TE Bvwg Erkenntnis 2021/7/8 W225 1425821-4

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.07.2021
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Entscheidungsdatum

08.07.2021

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AVG §68 Abs1
BFA-VG §21 Abs3 Satz1
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W225 1425821-4/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Dr. WEIß, LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX 1994, StA. Afghanistan, vertreten durch RA Dr. Wolfgang VACARESCU, Jakominiplatz 16/II, 8020 Graz, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX 2019, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 21 Abs. 3 erster Satz BFA-VG stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am XXXX 2011 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Die Erstbefragung fand am XXXX 2011 statt, die Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: belangte Behörde) fand am 15.03.2012 statt.

2. Mit Bescheid der belangten Behörde vom XXXX 2012, Zl. XXXX , wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 wurde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

3. Der Beschwerdeführer erhob gegen den Bescheid fristgerecht Beschwerde.

4. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.03.2014, Zl. W225 1425821-1/9E, wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wurde vom Beschwerdeführer zurückgezogen.

5. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 18.09.2018 wurde dem Beschwerdeführer der mit Erkenntnis vom 26.03.2014, W225 1425821-1/9E, zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen aberkannt sowie die erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter entzogen. Gleichzeitig wurde die Ausweisung des Beschwerdeführers aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan verfügt und ein Einreiseverbot auf die Dauer von 5 Jahren erlassen.

6. Mit Schriftsatz vom 18.10.2018, eingelangt bei der belangten Behörde am 23.10.2018, erhob der Beschwerdeführer eine Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 18.09.2018. Zudem brachte er einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ein. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 19.11.2018 abgewiesen und erwuchs, mangels Einbringung einer Beschwerde, in Rechtskraft.

7. Am 20.05.2019 stellte der Beschwerdeführer einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz. Zu diesem wurde er am selben Tag einer Erstbefragung unterzogen sowie am 15.07.2019 von der belangten Behörde einvernommen.

8. Mit Datum vom XXXX 2019 erließ die belangte Behörde den nunmehr angefochtenen Bescheid, in welchem der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten und hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde (Spruchpunkt I. und II.). Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz wurde dem Beschwerdeführer nicht erteilt (Spruchpunkt III.).

9. Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer fristgerecht eine Beschwerde ein, welche am 28.08.2019 beim Bundesverwaltungsgericht einlangte.

10. Mit Beschluss vom 12.09.2019, Zl. W225 1425821-4/3Z, wurde der Beschwerde vom Bundesverwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

II.      Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

1.1.    Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX 1994. Er ist afghanischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Tadschiken an. Seine Muttersprache ist Dari. Der Beschwerdeführer ist verheiratet. Der Beschwerdeführer wurde in der Provinz Parwan geboren. Der Beschwerdeführer lebte seit dem zehnten Lebensjahr nicht mehr in Afghanistan, sondern in Folge in Iran. In Afghanistan lebt zumindest die Ehefrau des Beschwerdeführers samt deren Familie. Der Beschwerdeführer besuchte ca. drei Jahre lang die Schule in Iran. Der Beschwerdeführer erlernte keinen Beruf. Der Beschwerdeführer arbeitete als Hilfsarbeiter in Iran.

Der Beschwerdeführer wurde in Österreich mehrfach strafgerichtlich verurteilt.

1.2.    Zu den Flucht- und Verfolgungsgründen des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer brachte einen neuen entscheidungsrelevanten Sachverhalt vor.

1.3. Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:

Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA zu Afghanistan (Stand 01.04.2021, Schreibfehler teilweise korrigiert):

„Religionsfreiheit

Letzte Änderung: 01.04.2021

Etwa 99% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime. Die Sunniten werden auf 80 bis 89,7% und die Schiiten auf 10 bis 19% der Gesamtbevölkerung geschätzt (CIA 06.10.2020; vgl. AA 16.07.2020). Andere Glaubensgemeinschaften wie die der Sikhs, Hindus, Baha‘i und Christen machen weniger als 1% der Bevölkerung aus (AA 16.07.2020; vgl. CIA 06.10.2020, USDOS 10.06.2020). Genaue Angaben zur Größe der christlichen Gemeinschaft sind nicht vorhanden (USDOS 10.06.2020). In Kabul lebt auch weiterhin der einzige jüdische Mann in Afghanistan (UP 16.08.2019; vgl. BBC 11.04.2019). Die muslimische Gemeinschaft der Ahmadi schätzt, dass sie landesweit 450 Anhänger hat, gegenüber 600 im Jahr 2017 (USDOS 10.6.2020).

Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (USDOS 10.06.2020; vgl. FH 04.03.2020). Ausländische Christen und einige wenige Afghanen, die originäre Christen und nicht vom Islam konvertiert sind, werden normal und fair behandelt. Es gibt kleine Unterschiede zwischen Stadt und Land. In den ländlichen Gesellschaften ist man tendenziell feindseliger (RA KBL 10.06.2020). Für christliche Afghanen gibt es keine Möglichkeit der Religionsausübung außerhalb des häuslichen Rahmens (AA 16.07.2020; vgl. USCIRF 4.2020, USDOS 10.06.2020), da es keine öffentlich zugänglichen Kirchen im Land gibt (USDOS 10.06.2020; vgl. AA 16.07.2020). Einzelne christliche Andachtsstätten befinden sich in ausländischen Militärbasen. Die einzige legale christliche Kirche im Land befindet sich am Gelände der italienischen Botschaft in Kabul (RA KBL 10.06.2020). Die afghanischen Behörden erlaubten die Errichtung dieser katholischen Kapelle unter der Bedingung, dass sie ausschließlich ausländischen Christen diene und jegliche Missionierung vermieden werde (KatM KBL 08.11.2017). Gemäß hanafitischer Rechtsprechung ist Missionierung illegal; Christen berichten, die öffentliche Meinung stehe ihnen und der Missionierung weiterhin feindselig gegenüber (USDOS 10.06.2020). Die Abkehr vom Islam gilt als Apostasie, die nach der Scharia strafbewehrt ist (USDOS 10.06.2020; vgl. AA 16.07.2020). Wie in den vergangenen fünf Jahren gab es keine Berichte über staatliche Verfolgungen wegen Blasphemie oder Apostasie; jedoch berichten Personen, die vom Islam konvertieren, dass sie weiterhin die Annullierung ihrer Ehen, die Ablehnung durch ihre Familien und Gemeinschaften, den Verlust ihres Arbeitsplatzes und möglicherweise die Todesstrafe riskieren (USDOS 10.06.2020).

Das Gesetz verbietet die Produktion und Veröffentlichung von Werken, die gegen die Prinzipien des Islam oder gegen andere Religionen verstoßen (USDOS 10.06.2020). Das neue Strafgesetzbuch 2017, das im Februar 2018 in Kraft getreten ist (USDOS 10.06.2020; vgl. ICRC o.D.), sieht Strafen für verbale und körperliche Angriffe auf Anhänger jedweder Religion und Strafen für Beleidigungen oder Verzerrungen gegen den Islam vor (USDOS 10.06.2020).

Das Zivil- und Strafrecht basiert auf der Verfassung; laut dieser müssen Gerichte die verfassungsrechtlichen Bestimmungen sowie das Gesetz bei ihren Entscheidungen berücksichtigen. In Fällen, in denen weder die Verfassung noch das Straf- oder Zivilgesetzbuch einen bestimmten Rahmen vorgeben, können Gerichte laut Verfassung die sunnitische Rechtsprechung der hanafitischen Rechtsschule innerhalb des durch die Verfassung vorgegeben Rahmens anwenden, um Recht zu sprechen. Die Verfassung erlaubt es den Gerichten auch, das schiitische Recht in jenen Fällen anzuwenden, in denen schiitische Personen beteiligt sind. Nicht-Muslime dürfen in Angelegenheiten, die die Scharia-Rechtsprechung erfordern, nicht aussagen. Die Verfassung erwähnt keine eigenen Gesetze für Nicht-Muslime. Vertreter nicht-muslimischer religiöser Minderheiten, darunter Sikhs und Hindus, berichten über ein Muster der Diskriminierung auf allen Ebenen des Justizsystems (USDOS 10.06.2020).

Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 zwar verbessert, jedoch wird diese noch immer durch Gewalt und Drangsalierung gegenüber religiösen Minderheiten und reformerischen Muslimen behindert (FH 04.03.2020; vgl. USDOS 10.06.2020).

Wegen konservativer sozialer Einstellungen und Intoleranz sowie der Unfähigkeit oder Unwilligkeit der Sicherheitskräfte, individuelle Freiheiten zu verteidigen, sind Personen, die mutmaßlich gegen religiöse und soziale Normen verstoßen, vulnerabel für Misshandlung (FH 04.03.2020). Mitglieder der Taliban und des Islamischen Staates (IS) töten und verfolgen weiterhin Mitglieder religiöser Minderheiten aufgrund ihres Glaubens oder ihrer Beziehungen zur Regierung (USDOS 10.06.2020; vgl. FH 04.03.2020). Da Religion und Ethnie oft eng miteinander verbunden sind, ist es schwierig, einen Vorfall ausschließlich durch die religiöse Zugehörigkeit zu begründen (USDOS 10.06.2020).

Ein Muslim darf eine nicht-muslimische Frau heiraten, aber die Frau muss konvertieren, sofern sie nicht Anhängerin einer anderen abrahamitischen Religion (Christentum oder Judentum) ist. Einer Muslima ist es nicht erlaubt, einen nicht-muslimischen Mann zu heiraten. Konvertiten vom Islam riskieren die Annullierung ihrer Ehe (USDOS 10.06.2020). Ehen zwischen zwei Nicht-Muslimen sind gültig (USE o.D.). Die nationalen Identitätsausweise beinhalten Informationen über das Religionsbekenntnis. Das Bekenntnis zum Islam wird für den Erwerb der Staatsbürgerschaft nicht benötigt. Religiöse Gemeinschaften sind gesetzlich nicht dazu verpflichtet, sich registrieren zu lassen (USDOS 10.06.2020).

Laut Verfassung soll der Staat einen einheitlichen Lehrplan, der auf den Bestimmungen des Islam basiert, gestalten und umsetzen; auch sollen Religionskurse auf Grundlage der islamischen Strömungen innerhalb des Landes entwickelt werden. Der nationale Bildungsplan enthält Inhalte, die für Schulen entwickelt wurden, in denen die Mehrheiten entweder schiitisch oder sunnitisch sind; ebenso konzentrieren sich die Schulbücher auf gewaltfreie islamische Bestimmungen und Prinzipien. Der Bildungsplan beinhaltet Islamkurse, nicht aber Kurse für andere Religionen. Für Nicht-Muslime an öffentlichen Schulen ist es nicht erforderlich, am Islamunterricht teilzunehmen (USDOS 10.06.2020).

[…]

Apostasie, Blasphemie, Konversion

Letzte Änderung: 01.04.2021

Glaubensfreiheit, die auch eine freie Religionswahl beinhaltet, gilt in Afghanistan de facto nur eingeschränkt. Die Abkehr vom Islam (Apostasie) wird nach der Scharia als Verbrechen betrachtet, auf das die Todesstrafe steht (FH 04.03.2020; vgl AA 16.07.2020, USDOS 10.06.2020).

Afghanische Christen sind in den meisten Fällen vom Islam zum Christentum konvertiert. Neben der drohenden strafrechtlichen Verfolgung werden Konvertiten in der Gesellschaft ausgegrenzt und zum Teil angegriffen (AA 16.07.2020). Bei der Konversion vom Islam zum Christentum wird in erster Linie nicht das Christentum als problematisch gesehen, sondern die Abkehr vom und der Austritt aus dem Islam (LIFOS 21.12.2017). Jeder Konvertit soll laut islamischer Rechtsprechung drei Tage Zeit bekommen, um seinen Konfessionswechsel zu widerrufen. Sollte es zu keinem Widerruf kommen, gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, während Frauen mit lebenslanger Haft bedroht werden. Ein Richter kann eine mildere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Auch kann die Regierung das Eigentum des/der Abtrünnigen konfiszieren und dessen/deren Erbrecht einschränken. Des Weiteren ist gemäß hanafitischer Rechtsprechung Missionierung illegal. Dasselbe gilt für Blasphemie, die in der hanafitischen Rechtsprechung unter die Kapitalverbrechen fällt (USDOS 10.06.2020) und auch nach dem neuen Strafgesetzbuch unter der Bezeichnung „religionsbeleidigende Verbrechen“ verboten ist (MoJ 15.05.2017: Art. 323).

Wie in den vergangenen fünf Jahren gab es keine Berichte über staatliche Verfolgungen wegen Blasphemie oder Apostasie (USDOS 10.06.2020; vgl. AA 16.07.2020); jedoch berichten Personen, die vom Islam konvertierten, dass sie weiterhin die Annullierung ihrer Ehen, die Ablehnung durch ihre Familien und Gemeinschaften, den Verlust ihres Arbeitsplatzes und möglicherweise die Todesstrafe riskieren (USDOS 10.06.2020) Die afghanische Regierung scheint kein Interesse daran zu haben, negative Reaktionen oder Druck hervorzurufen (LIFOS 21.12.2017; vgl. RA KBL 10.06.2020) - weder vom konservativen Teil der afghanischen Gesellschaft, noch von den liberalen internationalen Kräften, die solche Fälle verfolgt haben (LIFOS 21.12.2017).

Es kann jedoch einzelne Lokalpolitiker geben, die streng gegen mutmaßliche Apostaten vorgehen, und es kann auch im Interesse einzelner Politiker sein, Fälle von Konversion oder Blasphemie für ihre eigenen Ziele auszunutzen (LIFOS 21.12.2017).

Allein der Verdacht, jemand könnte zum Christentum konvertiert sein, kann der Organisation Open Doors zufolge dazu führen, dass diese Person bedroht oder angegriffen wird (AA 16.07.2020). Die afghanische Gesellschaft hat generell eine sehr geringe Toleranz gegenüber Menschen, die als den Islam beleidigend oder zurückweisend wahrgenommen werden (LIFOS 21.12.2017; vgl. FH 04.03.2020). Obwohl es auch säkulare Bevölkerungsgruppen gibt, sind Personen, die der Apostasie beschuldigt werden, Reaktionen von Familie, Gemeinschaften oder in einzelnen Gebieten von Aufständischen ausgesetzt, aber eher nicht von staatlichen Akteuren (LIFOS 21.12.2017). Wegen konservativer sozialer Einstellungen und Intoleranz sowie der Unfähigkeit oder Unwilligkeit der Sicherheitskräfte, individuelle Freiheiten zu verteidigen, sind Personen, die mutmaßlich gegen religiöse und soziale Normen verstoßen, vulnerabel für Misshandlung (FH 04.03.2020).

Abtrünnige haben Zugang zu staatlichen Leistungen; es existiert kein Gesetz, Präzedenzfall oder Gewohnheiten, die Leistungen für Abtrünnige durch den Staat aufheben oder einschränken. Sofern sie nicht verurteilt und frei sind, können sie Leistungen der Behörden in Anspruch nehmen (RA KBL 10.06.2020). […]“

2.       Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Akteninhalt des Beschwerdeführers.

In das Verfahren wurden folgende Bescheinigungsmittel vom Beschwerdeführer eingebracht, nämlich zu:

- Vorbringen zu den Flucht- bzw. Verfolgungsgründen (Schreiben von XXXX , Taufbestätigung der XXXX sowie Fotos des Beschwerdeführers).

2.1.    Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers, Staatsangehörigkeit, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, Herkunft, Muttersprache und Familienverhältnissen sowie zu den Lebensverhältnissen in Afghanistan und in Iran beruhen auf den Angaben des Beschwerdeführers im bisherigen Verfahren.

Die Feststellung zu den gerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.

2.2.    Zu den Feststellungen zum Vorbringen zu den Flucht- und Verfolgungsgründen des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer brachte im nunmehrigen Verfahren, entgegen der Ansicht der belangten Behörde, neu vor, dass er nunmehr zum christlichen Glauben konvertiert sei.

Im vorliegenden Fall legte der Beschwerdeführer, welcher zudem bereits getauft wurde, diverse oben angeführte Beweismittel vor, aus welchen u.a. hervorgeht, dass der Beschwerdeführer regelmäßig an kirchlichen Aktivitäten teilnehmen würde, welche die behauptete Konversion des Beschwerdeführers zum Christentum jedenfalls als nicht gänzlich ausgeschlossen erscheinen lassen. Dabei verkennt das erkennende Gericht nicht, dass aus der Niederschrift der Einvernahme vor der belangten Behörde vom 15.07.2019 hervorgeht, dass der Beschwerdeführer gewissen Wissenslücken im Hinblick auf das Christentum aufweist. Allerdings ist im konkreten Fall zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer lediglich über eine rudimentäre Bildung verfügt und somit keine überzogenen Erwartungshaltungen anzulegen sind (vgl. VwGH 14.3.2019, Ra 2018/18/0441 sowie VwGH 14.3.2019, Ra 2018/18/0455). Der glaubhafte Kern kann diesem Vorbringen daher nach Ansicht des erkennenden Gerichts jedenfalls nicht von vornherein abgesprochen werden.

2.3.    Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf den zitierten Länderbericht. Da dieser aktuelle Länderbericht auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruht und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche bietet, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der herangezogenen Länderinformationen zu zweifeln. Die den Feststellungen zugrundeliegenden Länderberichte sind in Bezug auf die Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan aktuell. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich durch Einsichtnahme in die jeweils verfügbaren Quellen (u.a. laufende Aktualisierung des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation) davon versichert, dass zwischen dem Stichtag der herangezogenen Berichte und dem Entscheidungszeitpunkt keine wesentliche Veränderung der Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan eingetreten ist.

3.       Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1.    Zu Spruchpunkt I. und II. des angefochtenen Bescheides – Zurückweisung gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache:

§ 68 AVG lautet:

„Abänderung und Behebung von Amts wegen

§ 68. (1) Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, sind, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

(2) Von Amts wegen können Bescheide, aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist, sowohl von der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, als auch in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde aufgehoben oder abgeändert werden.

(3) Andere Bescheide kann die Behörde, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat, oder die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde im öffentlichen Interesse insoweit abändern, als dies zur Beseitigung von das Leben oder die Gesundheit von Menschen gefährdenden Mißständen oder zur Abwehr schwerer volkswirtschaftlicher Schädigungen notwendig und unvermeidlich ist. In allen Fällen hat die Behörde mit möglichster Schonung erworbener Rechte vorzugehen.

(4) Außerdem können Bescheide von Amts wegen in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde als nichtig erklärt werden, wenn der Bescheid
1.         von einer unzuständigen Behörde oder von einer nicht richtig zusammengesetzten Kollegialbehörde erlassen wurde,
2.         einen strafgesetzwidrigen Erfolg herbeiführen würde,
3.         tatsächlich undurchführbar ist oder
4.         an einem durch gesetzliche Vorschrift ausdrücklich mit Nichtigkeit bedrohten Fehler leidet.

(5) Nach Ablauf von drei Jahren nach dem in § 63 Abs. 5 bezeichneten Zeitpunkt ist eine Nichtigerklärung aus den Gründen des Abs. 4 Z 1 nicht mehr zulässig.

(6) Die der Behörde in den Verwaltungsvorschriften eingeräumten Befugnisse zur Zurücknahme oder Einschränkung einer Berechtigung außerhalb eines Berufungsverfahrens bleiben unberührt.

(7) Auf die Ausübung des der Behörde gemäß den Abs. 2 bis 4 zustehenden Abänderungs- und Behebungsrechts steht niemandem ein Anspruch zu. Mutwillige Aufsichtsbeschwerden und Abänderungsanträge sind nach § 35 zu ahnden.“

Im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG liegen verschiedene Sachen vor, wenn in der für den Vorbescheid (Erkenntnis) maßgeblichen Rechtslage oder in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid (Erkenntnis) als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist oder wenn das neue Parteibegehren von dem früheren abweicht. Eine Modifizierung, die nur für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerhebliche Nebenumstände betrifft, kann an der Identität der Sache nichts ändern. Es kann nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde (Gericht) zu einer neuen Sachentscheidung berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Bei der Prüfung der Identität der Sache ist von dem rechtskräftigen Vorbescheid (Erkenntnis) auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit desselben - nochmals - zu überprüfen; die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde (Gericht) einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf. Eine neue Sachentscheidung ist, wie sich aus § 69 Abs. 1 Z 2 AVG ergibt, auch im Fall desselben Begehrens aufgrund von Tatsachen und Beweismitteln, die schon vor Abschluss des vorangegangenen Verfahrens bestanden haben, ausgeschlossen, sodass einem Asylfolgeantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, die Rechtskraft des über den Erstantrag absprechenden Bescheides entgegensteht. Darüber hinaus muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen „glaubhaften Kern“ aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den die positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann. Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit des (neuerlichen) Asylantrages mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Asylwerbers und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden auseinander zu setzen. Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei in Wahrheit nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen (vgl. VwGH 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315, in dem weitere von der Rechtsprechung entwickelte Rechtssätze zu § 68 AVG, insbesondere mit Beziehung auf das Asylverfahren, wiedergegebenen werden, und daran anschließend VwGH 20.03.2003, Zl. 99/20/0480 mwN; vgl. auch VwGH 25.04.2002, 2000/07/0235; VwGH 04.11.2004, Zl. 2002/20/0391, VwGH 15.03.2006, Zl. 2006/18/0020; VwGH 25.04.2007, Zl. 2005/20/0300 und 2004/20/0100).

Für das Bundesverwaltungsgericht ist demnach Sache des gegenständlichen Verfahrens ausschließlich die Frage, ob sich die maßgebliche Sach- und Rechtslage seit der Stellung des gegenständlichen Antrages auf internationalen Schutz geändert hat. Das Verwaltungsgericht darf aber über den Antrag nicht selbst meritorisch entscheiden (vgl. VwGH 30.5.1995, 93/08/0207; VwGH 7.10.2010, 2006/20/0035 und VwGH 18.12.2014, Ra 2014/07/0002).

Im vorliegenden Fall ist daher als Vergleichsentscheidung, entgegen der Ansicht der belangten Behörde, nicht der Bescheid der belangten Behörde vom 18.09.2018, mit welchem dem Beschwerdeführer lediglich der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wurde, sondern der rechtskräftige Bescheid der belangten Behörde vom XXXX 2012, Zl. XXXX , heranzuziehen, da in diesem Bescheid rechtskräftig über den ersten Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 entschieden wurde.

Der Beschwerdeführer brachte im nunmehrigen Verfahren somit neu vor, dass er zum christlichen Glauben konvertiert sei.

Im Zusammenhang mit der Beurteilung, ob ein neues und auch asylrelevantes Vorbringen in einem Folgeverfahren einen „glaubhaften Kern" aufweist, ist infolge des Prozessgegenstandes lediglich auf eine Art „qualifizierte Unglaubwürdigkeit" im Sinne einer offensichtlich existenten Unglaubwürdigkeit des Vorbringens abzustellen.

Da es bei der vorgelagerten Frage, ob ein Folgeantrag zur inhaltlichen Prüfung zuzulassen ist, nicht darum geht, zu entscheiden, ob der geltend gemachte Grund für den Folgeantrag insgesamt glaubwürdig und ausreichend ist und diesem daher stattzugeben wäre, darf es im Falle der Verneinung eines glaubhaften Kernes weder komplexer Überlegungen noch einer langen Argumentationskette bedürfen, um zu erkennen, dass das Vorbringen eines Asylwerbers nicht den Tatsachen entspricht.

Andernfalls würde sich der Ermittlungs-, Beweiswürdigungs- und Begründungsaufwand im formellen Verfahren an jenen im materiellen annähern und sogar mit diesem ident sein, was mit dem Regelungszweck des § 68 Abs. 1 AVG nicht vereinbar ist.

Wie in der gegenständlichen Beweiswürdigung dargelegt wurde, ist im vorliegenden Fall das erkennende Gericht der Auffassung, dass diesem Vorbringen der glaubhafte Kern jedenfalls nicht von vornherein abgesprochen und eine Asylrelevanz keinesfalls ausgeschlossen werden kann. Der Beginn für die Hinwendung zum Christentum fand zudem zeitlich nach Rechtskraft des ersten Bescheides, mit welchem inhaltlich über den Antrag des Beschwerdeführers abgesprochen wurde, statt.

Somit liegt eine „entschiedene Sache“ nicht vor und die Zurückweisung des Antrags steht daher mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Gemäß § 21 Abs. 3 erster Satz BFA-VG hat eine stattgebende Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes im Zulassungsverfahren ex lege zur Folge, dass das Verfahren zugelassen wird.

Bei einer solcherart die behördliche Antragszurückweisung aufhebenden Entscheidung nach § 21 Abs. 3 erster Satz BFA-VG handelt es sich aus verfahrensrechtlicher Sicht um eine gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG in Form eines Erkenntnisses zu treffende Entscheidung (vgl. VwGH 05.10.2016, Ra 2016/19/0208).

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Eine mündliche Verhandlung konnte im Fall des Beschwerdeführers deshalb unterbleiben, weil aus dem Inhalt des dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakts die Grundlage des bekämpften Bescheides unzweifelhaft nachvollziehbar ist. Es hat sich auch in der Beschwerde kein zusätzlicher Hinweis auf die Notwendigkeit ergeben, den maßgeblichen Sachverhalt mit dem Beschwerdeführer und der belangten Behörde in einer mündlichen Verhandlung zu erörtern.

Zu B)   Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

In der Beschwerde findet sich kein Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben. Die Entscheidung folgt der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung entschiedene Sache Folgeantrag glaubhafter Kern Konversion Zulassungsverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W225.1425821.4.00

Im RIS seit

08.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

08.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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