TE Bvwg Erkenntnis 2021/6/25 W172 1428192-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.06.2021
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Entscheidungsdatum

25.06.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §6 Abs1 Z4
AsylG 2005 §7 Abs1 Z1
AsylG 2005 §7 Abs4
AsylG 2005 §8 Abs1 Z2
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W172 1428192-2/21E

Schriftliche Ausfertigung des am 19.12.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Dr. Martin MORITZ als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX 1989, StA. Afghanistan, zum Zeitpunkt der mündlichen Verkündung vertreten durch die Diakonie-Flüchtlingsdienst gem. GmbH-ARGE Rechtsberatung, Wattgasse 48, 3. Stock, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.09.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und Abs. 2 VwGVG stattgegeben und der bekämpfte Bescheid aufgehoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer stellte am XXXX 2011 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Die Erstbefragung fand am XXXX 2011 statt, die Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: belangte Behörde) fand am 20.10.2011 und am 12.04.2012 statt.

2. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 11.07.2012 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.) und dieser gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

3. Der Beschwerdeführer erhob gegen den Bescheid fristgerecht Beschwerde.

4. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 07.10.2014, Zl. W138 1428192-1/7E, wurde der Beschwerde stattgegeben und dem Beschwerdeführer gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt und gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 festgestellt, dass dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan, aufgrund seiner Arbeit bei ausländischen und westlichen Unternehmen, verletzt oder getötet werden würde und dieser somit Afghanistan auf Grund einer asylrelevanten, glaubhaften und begründeten Furcht verlassen habe.

5. Am 25.07.2018 wurde der Beschwerdeführer erneut von der belangten Behörde einvernommen.

6. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der dem Beschwerdeführer mit Erkenntnis vom 07.10.2014, Zl. W138 1428192-1/7E, zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aberkannt und gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 festgestellt, dass dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Gemäß § 57 AsylG 2005 wurde ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und es wurde gegen ihn gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 i.V.m. § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (im Folgenden auch: „BFA-VG“) eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (im Folgenden auch: „FPG“) erlassen (Spruchpunkt IV.). Weiters wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.) sowie dass die Frist für seine freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 Z 1 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

7. Der Beschwerdeführer erhob gegen den Bescheid fristgerecht Beschwerde.

8. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 19.12.2019 eine mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer und seine Rechtsvertretung teilnahmen. Die belangte Behörde verzichtete auf die Teilnahme an der Verhandlung.

Als Zeugin wurde in dieser Verhandlung Frau XXXX einvernommen.

Am Schluss dieser Verhandlung wurde die gegenständliche Entscheidung mündlich verkündet.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

1.1.    Zur Person des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX 1989. Er ist afghanischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Tadschiken an. Er ist sunnitischer Moslem. Seine Muttersprache ist Dari. Er ist ledig. Der Beschwerdeführer wurde in der Provinz Kunduz geboren. Der Beschwerdeführer lebt seit fünfeinhalb Jahren in einer Wohn- und Lebensgemeinschaft mit der österreichischen Staatsbürgerin Frau XXXX und ist in deren Familien und Gesellschaftsleben eingebunden. Der Beschwerdeführer ist bei der Firma XXXX angestellt und arbeitet dort als Schweißer. Der Beschwerdeführer hält sich seit dem XXXX 2011 in Österreich auf.

Der Beschwerdeführer hat keine relevanten gesundheitlichen Beschwerden.

1.2.    Zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten

Im Erkenntnis vom 07.10.2014 wurde die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten im Wesentlichen damit begründet, dass der Beschwerdeführer auf Grund seiner Tätigkeit für ausländische und westliche Firmen, Gefahr laufen würde, von den Taliban verletzt bzw. getötet zu werden. Eine innerstaatliche Fluchtalternative würde zudem nicht vorliegen.

Seit dem Zeitpunkt der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten mit Erkenntnis vom 07.10.2014 ist keine wesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes eingetreten.

Der Beschwerdeführer wurde mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX 2017, XXXX , wegen der Verbrechen des Suchtgifthandels bzw. der Vorbereitung des Suchtgifthandels sowie wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach den Tatbeständen der §§ 27, 28 und 28a SMG zu einer Freiheitsstrafe von zwanzig Monaten unter Setzung einer dreijährigen Probezeit verurteilt. Der Beschwerdeführer wurde am 15.02.2018 vorzeitig aus der Freiheitsstrafe entlassen.

