TE Bvwg Erkenntnis 2021/6/17 W144 2117109-4

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.06.2021
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Entscheidungsdatum

17.06.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §57
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z5
FPG §55 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W144 2117109-4/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Andreas Huber als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. von Afghanistan, vertreten durch die BBU GmBH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 04.05.2021, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der bekämpfte Bescheid wird gemäß § 28 Abs. 1 und Abs. 2 VwGVG ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (BF), ein volljähriger Staatsangehöriger von Afghanistan, stellte im Juli 2014 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid des BFA vom 30.09.2015 wurde dieser Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt (Spruchpunkt II.) und gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 01.10.2016 erteilt (Spruchpunkt III.).

Die gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 05.07.2019, Zl. W242 2117109-1/27E als unbegründet ab.

Nachdem der BF fünf Mal strafgerichtlich verurteilt worden und ein Aberkennungsverfahren gegen ihn eingeleitet worden war, erkannte ihm das BFA mit Bescheid vom 22.07.2019 den Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen ab (Spruchpunkt I.), entzog ihm die befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 9 Abs. 4 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.), erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkte III. bis V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

Mit Strafurteil vom 29.12.2020, rechtskräftig seit 05.01.2021, wurde der BF wegen § 125 StGB als junger Erwachsener zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt.

Die gegen den Bescheid vom 22.07.2019 erhobene Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis, Zl. W172 2117109-2/25E, mündlich verkündet am 13.08.2020 und schriftlich ausgefertigt am 08.02.2021, abgewiesen.

Am 01.03.2021 erfolgte eine Verständigung der Behörde von der Anklageerhebung gegen den BF durch die Staatsanwaltschaft XXXX wegen § 135 Abs. 1 und § 83 Abs. 1 StGB. Der BF war ab dem 18.03.2021 unbekannten Aufenthaltes.

Nach schriftlicher Verständigung vom Ergebnis einer Beweisaufnahme und ungenützten Verstreichens einer eingeräumten 14-tägigen Frist zur Stellungnahme hat das BFA mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 04.05.2021 einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gegen den BF gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG 2005 iVm § 10 Abs. 2 und § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt III.), gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.) und der Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.).

Am 12.05.2021 wurde der BF im Zuge einer Fahrzeug- und Lenkerkontrolle festgenommen.

Mit Mandatsbescheid vom 13.05.2021 ordnete das BFA gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung an. Dieser Mandatsbescheid und der Bescheid vom 04.05.2021 wurden vom BF am 13.05.2021 persönlich übernommen.

Am 25.05.2021 stellte der BF während Anhaltung in Schubhaft einen (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz und am gleichen Tag wurde eine Erstbefragung dazu durchgeführt.

Mit Aktenvermerk vom 25.05.2021 hielt das BFA gemäß § 76 Abs. 6 FPG fest, es bestünden Gründe zur Annahme, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt worden sei, weshalb die Anhaltung in Schubhaft derzeit aufrecht bleibe.

Am 01.06.2021 unterfertigte der BF einen Antrag auf Teilnahme am Projekt „RESTART III – Unterstützung des österreichischen Rückkehrsystems und der Reintegration freiwilliger Rückkehrer/innen in Afghanistan“.

Nach zwei niederschriftlichen Einvernahmen vor dem BFA wurde mit mündlich verkündetem Bescheid vom 01.06.2021 gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12 AsylG 2005 den BF betreffend aufgehoben. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 08.06.2021, Zl. W228 2117109-3/3E, wurde die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 und § 22 Abs. 10 AsylG 2005 iVm § 22 BFA-VG bestätigt. Begründend wurde dargelegt, dass der Folgeantrag voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein werde.

Gegen den Bescheid des BFA vom 04.05.2021 richtet sich die durch die Rechtsvertretung des BF am 08.06.2021 eingebrachte vollumfängliche Beschwerde, zu deren Begründung im Wesentlichen ausgeführt wurde, dass die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nicht nachvollziehbar begründet worden sei. Da der Aufenthalt des BF aufgrund des gestellten Antrags auf internationalen Schutz rechtmäßig sei, komme die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 1 Z 1 FPG nicht in Betracht. Entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei die Erlassung einer Rückkehrentscheidung vor der Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz nicht zulässig und hätte die erlassene Rückkehrentscheidung zum Zeitpunkt der Asylantragstellung durch das BFA von Amts wegen behoben werden müssen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Festgestellt wird der oben dargelegte Verfahrensgang, insbesondere dass das BFA mit Bescheid vom 04.05.2021 einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilte, gegen den BF gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG 2005 iVm § 10 Abs. 2 AsylG und § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung erließ, gemäß § 52 Abs. 9 FPG feststellte, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei, gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot erließ und der Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannte.

Gegen diesen Bescheid erhob der BF rechtzeitig Beschwerde und die Beschwerdevorlage langte am 11.06.2021 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

Am 25.05.2021 hatte der BF einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt und das diesbezügliche Verfahren ist derzeit vor dem BFA anhängig.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang sowie die Feststellungen ergeben sich aus dem Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes und einer Einsicht in die vom Bundesverwaltungsgericht abgeschlossenen Beschwerdeverfahren, Zlen. W172 2117109-2 und W228 2117109-3.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Nach § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Die ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheides ist eine Entscheidung in der Sache selbst; als verfahrensrechtliche Grundlage für eine solche Entscheidung ist im Spruch daher § 28 Abs. 1 und Abs. 2 (bzw. Abs. 3 Satz 1) VwGVG zu nennen (vgl. VwGH 04.08.2016, Ra 2016/21/0162).

Zu A)

3.1. Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

4. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

5. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.

§ 52 Abs. 2 FPG lautet:

„Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.“

Aus diesen Bestimmungen leitete der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 04.08.2016, Ra 2016/21/0162, ab, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung nicht zulässig ist, bevor über den Antrag auf internationalen Schutz abgesprochen wurde. Begründend wurde ausgeführt: „Nach § 10 Abs. 1 AsylG 2005 ist die Rückkehrentscheidung mit der negativen Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ,zu verbinden‘, nach § 52 Abs. 2 FPG hat sie ,unter einem‘ zu ergehen; sie setzt also die Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz voraus. Auch dann, wenn ein Rückkehrentscheidungsverfahren - unabhängig vom Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz - bereits anhängig ist, darf die Rückkehrentscheidung (unbeschadet eines allenfalls weiter bestehenden unrechtmäßigen Aufenthalts des Fremden) grundsätzlich nicht vor der Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergehen. Zugleich mit der Rückkehrentscheidung ist nämlich die Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG zu treffen, dass die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist; dies würde aber - jedenfalls in Bezug auf den Herkunftsstaat - bedeuten, das Ergebnis des Verfahrens über den Antrag auf internationalen Schutz, in dem diese Frage erst zu klären ist, vorwegzunehmen.“

Im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15.03.2018, Ra 2017/21/0138, wurde dargelegt, dass diese Überlegungen auch vor dem Hintergrund der seit 1. November 2017 geltenden neuen Rechtslage aufrechtzuerhalten sind und dass sie auch für ein - wie hier - anhängiges Verfahren über einen Asylfolgeantrag gelten.

Auch im Erkenntnis vom 25.09.2018, Ra 2018/21/0107, kam der Verwaltungsgerichtshof zum Schluss, dass angesichts eines anhängigen Verfahrens über einen Asylfolgeantrag der Bescheid des BFA über die Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen nicht ergehen hätte dürfen und das Bundesverwaltungsgericht diesen Bescheid ersatzlos beheben hätte müssen, „denn über die Rückkehrentscheidung wird letztlich im anhängigen Verfahren über den im Mai 2016 vom Revisionswerber gestellten wiederholten Antrag auf internationalen Schutz - so es nicht zur Gewährung von Asyl oder subsidiären Schutz kommt - zeitaktuell zu entscheiden sein“.

Diese Erwägungen des Verwaltungsgerichtshofes treffen auch auf den gegenständlichen Fall zu:

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 19. November 2015, Ra 2015/20/0082 bis 0087, ausführlich mit der Frage befasst, ob nach dem Gesetz auch in jenem Fall, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wird, diese Entscheidung mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung zu verbinden ist. Dies wurde insbesondere im Hinblick auf den Inhalt der dort näher angeführten Gesetzesmaterialien bejaht. Demnach war es Ziel des Gesetzgebers, eine „Verschränkung der Prozesse“ zu erreichen, um eine „Entscheidung in Einem“ zu erzielen, den Wegfall von parallelen als auch nachfolgenden Verfahren zu erreichen und ablauforientiert ein einheitliches Gesamtverfahren entstehen zu lassen. Im Sinn der angestrebten Verfahrensökonomie ist der in § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 angeführte Tatbestand dahingehend zu interpretieren, dass er auch Entscheidungen nach § 68 AVG umfasst. Nur damit wird der angestrebte Zweck der „Entscheidung in Einem“ und Verhinderung nachfolgender Verfahren erreicht. Offenkundig war die Vermeidung paralleler oder nachfolgender Verfahrensführung gewollt (vgl. VwGH 17.11.2020, Ra 2019/19/0308; 23.09.2020, Ra 2020/14/0175).

Im Erkenntnis vom 22. März 2018, Ra 2017/01/0287, hat der Verwaltungsgerichtshof zum Ausdruck gebracht, dass auch eine (negative) Entscheidung über einen Folgeantrag grundsätzlich mit einer Entscheidung über die Erlassung einer Rückkehrentscheidung zu verbinden ist. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 2 Z 2 FPG stellt auch für den Fall der Zurückweisung eines Antrages auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache nach § 68 AVG die Rechtsgrundlage für die Verbindung dieser Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung dar. Der Verwaltungsgerichtshof hat im genannten Erkenntnis auch klargestellt, dass es im Hinblick auf § 59 Abs. 5 FPG dem Willen des Gesetzgebers entspricht, dass im Sinne der Verfahrensökonomie rechtskräftige Rückkehrentscheidungen mit Einreiseverbot gerade bei Folgeanträgen weiter als Rechtsgrundlage für die Außerlandesbringung dienen können. Für diesen Fall sind diese Rückkehrentscheidungen lediglich gemäß § 59 Abs. 6 FPG vorübergehend undurchführbar. Anderes gilt, wie vom Verwaltungsgerichtshof (im asylrechtlichen Zusammenhang) bereits festgehalten (vgl. VwGH 22.03.2018, Ra 2017/01/0287, mit Hinweis auf richtungsweisend VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0082 bis 0087), bei Rückkehrentscheidungen ohne Einreiseverbot: Ist die Rückkehrentscheidung von vornherein nicht mit einem Einreiseverbot verbunden, fällt sie nicht in den Anwendungsbereich von § 59 Abs. 5 FPG und es stellt § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 2 Z 2 FPG auch für den Fall der Zurückweisung eines Antrages auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache nach § 68 AVG die Rechtsgrundlage für die Verbindung dieser Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung dar (vgl. zuletzt VwGH 31.03.2020, Ra 2019/14/0209).

In der vorliegenden Fallkonstellation wurde letztlich mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts, Zl. W172 2117109-2/25E, mündlich verkündet am 13.08.2020 und schriftlich ausgefertigt am 08.02.2021, eine Rückkehrentscheidung ohne ein Einreiseverbot erlassen, sodass nicht nur im Falle einer inhaltlichen Abweisung des zweiten Antrags des BF auf internationalen Schutz, gemäß §§ 3, 8 AsylG 2005, sondern auch im Falle einer Antragszurückweisung wegen entschiedener Sache nach § 68 Abs. 1 AVG hinsichtlich des Status des Asylberechtigten und des subsidiär Schutzberechtigten eine Rückkehrentscheidung (allenfalls auch in Verbindung mit einem Einreiseverbot) im vorliegenden Fall zu erlassen wäre. Da sohin auch eine Zurückweisung des zweiten Antrags des BF auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 2 Z 2 FPG zu verbinden wäre, treffen die Erwägungen des Verwaltungsgerichtshofes in den oben zitierten Entscheidungen auch auf die vorliegende Fallkonstellation (wenn angesichts der Bestätigung der Rechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 eine Zurückweisung des Asylfolgeantrags wegen entschiedener Sache wahrscheinlich erscheint) zu.

Dass der BF einen Antrag auf Unterstützung einer freiwilligen Rückkehr nach Afghanistan gestellt hat, vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern. Gemäß § 24 Abs. 1 Z 2 respektive Abs. 2a AsylG 2005 könnte das Verfahren über den Asylfolgeantrag zwar im Falle des freiwilligen Verlassenes des Bundesgebiets bzw. bei freiwilliger Abreise in den Herkunftsstaat eingestellt werden, jedoch hat eine Einstellung dann zu unterbleiben, wenn der Sachverhalt bereits entscheidungsreif ist. Würde im Zuge des gegenständlichen Rückkehrentscheidungsverfahrens über die Zulässigkeit der Abschiebung nach § 52 Abs. 9 FPG abgesprochen werden, würde damit aber auch im Fall einer möglichen freiwilligen Rückkehr des BF das Ergebnis des Verfahrens über seinen Asylfolgeantrag, das im Falle von Entscheidungsreife nicht einzustellen ist, vorweggenommen werden. Darüber hinaus lässt sich aus den oben zitierten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes nicht ableiten, dass diese Judikatur nur auf bestimmte Fallkonstellationen im Zusammenhang mit offenen Asylfolgeanträgen beschränkt wäre.

Vor diesem Hintergrund war der angefochtene Bescheid ersatzlos zu beheben.

3.2. Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht „der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.“

Ein gesonderter Abspruch im Hinblick auf die vom BFA aberkannte aufschiebende Wirkung der Beschwerde konnte angesichts der gegenständlichen Entscheidung in der Sache innerhalb der Frist nach § 18 Abs. 5 BFA-VG unterbleiben.

3.3. Vor dem Hintergrund, dass der gegenständlich angefochtene Bescheid bereits auf Grund der Aktenlage aufzuheben war, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht entfallen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 Satz 1 B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Hinsichtlich der Einordnung des Sachverhaltes konnte sich das Bundesverwaltungsgericht sowohl auf eine ohnehin klare Rechtslage als auch auf eine umfangreiche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stützen, welche bei den Erwägungen zu A) wiedergegeben wurde.

Schlagworte

Asylantragstellung aufschiebende Wirkung aufschiebende Wirkung - Entfall Behebung der Entscheidung Einreiseverbot aufgehoben ersatzlose Behebung Folgeantrag Rechtsanschauung des VwGH Rückkehrentscheidung behoben

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W144.2117109.4.00

Im RIS seit

08.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

08.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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