TE Bvwg Beschluss 2021/7/12 L512 2243078-1

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Veröffentlicht am 12.07.2021
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Entscheidungsdatum

12.07.2021

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §8
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch


L512 2243078-1/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marlene JUNGWIRT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. der islamischen Republik Iran, vertreten durch die Mutter XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, Außenstelle Wien, vom XXXX , Zl. XXXX , beschlossen:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG als unzulässig zurückgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge als BF bezeichnet), ein Staatsangehöriger der islamischen Republik Iran (kurz: Iran), ist am XXXX im österreichischen Bundesgebiet auf die Welt gekommen. Für diesen im Bundesgebiet nachgeborenen Beschwerdeführer stellte der Vater als sein gesetzlicher Vertreter am 09.02.2021 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Schreiben vom 05.02.2021 gab der Vater als gesetzlicher Vertreter bekannt, dass der Beschwerdeführer keine eigenen Gründe für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten bzw. des subsidiär Schutzberechtigten habe. Der Antrag beziehe sich ausschließlich auf die Gründe des Vaters bzw. der Mutter. Der gesetzliche Vertreter verzichte auf eine weitere Stellungnahme, auf eine Einvernahme und auf ein gesondertes Ermittlungsverfahren.

Nach Vorlage zahlreicher Unterlagen wurde die Mutter als gesetzliche Vertreterin des Beschwerdeführers vor einem Organwalter der belangten Behörde zum Antrag auf internationalen Schutzes des Beschwerdeführers befragt. Diese gab zusammengefasst an, dass ihr Sohn gesund sei und für diesen dieselben Gründe wie für dessen Eltern geltend gemacht werden.

I.2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom XXXX , Zl. XXXX , wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt. Gem. § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran nicht zugesprochen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (AS 61 ff.).

I.3. Mit einem als "Beschwerdevorlage" bezeichneten Schriftstück vom 01.06.2021 übermittelte das Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl dem Bundesverwaltungsgericht den Verwaltungsakt betreffend den Beschwerdeführer, ohne dass zu diesem Zeitpunkt eine eigenständige Beschwerde vom Beschwerdeführer erhoben worden wäre.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl von jeweils XXXX wurden die Anträge der Eltern des Beschwerdeführers gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt. Gem. § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran nicht zugesprochen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die Eltern des Beschwerdeführers eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung. Die Eltern des BF haben gegen diese Entscheidungen Beschwerde erhoben und sind die Beschwerdeverfahren beim Bundesverwaltungsgericht anhängig.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl verfügte im gegenständlichen Verfahren die postalische Zustellung des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom XXXX , Zl. XXXX , betreffend den Beschwerdeführer an den Beschwerdeführer mittels RSa-Sendung. Dieser wurde, nach einem erfolglosen Versuch einer persönlichen Aushändigung, am XXXX am Wohnsitzpostamt hinterlegt.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die getroffenen Feststellungen ergeben sich zweifelsfrei aus dem Inhalt der vorliegenden Verfahrensakten des Beschwerdeführers und seiner Eltern sowie der Gerichtsakte der Eltern des Beschwerdeführers.

Der festgestellte Zustellvorgang hinsichtlich des Bescheides vom XXXX ergibt sich unzweifelhaft aus der Zustellverfügung des Bundesamts vom XXXX , sowie dem ebenso im Akt aufliegenden, ausgefüllten Rückschein.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu A)

Der am XXXX geborene Beschwerdeführer war nicht nur im Zeitpunkt der Beantragung eines Antrages auf internationalen Schutzes sondern auch bei Zustellung des Bescheides Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom XXXX , Zl. XXXX , minderjährig.

Nach § 9 AVG sind Fragen der persönliche Rechts- und Handlungsfähigkeit von Beteiligten von der Behörde, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen.

§ 10 BFA-VG sieht (neben anderen für die hier zu beantwortende Frage aber nicht weiter maßgeblichen Vorschriften) im Abs. 1 vor, dass für den Eintritt der Handlungsfähigkeit in Verfahren vor dem Bundesamt, vor den Vertretungsbehörden gemäß dem 11. Hauptstück des FPG und in einem Verfahren gemäß § 3 Abs. 2 Z 1 bis 6 vor dem Bundesverwaltungsgericht ungeachtet der Staatsangehörigkeit des Fremden österreichisches Recht maßgeblich ist.

Minderjährige, also Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (§ 21 Abs. 2 ABGB), stehen unter dem besonderen Schutz der Gesetze (§ 21 Abs. 1 ABGB) und können daher an sich ohne ausdrückliche oder stillschweigende Einwilligung des gesetzlichen Vertreters rechtsgeschäftlich weder verfügen noch sich verpflichten. Sie sind also grundsätzlich geschäftsunfähig und damit auch prozessunfähig (vgl. Hengstschläger/Leeb, aaO).

Personen, die nicht prozessfähig sind, nehmen durch ihren gesetzlichen Vertreter am Verwaltungsverfahren teil. Wer gesetzlicher Vertreter ist, richtet sich gemäß § 9 AVG primär nach den Verwaltungsvorschriften und subsidiär nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts. Minderjährige werden grundsätzlich durch ihre Eltern oder den Obsorgebetrauten vertreten (vgl. Beschluss VfgH vom 23. September 2014, 2013/01/0179, mwN). Zudem enthält das BFA-VG betreffend die gesetzliche Vertretung Minderjähriger sowie die von einem oder mehreren gesetzlichen Vertretern gesetzten Prozesshandlungen weitere Regelungen.

Zum Zeitpunkt der Antragstellung, im laufenden Verfahren sowie zum Zeitpunkt der Erlassung gegenständlicher Erledigung und zum Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung wurde der Beschwerdeführer anfänglich durch den Vater, später durch seine Mutter im Verfahren gesetzlich vertreten.

Dessen ungeachtet adressierte die belangte Behörde die als Bescheid bezeichnete Erledigung vom XXXX , Zl. XXXX , mit Verfügung vom XXXX , an den Beschwerdeführer persönlich, worauf die Sendungen für den Beschwerdeführer hinterlegt wurden.

Voraussetzung für das rechtliche Zustandekommen eines Bescheids ist dessen Erlassung. Erlassen wird ein schriftlicher Bescheid durch rechtswirksame Zustellung oder durch Ausfolgung (vgl. VwGH vom 18.05.1994, 93/09/0115).

Gemäß § 21 AVG und § 1 Zustellgesetz (im Folgenden: ZustG) sind Zustellungen nach dem ZustG vorzunehmen. Gemäß § 5 ZustG hat die Behörde in geeigneter Form den Empfänger und dessen Identität möglichst eindeutig zu bezeichnen. "Empfänger" ist die von der Behörde in der Zustellverfügung namentlich bezeichnete Person, in deren Verfügungsgewalt das zuzustellende Dokument gelangen soll (§ 2 Z 1 ZustG). Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so gilt gemäß § 7 ZustG die Zustellung als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist. Bezeichnet die Behörde hingegen eine falsche Person als "Empfänger", so ist dies ein Mangel, der nicht nach § 7 ZustG etwa dadurch heilen kann, dass das Dokument (Schriftstück) jener Person zukommt, die als Empfänger zu bezeichnen gewesen wäre (vgl. zB VwGH vom 18.05.1994, 93/09/0115; vom 27.06.1995, 94/04/0206; vom 22.03.2001, 97/03/0201; vom 24.03.2015, 2014/05/0013).

Bezeichnet also die Behörde fälschlich nicht den zustellbevollmächtigten Vertreter einer Verfahrenspartei, sondern die Partei selbst als Empfänger eines Schriftstücks (Dokuments), so liegt ein Mangel des Zustellvorgangs vor, der keiner Heilung zugänglich ist. Auf ein Verschulden der belangten Behörde kommt es dabei nicht an.

Im vorliegenden Fall sah die Zustellverfügungen vom XXXX nur den Beschwerdeführer, und nicht die Mutter bzw. den Vater als gesetzliche Vertretung als Empfänger der bekämpften Entscheidungen vor. Es folgte daher eine fehlerhafte Zustellung, die auch nicht dadurch heilen konnte, dass die Erledigung der Behörde zu einem späteren Zeitpunkt der gesetzlichen Vertretung des Beschwerdeführers zugegangen sein mag. Die Entscheidung des BFA ist daher nie erlassen worden und damit rechtlich nicht zustande gekommen.

Ist ein Bescheid nicht rechtswirksam erlassen worden, so ist es der Berufungsbehörde verwehrt, meritorisch über die Berufung abzusprechen. Ihre Zuständigkeit reicht in solchen Fällen nur so weit, das Rechtsmittel wegen Unzulässigkeit mangels tauglichen Anfechtungsgegenstandes zurückzuweisen (vgl. VwGH vom 09.03.1982, 81/07/0212; vom 30.05.2006, 2005/12/0098). Dies hat auch für das Bundesverwaltungsgericht als Beschwerdeinstanz in Anwendung des § 28 VwGVG zu gelten.

Mangels Erlassung der (als solche lediglich bezeichneten) Bescheides vom XXXX ist die Beschwerde dagegen also zurückzuweisen.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, weil die Beschwerde zurückzuweisen war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Aus den dem gegenständlichen Beschluss entnehmbaren Ausführungen geht hervor, dass das ho. Gericht in seiner Rechtsprechung im gegenständlichen Fall nicht von der bereits zitierten einheitlichen Rechtsprechung des VwGH und VfGh, insbesondere zum Eintritt der Handlungsfähigkeit und der Heilung von Zustellmängel abgeht. Entsprechende einschlägige Judikatur wurde bereits zitiert.

Schlagworte

Bescheiderlassung Minderjährigkeit Zurückweisung Zustellmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:L512.2243078.1.00

Im RIS seit

08.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

08.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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