TE Bvwg Erkenntnis 2021/7/6 W226 1260412-6

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.07.2021
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Entscheidungsdatum

06.07.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §54 Abs1 Z1
AsylG 2005 §55 Abs1 Z1
AsylG 2005 §55 Abs1 Z2
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9 Abs2
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W226 1260412-6/9E
IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. WINDHAGER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch Mag. Andreas LEPSCHI, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.02.2018, Zl.: 830399307-1738032, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 22.06.2021 zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. bis III. des angefochtenen Bescheides wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 und 57 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

II. In Erledigung der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides wird ausgesprochen, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG 2005 gegen XXXX gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 Abs. 3 BFA-VG auf Dauer unzulässig ist.

XXXX wird eine „Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von zwölf Monaten gemäß § 54 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 und § 58 Abs. 2 iVm § 55 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 erteilt.

III. In Erledigung der Beschwerde werden die Spruchpunkte V. und VI. des angefochtenen Bescheides ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Begründung:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

I.1.1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation und Angehöriger der tschetschenischen Volksgruppe, reiste am 16.07.2004 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Asylantrag.

I.1.2. Der Beschwerdeführer wurde am 20.07.2004 vom Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen und gab zu seinen Fluchtgründen befragt zusammengefasst Folgendes an: Er habe im Jahr 2002 den aufständischen Tschetschenen geholfen und Widerstandskämpfer bei sich zu Hause übernachten lassen. Außerdem habe er Waffen versteckt. Als die Russen von seiner Tätigkeit erfahren hätten, sei er Anfang 2002 festgenommen und nach drei Tagen Anhaltung von seinem Vater freigekauft worden. Seit damals sei er ständig auf der Flucht und habe sich verstecken müssen. Er habe das Land jedoch nicht früher verlassen können, da er keine Reisedokumente gehabt habe.

I.1.3. Am 04.02.2005 fand eine weitere Einvernahme beim Bundesasylamt statt und gab der Beschwerdeführer dabei zusammengefasst an, er sei Anfang Oktober 2001 verschleppt und drei Tage lang in einem Keller angehalten worden, da er Kämpfer unterstützt und diese bei Razzien versteckt habe. Gegen Zahlung von Lösegeld sei er freigekommen. Seit damals sei er auf der Flucht. Das Haus seiner Eltern werde seither immer wieder überprüft. Auch sein Bruder XXXX habe Probleme gehabt und sei verschleppt worden.

I.1.4. Mit Urteil des BG XXXX vom XXXX (Rechtskraft: 21.11.2004) wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des versuchten Diebstahls gemäß §§ 15, 127 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwei Wochen, bedingt, Probezeit drei Jahre, verurteilt.

I.1.5. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 04.05.2005 wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers in Spruchpunkt I. gemäß § 7 Asylgesetz 1997 abgewiesen und in Spruchpunkt II. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Russische Föderation gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 für zulässig erklärt. In Spruchpunkt III. wurde der Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 1997 aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, es sei in keiner Weise glaubhaft, dass der Beschwerdeführer aufgrund einer Verfolgung bzw. aktuellen Furcht vor solcher sein Heimatland verlassen habe, da er erst 2004 ausgereist sei, obwohl der Vorfall bereits im Jahr 2001 stattgefunden habe. Es entspreche keinesfalls dem Verhalten eines Flüchtlings sich noch jahrelang im Zugriffsbereich der angeblichen Verfolger aufzuhalten, wie es der Beschwerdeführer getan habe. Hätte er tatsächlich Furcht vor Verfolgung durch russische Behördenorgane gehabt, so hätte er sich einerseits schon viel früher zumindest ins benachbarte Ausland abgesetzt oder sich zu seinem in Moskau lebenden Bruder begeben oder wäre nach seinem geschilderten Aufenthalt in der Ukraine nicht mehr in sein Heimatland zurückgekehrt. Die Gründe für die Ausreise des Beschwerdeführers mögen im rein privaten Bereich, nämlich der Verbesserung der Lebenssituation gelegen haben, eine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention habe jedenfalls nicht glaubhaft dargelegt werden können. Dass der Beschwerdeführer keine Furcht vor Verfolgung durch Behördenorgane gehabt habe, schließe die Behörde auch daraus, dass dem Beschwerdeführer am 20.05.2002 ein russischer Inlandspass und am 26.02.2004 ein russischer Reisepass ausgestellt worden sei. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers sei daher jegliche Glaubwürdigkeit abzusprechen.

I.1.6. Die dagegen eingebrachte Berufung des Beschwerdeführers wurde nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Unabhängigen Bundesasylamt am 26.09.2007 mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 18.10.2007 gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen (Spruchpunkt I.), die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Russische Föderation gemäß § 8 Abs. 1 AsylG für zulässig erklärt (Spruchpunkt II.) und der Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass schon das Bundesasylamt von der Unglaubwürdigkeit der Angaben des Beschwerdeführers ausgegangen sei und dass diese Würdigung des Vorbringens des Asylwerbers durch das Bundesasylamt nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung durchwegs bestätigt worden sei. Der Beschwerdeführer habe die entstandenen Widersprüche betreffend den Zeitpunkt seiner Festnahme auch im Rahmen der Verhandlung nicht plausibel erklären können. Auch hinsichtlich des Entkommens aus der Inhaftierung gebe es Widersprüche und Ungereimtheiten. Hinzu komme, dass der Bruder des Beschwerdeführers, welcher in Österreich ebenfalls Asyl beantragt habe, den Vorfall vom August/ September 2001, wonach Leute bei ihnen zu Hause längere Zeit gewesen seien, nicht erzählt habe, obwohl der Beschwerdeführer behauptet habe, dass auch sein Bruder zeitweise zu Hause gewesen sei, als sich diese Leute bei ihnen versteckt haben. Insgesamt betrachtet sei das Vorbringen des Beschwerdeführers vor dem Bundesasylamt und dem Unabhängigen Bundesasylsenat sowie das Vorbringen des Asylwerbers und das Vorbringen seines Bruders in dessen Asylverfahren derart widersprüchlich, dass keineswegs von einem tatsächlichen Sachverhalt ausgegangen werden könne. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass der Beschwerdeführer am Ende der öffentlichen mündlichen Verhandlung noch ein Schreiben vorgelegt habe, das eine Bestätigung einer Krankengeschichte sei, da sich aus den Länderfeststellungen ergebe, dass es in Russland möglich sei, Urkunden zu kaufen. Außerdem sei die vorgelegte handschriftliche Bestätigung auch mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht in Einklang zu bringen.

I.1.7. Mit Urteil des LG XXXX vom XXXX (Rechtskraft: 27.03.2009) wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Beteiligung an der Urkundenfälschung gemäß §§ 12 (3.Fall), 223 Abs. 2 und des Vergehens der Beteiligung an der Fälschung besonders geschützter Urkunden gemäß 12 (2.Fall), 224 StGB zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten, bedingt, Probezeit drei Jahre verurteilt.

I.1.8. Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 28.04.2011 wurde die Behandlung der Beschwerde des Beschwerdeführers gegen die Entscheidung des Unabhängigen Bundesasylsenates abgelehnt.

I.2.1. Der Beschwerdeführer stellte am 01.06.2011 den (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz und gab dabei an, er stelle einen neuen Asylantrag, da es seit Rechtskraft seines letzten Asylverfahrens neue Sachverhalte gebe. Es sei ein maßgeblich geänderter Sachverhalt in Hinblick auf Art. 8 EMRK eingetreten, da er geheiratet habe und eine Tochter habe. Seine Ehefrau und seine Tochter seien in Österreich asylberechtigt. Der Beschwerdeführer führte weiters aus, dass seine Mutter nach Rechtskraft seines ersten Asylverfahrens im Juli 2008 nach Österreich gekommen sei und einen Asylantrag gestellt habe. Bei ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 29.01.2009 habe sie vorgebracht, dass Leute zu ihr nach Hause gekommen seien und nach ihren Söhnen gesucht hätten. In ihrer Beschwerde vom 16.02.2009 habe sie konkretisiert, dass das letzte Mal zwei Wochen vor ihrer Ausreise nach dem Beschwerdeführer gefragt worden sei.