2. Beweiswürdigung

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt sowie in den Gerichtsakt und durch Einvernahme des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung.

In das Verfahren wurden u.a. folgende Bescheinigungsmittel vom Beschwerdeführer eingebracht, nämlich zu:

-        Identität (Schreiben des Gerichtes der Provinz Kunduz und Führerschein);

-        ordentlichen Beschäftigungen (Lohn- und Gehaltsabrechnungen, Dienstzeugnis, Arbeitsvertrag und Arbeitsunterlagen);

-        gemeinnützigen bzw. ehrenamtlichen Tätigkeiten (Bestätigung von XXXX sowie vom XXXX );

-        sonstigen Integrationsmaßnahmen und –bemühungen (diverse Unterstützungs- und Empfehlungsschreiben).

2.1.    Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers

Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen dahingehend übereinstimmenden Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor der belangten Behörde, in der Beschwerde und vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die getroffenen Feststellungen zum Namen und zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers gelten ausschließlich zur Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Asylverfahren.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, zu seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seiner Muttersprache, seinem Lebenslauf, seinem Aufwachsen sowie seinem Leben in Österreich gründen sich auf seinen diesbezüglich schlüssigen und stringenten Angaben sowie aufgrund von ihm vorgelegten Dokumenten (siehe oben). Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im gesamten Verfahren gleich gebliebenen Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.

Die Feststellungen stützen sich zudem auch auf die in dieser Verhandlung einvernommene Zeugin, deren Aussagen gefolgt werden konnte, da aufgrund ihres seriösen und ernsthaften Auftretens sowie ihres persönlichen vertrauensbildenden Gesamtbildes keine ihrer Glaubwürdigkeit entgegensprechende Anhaltspunkte hervorkamen.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand gründen auf den diesbezüglich glaubhaften Aussagen des Beschwerdeführers bei der belangten Behörde und in der mündlichen Verhandlung bzw. auf dem Umstand, dass im Verfahren nichts Gegenteiliges hervorgekommen ist.

2.2. Zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten

Die Feststellungen zur Zuerkennung des Status des Asylberechtigten beruhen auf der Aktenlage.

Die Feststellung zu den gerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.

Die Feststellung, dass keine wesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes eingetreten ist, ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

Im gegenständlichen Verfahren hat der Beschwerdeführer sich im Wesentlichen auf dieselben Gründe wie schon im vorhergehenden Verfahren gestützt und im Rahmen der Niederschrift vor der belangten Behörde am 25.07.2018 im Wesentlichen erneut angeführt, dass er für ausländische Firmen gearbeitet habe und deswegen Gefahr laufen würde, von den Taliban verletzt oder getötet zu werden. Insgesamt beruht die von der belangten Behörde angeführte Begründung zur fehlenden Gefahrenlage des Beschwerdeführers in Afghanistan erkennbar auf einer neuerlichen Beweiswürdigung eines bereits rechtskräftig entschiedenen Sachverhalts. Wenn die belangte Behörde zusätzlich mit der Möglichkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative argumentiert, dann ist dieser entgegenzuhalten, dass dem Erkenntnis vom 07.10.2014 eindeutig zu entnehmen ist, dass dem Beschwerdeführer keine innerstaatliche Fluchtalternative offenstehen würde, weil kein Schutz des afghanisches Staates vor der Bedrohung durch regierungsfeindliche Personen angesichts der ineffizienten Schutzmechanismen des afghanischen Staates bestehen würde. Von der belangten Behörde wurde zudem nicht dargetan, dass sich die entsprechende Lage in Afghanistan wesentlich geändert habe.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides – Aberkennung des Status des Asylberechtigten

3.1.1. § 7 Asylgesetz 2005 (AsylG) lautet:

„Aberkennung des Status des Asylberechtigten

§ 7. (1) Der Status des Asylberechtigten ist einem Fremden von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn

1.       ein Asylausschlussgrund nach § 6 vorliegt;

2.       einer der in Art. 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Endigungsgründe eingetreten ist oder

3.       der Asylberechtigte den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat.

(2) In den Fällen des § 27 Abs. 3 Z 1 bis 4 und bei Vorliegen konkreter Hinweise, dass ein in Art. 1 Abschnitt C Z 1, 2 oder 4 der Genfer Flüchtlingskonvention angeführter Endigungsgrund eingetreten ist, ist ein Verfahren zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten jedenfalls einzuleiten, sofern das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß Abs. 1 wahrscheinlich ist. Ein Verfahren gemäß Satz 1 ist, wenn es auf Grund des § 27 Abs. 3 Z 1 eingeleitet wurde, längstens binnen einem Monat nach Einlangen der Verständigung über den Eintritt der Rechtskraft der strafgerichtlichen Verurteilung gemäß § 30 Abs. 5 BFA-VG, in den übrigen Fällen schnellstmöglich, längstens jedoch binnen einem Monat ab seiner Einleitung zu entscheiden, sofern bis zum Ablauf dieser Frist jeweils der entscheidungsrelevante Sachverhalt feststeht. Eine Überschreitung der Frist gemäß Satz 2 steht einer späteren Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht entgegen. Als Hinweise gemäß Satz 1 gelten insbesondere die Einreise des Asylberechtigten in seinen Herkunftsstaat oder die Beantragung und Ausfolgung eines Reisepasses seines Herkunftsstaates.

(2a) Ungeachtet der in § 3 Abs. 4 genannten Gültigkeitsdauer der Aufenthaltsberechtigung ist ein Verfahren zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten jedenfalls einzuleiten, wenn sich aus der Analyse gemäß § 3 Abs. 4a ergibt, dass es im Herkunftsstaat des Asylberechtigten zu einer wesentlichen, dauerhaften Veränderung der spezifischen, insbesondere politischen, Verhältnisse, die für die Furcht vor Verfolgung maßgeblich sind, gekommen ist. Das Bundesamt hat von Amts wegen dem Asylberechtigten die Einleitung des Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten formlos mitzuteilen.

(3) Das Bundesamt kann einem Fremden, der nicht straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3), den Status eines Asylberechtigten gemäß Abs. 1 Z 2 nicht aberkennen, wenn die Aberkennung durch das Bundesamt – wenn auch nicht rechtskräftig – nicht innerhalb von fünf Jahren nach Zuerkennung erfolgt und der Fremde seinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet hat. Kann nach dem ersten Satz nicht aberkannt werden, hat das Bundesamt die nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, zuständige Aufenthaltsbehörde vom Sachverhalt zu verständigen. Teilt diese dem Bundesamt mit, dass sie dem Fremden einen Aufenthaltstitel rechtskräftig erteilt hat, kann auch einem solchen Fremden der Status eines Asylberechtigten gemäß Abs. 1 Z 2 aberkannt werden.

(4) Die Aberkennung nach Abs. 1 Z 1 und 2 ist mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Betroffenen die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt. Dieser hat nach Rechtskraft der Aberkennung der Behörde Ausweise und Karten, die den Status des Asylberechtigten oder die Flüchtlingseigenschaft bestätigen, zurückzustellen.“

§ 6 Asylgesetz 2005 (AsylG) lautet auszugsweise:

„Ausschluss von der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten

§ 6. (1) Ein Fremder ist von der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ausgeschlossen, wenn

[…]

4.       er von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeutet. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht. […]“

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes müssen für die Anwendung des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 kumulativ vier Voraussetzungen erfüllt sein, damit ein Flüchtling trotz drohender Verfolgung in den Herkunftsstaat verbracht werden darf. Er muss erstens ein besonders schweres Verbrechen verübt haben, dafür zweitens rechtskräftig verurteilt worden und drittens gemeingefährlich sein und schließlich müssen die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung seine Interessen am Weiterbestehen des Schutzes durch den Zufluchtsstaat überwiegen. Es genügt nicht, wenn ein abstrakt als „schwer“ einzustufendes Delikt verübt worden ist. Die Tat muss sich im konkreten Einzelfall als objektiv und subjektiv besonders schwerwiegend erweisen. In gravierenden Fällen schwerer Verbrechen ist bereits ohne umfassende Prüfung der einzelnen Tatumstände eine eindeutige Wertung als schweres Verbrechen mit negativer Zukunftsprognose zulässig (vgl. etwa VwGH 14.02.2018, Ra 2017/18/0419; VwGH 05.12.2017, Ra 2016/01/0166; VwGH 01.03.2016, Ra 2015/18/0247; VwGH 21.9.2015, Ra 2015/19/0130; VwGH 23.09.2009, 2006/01/0626, mit Hinweis auf die zur Vorläuferbestimmung ergangene und auch für die aktuelle Rechtslage weiterhin maßgebliche Rechtsprechung).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 29.08.2019, Ra 2018/19/0522) fallen unter den Begriff des „besonders schweren Verbrechens“ im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 nur Straftaten, die objektiv besonders wichtige Rechtsgüter verletzen. Typischerweise schwere Verbrechen sind etwa Tötungsdelikte, Vergewaltigung, Kindesmisshandlung, Brandstiftung, Drogenhandel, bewaffneter Raub und dergleichen (siehe auch VwGH 25.10.2018, Ra 2018/20/0360; VwGH 05.04.2018, Ra 2017/19/0531). Dabei handelt es sich um eine demonstrative und daher keineswegs abschließende Aufzählung von Delikten in Zusammenhang mit Art. 33 Abs. 2 GFK (siehe auch VwGH 18.10.2018, Ra 2017/19/0109; VwGH 03.12.2002, 99/01/0449). Insofern ist etwa das Delikt des gewerbsmäßig schweren und durch Einbruch begangenen Diebstahls (§ 130 dritter und vierter Fall StGB), das sachverhaltsbezogen dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29.08.2019, Ra 2018/19/0522, zu Grunde lag, nicht grundsätzlich vom Begriff des „besonders schweren Verbrechens“ ausgeschlossen. In diesem Erkenntnis führt der Verwaltungsgerichtshof – seine bisherige Rechtsprechung zusammenfassend – aus, dass er schon zum Ausdruck gebracht hat, dass auch im Fall einer Vielzahl einschlägiger rechtskräftiger Verurteilungen und insofern verhängter, beträchtlicher und überwiegend unbedingter Freiheitsstrafen, verwirklichte Delikte in einer Gesamtbetrachtung als „besonders schweres Verbrechen“ qualifiziert werden können (siehe auch VwGH 23.09.2009, 2006/01/0626; VwGH 18.10.2018, Ra 2017/19/0109). In der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird allerdings auch betont, dass es auf die Strafdrohung allein bei der Beurteilung, ob ein „besonderes schweres Verbrechen“ vorliegt, nicht ankommt (VwGH 29.08.2019, Ra 2018/19/0522; VwGH 06.10.1999, 99/01/0288; VwGH 25.10.2018, Ra 2018/20/0360). So genügt es demnach nicht, wenn ein abstrakt als „schwer“ einzustufendes Delikt verübt worden ist. Die Tat muss sich im konkreten Einzelfall als objektiv und subjektiv besonders schwerwiegend erweisen, wobei unter anderem auf Milderungsgründe Bedacht zu nehmen ist (VwGH 29.08.2019, Ra 2018/19/0522; VwGH 06.10.1999, 99/01/0288). Bei der Beurteilung, ob ein „besonders schweres Verbrechen“ vorliegt, ist daher eine konkrete fallbezogene Prüfung vorzunehmen und es sind insbesondere die Tatumstände zu berücksichtigen (VwGH 23.09.2009, 2006/01/0626).

Der Beschwerdeführer ist mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX 2017, XXXX , wegen der Verbrechen des Suchtgifthandels bzw. der Vorbereitung des Suchtgifthandels sowie wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach den Tatbeständen der §§ 27, 28 und 28a SMG zu einer Freiheitsstrafe von zwanzig Monaten unter Setzung einer dreijährigen Probezeit verurteilt worden.

Vorliegend ist zu beachten, dass bezüglich der angeführten Verurteilung, das Strafgericht nur das Zusammentreffen von Verbrechen und Vergehen als erschwerend, hingegen den bisherigen ordentlichen Lebenswandel, das teilweise Geständnis (Eigenkonsum) und die teilweise Sicherstellung des tatverfangenen Suchtgifts als mildernd, gewertet hat. Zudem bewegt sich die verhängte Freiheitsstrafe im unteren Bereich des gegenständlich vorgesehenen Strafrahmens.

Daher ist die Straftat im gegenständlichen Fall, jedenfalls subjektiv, nicht als für eine Asylaberkennung hinreichendes besonders schwerwiegendes Verbrechen zu qualifizieren.

Auch der rechtlichen Begründung der belangten Behörde, die sich im Wesentlichen mit einer Darstellung der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, jedoch ohne konkrete Bezugnahme auf den vorliegenden Sachverhalt, begnügt, lässt sich keine fallbezogene Begründung entnehmen, warum es sich beim vorliegenden Sachverhalt, um ein besonders schweres Verbrechen handeln würde. Zudem hat die Behörde es auch verabsäumt eine Zukunftsprognose zu erstellen und zu begründen, warum der Beschwerdeführer gemeingefährlich sei.

Bezüglich der Gefährdungsprognose ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer seit ca. fünfeinhalb Jahren in einer Wohn- und Lebensgemeinschaft mit einer österreichischen Staatsbürgerin, welche im Rahmen ihrer Zeugenaussage einen seriösen und untadeligen Eindruck machte, lebt. Auch ist der Beschwerdeführer in das Familienleben seiner Lebensgefährtin wesentlich eingebunden. Aufgrund der Einbettung in dieses soziale Netz ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer sich in Zukunft rechtmäßig verhalten werde. Auch wurde der Beschwerdeführer frühzeitig aus der Freiheitsstrafe entlassen und hat sich sowohl während seines Haftaufenthaltes als auch danach wohl verhalten. Der Beschwerdeführer hat nach seiner Haftentlassung zudem Bemühungen gesetzt, sich beruflich zu qualifizieren und eine ordentliche Beschäftigung aufzunehmen, welcher dieser nun seit ca. eineinhalb erfolgreich Jahren nachgeht.

Zusammenfassend kann daher gesagt werden, dass der Beschwerdeführer nicht als gemeingefährlich einzustufen ist und eine positive Zukunftsprognose für ihn getroffen werden kann.

Sofern die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid des Weiteren erwähnt, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Umstände mehr vorliegen würden, welche einer Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat entgegenstehen würden, so ist anzumerken, dass in diesem Zusammenhang eine konkrete Auseinandersetzung mit dem ursprünglich für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ausschlaggebenden Grund verabsäumt worden ist. Weshalb die belangte Behörde von einem zwischenzeitigen Wegfall jener für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten im Einzelfall ausschlaggebenden Verfolgung ausgegangen ist, wurde im angefochtenen Bescheid nicht konkret offengelegt.

Ob eine die Anwendung des Endigungsgrundes des Art. 1 Abschnitt C Z 5 der Genfer Flüchtlingskonvention rechtfertigende relevante Änderung der persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers eingetreten ist, hat die Behörde von Amts wegen zu ermitteln und unter Berücksichtigung der Fluchtgeschichte bzw. der Fluchtgründe eines Asylwerbers zu prüfen, ob diese noch immer einen asylrechtlich relevanten Aspekt haben könnten (vgl. VwGH 19.12.2001, Zl. 2000/20/0318).

Im konkreten Fall stützt sich der angefochtene Bescheid lediglich auf eine neue Beurteilung desselben Sachverhalts (Tätigkeit des Beschwerdeführers bei ausländischen westlichen Firmen), ohne dass eine Änderung des Sachverhalts eingetreten wäre. Dieser Neubeurteilung steht jedoch die Rechtskraft der Entscheidung vom 07.10.2014 entgegen, sodass eine Aberkennung des Asylstatus fallbezogen nicht auf § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005, sohin auf das Eintreten einer der in Art. 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention festgelegten Endigungsgründe, gestützt werden kann.

Die Aberkennung des Status des Asylberechtigten erweist sich demnach nicht als rechtmäßig, sodass der angefochtene Bescheid insoweit zu beheben war.

Auch die Spruchpunkte II. bis VII. des angefochtenen Bescheids der belangten Behörde waren zu beheben, zumal deren Rechtmäßigkeit jeweils die Aberkennung des Status des Asylberechtigten des Beschwerdeführers voraussetzt.

Zu B)   Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

In der Beschwerde findet sich kein Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben. Die Entscheidung folgt der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Aberkennung des Status des Asylberechtigten Asylaberkennung Asylausschlussgrund Behebung der Entscheidung besonders schweres Verbrechen Einreiseverbot aufgehoben Gefährdungsprognose Rückkehrentscheidung behoben strafrechtliche Verurteilung Suchtgifthandel Suchtmitteldelikt Zukunftsprognose

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W172.1428192.2.00

Im RIS seit

08.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

08.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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