TE Bvwg Erkenntnis 2021/7/6 W282 2241470-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.07.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

06.07.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §92 Abs1 Z3
FPG §94 Abs5
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W282 2241470-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Florian KLICKA, BA als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit: Afghanistan, vertreten durch RA MMag. Stefan ZAJIC, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX 2021, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1. Dem Beschwerdeführer (in der Folge: BF) wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: Bundesamt) vom XXXX 2015 gem. § 3 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

2. Am 09.03.2020 wurde das Bundesamt von der Staatsanwaltschaft Innsbruck vom vorläufigen Rücktritt von der Verfolgung des BF wegen § 27 Abs. 1 und 2 SMG gem.
§ 35 Abs. 9 SMG nach Erstattung eines Abtretungsberichts gem. § 30 Abs. 5 BFA-VG verständigt.

3. Am 14.09.2020 stellte der BF einen Antrag auf Ausstellung eines Konventionsreisepasses für Asylberechtigte gem. § 94 Abs. 1 FPG.

4. Am 05.01.2021 übermittelte die LPD Tirol an die Staatsanwaltschaft Innsbruck einen Abtretungsbericht: Der BF sei verdächtig und geständig, im Dezember 2020 Suchtmittel, konkret drei Gramm Cannabiskraut zum Preis von 30 Euro, gekauft und in weiterer Folge in seiner Wohnung konsumiert zu haben. Er habe selbst angegeben, seit ca. 3 Jahren regelmäßig Cannabis zu konsumieren.

5. Am 12.01.2021 wurde die Fremdenpolizei Innsbruck von der Staatsanwaltschaft Innsbruck vom vorläufigen Rücktritt von der Verfolgung des BF wegen § 27 Abs. 1 SMG gem. § 35 Abs. 9 SMG nach Erstattung eines Abtretungsberichts verständigt. Der BF ist nach wie strafgerichtlich unbescholten.

6. Am 02.02.2021 wurde dem BF vom Bundesamt Parteiengehör gewährt, im Rahmen dessen er aufgefordert wurde, binnen 2 Wochen ab Zustellung der Verständigung der Behörde mitzuteilen, warum ihm trotz seines Konsums von Suchtmitteln ein Konventionsreisepass ausgestellt werden sollte und warum er keine Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstelle. Denn gem. § 94 Abs. 5 iVm § 92 Abs. 1 Z 3 FPG sei die Ausstellung, die Erweiterung des Geltungsbereiches und die Änderung eines Fremdenpasses zu versagen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Fremde das Dokument benützen will, um gegen Bestimmungen des Suchtmittelgesetzes zu verstoßen.

7. Diese Stellungnahme langte am 18.02.2021 beim Bundesamt ein: Der BF habe zum Zeitpunkt der Anzeige nach dem SMG an Lumbalgien gelitten, welche ihn zum Cannabis-Konsum veranlasst hätten, weil er den Eindruck gehabt habe, dadurch eine Linderung der Schmerzen zu erreichen. Mittlerweile sei er wegen der Lumbalgien in ärztlicher Behandlung. Der BF lebe seit dem Jahr 2011 in Österreich und habe in diesen Jahren keinerlei Probleme mit der Polizei gehabt. Er sei unbescholten und gehe seit mehreren Jahren einer legalen Beschäftigung nach, weshalb er keine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstelle. Der beantragte Konventionsreisepass solle sowohl für Urlaubsreisen nach dem Ende der COVID-19-Pandemie als auch für den Nachweis seiner Identität dienen.

8. Mit gegenständlichem Bescheid des Bundesamtes vom XXXX 2021 wurde der Antrag des BF auf Ausstellung eines Konventionsreisepasses gem. § 94 Abs. 5 iVm § 92 Abs. 1 Z 3 FPG abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass es nicht nachvollziehbar sei, warum der BF nicht bereits früher wegen seiner Beschwerden einen Arzt aufgesucht und stattdessen Cannabis konsumiert habe. Aus diesem Grund sei es ebenfalls nicht nachvollziehbar, dass der BF nicht drogensüchtig sei. Für die Versagung eines Konventionsreisepasses sei der alleinige Verdacht ausreichend. Es bestehe die Gefahr, dass der BF den Konventionsreisepass dazu benützen werde, um gegen die Bestimmungen des SMG zu verstoßen. Aufgrund der Wiederholungsgefahr bei Suchtgiftdelikten sei die Gefahrenprognose gerechtfertigt. Für die Behörde sei nicht von Bedeutung, ob eine gerichtliche Verurteilung erfolgt oder ob die Staatsanwaltschaft von einer Verfolgung absieht. Der Umstand, dass der BF bei der Begehung der seiner Verurteilung zugrundeliegenden Straftat kein Reisedokument verwendet habe, sei nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes nicht von entscheidungswesentlicher Bedeutung.

9. Gegen diesen Bescheid erhob der BF am 01.04.2021 fristgerecht Beschwerde, in welcher im Wesentlichen dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie die Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wurden. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass der BF den Konventionsreisepass benützen wolle, um gegen die Bestimmungen des SMG zu verstoßen. Im Falle des BF könne auch von einem Handel mit Suchtgift keine Rede sein, zudem stünden die Handlungen des BF keineswegs in einem grenzüberschreitenden Zusammenhang.

10. Am 09.04.2021 wurde die Beschwerde inklusive der mit ihr in Bezug stehenden Verwaltungsakte dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.

11. Am 19.05.2021 wurde das Bundesamt vom endgültigen Rücktritt von der Verfolgung des BF wegen § 27 Abs. 1 SMG gem. § 38 Abs. 3 SMG verständigt.

12. Mit Mitteilung vom 21.06.2021 legte der Rechtsvertreter des BF Vollmacht ggü. dem Bundesamt im ggst. Verfahren und erstattete eine Stellungnahme. Das Bundesamt leitete die Mitteilung an das BVwG weiter.

2. Beweiswürdigung

Die unter Punkt I.1 getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes, sowie aus den eingeholten Auszügen aus dem Zentralen Fremdenregister, Strafregister, und dem Zentralen Melderegister.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchteil A) Stattgabe der Beschwerde:

Gemäß § 94 Abs. 1 FPG sind Konventionsreisepässe Fremden, denen in Österreich der Status des Asylberechtigten zukommt, auf Antrag auszustellen.

§§ 88 Abs. 4 sowie 89 bis 93 FPG gelten gemäß § 94 Abs. 5 FPG sinngemäß mit der Maßgabe, dass anstelle eines Fremdenpasses der Konventionsreisepass tritt.

Gemäß § 92 Abs. 1 FPG ist die Ausstellung, die Erweiterung des Geltungsbereiches und die Änderung eines Fremdenpasses zu versagen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass

1. der Fremde das Dokument benützen will, um sich einer wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung im Inland eingeleiteten Strafverfolgung oder Strafvollstreckung zu entziehen;

2. der Fremde das Dokument benützen will, um Zollvorschriften zu übertreten;

3. der Fremde das Dokument benützen will, um gegen Bestimmungen des Suchtmittelgesetzes zu verstoßen;

4. der Fremde das Dokument benützen will, um Schlepperei zu begehen oder an ihr mitzuwirken;

5. durch den Aufenthalt des Fremden im Ausland die innere oder äußere Sicherheit der Republik Österreich gefährdet würde.

Nach VwGH 25.06.2019, Ra 2017/19/0261 ist Voraussetzung für die Ausstellung eines Konventionsreisepasses, dass dem Fremden der Status des Asylberechtigten zukommt (§ 94 Abs. 1 FPG). § 94 Abs. 5 FPG ordnet an, dass die für die Entziehung eines Fremdenpasses geltenden Bestimmungen des § 93 FPG auch für Konventionsreisepässe anzuwenden sind.

Die Versagungsgründe des § 92 Abs. 1 iVm § 94 Abs. 5 FPG sind vor dem Hintergrund des Art. 25 Abs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG (Statusrichtlinie vgl. jetzt RL 2011/95/EU) zu lesen. Diese Bestimmung sieht vor, dass die Mitgliedstaaten Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, Reiseausweise - wie im Anhang zur Genfer Flüchtlingskonvention vorgesehen - für Reisen außerhalb ihres Gebietes ausstellen, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen (vgl. VwGH 05.05.2015, Ro 2014/22/0031; VwGH 20.12.2013, 2013/21/0055).

