TE Bvwg Erkenntnis 2021/6/24 W144 2243292-1

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Veröffentlicht am 24.06.2021
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Entscheidungsdatum

24.06.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z5
FPG §55 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W144 2243292-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Andreas Huber als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. von Serbien, vertreten durch die BBU GmBH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 12.05.2021, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der bekämpfte Bescheid in den Spruchpunkten II. bis VI. gemäß § 28 Abs. 1 und Abs. 2 VwGVG ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (BF), ein volljähriger Staatsangehöriger von Serbien, wurde am 13.8.2020 durch die LPD Wien, Landeskriminalamt, nach dem SMG angezeigt und festgenommen.

Mit Schreiben vom 27.10.2020 begehrte der BF aus dem Stand der Haft schriftlich internationalen Schutz in Österreich. Dieser Antrag wurde seitens des sozialen Dienstes in der Justizanstalt an die Polizei weitergeleitet.

Am 11.5.2021 wurde der BF durch das Landesgericht XXXX zur Z. XXXX , wegen §§ 27 Abs. 1 Z. 1 erster und zweiter Fall; 27 Abs. 2 SMG, und §§ 28a Abs 1 5. Fall und Abs. 4 Z 3 SMG, zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt.

In der Folge hat das BFA mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 12.05.2021 einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gegen den BF gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG 2005 iVm § 10 Abs. 2 und § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Serbien zulässig ist (Spruchpunkt III.), gemäß § 55 Abs. 4 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt IV.), der Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.) und gegen den BF gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 5 FPG ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.)

Gegen den Bescheid des BFA vom 12.05.2021 richtet sich die durch die Rechtsvertretung des BF am 09.06.2021 eingebrachte Beschwerde gegen die Spruchpunkte II. bis VI., zu deren Begründung im Wesentlichen ausgeführt wurde, dass der BF bereits mit Schriftsatz vom 27.10.2020, als er sich in Haft in der Justizanstalt XXXX befunden habe, in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe. Entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei die Erlassung einer Rückkehrentscheidung vor der Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz nicht zulässig und sei die erlassene Rückkehrentscheidung somit rechtswidrig und werde ersatzlos zu beheben sein.

Die Beschwerde sowie der angefochtene Bescheid wurden seitens des BFA mit E-Mail vom 10.6.2021 dem Bundesverwaltungsgericht übermittelt, der bezughabende Akt wurde seitens des BFA jedoch nicht vorgelegt. Das BFA teilte gleichzeitig mit, dass der Asylantrag des BF zur weiteren Bearbeitung an die LPD Wien weitergeleitet worden sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Festgestellt wird der oben dargelegte Verfahrensgang.

Insbesondere wird festgestellt, dass das BFA gegen den BF eine Rückkehrentscheidung verbunden mit einem Einreiseverbot mit dem angefochtenen Bescheid erließ, der BF jedoch bereits mit Schriftsatz vom 27. Oktober 2020 einen Antrag auf internationalen Schutz einbrachte, der aktuell erstinstanzlich anhängig ist.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang sowie die Feststellungen ergeben sich aus dem Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Nach § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Die ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheides ist eine Entscheidung in der Sache selbst; als verfahrensrechtliche Grundlage für eine solche Entscheidung ist im Spruch daher § 28 Abs. 1 und Abs. 2 (bzw. Abs. 3 Satz 1) VwGVG zu nennen (vgl. VwGH 04.08.2016, Ra 2016/21/0162).

Vorweg ist auszuführen, dass Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides, mit welchem dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt worden ist, nicht angefochten wurde und daher in Rechtskraft erwachsen ist.

Zu A)

Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

4. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

5. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.

§ 52 Abs. 2 FPG lautet:

„Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.“

Aus diesen Bestimmungen leitete der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 04.08.2016, Ra 2016/21/0162, ab, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung nicht zulässig ist, bevor über den Antrag auf internationalen Schutz abgesprochen wurde. Begründend wurde ausgeführt: „Nach § 10 Abs. 1 AsylG 2005 ist die Rückkehrentscheidung mit der negativen Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ,zu verbinden‘, nach § 52 Abs. 2 FPG hat sie ,unter einem‘ zu ergehen; sie setzt also die Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz voraus. Auch dann, wenn ein Rückkehrentscheidungsverfahren - unabhängig vom Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz - bereits anhängig ist, darf die Rückkehrentscheidung (unbeschadet eines allenfalls weiter bestehenden unrechtmäßigen Aufenthalts des Fremden) grundsätzlich nicht vor der Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergehen. Zugleich mit der Rückkehrentscheidung ist nämlich die Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG zu treffen, dass die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist; dies würde aber - jedenfalls in Bezug auf den Herkunftsstaat - bedeuten, das Ergebnis des Verfahrens über den Antrag auf internationalen Schutz, in dem diese Frage erst zu klären ist, vorwegzunehmen.“

Im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15.03.2018, Ra 2017/21/0138, wurde dargelegt, dass diese Überlegungen auch vor dem Hintergrund der seit 1. November 2017 geltenden neuen Rechtslage aufrechtzuerhalten sind und dass sie auch für ein anhängiges Verfahren über einen Asylfolgeantrag gelten.

Auch im Erkenntnis vom 25.09.2018, Ra 2018/21/0107, kam der Verwaltungsgerichtshof zum Schluss, dass angesichts eines anhängigen Verfahrens über einen Asyl(folge)antrag der Bescheid des BFA über die Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen nicht ergehen hätte dürfen und das Bundesverwaltungsgericht diesen Bescheid ersatzlos beheben hätte müssen, „denn über die Rückkehrentscheidung wird letztlich im anhängigen Verfahren über den im Mai 2016 vom Revisionswerber gestellten wiederholten Antrag auf internationalen Schutz - so es nicht zur Gewährung von Asyl oder subsidiären Schutz kommt - zeitaktuell zu entscheiden sein“.

Diese Erwägungen des Verwaltungsgerichtshofes treffen auch auf den gegenständlichen Fall zu.

Vor diesem Hintergrund war der angefochtene Bescheid bezüglich der bekämpften Spruchpunkte II. bis VI. ersatzlos zu beheben, da gegenständlich vom BF ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, über den noch nicht entschieden worden ist.

Da der gegenständlich angefochtene Bescheid bereits auf Grund der Aktenlage aufzuheben war, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht entfallen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 Satz 1 B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Hinsichtlich der Einordnung des Sachverhaltes konnte sich das Bundesverwaltungsgericht sowohl auf eine ohnehin klare Rechtslage als auch auf eine umfangreiche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stützen, welche bei den Erwägungen zu A) wiedergegeben wurde.

Schlagworte

Asylantragstellung aufschiebende Wirkung aufschiebende Wirkung - Entfall Behebung der Entscheidung Einreiseverbot aufgehoben ersatzlose Behebung Folgeantrag Rechtsanschauung des VwGH Rückkehrentscheidung behoben

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W144.2243292.1.00

Im RIS seit

08.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

08.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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