TE Bvwg Beschluss 2021/7/22 L516 2174185-2

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Veröffentlicht am 22.07.2021
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Entscheidungsdatum

22.07.2021

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
BFA-VG §22
B-VG Art133 Abs4

Spruch


L516 2174185-2/7E

BESCHLUSS

In dem amtswegig eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.07.2021, Zahl XXXX , erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX , geb. XXXX , StA Pakistan, hat das Bundesverwaltungsgericht durch den Richter Mag. Paul NIEDERSCHICK beschlossen:

A)
Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs 2 AsylG rechtmäßig.

B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Begründung:

Der Beschwerdeführer ist pakistanischer Staatsangehöriger und stellte am 20.05.2021 einen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) führte dazu mit dem Beschwerdeführer am 16.07.2021 eine Einvernahme durch und hob in dieser mit mündlich verkündetem Bescheid gemäß § 12a Abs 2 AsylG den faktischen Abschiebeschutz auf.

Dagegen richtet sich die vorliegende, gem § 22 Abs 10 AsylG gesetzlich fingierte Beschwerde, die zusammen mit den Verwaltungsakten der Behörde verfollständigt am 21.07.2021 bei der zuständigen Gerichtsabteilung einlangte.

1. Sachverhalt:

1.1 Der Beschwerdeführer stellte am 14.09.2017 in Österreich einen ersten Antrag auf internationalen Schutz, welcher im Rechtsmittelweg vom Bundesverwaltungsgericht mit rechtskräftig am 30.10.2019 mündlich verkündetem und am 18.11.2019 gekürzt ausgefertigtem Erkenntnis (BVwG L525 2174185-1/16Z bzw L525 2174185-1/17E) sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wurde; gleichzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Pakistan zulässig sei. Jene Entscheidung wurde durch Hinterlegung im Akt zugestellt, da der Aufenthaltsort des Beschwerdeführers unbekannt und nicht leicht festzustellen war.

Der Beschwerdeführer begründete seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz zusammengefasst zunächst mit Armut und der Verfolgung durch mafiöse Gläubiger, von denen er sich Geld ausgeliehen habe, im Verlauf des Verfahrens zusätzlich mit einer Verfolgung aufgrund einer homosexuellen Beziehung, die er in Pakistan geführt habe.

Das Bundesverwaltungsgericht erachtete in jenem ersten Verfahren das Vorbringen des Beschwerdeführers zu einer von ihm persönlich erlittenen und ihm bei seiner Rückkehr persönlich drohenden Verfolgung sowie die vorgebrachte Homosexualität mit näherer Begründung für nicht glaubhaft und führte aus, dass auch kein Sachverhalt im Sinne der Art 2 und 3 EMRK vorliege und eine Rückkehrentscheidung im Falle des Beschwerdeführers keine Verletzung des Art 8 EMRK darstelle. (BVwG 30.10.2019, L525 2174185-1/16Z)

1.2 Nachdem der Beschwerdeführer zwischenzeitlich nach Deutschland ausgereist und in weiterer Folge von Deutschland nach Österreich rücküberstellt worden war, stellte er am 12.08.2020 einen ersten Folgeantrag auf internationalen Schutz, welcher vom BFA mit Bescheid vom 02.10.2020 gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache rechtskräftig zurückgewiesen wurde. Der Beschwerdeführer reiste danach ein weiteres Mal nach Deutschland weiter und wurde erneut von dort nach Österreich rücküberstellt. Der Beschwerdeführer hat jedoch bisher nicht das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der EU verlassen. (NS EB 20.05.2021 S 3; OZ 5, 6)

1.3 Der Beschwerdeführer stellte am 20.05.2021 den gegenständlichen zweiten Folgeantrag auf internationalen Schutz. Die Erstbefragung nach dem AsylG fand dazu am selben Tag statt, Einvernahmen vor dem BFA am 09.06.2021 und 16.07.2021.

Zur Begründung der neuerlichen Antragstellung führte der Beschwerdeführer zusammengefasst aus, dass seine alten Fluchtgründe aufrecht seien, er keine neuen Fluchtgründe habe. Er würde in Pakistan von der Mafia misshandelt werden. Sein Vater sei umgebracht worden, der Beschwerdeführer habe aus Rache die Täter attackiert, doch seien diese viel mächtiger und einflussreicher und er sei auch von jenen attackiert worden. Dies wisse er seit 14 Jahren. Er reise deswegen zwischen Deutschland und Österreich hin und her, da sein Bruder mit dessen Familie in Deutschland lebe. Er sei nach seinem ersten negativen Asylantrag in Österreich nach Deutschland zu seinem Bruder weitergereist und sei von Deutschland wieder nach Österreich rücküberstellt worden. Er sei mehrere Male zwischen Österreich und Deutschland hin und her geschickt worden. Dies seien alle seine Fluchtgründe. Er habe vor vier Jahren begonnen, Drogen zu nehmen, habe aber vor einem Monat damit aufgehört und nehme dafür Medikamente ein. Es gehe ihm gut. Zu seinem Bruder in Deutschland bestehe kein Abhängigkeitsverhältnis, auch nicht zu Personen in Österreich. (NS EB 20.05.2021 S 3; NS EV 09.06.2021 S 2, 3, 4, 5; NS EV 16.07.2021 S 2 f)

1.4 Das Verfahren zu diesem Folgeantrag wurde nicht zugelassen (IZR (OZ 2)).

1.5 Eine entscheidungswesentliche Änderung der allgemeinen Lage in Pakistan seit 30.10.2019 ist, soweit für den Beschwerdeführer relevant, auch nicht eingetreten. Der Beschwerdeführer hat im gegenständlichen Verfahren auch nicht substantiiert behauptet, dass sich die allgemeine Lage in Pakistan entscheidungswesentlich geändert habe.

1.6 Die pakistanischen Behörden haben bereits einmal der Ausstellung eines Heimreisezertifikates zugestimmt (IZR (OZ 2)).

2. Beweiswürdigung

2.1 Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus den vom BFA vorgelegten und unverdächtigen Verwaltungsverfahrensakten zu den Anträgen des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowie aus dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes zum Vorverfahren. Die Feststellungen zu den Angaben des Beschwerdeführers im vorangegangenen sowie gegenständlichen Verfahren ergeben sich konkret aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes und den im Akt einliegenden Niederschriften, wobei zu den jeweiligen Feststellungen die entsprechenden Aktenseiten (AS) angeführt sind.

2.2 Dass die allgemeine Situation in Pakistan – soweit sie den Beschwerdeführer betrifft – seit der Erlassung der ersten Rückkehrentscheidung im Wesentlichen unverändert geblieben ist und sich die maßgebliche Lage in Pakistan für den Beschwerdeführer nicht geändert hat, ergibt sich aus den vom BFA im gegenständlichen Verfahren herangezogenen Länderinformationsquellen (NS EV 16.07.2021, AS 16-43) die dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht worden sind und denen er nicht substantiiert entgegen getreten ist.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Rechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes (§12a Abs 2 AsylG)

3.1 Aufrechte Rückkehrentscheidung

3.1.1 Das mündlich verkündete Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.10.2019, L525 2174185-1/16Z, zum ersten Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz, mit welchem eine Rückkehrentscheidung ausgesprochen worden war, wurde mit dem Tag der Verkündung rechtskräftig. Mit Bescheid des BFA vom 02.10.2020 wurde nachfolgend eine Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot erlassen, welche ebenso rechtskräftig wurde. Der Beschwerdeführer reiste danach zwar wiederholt nach Deutschland weiter, er hat jedoch bisher nicht das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der EU verlassen, sodass die 18-monatige Frist des § 12a Abs 6 noch nicht zu laufen begonnen hat. (VwGH 12.03.2021, Ra 2020/19/0057). Es besteht daher nach wie vor eine aufrechte Rückkehrentscheidung, zumal auch zwischenzeitlich keine Zulassung des Verfahrens erfolgt ist.

3.2 Keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts

3.2.1 Maßstab der Rechtskraftwirkung bildet die Entscheidung, mit der zuletzt in der Sache entschieden wurde (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0783), im vorliegenden Fall ist somit das mündlich verkündete und gleichzeitig rechtskräftig gewordene Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.10.2019, L525 2174185-1/16Z.

Der Beschwerdeführer führte zu Begründung selbst mehrfach an, dass er keine neuen Fluchtgründe habe und den Antrag nur deshalb gestellt hat, da er aus Deutschland rücküberstellt worden war. Er gab auch an, bereits vor vier Jahren mit dem Konsum von Drogen begonnen zu haben, somit zu einem Zeitpunkt vor Abschluss des Erstverfahrens.

Der Beschwerdeführer stützt mit diesem Vorbringen seinen Folgeantrag jedenfalls auf Tatsachen, die bereits zum Zeitpunkt der seit 30.10.2019 rechtskräftigen Entscheidung über seinen ersten Asylantrag mit dem an diesem Tag mündlich verkündetem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vorlagen. Damit fehlt es an einem maßgeblich geänderten Sachverhalt im Sinn der zu § 68 Abs 1 AVG (VwGH 13.05.2019, Ra 2018/18/0506), sodass die spätere Zurückweisung des Folgeantrages auf der Hand liegt, was sich bereits bei einer Grobprüfung zeigt.

3.2.2 Das BFA legte seinem am 16.07.2021 mündlich verkündeten Bescheid aktuelle Feststellungen zur Lage in Pakistan zugrunde, aus denen sich ergibt, dass die allgemeine Situation in Pakistan – soweit sie den Beschwerdeführer betrifft – im Vergleich zu den Länderfeststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes im Erkenntnis vom 30.10.2019 im ersten Verfahren im Wesentlichen unverändert geblieben ist und sich die maßgebliche Lage in Pakistan für den Beschwerdeführer nicht geändert hat. Derartiges wurde vom Beschwerdeführer auch nicht behauptet. Auch von Amts wegen ist seit den rechtskräftigen Abschlüssen der vorhergehenden Asylverfahren keine Änderung der allgemeinen Situation in Pakistan notorisch, welche die Annahme einer allgemeinen extremen Gefährdungslage gerechtfertigt erscheinen lassen würde.

3.2.3 Das BFA ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass sich aus dem – bisherigen – Vorbringen des Beschwerdeführers zum gegenständlichen Folgeantrag kein entscheidungswesentlicher neuer Sachverhalt ergeben hat und auch die Ländersituation im Wesentlichen gleichgeblieben ist, sodass der neue Antrag auf internationalen Schutz – voraussichtlich – wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein wird.

3.3 Keine Verletzung der EMRK

3.3.1 Bereits im vorangegangenen ersten Verfahren hat das Bundesverwaltungsgericht ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keiner realen Gefahr einer Verletzung von Art 2, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention ausgesetzt wäre oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bestehen würde.

3.3.2 Auch im nunmehrigen zweiten Verfahren ist nichts hervorgekommen, was gegen die Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Heimatstaat im Sinne dieser Bestimmung sprechen würde. Der Beschwerdeführer gab zwar im gegenständlichen Verfahren an, dass er vor vier Jahren mit dem Konsum von Drogen begonnen habe, er gab aber gleichzeitig an, dass er seit einem Monat keine Drogen mehr nehme und stattdessen ein Medikament zur Entwöhnung nehme. Laut den vom BFA getroffenen Länderfeststellungen gewährt in Pakistan die Wohlfahrtsorganisation Edhi Foundation eine kostenlose Versorgung in Krankenhäusern und Apotheken sowie eine Rehabilitation von Drogenabhängigen (NS EV 16.07.2021 S 37 (AS 213)).

Nach der ständige Judikatur des EGMR obliegt es – abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Art 3 MRK darstellen würde – grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art 3 MRK widersprechende Behandlung drohen würde (VwGH 23.02.2016, Ra 2015/01/0134). Einen derartigen Nachweis hat der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall nicht erbracht.

3.3.3 Des Weiteren gelangte das BFA zu der Beurteilung, dass aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers nicht von einer Abhängigkeit oder besonders engen Beziehung zu einer in Österreich oder der EU aufenthaltsberechtigten Person ausgegangen werden könne und es im Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers keine relevante Änderung zum Vorverfahren erkannt werden könne. Dem konnte nicht entgegengetreten werden.

3.4 Angesichts dieses Ergebnisses zeigt sich, dass der gegenständliche Folgeantrag in Wirklichkeit den Zweck verfolgt, die Durchsetzung der vorangegangenen und mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbundenen rechtskräftigen Vorentscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.10.2019 sowie der mit Bescheid vom 02.10.2020 verhängten Rückkehrentscheidung zu verhindern.

3.5 Da insgesamt die Voraussetzungen des § 12a Abs 2 AsylG für die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes vorliegen, war der mündlich verkündete Bescheid des BFA vom 16.07.2021 rechtmäßig.

3.6 Gemäß § 22 Abs 1 zweiter Satz BFA-VG war ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden.

Zu B)

Revision

3.7 Die Revision ist nicht zulässig, da die Rechtslage durch die zitierte Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt bzw eindeutig ist (VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053).

3.8 Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

aufrechte Rückkehrentscheidung entscheidungsrelevante Sachverhaltsänderung faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung rechtmäßig Folgeantrag non refoulement

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:L516.2174185.2.00

Im RIS seit

08.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

08.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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