I.2.2. Der Beschwerdeführer wurde am 01.06.2011 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Dabei gab er an, er befinde sich seit 2004 durchgehend in Österreich und habe Österreich seit dem rechtskräftigen Abschluss seines Vorverfahrens nicht verlassen. Er erhebe seine Asylgründe vom ersten Verfahren zu seinen jetzigen Gründen. Seine Mutter habe ihm im Jahr 2008 anlässlich eines Besuches bei ihm mitgeteilt, dass zu Hause ständig Vorladungen von der Polizei einlangen und diese seiner habhaft werden wolle. Seine Mutter habe sich 2009 entschieden nach Inguschetien zu ziehen, weil sie und der Vater des Beschwerdeführers in Ruhe leben wollen. Wenn es notwendig sei werde seine Mutter die Ladungen schicken. Befragt ob er neue Gründe habe, antwortete der Beschwerdeführer, er sei seit XXXX mit XXXX , geb. XXXX , in Österreich nach muslimischer Tradition und seit XXXX standesamtlich verheiratet. Seit dieser Zeit wohne er mit seiner Ehefrau im gemeinsamen Haushalt. Es gebe eine gemeinsame Tochter, XXXX , geb. XXXX . Die Ehefrau und die Tochter des Beschwerdeführers seien anerkannte Flüchtlinge in Österreich. Der Beschwerdeführer möchte den gleichen Status wie seine Familie und mit diesen in Österreich wohnen. Im Falle seiner Rückkehr fürchte er ins Gefängnis zu kommen und von Kadyrov und seinen Leuten umgebracht zu werden.

I.2.3. Der Beschwerdeführer wurde am 08.06.2011 vom Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen und gab an, dass er keine gesundheitlichen Probleme habe. Die Frage, ob sich seine Fluchtgründe seit seinem ersten Verfahren geändert haben, bejahte der Beschwerdeführer und sagte, seine Mutter sei im Jahr 2008 nach Österreich gekommen, sie lebe jetzt wieder in Inguschetien. Es würden aber nach wie vor Ladungen für den Beschwerdeführer einlangen. Seine Eltern würden immer noch andauernd verhört. Deshalb blieben sie in Inguschetien. Die ehemaligen Nachbarn seiner Eltern in XXXX würden den Eltern berichten, dass nach wie vor Ladungen kommen. Wenn es erforderlich sei, werde der Beschwerdeführer diese Ladungen vorlegen. Dafür benötige er aber Zeit. Obwohl ihm diese Beweismittel bereits seit 2008 bekannt seien, habe er diese nicht schon längst besorgt, da er geglaubt habe, dies sei nicht so wichtig.

I.2.4. Am 14.06.2011 wurde der Beschwerdeführer erneut vom Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen und gab an, dass er die Ladungen, die er bei der ersten Einvernahme angesprochen habe, nicht vorlegen könne, da diese Ladungen nicht aufbewahrt worden seien. Vielleicht werden sie noch gefunden, aber er wisse es nicht.

I.2.5. Die Rechtsberaterin erstattete eine schriftliche Stellungnahme, in welcher die §§ 34 Abs. 2 und 6 AsylG zitiert wurden und in welcher sie ua argumentierte, dass das minderjährige Kind des Beschwerdeführers den abgeleiteten Status von der Mutter durchaus auf seinen leiblichen Vater übertragen könne.

I.2.6. Mit Bescheid vom 17.06.2011 wies das Bundesasylamt den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkt I.) und den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation aus (Spruchpunkt II.).

Begründend führte die belangte Behörde aus, es könne insgesamt kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt werden. Die Begründung des neuerlichen Asylantrages reiche nicht aus, einen neuen gegenüber dem früheren Asylantrag wesentlich geänderten entscheidungsrelevanten Sachverhalt entstehen zu lassen. Seine Angaben im gegenständlichen Verfahren bezüglich seiner Fluchtgründe stützen sich zur Gänze auf die Angaben, welche er bereits im Vorverfahren getätigt habe. Bereits im Vorverfahren seien seine Angaben als unglaubwürdig gewertet worden. Seine weiterhin aufrecht gehaltenen Fluchtgründe seien somit bereits Gegenstand im Vorverfahren gewesen. Er habe im gegenständlichen Verfahren diesbezüglich auch keine Änderungen vorgebracht und auch keine Beweismittel für seine Fluchtgründe vorbringen können. Soweit der Beschwerdeführer zu diesen Gründen auch auf das Asylverfahren seiner Mutter verweise, so sei dazu anzuführen, dass diese in die Russische Föderation zurückgekehrt sei und seither dort lebe. Eine direkte Verbindung zwischen seinem Antrag und dem Antrag seiner Mutter aus dem Jahr 2008 könne demnach nicht erkannt werden, da es seiner Mutter weiterhin möglich sei, in der Russischen Föderation zu leben. Die vorgebrachten Gründe, warum es dem Beschwerdeführer nun nicht mehr möglich sei, in sein Herkunftsland zurückzukehren, seien somit nicht geeignet, eine neue, inhaltliche Entscheidung der Behörde zu bewirken und könne darin kein neuer, entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt werden, da sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert habe und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren decke. Die erkennende Behörde könne sohin nur zum zwingenden Schluss kommen, dass der objektive und entscheidungsrelevante Sachverhalt unverändert sei. Es liege sohin entschiedene Sache im Sinne von § 68 AVG vor.

Hinsichtlich der familiären Situation des Beschwerdeführers in Österreich und der von der Rechtsberaterin des Beschwerdeführers eingebrachten Stellungnahme wurde von der belangten Behörde zusammengefasst ausgeführt, dass sich aus dem Gesetzestext des § 34 AsylG eindeutig ergebe, dass sich der Status des Asylberechtigten seiner Ehefrau nicht auf den Beschwerdeführer übertragen lasse, da der Beschwerdeführer kein Familienangehöriger im Sinne des § 2 Z 22 AsylG sei, weil die Ehe erst in Österreich geschlossen worden sei. Auch der Status des Asylberechtigten seiner minderjährigen Tochter lasse sich aufgrund der Bestimmung des § 34 Abs. 6 Z 2 nicht auf den Beschwerdeführer übertragen. Es liege zwar ein im Sinn des Art. 8 EMRK schützenswertes Familienleben in Österreich vor und stelle die Ausweisung einen Eingriff in das Recht auf Familienleben dar. Dieser Eingriff sei nach individueller Abwägung aber zulässig. Dem Beschwerdeführer stehe die Möglichkeit offen, nach den fremdenrechtlichen Bestimmungen einen Aufenthaltstitel zum Zweck der Familienzusammenführung zu erlangen.

I.2.7. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 03.08.2011 gemäß §§ 68 Abs. 1 AVG und § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

I.3.1. Der Beschwerdeführer stellte am 06.06.2012 den (dritten) Antrag auf internationalen Schutz und gab dabei an, er stelle einen neuen Asylantrag, da er die gemeinsame Obsorge für seine Tochter habe. Es sei ein maßgeblich geänderter Sachverhalt in Hinblick auf Art. 8 EMRK eingetreten, da er geheiratet habe und eine Tochter habe. Er habe sonst keine neuen Asylgründe und möchte zu den alten nichts mehr sagen, halte es aber für unrealistisch, dass er bei einer Ausreise in die Russische Föderation einen Aufenthaltstitel für Österreich bekomme, wenn er diesen Titel nicht schon hier bekommt.

I.3.2. Mit Bescheid vom 19.06.2012 wies das Bundesasylamt den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkt I.) und den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation aus (Spruchpunkt II.).

Begründend führte die belangte Behörde aus, es könne insgesamt kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt werden. Die Begründung des neuerlichen Asylantrages reiche nicht aus, einen neuen gegenüber dem früheren Asylantrag wesentlich geänderten entscheidungsrelevanten Sachverhalt entstehen zu lassen. Seine Angaben im gegenständlichen Verfahren (er hätte keine neuen Fluchtgründe, sondern wolle nur bei seiner Tochter in Österreich bleiben, da er auch die geteilte Obsorge habe) habe er bereits im Vorverfahren getätigt. Bereits im Vorverfahren sie dieser Umstand berücksichtigt worden, hingewiesen wurde auf das Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 03.08.2011.

I.3.3. Die vom Beschwerdeführer dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 20.08.2012 gemäß §§ 68 AVG und 10 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

Begründet wurde dies ua damit, dass der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall seine Asylgründe aus dem ersten Verfahren weiterhin aufrecht gehalten habe bzw. er nun einen neuen Asylantrag stelle, da er die gemeinsame Obsorge für seine Tochter habe. Irgendwelche neuen Asylgründe habe der Beschwerdeführer bei seiner Einvernahme durch das Bundesasylamt auch gar nicht mehr behauptet. Erst in seiner Beschwerde habe der Beschwerdeführer erstmals behauptet, er habe nicht in eine in Österreich niedergelassene russische Familie eingeheiratet, sondern in eine Familie, die alle in der Heimat politisch verfolgt seien, er könne daher nach einer Rückkehr auch politischer Verfolgung ausgesetzt sein. Diese Angaben seien jedoch für die Berufungsbehörde nach der Judikatur des VwGH nicht mehr zu berücksichtigen. Das Bundesasylamt sei daher richtigerweise davon ausgegangen, der Beschwerdeführer habe bereits in seinem ersten Asylverfahren sämtliche Gründe vollständig schildern können, warum er seinen Herkunftsstaat verlassen habe. In dem rechtskräftig abgeschlossenen Vorverfahren sei auch auf den Umstand eingegangen worden, dass der Beschwerdeführer mittlerweile verheiratet und Vater einer Tochter ist. Dieser Umstand sei im Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 03.08.2011 bereits berücksichtigt worden, und ergibt sich aus den nunmehr vorgebrachten kein glaubhafter Kern, dem Asylrelevanz zukomme.

I.3.4. Am 23.10.2012 reiste der Beschwerdeführer unter Gewährung von Rückkehrhilfe freiwillig aus dem Bundesgebiet aus.

I.4.1. Der Beschwerdeführer stellte am 29.03.2013 den (vierten) Antrag auf internationalen Schutz und gab dabei an, er stelle einen neuen Asylantrag, da er nach seiner Rückkehr in Inguschetien gelebt habe und am 02.03.2013 seine Mutter in XXXX , Bezirk XXXX , Tschetschenien besucht habe, dabei habe er seinen Inlandsreisepass bei der Mutter vergessen als er einen Freund besuchte und genau zu diesem Zeitpunkt sei die Polizei gekommen und hätte nach ihm gefragt. Diese hätten seinen Inlandsreisepass mitgenommen und er befürchte nun, es werde ihm Kontakt und Unterstützung der Widerstandskämpfer vorgeworfen. Befragt warum ihn die Behörden jetzt suchen sollten, wo es doch viel einfacher gewesen wäre ihn gleich bei der Einreise festzunehmen, wenn dies gewollt worden wäre, gab der Beschwerdeführer an, dass in Tschetschenien ganz andere Regeln gelten würden. Seine Mutter hätte dann seine Schwester angerufen und diese seinen Freund und er sei dann nach XXXX geflüchtet und dort bis 16.03.2013 geblieben. In weitere Folge sei er mit dem Taxi in die Ukraine gefahren und mit Hilfe von Schleppern nach Österreich. Seine Fluchtgründe aus den vorangegangenen Verfahren seien daher noch immer aufrecht, die Polizei würde nach ihm suchen und ihn beschuldigen mit den tschetschenischen Kämpfern zu kollaborieren. Sollte er erwischt werden, könnte er festgenommen und eingesperrt werden.

Zu seinem Privatleben befragt gab der Beschwerdeführer an, seine nach muslimischem Recht geheiratete Ehefrau und seine beiden Töchter seien in Österreich asylberechtigt. Er habe aus der Russischen Föderation keinen Antrag auf legale Einreise nach Österreich gestellt, bzw. keinen Antrag auf Familienzusammenführung gestellt, da er dazu behördliche Papiere benötigen würde.

I.4.2. Mit Bescheid vom 25.04.2013 wies das Bundesasylamt den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkt I.) und den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation aus (Spruchpunkt II.).

Begründend führte die belangte Behörde aus, es könne insgesamt kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt werden. Die Begründung des neuerlichen Asylantrages reiche nicht aus, einen neuen gegenüber dem früheren Asylantrag wesentlich geänderten entscheidungsrelevanten Sachverhalt entstehen zu lassen. Seine Angaben im gegenständlichen Verfahren seien nur eine Fortführung der in den vorangegangenen Verfahren als unglaubwürdig gewerteten Angaben. Es gebe keinen plausiblen Grund, weswegen russische oder tschetschenische Sicherheitsbehörden nach dem Beschwerdeführer suchen sollten. Der Beschwerdeführer habe selbst beschlossen freiwillig nach Abschluss des dritten Asylverfahrens in die russische Föderation zurückzukehren, und sei ihn dies auch ohne weiteres möglich gewesen. Seine nunmehrigen Angaben seine sehr allgemein gehalten gewesen und hätten keinen glaubhaften Kern. Es liege sohin entschiedene Sache im Sinne von § 68 AVG vor.

I.4.3. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 22.05.2013 gem. § 68 Abs. 1 AVG und § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 38/2011 als unbegründet abgewiesen.

Begründend führte der Asylgerichtshof unter anderem aus, dass das Bundesasylamt richtigerweise davon ausgegangen sei, der Beschwerdeführer habe bereits in seinem vorangegangenen Asylverfahren sämtliche Gründe vollständig schildern können, warum er seinen Herkunftsstaat verlassen habe. In dem rechtskräftig abgeschlossenen Vorverfahren sei auch auf den Umstand eingegangen worden, dass der Beschwerdeführer mittlerweile verheiratet und Vater einer Tochter ist. Dieser Umstand sei im Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 03.08.2011 bzw. vom 20.08.2012 bereits berücksichtigt worden, und ergebe sich aus den nunmehr vorgebrachten kein glaubhafter Kern, dem Asylrelevanz zukommt.

Auch hinsichtlich der Entscheidung über die Ausweisung gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG schloss sich der Asylgerichtshof der Begründung der belangten Behörde an, da das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dadurch gemindert sei, dass der Aufenthalt nur auf Grund der vier Asylanträge des Beschwerdeführers, die sich letztlich als unberechtigt erwiesen haben, legal gewesen sei. Der Beschwerdeführer gehe in Österreich keiner legalen Beschäftigung nach. Allfällige Integrationsschritte seien erst nachdem eine rechtskräftige Ausweisung gegen den Beschwerdeführer erlassen worden sei, erfolgt. Er habe auch keine Beweise dafür vorgelegt, dass er über das sich aus dem Aufenthalt in Österreich zwangsläufig ergebende Maß an Integration hinausgehend am sozialen und wirtschaftlichen Leben teilnehme. Darüber hinaus sei der Beschwerdeführer nicht wie in der Beschwerde angegeben unbescholten, sondern mehrmals strafrechtlich in Erscheinung getreten, welches ein schwerwiegendes Argument, welches gegen eine Integration des Beschwerdeführers spreche, sei. In Bezug auf sein gemäß Art. 8 EMRK geschütztes Recht auf Achtung des Familienlebens sei nicht ersichtlich, dass die minderjährigen Töchter bei einer Rückkehr des Beschwerdeführers nicht – zumindest vorübergehend – nur von der Ehefrau des Beschwerdeführers betreut werden könnten. Seiner Unterhaltspflicht gegenüber seiner Gattin und seinen Kindern könne ein Fremder auch vom Ausland aus nachkommen. Es sei dem Beschwerdeführer auch zumutbar, legal – somit unter Einhaltung der fremdenrechtlichen bzw. niederlassungs- und aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen – wieder nach Österreich einzureisen, um das Familienleben mit seiner Ehefrau und seiner Tochter aufrecht zu erhalten. Außerdem sei die Gründung einer Familie und die Geburt der gemeinsamen Kinder zu einem Zeitpunkt erfolgt, in dem sich der Beschwerdeführer bewusst habe sein müssen, dass sein Aufenthaltsstatus bzw. der Fortbestand des Familienlebens in Österreich von vornherein unsicher war.

I.5.1. Der Beschwerdeführer stellte am 23.10.2013 den (fünften) Antrag auf internationalen Schutz und gab dazu in seiner Erstbefragung an, er stelle einen neuen Asylantrag, da er Beweismaterial habe, dass ihn die russischen Behörden in Tschetschenien suchen würden. Er könne zwei Ladungen vom XXXX und vom XXXX von den russischen Behörden vorzeigen. Seine Schwester habe ihm die Ladungen im Juni 2013 durch einen Boten geschickt. Ansonsten halte er die bisherigen Fluchtgründe aufrecht. Bei seiner Rückkehr werde er verhaftet oder getötet.

I.5.2. In der Einvernahme beim Bundesasylamt am 08.11.2013 brachte der Beschwerdeführer zu seinem Fluchtgrund im Wesentlichen vor, dass er seit dem Jahr 2001 verfolgt werde und, obwohl er im Jahr 2011 in XXXX aufhältig gewesen sei, ihm nunmehr in Tschetschenien vorgeworfen werde, dass er 2011 eine Straftat begangen habe. Dies würde sich aus den vorgelegten Ladungen ergeben. Danach befragt, was ihm vorgeworfen werde, gab der Beschwerdeführer an, dass seine Mutter diese Ladungen erhalten habe und ihr Haus von der Polizei durchsucht worden sei. Die Polizei habe ihr gesagt, dass sie vermuten würden, dass der Beschwerdeführer zusammen mit Wahhabiten eine Straftat begangen habe. Was konkret, hätten sie nicht gesagt. Die Vorladungen seien dann später erfolgt und der Mutter des Beschwerdeführers ausgehändigt worden. Danach befragt, warum ihn dies vorgeworfen worden sei, gab der Beschwerdeführer an, diesbezüglich nur Vermutungen äußern zu können. So hätten die Behörden genau gewusst, dass er im Jahr 2001 Widerstandskämpfer unterstützt habe. Vielleicht hätten sie ihm deswegen etwas Neues anhängen wollen, vielleicht hätten sie auch nur eine neue Person gebraucht, um dieser irgendwelche Straftaten anzulasten, vielleicht habe auch irgendjemand die Schuld auf den Beschwerdeführer geschoben. Sollte er zurückkehren, werde man ihn zu einem Geständnis zwingen, egal worum es gehe, auch wenn er nichts getan habe. Ihm würden dort ungefähr 20 Jahre Strafhaft drohen. Die Ladungen seien dem Beschwerdeführer über eine Kette von Boten persönlich nach XXXX gesandt worden.

I.5.3. Den vorgelegten - angeblichen - Ladungen einer tschetschenischen Strafverfolgungsbehörde vom XXXX sowie vom XXXX war zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer für den XXXX bzw. den XXXX zu einem Verhör im Rahmen eines Strafverfahrens vom XXXX als Verdächtiger, eine Straftat laut Russischem Strafgesetzbuch Teil 3 Art. 105 (Mord), Teil 3 Art. 126 (Freiheitsberaubung), Teil 3 Art. 222 (gesetzwidrige Handlungen hinsichtlich Waffen) begangen zu haben, geladen wurde.

I.5.4. Im Rahmen einer weiteren Einvernahme beim Bundesasylamt am 28.11.2013 brachte der Beschwerdeführer auf Nachfragen ergänzend vor, dass die Ladungen von den örtlichen Polizeibeamten an seine Mutter ausgefolgt worden seien, wobei diese ohne besondere Achtung der Formalitäten einfach übergeben worden seien. Dem Vorhalt der Behörde, dass aufgrund seiner Rückkehr nicht davon ausgegangen werden könne, dass er tatsächlich von den russischen/ tschetschenischen Behörden gesucht werde und es auch nicht glaubhaft sei, dass die Mutter des Beschwerdeführers die Ladungen entgegengenommen habe, da keine Unterschrift von ihr auf dem Zettel vorhanden sei, entgegnete der Beschwerdeführer, es würden in Tschetschenien andere Umstände als in Österreich herrschen. Dem örtlichen Polizeibeamten sei es egal gewesen, ob seine Mutter die Ladung entgegennehme oder nicht. Der Beschwerdeführer habe im Jahr 2012 ohne weitere Probleme in die Russische Föderation zurückkehren können, da er freiwillig ausgereist und nicht abgeschoben worden sei. Er habe von der Caritas vorübergehend einen Pass bekommen, weil er angeblich seine Dokumente verloren habe. Am Flughafen in XXXX sei auch keine Anfrage an die tschetschenischen Behörden gerichtet worden. Wäre das getan worden, wäre er am Flughafen festgenommen worden. Die Fahndung würde sich wahrscheinlich nur auf die tschetschenische Republik beschränken. In Tschetschenien würden eigene Gesetze herrschen.

I.5.5. Am 03.08.2016 wurde der Beschwerdeführer erneut vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen, wo er wiederholte, dass seine Fluchtgründe dieselben wie im Vorverfahren seien, er aber neue Beweise habe. Nach Angehörigen in der Russischen Föderation befragt, gab er an, dass nur noch eine Schwester von ihm in Tschetschenien lebe. Sein Vater sei bereits verstorben, seine Mutter habe im Jahr 2015 um Asyl angesucht, seine Brüder seien in Kasachstan aufhältig, ein weiterer Bruder sei subsidiär schutzberechtigt und eine Schwester asylberechtigt in Österreich, ein weiterer Bruder lebe in Belgien. Seine Frau sei nie einer legalen Beschäftigung in Österreich nachgegangen und sei derzeit wegen deren drittem Kind in Karenz. Die Kinder des Beschwerdeführers sprächen nur wenig russisch und tschetschenisch, Deutsch würden sie besser beherrschen. Der Beschwerdeführer möchte arbeiten, sei nicht mehr bei der Caritas ehrenamtlich tätig und sei derzeit mehr mit der Betreuung seiner Kinder und dem Deutsch lernen beschäftigt. Er habe keine vertieften Freundschaften wegen des häufigen Umzugs in Österreich. Er sei religiös und bete fünf Mal täglich.

I.5.6. Mit Bescheid des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.06.2017 wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Ziffer 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig ist (Spruchpunkt II).

Begründend führte die belangte Behörde zu Spruchpunkt I. aus, das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers beruhe auf den bereits dargelegten Tatsachen in seinem ersten Asylverfahren, er habe im gegenständlichen Verfahren hinsichtlich seiner Fluchtgründe und Rückkehrbefürchtungen keinen Sachverhalt vorgebracht, welcher nach rechtskräftigem Abschluss seines Erstverfahrens neu entstanden sei. Die Fluchtgründe seien im Vorverfahren als unglaubwürdig erachtet worden. Hinsichtlich der vom Beschwerdeführer vorgelegten Ladungen, sei festzuhalten, dass davon auszugehen sei, dass es sich dabei um erworbene Dokumente handelt. In der Russischen Föderation bestehe die Möglichkeit jegliche Art von Dokumenten zu erwerben, diesbezüglich sei auf die Länderinformationen verwiesen. Des Weiteren sei nicht nachvollziehbar, warum die Polizei ihn als Verdächtigen zweimal laden solle. Die Ladungen würden keinen zeitlichen Zusammenhang zwischen Tatzeit und Ladung zur Einvernahme aufweisen. Es sei nicht nachvollziehbar, warum sich die Behörde bei einer solchen ,,schweren‘‘ Straftat so viel Zeit lassen würde.

I.5.7. Der dagegen erhobenen Beschwerde wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 23.07.2017 stattgegeben und der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG iVm § 68 Abs. 1 AVG behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen, im Wesentlichen mit der Begründung, dass der Beschwerdeführer seinen neuen Antrag mit Geschehnissen, die bei Zutreffen erst nach Rechtskraft der Entscheidung über seinen ersten Antrag eingetreten wären, womit sich die Behörde beweiswürdigend auseinandersetzen hätte müssen. Da das Verfahren des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl insgesamt mit massiven Verfahrens- und Ermittlungsmängeln belastet sei, sei daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

I.5.8. Am 11.01.2018 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen. Dabei brachte er vor, seine Mutter sei seit 2015 in Österreich, drei Jahre nachdem der Vater des BF verstorben sei, weil sie alleine gewesen sei und die Polizisten ab und zu vorbeigekommen seien und nach dem BF gefragt hätten. Sie hätten ihr nichts angetan, aber das Haus durchsucht. Er sei der einzige Sohn, die anderen Brüder seien nicht in Tschetschenien. Es müsse jemand in der Nähe sein. 2012 sei er in XXXX , Inguschetien, etwa 5 Monate aufhältig gewesen. Er habe dort mithilfe finanzieller Unterstützung seines Bruders eine Wohnung gemietet. 5 oder 6 Mal sei er heimlich in Tschetschenien gewesen. Sein in XXXX wohnhafter Bruder unterstütze ihn auch in Österreich. Nochmals nach zu seinen Fluchtgründen befragt, brachte der Beschwerdeführer, neben seinen Schilderungen, dass er bis 2004 als Unterstützer der Widerstandskämpfer verfolgt worden sei und 2011 deshalb erneut als Terrorist beschuldigt worden sei, vor, dass als er im Jahr 2012 in die Russische Föderation zurückgekehrt sei, die Polizisten zu seiner Mutter gekommen seien, weil sie erfahren hätten, dass er zurückgekehrt sei. Sie hätten ihm vorgeworfen Terrorist zu sein und eine Verbindung zu den Wahhabiten zu haben. Kurz nach einem Besuch bei seiner Mutter 2012, hätten Polizisten das Haus der Mutter des Beschwerdeführers durchsucht und dabei einen Inlandspass des Beschwerdeführers gefunden, welcher mitgenommen worden sei. Danach habe die Mutter die Schwester des Beschwerdeführers und diese wiederum einen Freund, bei welchem der Beschwerdeführer aufhältig war, angerufen. Er sei dann mit diesem Freund nach XXXX gefahren, habe sich dort versteckt und sei schließlich mit Hilfe eines Schleppers ausgereist. In XXXX sei er sicherer gewesen als in seiner Wohnung in Inguschetien, nachdem die Wohnung der Mutter des Beschwerdeführers durchsucht worden sei. Die Ladungen seien erst nach seiner Ausreise geschickt worden. Auf die Frage, warum die Polizei so viele Jahre später noch Interesse am Beschwerdeführer habe, antwortete der Beschwerdeführer, dass die Polizei so zeigen wolle, dass sie arbeite. Zuletzt sei er 2013 in Tschetschenien gewesen, im März, woraufhin die Probleme begonnen hätten. Er habe keine Möglichkeit, in der Russischen Föderation Schutz zu finden, weil er keinen Inlandspass habe und bei einer Anmeldung würden die tschetschenischen Behörden verständigt; er könne sich nicht dauernd verstecken.

I.5.9. Am 23.08.2017 wurde die Mutter des Beschwerdeführers niederschriftlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen, wo sie angab, 2010 wegen ihrem Ehemann freiwillig ausgereist zu sein, weil sie ihn vermisst habe und er gesundheitliche Probleme gehabt habe. Befragt, ob sie nach 2010 Probleme im Herkunftsstaat gehabt habe, gab sie an, dass nach dem Beschwerdeführer von irgendeiner Behörde gefragt worden sei, aber nicht so oft. Aufgefordert konkrete Angaben zu den Befragungen zu machen, gab die Mutter des Beschwerdeführers an, ab und zu seien sie gekommen. Als der Beschwerdeführer 2012 abgeschoben worden sei, habe er sie manchmal besucht. Einmal kurz nach einem Besuch seien Männer gekommen, die den Beschwerdeführer gesucht hätten und seinen Inlandsreisepass mitgenommen hätten. Zu den Fluchtgründen befragt, gab die Mutter des Beschwerdeführers an, sie sei nach dem Tod ihres Mannes alleine gewesen und konnte kaum mehr Sachen selber machen. Nach jedem Besuch der Männer habe sie Probleme mit Blutdruck und Herz gehabt. Ihre Kinder hätten schließlich entschieden, dass sie nach Europa gehen solle, damit sich der jüngste Sohn nach Tradition um die Mutter kümmern könne. Es sei die Pflicht des Beschwerdeführers, sich um sie zu kümmern. Ihr Sohn, der Beschwerdeführer, könne nicht nach Tschetschenien zurück, die Ladungen ihres Sohnes habe sie vor ihrer letzten Ausreise erhalten.

I.5.10. Am 24.01.2018 stellte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine Anfrage an die Staatendokumentation betreffend Tschetschenien, welche mit Anfragebeantwortung vom 30.01.2018 beantwortet wurde. Unter anderem wurde darin festgehalten, dass es eine Ziffer 3 des Art. 105 russ. StGB nicht gebe.

I.5.11. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.02.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Ziffer 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) abgewiesen, dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gegen den BF gemäß § 10 Abs. 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Ziffer 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl beurteilte auch das neue Vorbringen des Beschwerdeführers, Ladungen der russischen/ tschetschenischen Polizei/ Behörden erhalten zu haben, mit welchen ihm Verbrechen nach dem russischen Strafgesetzbuch vorgeworfen werden, als nicht glaubhaft. Bezweifelt wurde die Echtheit der Ladungen, da der Anfragebeantwortung zu entnehmen sei, dass der mehrheitlich bei solchen Ladungen vorkommende Verweis auf Art. 188 russ. stopp oder auch Art. 50 russ. StPO fehle und, dass eine Ziffer 3 des Art. 105, wie in einer der Ladungen zitiert, nicht existiere. Es sei aber anzunehmen, dass sich die Behörde bei solch hochgradigen Anschuldigungen mit der Rechtsgrundlage intensiv auseinandersetze. Außerdem seien die Ladungen erworben. Der Beschwerdeführer habe sich mit den Ladungen nicht befasst und konnte die Befragungen seiner Mutter durch die Polizei nicht näher konkretisieren.

Zur Rückkehrentscheidung führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ua aus, dass nach Abwägung aller Interessen festzustellen sei, dass den öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen besondere Bedeutung in diesem Falle zukomme, da das Familienleben des Beschwerdeführers zu einem Zeitpunkt, in dem sich der Beschwerdeführer seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst gewesen sei und er seinen Aufenthalt nur durch Stellung mehrere unbegründeter Asylanträge legalisieren habe können.

I.5.12. Dagegen erhob der Beschwerdeführer am 26.03.2018 die gegenständliche Beschwerde, in welcher im Wesentlichen moniert wurde, dass die Anfragebeantwortung dem Beschwerdeführer nicht zugestellt worden sei, die darin enthaltenen Zustellungsmodalitäten aber sogar mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers übereinstimmen würde. Außerdem habe sich die Behörde auch nicht mit dem Vorbringen seiner Mutter in deren Einvernahme auseinandergesetzt, welches sich bezüglich der geheimen Treffen im Jahr 2012 und der Durchsuchung und Befragung durch die Polizei mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers decke. Zur Rückkehrentscheidung wurde ausgeführt, dass sich die belangte Behörde nicht mit dem Kindeswohl der drei minderjährigen Kinder des Beschwerdeführers auseinandergesetzt habe, der Beschwerdeführer eine Arbeitsplatzzusage verfüge, er seit beinahe 14 Jahren im Bundesgebiet aufhältig sei, er enge verwandtschaftliche Kontakte im Bundesgebiet pflege und gut Deutsch spreche, weshalb die Interessensabwägung der belangten Behörde unverhältnismäßig sei.

I.5.13. Am 22. Juni 2021 führte das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, wobei der Beschwerdeführer vom erkennenden Gericht nochmals ergänzend zu den Fluchtgründen, zu den aktuellen Rückkehrbefürchtungen betreffend die Russische Föderation bzw. Tschetschenien sowie zu seiner Integration in Österreich befragt wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat nach Durchführung einer Beschwerdeverhandlung wie folgt erwogen:

1. Feststellungen:

II.1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation, Zugehöriger der tschetschenischen Volksgruppe und bekennt sich zum muslimischen Glauben. Er spricht Tschetschenisch, Russisch und Deutsch.

II.1.2. Der Verfahrensgang wird wie unter I. dargestellt festgestellt.

II.1.3. Der BF reiste erstmals am 16.07.2004 illegal ins Bundesgebiet ein, wo er anschließend einen Asylantrag stellte. Der BF war damals fast 23 Jahre alt. Mit Ausnahme eines Aufenthaltes im Herkunftsstaat im Jahre 2012/ 2013 hält sich der BF nunmehr seit fast 17 Jahren im Bundesgebiet auf.

II.1.4. Der BF ist seit XXXX nach muslimischen Recht bzw seit XXXX standesamtlich mit XXXX verheiratet, welche in Österreich Asylberechtigte und russische Staatsangehörige ist. Aus deren Beziehung sind mittlerweile drei Kinder hervorgegangen, welche 2010, 2012 und 2015 geboren wurden. Die Familie lebt in einer gemeinsamen Wohnung. Die Kinder sprechen fast ausschließlich Deutsch und kaum Tschetschenisch bzw kein Russisch. Die älteste Tochter des BF besucht ein Gymnasium, die anderen beiden die Volkschule bzw den Kindergarten. Der BF verbringt seine Freizeit mit seinen Kindern und seiner Ehefrau, mit denen er eine enge Bindung hat.

II.1.5. Der BF besuchte die Schule in Tschetschenien für elf Jahre und arbeitete dort ein wenig in der Landwirtschaft sowie in Gelegenheitsjobs. In Österreich ging der BF bisher keiner Erwerbstätigkeit nach und bezog ausschließlich staatliche Unterstützungsleistungen. Er möchte in Zukunft berufstätig sein und für seine Familie sorgen. Eine Arbeitsplatzzusage des XXXX liegt vor. Der BF besuchte bisher keine beruflichen Fortbildungen und war eine Zeit lang bei der Caritas ehrenamtlich tätig. Er absolvierte die A2- und die B1-Prüfung für die deutsche Sprache. Die Ehefrau des BF geht keiner Erwerbstätigkeit nach. Sie macht aber derzeit einen AMS-Kurs für eine medizinische Ausbildung im Bereich der Pflege.

II.1.6. In Tschetschenien leben noch die Mutter und Schwester des BF sowie zumindest ein Schulkollege. Der Vater des BF ist bereits verstorben. Zwei Geschwister des BF leben in Österreich, die restlichen Geschwister leben in Belgien bzw Kasachstan. Der in XXXX lebende Bruder des BF unterstützt den BF und seine Familie gelegentlich finanziell. Der BF verfügt im Bundesgebiet über keine engen freundschaftlichen Kontakte.

II.1.7. Der BF ist gesund und nimmt keine Medikamente. Der BF ist strafgerichtlich unbescholten. Er wurde aber im Jahre 2004 und 2009 zu bedingten Freiheitsstrafen verurteilt, welche mittlerweile getilgt sind.

II.1.8. Nicht als Sachverhalt zugrunde gelegt wird das dem gegenständlichen Antrag zugrundeliegenden Vorbringen des BF, wonach die tschetschenischen Behörden ihm Straftaten unterschieben wollen und (immer noch) in der Russischen Föderation nach ihm suchen würden. So sei es in Abwesenheit des BF, jedoch in Anwesenheit seiner Mutter im Jahr 2013 zu Hausdurchsuchungen gekommen. Seiner Mutter seien dabei von der Polizei im März und April 2013 Ladungen des BF übergeben worden, denen zufolge er der Begehung von Straftaten aus dem Jahr 2011 verdächtigt und zum Verhör geladen werde. Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF einer konkreten Verfolgung bzw. Bedrohung aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung in der Russischen Föderation ausgesetzt ist. Im Entscheidungszeitpunkt konnte keine aktuelle Gefährdung des BF in der Russischen Föderation festgestellt werden.

II.1.9. Es ist dem BF jedenfalls möglich und zumutbar, sich in der Russischen Föderation, entweder in Tschetschenien selbst oder auch in anderen Landesteilen niederzulassen und anzumelden sowie durch eigene Erwerbstätigkeit seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Viele russische Städte verfügen über eine große tschetschenische Diaspora und bieten die stärkeren Metropolen und Regionen Russlands bei vorhandener Arbeitswilligkeit auch Chancen für russische Staatsangehörige aus den Kaukasusrepubliken. Der BF hat Zugang zu Sozialbeihilfen, Krankenversicherung und medizinischer Versorgung. Es ist dem BF auch möglich, seinen Unterhaltspflichten gegenüber seinen Kindern in Form von Alimentezahlungen vom Ausland aus nachzukommen.

Dem BF droht im Falle der Rückkehr in die Russische Föderation keine Folter oder unmenschliche Behandlung auf Grund seiner (getilgten) Verurteilungen in Österreich und des dieser Verurteilung zugrundeliegenden Verhaltens. Ihm droht im Falle der Rückkehr in die Russische Föderation keine Verfolgung wegen der Asylantragstellung oder wegen des langjährigen Aufenthaltes außerhalb der Russischen Föderation.

Die aktuell vorherrschende COVID-19 Pandemie bildet kein Rückkehrhindernis. Der BF ist gesund und gehört mit Blick auf sein Alter und das Fehlen physischer (chronischer) Vorerkrankungen keiner spezifischen Risikogruppe betreffend COVID-19 an. Es besteht keine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass der BF bei einer Rückkehr in die Russische Föderation eine COVID-19 Erkrankung mit schwerwiegendem oder tödlichem Verlauf bzw. mit dem Bedarf einer intensivmedizinischen Behandlung bzw. einer Behandlung in einem Krankenhaus erleiden würde.

II.1.10. Zur Lage in der Russischen Föderation/Tschetschenien:

Länderspezifische Anmerkungen

Letzte Änderung: 18.05.2021

Hinweis:

Die Länderinformationen gehen nur eingeschränkt auf die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie sowie auf eventuelle Maßnahmen gegen diese ein - wie etwa Einstellungen des Reiseverkehrs in oder aus einem Land oder Bewegungseinschränkungen im Land. Dies betrifft insbesondere auch Auswirkungen auf die Gesundheitsversorgung, die Möglichkeiten zur Selbst-Quarantäne, die Versorgungslage, wirtschaftliche, politische und andere Folgen, die derzeit immer noch schwer einschätzbar sind. Diesbezüglich darf jedoch auf das COVID-Kapitel der Staatendokumentation zur aktuellen COVID-19-Lage hingewiesen werden.

Zur aktuellen Anzahl der Krankheits- und Todesfälle in den einzelnen Ländern empfiehlt die Staatendokumentation bei Interesse/Bedarf folgende Websites der WHO: https://www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/situation-reports

oder der Johns-Hopkins-Universität:

https://gisanddata.maps.arcgis.com/apps/opsdashboard/index.html#/bda7594740fd40299423467b48e9ecf6

mit täglich aktualisierten Zahlen zu kontaktieren.

Da es sich bei den Nordkaukasus-Republiken (z.B. Tschetschenien, Dagestan) um Subjekte der Russischen Föderation handelt, werden diese nicht mehr in eigenständigen Länderinformationen abgehandelt, sondern in diese Länderinformation zur Russischen Föderation (RUSS COI-CMS) integriert. Wo es Unterschiede gibt, wurden Unterkapitel zu den einzelnen Subjekten bzw. in zusammenfassender Form zum Nordkaukasus geschaffen.

Zu Inguschetien werden – auch nach Absprache mit dem BVwG – keine Informationen mehr ins RUSS COI-CMS übernommen, da die Anzahl an Asylwerbern zu gering ist. Sollten Sie Informationen zu Inguschetien benötigen, ist eine konkrete Anfrage an die Staatendokumentation zu stellen.

In Bezug auf das Kaukasus-Emirat ist zu sagen, dass es momentan nicht ganz klar ist, ob es in der Praxis überhaupt noch existiert und falls ja, ob es einen neuen Anführer hat oder nicht. Dies scheint aber auch nicht das Wichtigste zu sein, da Kadyrows Kräfte und die russischen Sicherheitsbehörden jegliche dschihadistische Anhänger ins Visier nehmen und sie keinen Unterschied machen, unter welcher Flagge ein Islamist kämpft.

Covid-19-Situation

Letzte Änderung: 18.05.2021

Russland ist von Covid-19 landesweit stark betroffen. Regionale Schwerpunkte sind Moskau und St. Petersburg (AA 15.2.2021). Aktuelle und detaillierte Zahlen bietet unter anderem die Weltgesundheitsorganisation WHO (https://covid19.who.int/region/euro/country/ru). Die Regionalbehörden in der Russischen Föderation sind für Maßnahmen zur Eindämmung von Covid-19 zuständig, beispielsweise betreffend Mobilitätseinschränkungen, medizinische Versorgung und soziale Maßnahmen (RAD 15.2.2021; vgl. CHRR 12.3.2021). Die Maßnahmen der Regionen sind unterschiedlich, richten sich nach der epidemiologischen Situation in der jeweiligen Region und ändern sich laufend (WKO 9.3.2021; vgl. AA 15.2.2021). Es herrscht eine soziale Distanzierungspflicht für öffentliche Plätze und öffentliche Verkehrsmittel. Der verpflichtende Mindestabstand zwischen Personen beträgt 1,5 Meter (WKO 9.3.2021).

Die regierungseigene Covid-19-Homepage gibt Auskunft über die vom russischen Gesundheitsministerium empfohlenen Covid-19-Medikamente, nämlich Favipiravir, Hydroxychloroquin, Mefloquin, Azithromycin, Lopinavir/Ritonavir, rekombinantes Interferon-beta-1b und Interferon-alpha, Umifenovir, Tocilizumab, Sarilumab, Olokizumab, Canakinumab, Baricitinib und Tofacitinib. Der in Moskau entwickelte Covid-19-Krankenhausbehandlungsstandard umfasst folgende vier Komponenten: Antivirale Therapie, Antithrombose-Medikation, Sauerstoffmangelbehebung und Prävention/Behandlung von Komplikationen. Auf Anordnung des Arztes wird Patienten ein Pulsoxymeter ausgehändigt (Gerät zur Messung des Blutsauerstoffsättigungsgrades). Die medizinische Covid-Versorgung erfolgt für die Bevölkerung kostenlos (CHRR o.D.a).

Folgende Impfstoffe wurden in der Russischen Föderation entwickelt: Gam-COVID-Vac ('Sputnik V'), EpiVacCorona, CoviVac und Ad5-nCoV (CHRR o.D.b). Mittlerweile sind in der Russischen Föderation drei heimische Impfstoffe zugelassen (Sputnik V, EpiVacCorona und CoviVac). Groß angelegte klinische Studien gibt es bisher nicht (DS 20.2.2021; vgl. RFE/RL 21.2.2021). Impfungen erfolgen kostenlos (Mos.ru o.D.). In Moskau wurden bisher mehr als 700.000 Personen geimpft (Mos.ru 8.3.2021). Obwohl Russland als weltweit erstes Land seinen Covid-Impfstoff Sputnik V registrierte, haben die Impfungen effizient gerade erst begonnen (DS 12.2.2021). Bisher wurden in der Russischen Föderation in etwa 2,2 Millionen Personen (ca. 1,5% der Bevölkerung) geimpft bzw. erhielten zumindest eine der zwei Teilimpfungen (RFE/RL 21.2.2021).

Für die Einreise nach Russland wird grundsätzlich ein COVID-19-Testergebnis (PCR) benötigt. Russische Staatsbürger müssen bei der Grenzkontrolle keinen COVID-Test vorlegen, dieser muss jedoch spätestens drei Tage nach der Einreise nachgeholt werden. Russische Staatsbürger, die nach der Einreise ein positives Testergebnis erhalten, müssen sich in Quarantäne begeben. Die Ausreise aus Russland ist bis auf unbestimmte Zeit eingeschränkt und nur in bestimmten Ausnahmefällen möglich. Die internationalen Flugverbindungen wurden teilweise wieder aufgenommen. Direktflüge zwischen Österreich und Russland werden derzeit ein- bis zweimal wöchentlich von Austrian Airlines und Aeroflot angeboten. Russische Inlandsflüge wurden während der ganzen Pandemiezeit aufrecht erhalten (WKO 9.3.2021). Der internationale Zugverkehr – mit Ausnahme der Strecke zwischen Russland und Belarus - und der Fährverkehr sind eingestellt (AA 15.2.2021).

Staatliche Unterstützungsmaßnahmen für die russische Wirtschaft sind unterschiedlich und an viele Bedingungen gebunden. Zu den ersten staatlichen Hilfsmaßnahmen zählten Kredit-, Miet- und Steuerstundungen (ausgenommen Mehrwertsteuer), Sozialabgabenreduktion sowie Kreditgarantien und zinslose Kredite. Später kamen Steuererleichterungen sowie direkte Zuschüsse dazu. Viele der Maßnahmen sind nur für kleine und mittlere Unternehmen oder bestimmte Branchen zugänglich und haben einen zweckgebundenen Charakter (beispielsweise gebunden an Gehaltszahlungen oder Arbeitsplatzerhalt) (WKO 9.3.2021). Die Regierung bietet Exporteuren Hilfe an, die Möglichkeit eines Konkursmoratoriums, zinslose Kredite für Gehaltsauszahlungen usw. (CHRR o.D.c). Jänner bis Oktober 2020 ist die Industrieproduktion pandemiebedingt um 3,1% zurückgegangen. Besonders die Rohstoffproduktion ist um 6,6% gefallen, während die verarbeitende Industrie mit 0,3% praktisch stagnierte. Die im Jahr 2020 sehr stark fallenden Ölpreise waren unter anderem eine Auswirkung der Covid-19-Pandemie und mit einem globalen Nachfragerückgang verbunden und führten zu einer Rubelabwertung von 25%. Nach leichter Erholung verlor der Rubel unter anderem wegen der anhaltenden geringen Rohstoffnachfrage Mitte 2020 erneut an Wert und lag Anfang Dezember bei ca. 90 Rubel je Euro (WKO 12.2020). Das Realwachstum des Bruttoinlandsprodukts betrug im Jahr 2020 -3,1%. Im Vergleich dazu betrug der entsprechende Wert im Jahr 2019 2%. Die öffentliche Verschuldung betrug im Jahr 2020 17,8% des Bruttoinlandsprodukts (2019: 12,4%) (WIIW o.D.).

Moskau:

In Moskau herrscht an öffentlichen Orten eine Masken- und Handschuhpflicht. Das Tragen von Masken auf Straßen wird empfohlen. Kultur- und Bildungsveranstaltungen dürfen stattfinden, wenn maximal 50% der Zuschauerplätze belegt sind. Bürgern über 65 Jahren und chronisch Kranken wird Selbstisolierung empfohlen (CHRR 12.3.2021; vgl. WKO 9.3.2021, AA 15.2.2021). Empfohlen wird Fernarbeit für mindestens 30% der Mitarbeiter. Am Arbeitsplatz sind vorgeschriebene Hygienevorschriften (unter anderem Temperaturmessungen, Mund- und Handschutz, Desinfektionsmittel, Mindestabstand etc.) einzuhalten (WKO 9.3.2021). Gemäß dem Moskauer Bürgermeister verbessert sich die Pandemielage in Moskau. Ein Großteil der Einschränkungen wurde aufgehoben. Gastronomiebetriebe sind wieder geöffnet. Für Schüler höherer Klassen und Studierende findet nun wieder Präsenzunterricht statt (Mos.ru 7.3.2021; vgl. Mos.ru 8.3.2021, LM 8.2.2021, Russland Analysen 19.2.2021). In der Oblast [Gebiet] Moskau wurde die Mehrzahl der wegen Covid geltenden Einschränkungen zurückgenommen. Einzig Massenveranstaltungen bleiben fast ausnahmslos verboten (Russland Analysen 19.2.2021).

St. Petersburg:

Auch in St. Petersburg herrscht an öffentlichen Orten eine Masken- und Handschuhpflicht. Die für gastronomische Betriebe geltenden Beschränkungen der Öffnungszeiten wurden aufgehoben. Kulturveranstaltungen dürfen stattfinden, wenn maximal 75% der Zuschauerplätze belegt sind. Empfohlen wird Fernarbeit für mindestens 30% der Mitarbeiter. Für über 65-Jährige und chronisch Kranke sind Selbstisolierung und Fernarbeit verpflichtend (CHRR 12.3.2021; vgl. Gov.spb 5.3.2021, WKO 9.3.2021, Russland Analysen 8.2.2021).

Tschetschenien:

An öffentlichen Orten wird das Tragen von Masken empfohlen. Für über 65-Jährige und chronisch Kranke ist Selbstisolierung vorgesehen (CHRR 12.3.2021; vgl. Chechnya.gov 10.2.2021, Ria.ru 10.2.2021, KMS 10.2.2021). Bisher wurden mehr als 19.000 Personen geimpft (Chechnya.gov 26.2.2021). Mitarbeitern staatlich finanzierter Organisationen in Tschetschenien wurde mit Entlassung gedroht, sollten sie die Covid-Impfung verweigern. Bewohner in Tschetschenien berichten, ihnen seien Sanktionen angedroht worden, sollten sie sich nicht impfen lassen (CK 23.1.2021). Reisebeschränkungen wurden aufgehoben (Ria.ru 10.2.2021; vgl. Chechnya.gov 10.2.2021, KMS 10.2.2021).

Dagestan:

An öffentlichen Orten herrscht Maskenpflicht. Einstweilen dürfen keine Massenveranstaltungen stattfinden. Für über 65-Jährige und chronisch Kranke wird Selbstisolierung empfohlen (CHRR 12.3.2021). Es finden Massenimpfungen statt, und verwendet wird der Impfstoff Sputnik V (E-dag.ru 23.2.2021). Bisher wurden mehr als 18.000 Personen (2,4%) geimpft (E-dag.ru 12.3.2021).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (15.2.2021): Russische Föderation: Reise- und Sicherheitshinweise (COVID-19-bedingte Reisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/russischefoederation-node/russischefoederationsicherheit/201536, Zugriff 16.3.2021

?        Chechnya.gov – ????? ????????? ?????????? [Oberhaupt der Tschetschenischen Republik] [Russische Föderation] (10.2.2021): ? ???????: «?? ??????? ? ????????? ?????????? ???????????? ??????? ????? ? ???????????? ??????» [R Kadyrow: „Wir heben die Maskenpflicht an öffentlichen Orten in der Tschetschenischen Republik auf“], http://chechnya.gov.ru/novosti/r-kadyrov-my-snimaem-v-chechenskoj-respublike-obyazatelnoe-noshenie-masok-v-obshhestvennyh-mestah/, Zugriff 12.3.2021

?        Chechnya.gov – ????? ????????? ?????????? [Oberhaupt der Tschetschenischen Republik] [Russische Föderation] (26.2.2021): ?????? ????????????? ????????? ?????? ? ????????? ?????????? ?? ?????????????? ????? ????? ?????????? [Aufhebung der Maskenpflicht in der Tschetschenischen Republik provozierte nicht steigende Krankheitszahlen], http://chechnya.gov.ru/novosti/otmena-obyazatelnogo-masochnogo-rezhima-v-chechenskoj-respublike-ne-sprovotsirovala-rosta-chisla-zabolevshih/, Zugriff 12.3.2021

?        CHRR – Covid-19-Webseite der russischen Regierung [Russische Föderation] (12.3.2021): ????? ??????????? ??????????? ? ????? ? COVID-19 [Landkarte bzgl. geltender Einschränkungen in Verbindung mit Covid-19], https://???????????????.??/information/, Zugriff 12.3.2021

?        CHRR – Covid-19-Webseite der russischen Regierung [Russische Föderation] (o.D.a): ????? ?????????? ??????? [FAQ], https://???????????????.??/faq/, Zugriff 12.3.2021

?        CHRR – Covid-19-Webseite der russischen Regierung [Russische Föderation] (o.D.b): ??? ? ?????????? ?????? COVID-19 [Alles über die Covid-19-Impfung], https://???????.???????????????.??/, Zugriff 12.3.2021

?        CHRR – Covid-19-Webseite der russischen Regierung [Russische Föderation] (o.D.c): ???? ????????? ??????? [Unternehmensunterstützungsmaßnahmen], https://???????????????.??/what-to-do/business/, Zugriff 24.3.2021

?        CK – Caucasian Knot (23.1.2021): Budget-funded Chechen employees complain about enforcement to vaccination, http://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/53468, Zugriff 12.3.2021

?        DS – Der Standard (12.2.2021): Russland könnte sich der Herdenimmunität nähern, https://www.derstandard.at/story/2000124129778/russland-waehnt-sich-nahe-an-der-herdenimmunitaet, Zugriff 12.3.2021

?        DS – Der Standard (20.2.2021): Russland bringt dritten Covid-Impfstoff auf den Markt, https://www.derstandard.at/jetzt/livebericht/2000124341360/redcontent/1000220229?responsive=false, Zugriff 12.3.2021

?        E-dag.ru – Moj Dagestan [Mein Dagestan] / Offizielle Website Dagestans [Russische Föderation] (23.2.2021): ? ????????? ??????? ?? ?????? ????? ?????? 50 ???????, ?????????? ????????????? ?? ????? [In Dagestan zum ersten Mal seit langer Zeit weniger als 50 am Coronavirus erkrankte Personen innerhalb 24 Stunden], https://mydagestan.e-dag.ru/coronavirus/v-dagestane-vpervye-za-dolgoe-vremya-menshe-50-chelovek-zabolevshikh-koronavirusom-za-sutki/, Zugriff 12.3.2021

?        E-dag.ru – Moj Dagestan [Mein Dagestan] / Offizielle Website Dagestans [Russische Föderation] (12.3.2021): ?????????? ? ?????????? ?????????? ????????? ?????????? ???????? ?????? COVID-19 [Information über COVID-19-Impfung der Bevölkerung der Republik Dagestan], https://mydagestan.e-dag.ru/vaccination-against-covid-19/, Zugriff 12.3.2021

?        Gov.spb – ????????????? ?????-?????????? [St. Petersburger Verwaltung] [Russische Föderation] (5.3.2021): ????????? ??????????? ???????????? ?? 28 ????? [Einzelne Einschränkungen bis 28.3. verlängert], https://www.gov.spb.ru/press/governor/208547/, Zugriff 12.3.2021

?        KMS – Kommersant (10.2.2021): ??????? ??????? ???????????? ???????? ????? ? ????? [Kadyrow hob die Maskenpflicht in Tschetschenien auf], https://www.kommersant.ru/doc/4683493, Zugriff 15.3.2021

?        LM – Le Monde (8.2.2021): En Russie, le Covid-19 a alimenté une hausse brutale de la mortalité en 2020 [In Russland hat Covid-19 für einen brutalen Anstieg der Sterberaten im Jahr 2020 gesorgt], https://www.lemonde.fr/international/article/2021/02/08/en-russie-le-covid-19-a-alimente-une-hausse-brutale-de-la-mortalite-en-2020_6069228_3210.html, Zugriff 12.3.2021

?        Mos.ru – Offizielle Webseite des Moskauer Bürgermeisters [Russische Föderation] (7.3.2021): ?????? ???

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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