So ist etwa der Versagungsgrund des § 92 Abs. 1 Z 3 FPG bei grenzüberschreitendem Suchtgifthandel jedenfalls erfüllt (VwGH 29.04.2010, 2009/21/0340). Auch eine einmalige Verurteilung nach dem Suchtmittelgesetz - insbesondere, wenn der Schuldspruch wegen des Erwerbs einer zum Inverkehrbringen bestimmten überaus großen Menge Kokain von 2 kg erfolgt ist – kann die in § 92 Abs. 1 Z 3 FPG umschriebene Annahme rechtfertigen (VwGH 22.10.2009, 2008/21/0410).

Rechtlich folgt daraus:

Dem BF wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom XXXX 2015 gem. § 3 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt, daher ist ihm auf Antrag ein Fremdenpass auszustellen, sofern kein Versagungsgrund des § 92 Abs. 1 FPG vorliegt.

Für das Bundesverwaltungsgericht ist es nicht nachvollziehbar, warum das Bundesamt davon ausgeht, dass der BF den Konventionsreisepass im Sinne des § 92 Abs. 1 Z 3 FPG eigens dafür benützen will, um gegen Bestimmungen des Suchtmittelgesetzes zu verstoßen. Der BF hat zwar gestanden, im Dezember 2020 Suchtmittel, konkret 3 Gramm Cannabiskraut zum Preis von 30 Euro, gekauft und in weiterer Folge in seiner Wohnung konsumiert zu haben bzw. seit 3 Jahren regelmäßig Cannabis zu konsumieren. Die Staatsanwaltschaft ist jedoch mittlerweile endgültig von der Verfolgung des BF wegen § 27 Abs. 1 SMG gem. § 38 Abs. 3 SMG zurückgetreten und verbleibt der BF damit strafgerichtlich unbescholten Allein dieser Umstand zeigt deutlich, dass das Fehlverhalten des BF im suchtgiftrechtlichen Bagatellbereich anzusiedeln ist, weshalb eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung in diesem Fall nicht unmittelbar anzunehmen ist. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Staatsanwaltschaft im Falle des BF in der Vergangenheit schon einmal von der Verfolgung nach dem SMG vorläufig zurückgetreten ist. Anzeichen dafür oder Ermittlungsergebnisse dahingehend, dass der BF in tatsächlichen Suchtgifthandel (möglicherweise grenzüberschreitend) verwickelt ist, hat weder das Verfahren vor dem Bundesamt noch vor dem BVwG ergebenen.

Aus diesem Grund stehen nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts der Ausstellung eines Konventionsreisepasses an den BF keine zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung entgegen. Von einem, wie zuvor in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ausgeführten, grenzüberschreitenden Suchtgifthandel bzw. Erwerb einer zum Inverkehrbringen bestimmten überaus großen Menge Kokain von 2 kg ist das vom BF gesetzte Fehlverhalten, im Wesentlichen der Konsum einer geringen Menge Cannabis zum Eigengebrauch, in seiner strafrechtlichen Schwere deutlich entfernt. Selbst wenn der BF in Zukunft erneut Cannabis zum Eigengebrauch konsumieren sollte, kann dabei kein spezifischer Konnex mit dem Konventionsreisepass erblickt werden, zumal das Bundesamt ja auch selbst nicht davon auszugehen scheint, dass der BF sich das Suchtgift im Ausland besorgt hat, wofür er nun den ihm auszustellenden Pass nutzen könnte.

Das Bundesverwaltungsgericht geht zusammengefasst davon aus, dass im Falle des BF der Versagungsgrund des § 92 Abs. 1 Z 3 FPG nicht erfüllt ist. Der Beschwerde war daher stattzugeben und der angefochtene Bescheid aufzuheben. Das Bundesamt hat dem BF daher einen Konventionsreisepass auszustellen.

Eine mündliche Beschwerdeverhandlung konnte gem. § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, weil bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben war.

Zu Spruchteil B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung Drogenkonsum Konventionsreisepass Reisedokument Suchtmitteldelikt Unbescholtenheit Versagung Konventionsreisepass Versagungsgrund

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W282.2241470.1.00

Im RIS seit

08.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

08.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten