auch klinische Untersuchungen von bestimmten Personengruppen, wie Minderjährigen, Studenten, Arbeitern usw., und medizinische Rehabilitation in Gesundheitseinrichtungen. Weiters werden zusätzliche Gebühren von Allgemeinmedizinern und Kinderärzten, Familienärzten, Krankenschwestern und Notfallmedizinern finanziert. Peritoneal- und Hämodialyse werden auch unterstützt (nach vorgegebenen Raten), einschließlich der Beschaffung von Materialien und Medikamenten. Die obligatorische Krankenversicherung in Tschetschenien ist von der föderalen obligatorischen Krankenversicherung subventioniert (BDA CFS 31.3.2015). Trotzdem muss angemerkt werden, dass auch hier aufgrund der niedrigen Löhne der Ärzte das System der Zuzahlung durch die Patienten existiert (BDA CFS 31.3.2015, vgl. GIZ 2.2020c, AA 13.2.2019). Es gibt dennoch medizinische Einrichtungen, wo die Versorgung kostenfrei bereitgestellt wird, beispielsweise im Distrikt von Gudermes [von hier stammt Ramzan Kadyrow]. In kleinen Dörfern sind die ärztlichen Leistungen günstiger (BDA CFS 31.3.2015).
In Tschetschenien gibt es nur einige private Gesundheitseinrichtungen, die normalerweise mit Fachärzten arbeiten, die aus den Nachbarregionen eingeladen werden. Die Preise sind hier um einiges höher als in öffentlichen Institutionen, und zwar aufgrund von komfortableren Aufenthalten, besser qualifizierten Spezialisten und modernerer medizinischer Ausstattung (BDA CFS 31.3.2015).
Wenn eine Behandlung in einer Region nicht verfügbar ist, gibt es die Möglichkeit, dass der Patient in eine andere Region, wo die Behandlung verfügbar ist, überwiesen wird (BDA CFS 31.3.2015).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (13.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, https://www.ecoi.net/en/file/local/1458482/4598_1551701623_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-russischen-foederation-stand-dezember-2018-13-02-2019.pdf, Zugriff 18.3.2020
- GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (2.2020c): Russland, Gesellschaft, https://www.liportal.de/russland/gesellschaft/#c18140, Zugriff 18.3.2020
- BDA – Belgium Desk on Accessibility (31.3.2015): Accessibility of healthcare: Chechnya, Country Fact Sheet via MedCOI
- DIS – Danish Immigration Service (1.2015): Security and human rights in Chechnya and the situation of Chechens in the Russian Federation – residence registration, racism and false accusations; Report from the Danish Immigration Service’s fact finding mission to Moscow, Grozny and Volgograd, the Russian Federation; From 23 April to 13 May 2014 and Paris, France 3 June 2014, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1423480989_2015-01-dis-chechnya-fact-finding-mission-report.pdf, Zugriff 18.3.2020
Gesundheitseinrichtungen in Tschetschenien
Letzte Änderung: 27.03.2020
Gesundheitseinrichtungen, die die ländlichen Gebiete Tschetscheniens abdecken, sind:
"Achkhoy-Martan RCH” (regional central hospital), "Vedenskaya RCH", "Grozny RCH", "Staro-Yurt RH” (regional hospital), "Gudermessky RCH", "Itum-Kalynskaya RCH", "Kurchaloevskaja RCH", "Nadterechnaye RCH", "Znamenskaya RH", "Goragorsky RH", "Naurskaya RCH", "Nozhai-Yurt RCH", "Sunzhensk RCH", Urus-Martan RCH", "Sharoy RH", "Shatoïski RCH", "Shali RCH", "Chiri-Yurt RCH", "Shelkovskaya RCH", "Argun municipal hospital N° 1" und "Gvardeyskaya RH" (BDA CFS 31.3.2015).
Gesundheitseinrichtungen, die alle Gebiete Tschetscheniens abdecken, sind:
“The Republican hospital of emergency care" (former Regional Central Clinic No. 9), "Republican Centre of prevention and fight against AIDS", "The National Centre of the Mother and Infant Aymani Kadyrova", "Republican Oncological Dispensary", "Republican Centre of blood transfusion", "National Centre for medical and psychological rehabilitation of children", "The Republican Hospital", "Republican Psychiatric Hospital", "National Drug Dispensary", "The Republican Hospital of War Veterans", "Republican TB Dispensary", "Clinic of pedodontics", "National Centre for Preventive Medicine", "Republican Centre for Infectious Diseases", "Republican Endocrinology Dispensary", "National Centre of purulent-septic surgery", "The Republican dental clinic", "Republican Dispensary of skin and venereal diseases", "Republican Association for medical diagnostics and rehabilitation", "Psychiatric Hospital ‘Samashki’, "Psychiatric Hospital ‘Darbanhi’", "Regional Paediatric Clinic", "National Centre for Emergency Medicine", "The Republican Scientific Medical Centre", "Republican Office for forensic examination", "National Rehabilitation Centre", "Medical Centre of Research and Information", "National Centre for Family Planning", "Medical Commission for driving licenses" und "National Paediatric Sanatorium ‘Chishki’" (BDA CFS 31.3.2015).
Städtische Gesundheitseinrichtungen in Grosny sind:
"Clinical Hospital N° 1 Grozny", "Clinical Hospital for children N° 2 Grozny", "Clinical Hospital N° 3 Grozny", "Clinical Hospital N° 4 Grozny", "Hospital N° 5 Grozny", "Hospital N° 6 Grozny", "Hospital N° 7 Grozny", "Clinical Hospital N° 10 in Grozny", "Maternity N° 2 in Grozny", "Polyclinic N° 1 in Grozny", "Polyclinic N° 2 in Grozny", "Polyclinic N° 3 in Grozny", "Polyclinic N° 4 in Grozny", "Polyclinic N° 5 in Grozny", "Polyclinic N° 6 in Grozny", "Polyclinic N° 7 in Grozny", "Polyclinic N° 8 in Grozny", "Paediatric polyclinic N° 1", "Paediatric polyclinic N° 3 in Grozny", "Paediatric polyclinic N° 4 in Grozny", "Paediatric polyclinic N° 5", "Dental complex in Grozny", "Dental Clinic N° 1 in Grozny", "Paediatric Psycho-Neurological Centre", "Dental Clinic N° 2 in Grozny" und "Paediatric Dental Clinic of Grozny" (BDA CFS 31.3.2015).
Quellen:
- BDA – Belgium Desk on Accessibility (31.3.2015): Accessibility of healthcare: Chechnya, Country Fact Sheet via MedCOI
Dagestan
Letzte Änderung: 27.03.2020
Wie jedes Subjekt der Russischen Föderation hat auch Dagestan eine eigene Gesundheitsverwaltung, die die regionalen Gesundheitseinrichtungen (spezialisierte und zentrale Krankenhäuser, Tageseinrichtungen, diagnostische Zentren und spezialisierte Notfallambulanzen, etc.) umfasst. Auch in Dagestan gibt es sowohl öffentliche als auch private Gesundheitseinrichtungen. Öffentliche Einrichtungen haben keine offiziellen Preislisten ihrer Behandlungen, da prinzipiell Untersuchungen, Behandlungen und Konsultationen gratis sind. Jedoch muss auf die informelle Zuzahlung hingewiesen werden (beispielsweise, um die Wartezeit zu verkürzen). Die Zahlungen sind jedoch geringer als in privaten Institutionen. Die Qualität der Behandlung ist in öffentlichen Einrichtungen nicht schlechter – viele Fachärzte arbeiten sowohl in öffentlichen als auch privaten Einrichtungen. Die Ausstattung und die Geräte sind meist in privaten Einrichtungen besser (BDA CFS 25.3.2016).
Wenn eine Behandlung in einer Region nicht verfügbar ist, gibt es die Möglichkeit, dass der Patient in eine andere Region, wo die Behandlung verfügbar ist, überwiesen wird (BDA 31.3.2015).
Quellen:
- BDA – Belgium Desk on Accessibility (31.3.2015): Accessibility of healthcare: Chechnya, Country Fact Sheet via MedCOI
- BDA – Belgium Desk on Accessibility (25.3.2016): Accessibility of healthcare: Dagestan, Country Fact Sheet via MedCOI
Behandlungsmöglichkeiten von psychischen Krankheiten, z.B. Posttraumatisches Belastungssyndrom PTBS/PTSD, Depressionen, etc.
Letzte Änderung: 27.03.2020
Psychiatrische Behandlungen für diverse psychische Störungen und Krankheiten sind in der gesamten Russischen Föderation verfügbar. Es gibt auch psychiatrische Krisenintervention bei Selbstmordgefährdeten (BMA 12248).
Posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) sind in der gesamten Russischen Föderation behandelbar (BMA 12248). Dies gilt auch für Tschetschenien (BMA 11412). Während es in Moskau unterschiedliche Arten von Therapien gibt (Kognitive Verhaltenstherapie, Desensibilisierung und Aufarbeitung durch Augenbewegungen [EMDR] und Narrative Expositionstherapie), um PTBS zu behandeln (BMA 11184), gibt es in Tschetschenien eine begrenzte Anzahl von Psychiatern, die Psychotherapien wie kognitive Verhaltenstherapie und Narrative Expositionstherapie anbieten (BMA 11412). Diverse Antidepressiva sind in der gesamten Russischen Föderation verfügbar (BMA 12132, BMA 11412).
Wie in anderen Teilen Russlands werden auch in Tschetschenien psychische Krankheiten hauptsächlich mit Medikamenten behandelt und es gibt nur selten eine Therapie. Die Möglichkeiten für psychosoziale Therapie oder Psychotherapie sind aufgrund des Mangels an notwendiger Ausrüstung, Ressourcen und qualifiziertem Personal in Tschetschenien stark eingeschränkt. Es gibt keine spezialisierten Institutionen für PTBS, jedoch sind Nachsorgeuntersuchungen und Psychotherapie möglich. Ambulante Konsultationen und Krankenhausaufenthalte sind im Republican Psychiatric Hospital of Grozny für alle in Tschetschenien lebende Personen kostenlos. Auf die informelle Zuzahlung wird hingewiesen. Üblicherweise zahlen Personen für einen Termin wegen psychischer Probleme zwischen RUB 700 und 2.000 (ca. EUR 8 bis 24). In diesem Krankenhaus ist die Medikation bei stationärer und ambulanter Behandlung kostenfrei (BDA 31.3.2015).
Häufig angefragte und verfügbare Inhaltsstoffe von Antidepressiva sind verfügbar (auch in Tschetschenien). Eine Auswahl von verfügbaren Antidepressiva in Tschetschenien und in der Russischen Föderation sind:
Sertralin (BMA 12132, BMA 11412)
Escitalopran (BMA 12248, BMA 11412)
Trazodon (BMA 12248, BMA 11543)
Citalopram (BMA 11933, BMA 11412)
Fluoxetin (BMA 11933, BMA 11412)
Quellen:
- International SOS via MedCOI (3.4.2019): BMA 12248
- International SOS via MedCOI (8.8.2018): BMA 11412
- International SOS via MedCOI (25.2.2019): BMA 12132
- International SOS via MedCOI (3.9.2018): BMA 11543
- International SOS via MedCOI (21.12.2018): BMA 11933
- International SOS via MedCOI (31.5.2018): BMA 11184
- BDA – Belgium Desk on Accessibility (31.3.2015): Accessibility of healthcare: Chechnya, Country Fact Sheet via MedCOI
Behandlungsmöglichkeiten HIV/AIDS / Hepatitis / Tuberkulose
Letzte Änderung: 27.03.2020
Ein ernstes Problem bleibt die Bekämpfung von HIV/AIDS. Der Anteil der AIDS-Kranken an der Bevölkerung wächst in Russland schneller als im Rest der Welt. Zwischen 1 und 1,7% der Bevölkerung sind mit HIV infiziert. Eine „Nationale Strategie der AIDS-Bekämpfung“ soll die Verbreitung eindämmen. Da jedoch ein korrespondierender Umsetzungsplan fehlt, bleibt die Lage weiterhin außer Kontrolle. Für mit HIV, Hepatitis B oder C infizierte und registrierte Personen wurde ein Monitoringverfahren entwickelt, das die Erfassung in einem zentralen Register vorsieht. Die Kosten der Behandlung werden nur für russische Bürger übernommen. Infizierte Migranten werden nicht behandelt (AA 13.2.2019).
HIV/AIDS ist in der Russischen Föderation mittels bestimmter antiretroviraler Medikamente behandelbar (BMA 11964). Dies gilt auch für Tschetschenien (BDA 6757).
Hepatitis C ist sowohl in der Russischen Föderation (BMA 11674) als auch in Tschetschenien behandelbar (BMA 11292).
Tuberkulose ist beispielsweise im Central Scientific Research Institute of Tuberculosis in Moskau behandelbar (BMA 11508). In Tschetschenien beispielsweise ist Tuberkulose in jedem Teil der Republik behandelbar, z.B. in Gudermes, Naderetchnyj, Shali, Shelkovskyj und Grosny. Es gibt in Grosny auch eine eigene Abteilung für Kinder (BDA 31.3.2015). In Moskau beispielsweise werden auch die Kosten für die Behandlung der häufig vorkommenden Krankheit Tuberkulose vom Moskauer Forschungs- und Klinikzentrum für Tuberkulosebekämpfung übernommen. Jeder, auch Migranten oder Obdachlose, haben Zugang zu diesen kostenlosen Gesundheitsleistungen (ÖB Moskau 12.2019).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (13.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, https://www.ecoi.net/en/file/local/1458482/4598_1551701623_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-russischen-foederation-stand-dezember-2018-13-02-2019.pdf, Zugriff 18.3.2020
- International SOS via MedCOI (10.1.2019): BMA 11964
- International SOS via MedCOI (23.6.2018): BMA 11292
- International SOS via MedCOI (15.10.2018): BMA 11674
- International SOS via MedCOI (30.8.2018): BMA 11508
- Belgian Immigration Office (29.6.2018): Question & Answer, BDA 6757
- BDA – Belgium Desk on Accessibility (31.3.2015): Accessibility of healthcare: Chechnya, Country Fact Sheet via MedCOI
- ÖB Moskau (12.2019): Asylländerbericht Russische Föderation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2025975/RUSS_%C3%96B_Bericht_2019_12.pdf, Zugriff 18.3.2020
Behandlungsmöglichkeiten Drogensucht
Letzte Änderung: 27.03.2020
Es gibt in der Russischen Föderation ein Drogenersatzprogramm, das zwar nicht mit Methadon erfolgt, sondern durch Alternativen. Methadon ist in der Russischen Föderation nicht registriert. Es gibt Reha-Kliniken für Drogenabhängigkeit (BMA 12236).
Quellen:
- International SOS via MedCOI (29.3.2019): BMA 12236
Behandlungsmöglichkeiten Nierenerkrankungen, Dialyse, Lebertransplantationen, Diabetes
Letzte Änderung: 27.03.2020
Nierenerkrankungen und (Hämo-)Dialyse sind sowohl in der Russischen Föderation als auch in Tschetschenien verfügbar (BMA 12506, BDA 31.3.2015). Auch Diabetes ist in der Russischen Föderation behandelbar (BMA 12353). Es werden in Russland auch Transplantationen gemacht, jedoch muss man sich auf eine Warteliste setzen lassen (BDA 31.3.2015). Leberfunktionstests und Lebertransplantationen sind [Transplantationen in Moskau] verfügbar (BMA 11293). Krankenhäuser und Spitäler haben bestimmte Quoten bezüglich der Behandlungen von Personen (z.B. Lebertransplantation) aus anderen Regionen oder Republiken der Russischen Föderation. Um solch eine Behandlung außerhalb der Region des permanenten Aufenthaltes zu erhalten, braucht die Person eine Garantie von der regionalen Gesundheitsbehörde, dass die Kosten für die Behandlung rückerstattet werden (BDA 31.3.2015).
Quellen:
- BDA – Belgium Desk on Accessibility (31.3.2015): Accessibility of healthcare: Chechnya, Country Fact Sheet via MedCOI
- International SOS via MedCOI (12.7.2019): BMA 12506
- International SOS via MedCOI (8.5.2019): BMA 12353
- International SOS via MedCOI (23.6.2018): BMA 11293
- International SOS via MedCOI (9.2.2016): BMA 7789
2. Beweiswürdigung:
2.1. Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt der belangten Behörde und Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Weiters durch Einsichtnahme in die dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebrachten Länderberichte zur aktuellen, im Hinblick auf das gegenständliche Verfahren relevanten Situation in der Russischen Föderation respektive Tschetschenien. Diese Feststellungen beruhen auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen und bilden dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche, sodass vor dem Hintergrund des vorliegenden Falles und auch unter Bedachtnahme auf das Vorbringen des Beschwerdeführers kein Anlass besteht, an der Richtigkeit der Länderfeststellungen zu zweifeln. Zur Aktualität der Quellen wird darauf hingewiesen, dass sich die dargestellte Informationslage unter Berücksichtigung aktualisierter Quellen in Zusammenschau mit aktueller medialer Berichtserstattung in ihren entscheidungsmaßgeblichen Aspekten im Wesentlichen unverändert darstellt.
2.2. Die Feststellungen zur Volksgruppenzugehörigkeit, zum Religionsbekenntnis, zur Herkunft, zur Schulbildung und zur vorliegenden Berufserfahrung ergeben sich aus dem unbedenklichen und daher glaubwürdigen Angaben des Beschwerdeführers. Dass sich der Bruder des Beschwerdeführers um den Beschwerdeführer in der Vergangenheit nicht ausreichend kümmern konnte, basiert auf den diesbezüglich unbedenklichen Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung (VH-Protokoll S. 13). Der Verfahrensablauf ergibt sich aus den Verwaltungsakten.
Die Feststellungen zu seinem Gesundheitszustand gründen sich aus dem Schreiben des XXXX Wien vom 22.12.2020, aus dem sich insbesondere ergibt, dass der Beschwerdeführer auf Unterstützung im Alltag angewiesen und nicht arbeitsfähig ist. Die weiteren Diagnosen wurden der Prä-Anästhesie-Beurteilung vom 14.08.2020 entnommen. Aus dem Schreiben vom 20.04.2021 ergibt sich, dass der Beschwerdeführer am 09.03.2021 in stationäre Pflege aufgenommen wurde. Diese Unterbringung sei nach einem Schlaganfall im Februar veranlasst worden. Zudem wurde Einsicht in die mit Dokumentenvorlage vom 22.04.2021 vorgelegten Unterlagen genommen.
Aus diversen Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation (siehe Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 12.03.2019, Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 20.02.2018, Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 25.10.2019, Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 17.06.2020, Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 20.02.2018 und Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 17.12.2020) geht hervor, dass die dem Gericht – mit Ausnahme des Medikamentes Dominal - bekanntgegebenen benötigten Medikamente (siehe Prä-Anästhesie-Beurteilung vom 14.08.2020) bzw dessen Wirkstoffe bzw bei Fehlen der Wirkstoffe alternative Wirkstoffe im Herkunftsstaat verfügbar sind. Hinsichtlich des Medikamentes Dominal wird jedoch darauf hingewiesen, dass psychiatrische Behandlungen für diverse psychische Störungen und Krankheiten in der gesamten Russischen Föderation verfügbar sind.
2.3. Die negative Feststellung zur potentiellen Verfolgungsgefahr des Beschwerdeführers in seinem Herkunftsstaat beruht auf dem unglaubwürdigen bwz. vagen Vorbringen des Beschwerdeführers.
„Glaubhaftmachung“ im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der Genfer Flüchtlingskonvention ist die Beurteilung des Vorgetragenen daraufhin, inwieweit einer vernunftbegabten Person nach objektiven Kriterien unter den geschilderten Umständen wohlbegründete Furcht vor Verfolgung zuzugestehen ist oder nicht. Erachtet die Behörde im Rahmen der Beweiswürdigung die Angaben des Asylwerbers grundsätzlich als unwahr, dann können die von ihm behaupteten Fluchtgründe gar nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden und es ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung gar nicht näher zu beurteilen (vgl. VwGH 12.3.2020, Ra 2019/01/0472-10 mwN).
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer in der Erstbefragung zusammengefasst und sinngemäß geltend machte, dass er pflegebedürftig sei und sich daher entschieden habe, dass er nach Österreich komme. Andere Gründe habe nicht. Auch im Zuge der Einvernahme berief er sich auf gesundheitliche Gründe und gab ausdrücklich an, dass er keine Verfolgung zu behaupten habe (AS 325). Zudem wurden in der Beschwerde keine substantiierten Hinweise auf eine Verfolgung des Beschwerdeführers geltend gemacht. Bereits diese Umstände sprechen gegen das Vorliegen einer Verfolgung. Auch leuchtet nicht ein, warum er eine solche Verfolgung nicht spätestens in der Beschwerde geltend gemacht hat, sollte eine solche tatsächlich vorliegen. Im Übrigen spricht gegen eine Glaubwürdigkeit einer Gefährdung, dass der Beschwerdeführer 2009 freiwillig in die Russische Föderation zurückgekehrt ist (vgl VH-Protokoll S. 9). Auch der Umstand, dass sich der Beschwerdeführer Reispässe der Russischen Föderation ausstellen lassen hat (vgl AS 335ff und AS 17ff), spricht gegen eine Verfolgung (vgl VH-Protokoll S. 9). Dies gilt gleichermaßen für das Visum (vgl VH-Protokoll S. 10).
Anzumerken ist, dass die aufgetretenen Widersprüche bzw vagen Angaben in der mündlichen Verhandlung nicht auf eine etwaige psychisch bedingte Einschränkung seiner Einvernahmefähigkeit zurückgeführt werden können. Dabei wird auch nicht verkannt, dass der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung ein Gutachten beantragte, ob der Beschwerdeführer überhaupt einvernahmefähig sei. Dazu wird festgehalten, dass für das Gericht kein Zweifel an der Einvernahmefähigkeit zum damaligen Zeitpunkt besteht. Diesbezüglich ist zu bemerken, dass der zuständige Richter den Beschwerdeführer am Beginn der Einvernahme gefragt hat, ob diese psychisch und physisch in der Lage sei, der heute stattfindenden mündlichen Verhandlung zu folgen bzw. ob irgendwelche Hindernisgründe vorliegen würden. Diese Frage wurde vom Beschwerdeführer dahingehend beantwortet, dass keine Hindernisgründe bei ihm vorliegen würden (vgl. VH-Protokoll S. 3) und sind damals keine substantiierten Hinweise hervorgekommen, an einer Einvernahmefähigkeit zu zweifeln.
Das Bundesverwaltungsgericht geht daher im Ergebnis davon aus, dass der Beschwerdeführer sein Herkunftsland aufgrund asylfremder Motive verlassen hat.
2.4. Die Feststellungen zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich ergeben sich aus den diesbezüglich glaubwürdigen Angaben des Beschwerdeführers sowie aus dem Akteninhalt. Zudem wurde Einsicht in die anhängigen Verfahren der Familienangehörigen sowie in das Erkenntnis W125 1266329-4 genommen. Insbesondere wurde auch Einsicht in das Verhandlungsprotokoll vom 16.09.2020, W111 1266330-3, W111 1266333-3, genommen, aus dem sich insbesondere ergibt, dass die Exgattin und die Kinder den Beschwerdeführer betreuten.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchpunkt A)
3.1. Zum Status des Asylberechtigten:
3.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idgF ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatssicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist und glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."
Zentraler Aspekt der dem § 3 AsylG 2005 zugrundeliegenden, in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (in der Fassung des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974) definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21. 12. 2000, 2000/01/0131; 19. 4. 2001, 99/20/0273).
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es für die Asylgewährung auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der Genfer Flüchtlingskonvention zum Zeitpunkt der Entscheidung an (vgl. etwa VwGH 26.6.2018, Ra 2018/20/0307, mwN). Es ist demnach für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten zum einen nicht zwingend erforderlich, dass der Fremde bereits in der Vergangenheit verfolgt wurde, zum anderen ist auch eine bereits stattgefundene Verfolgung ("Vorverfolgung") für sich genommen nicht hinreichend. Selbst wenn daher der Fremde im Herkunftsstaat bereits asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt war, ist entscheidend, ob er im Zeitpunkt der Entscheidung (der Behörde bzw. - im vorliegenden Fall - des Verwaltungsgerichts) weiterhin mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste (vgl. VwGH 25.9.2018, Ra 2017/01/0203; 27.6.2019, Ra 2018/14/0274, mwN).
3.1.2. Wie beweiswürdigend dargelegt, hat der Beschwerdeführer im Verfahrensverlauf, vor dem Hintergrund der Länderberichte, keinerlei Anhaltspunkte auf das Vorliegen eines Sachverhaltes im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung vorgebracht. Aus den Angaben des Beschwerdeführers ergibt sich keine diesem im Falle einer Rückkehr in die Russische Föderation (Tschetschenien) aus einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Motive drohende Verfolgung.
3.1.3. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides war daher spruchgemäß abzuweisen.
3.2. Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten:
3.2.1. § 9 AsylG 2005 sieht eine amtswegige Verpflichtung vor, bei Vorliegen der Voraussetzungen den Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuerkennen. Der Schutz ist abzuerkennen, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung nicht oder nicht mehr vorliegen. Im zweiten Fall des § 9 Abs 1 Z 1 AsylG 2005, in dem die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen, wird auf eine Änderung der Umstände abgestellt, die so wesentlich und nicht nur vorübergehend ist, dass die Person, die Anspruch auf subsidiären Schutz hatte, tatsächlich nicht länger Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden.
Somit ist zu klären, ob im Falle der Rückführung des Fremden in seinen Herkunftsstaat Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde. Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).
Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen ("a sufficiently real risk") im Zielstaat zu verstehen (VwGH 19.02.2004, Zl. 99/20/0573; auch ErläutRV 952 BlgNR 22. GP zu § 8 AsylG 2005). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Artikels 3 EMRK zu gelangen (zB VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294; 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438; 30.05.2001, Zl. 97/21/0560). Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (vgl. VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427; 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028; siehe dazu vor allem auch EGMR 20.07.2010, N. gg. Schweden, Zl. 23505/09, Rz 52ff; 13.10.2011, Husseini gg. Schweden, Zl. 10611/09, Rz 81ff).
Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen. Die Ansicht, eine Benachteiligung, die alle Bewohner des Staates in gleicher Weise zu erdulden hätten, könne nicht als Bedrohung im Sinne des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 gewertet werden, trifft nicht zu (VwGH 25.11.1999, Zl. 99/20/0465; 08.06.2000, Zl. 99/20/0203; 17.09.2008, Zl. 2008/23/0588). Selbst wenn infolge von Bürgerkriegsverhältnissen letztlich offen bliebe, ob überhaupt noch eine Staatsgewalt bestünde, bliebe als Gegenstand der Entscheidung nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Frage, ob stichhaltige Gründe für eine Gefährdung des Fremden in diesem Sinne vorliegen (vgl. VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203).
Bei außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten im Herkunftsstaat kann nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) die Außerlandesschaffung eines Fremden nur dann eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, wenn im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände ("exceptional circumstances") vorliegen (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich, Zl. 30240/96; 06.02.2001, Bensaid, Zl. 44599/98; vgl. auch VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443). Unter "außergewöhnlichen Umständen" können auch lebensbedrohende Ereignisse (zB Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK iVm. § 8 Abs. 1 AsylG 2005 bilden, die von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertreten sind (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich; vgl. VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443; 13.11.2001, Zl. 2000/01/0453; 09.07.2002, Zl. 2001/01/0164; 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059).
Nach Ansicht des VwGH ist am Maßstab der Entscheidungen des EGMR zu Art. 3 EMRK für die Beantwortung der Frage, ob die Abschiebung eines Fremden eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellt, unter anderem zu klären, welche Auswirkungen physischer und psychischer Art auf den Gesundheitszustand des Fremden als reale Gefahr ("real risk") - die bloße Möglichkeit genügt nicht - damit verbunden wären (VwGH 23.09.2004, Zl. 2001/21/0137). Der EGMR geht weiter allgemein davon aus, dass aus Art. 3 EMRK grundsätzlich kein Bleiberecht mit der Begründung abgeleitet werden kann, dass der Herkunftsstaat gewisse soziale, medizinische oder sonstige unterstützende Leistungen nicht biete, die der Staat des gegenwärtigen Aufenthaltes bietet. Nur unter außerordentlichen, ausnahmsweise vorliegenden Umständen kann diesbezüglich die Entscheidung, den Fremden außer Landes zu schaffen, zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK führen (vgl für mehrere. z. B. Urteil vom 2.5.1997, EGMR 146/1996/767/964 ["St. Kitts-Fall"], oder auch Application no. 7702/04 by SALKIC and Others against Sweden oder S.C.C. against Sweden v. 15.2.2000, 46553 / 99).
Im Einklang mit der Judikatur der Höchstgerichte hat im Allgemeinen kein Fremder ein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar