TE Bvwg Erkenntnis 2021/7/27 W240 2244287-2

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Veröffentlicht am 27.07.2021
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Entscheidungsdatum

27.07.2021

Norm

AsylG 2005 §5
B-VG Art133 Abs4
FPG §61

Spruch


W240 2244287-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. FEICHTER über die Beschwerde von XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.07.2021,
Zl. 1279257907/210902438, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerden werden gemäß § 5 AsylG 2005 idgF und § 61 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (in der Folge auch BF), ein Staatsangehöriger von Afghanistan, wurde am 18.06.2021 aufgrund einer Einreiseverweigerung seitens der deutschen Behörden von der PI Fremdenpolizei rückübernommen und gem. § 34 Abs. 3 Z 1 BFA-VG festgenommen. Anschließend wurden er in ein österreichisches Polizeianhaltezentrum verbracht.

Die erkennungsdienstliche Behandlung ergab einen EURODAC-Treffer über eine Asylantragstellung in Bulgarien am 29.01.2021.

Ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme wurde am 15.06.2021 eingeleitet.

Der BF wurde am 15.06.2021 niederschriftlich von einer österreichischen Landespolizeidirektion einvernommen.

Der BF gab im Rahmen der niederschriftlichen Basisbefragung vom 15.06.2021 an, er sei zu einem unbekannten Zeitpunkt illegal und mittels LKW in das österreichische Bundesgebiet eingereist. Er sei nicht im Besitz eines Reisepasses sowie nicht im Besitz eines notwendigen Visums oder Aufenthaltstitels.

Bei der niederschriftlichen Basisbefragung durch eine österreichische Polizeiinspektion Fremdenpolizei vom 15.06.2021 gab der BF an, dass er nach Frankreich reisen wolle. Er leide an keiner schwerwiegenden Krankheit, verfüge über keinen Wohnsitz in Österreich oder einem anderen Mitgliedstaat. Er habe keine Familienangehörige in Österreich oder einem anderen Mitgliedstaat. Er wolle in Österreich keinen Asylantrag stellen. Er verfüge über keine Barmittel. Er habe in Bulgarien um Asyl angesucht und kenne allerdings den Verfahrensstand nicht. Er besitze im österreichischen Bundesgebiet oder einem anderen Mitgliedstaat keinen Aufenthaltstitel. Bei einer möglichen Entlassung aus der Anhaltung würde er weiter nach Frankreich fahren

Aufgrund des Dublin Sachverhalts wurde der BF aus der Anhaltung entlassen, da zu diesem Zeitpunkt eine Dublinrückführung nach Bulgarien nicht durchführbar war.

Das BFA stellte dem BF eine mit 15.06.2021 datierte Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme zu, darin wurde dem BF mitgeteilt, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung bzw die Anordnung zur Außerlandesbringung beabsichtigt sei. Darin wurde insbesondere ausgeführt, dass der BF offenbar nicht rechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet eingereist sei bzw. sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte. Hinsichtlich der Länderinformationsblätter wurde der BF darauf hingewiesen, dass er diese während der Amtsstunden beim BFA einsehen könne. Der BF wurde ersucht, zahlreiche Fragen zu beantworten, für die Beantwortung der Fragen und für eine etwaige Stellungnahme wurden dem BF fünf Tage eingeräumt. Es langte keine Stellungnahme zu dieser Verständigung beim BFA ein bis dato.

Am 18.06.2021 wurde gegen den BF die Dublin–Schubhaft gem. Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung iVm § 76 Abs. 2 Z 3 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG erlassen.

Mit Schreiben vom 25.06.2021 erklärte Bulgarien sich damit einverstanden, den BF gemäß
Art. 18 Abs. 1 lit d. Dublin III-VO rückzuübernehmen.

Mit dem Bescheid vom 25.06.2021 wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG 2005 nicht erteilt und gem. § 61 Abs. 1 Z 2 FPG gegen diesen die Anordnung der Außerlandesbringung angeordnet. Demzufolge sei gem. § 61 Abs. 2 FPG dessen Abschiebung nach Bulgarien zulässig.

Der Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 25.06.2021 wurde mit Beschluss des BVwG vom 15.07.2021 zu W240 2244287-1 gemäß § 21 Absatz 3, 2. Satz BFA-VG stattgegeben, das Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz zugelassen und der Bescheid vom 2506.2012 behoben.

Begründet wurde die Behebung damit, dass das BFA weder ein aktenkundiges und überprüfbares Beweisverfahren geführt habe, noch zu irgendeinem Zeitpunkt des Verfahrens Parteiengehör gewährt oder den BF über die Verfahrensschritte ausreichend in Kenntnis gesetzt habe.

Am 08.07.2021 wurde der BF vor dem BFA niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er im Wesentlichen Folgendes an:

„(…)

LA: Fühlen Sie sich psychisch und physisch in der Lage, die gestellten Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten?

VP: Ja

LA: Leiden Sie an irgendwelchen Krankheiten oder benötigen Sie Medikamente?

VP: Nein.

Sie werden aufgefordert, sämtliche in Ihrem Besitz befindlichen und auch während der Dauer dieses Verfahrens zukünftig in Ihrem Besitz befindlichen medizinischen Unterlagen umgehend und unaufgefordert dieser Behörde zu übermitteln.

LA: Haben Sie dies verstanden?

VP: Ja

(…)

LA: Sie wurden zu diesem Antrag auf int. Schutz bereits am 05.07.2021 durch das AHZ Vordernberg erstbefragt. Entsprechen die dabei von Ihnen gemachten Angaben der Wahrheit bzw. möchten Sie dazu noch Korrekturen oder Ergänzungen anführen?

VP: Ich habe die Wahrheit gesagt und nichts zu ergänzen.

LA: Haben Sie in Österreich, im Bereich der Europäischen Union, in Norwegen, Island, Liechtenstein oder der Schweiz, Verwandte, zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis bzw. eine besonders enge Beziehung besteht?

VP: Nein, aber ich hätte einen Cousin in Deutschland der mir bei Bedarf helfen könnte.

LA: Gibt es noch andere Personen hier in Österreich, von denen Sie abhängig wären oder zu denen ein besonders enges Verhältnis besteht?

VP: Nein

LA: Verfügen Sie über Dokumente, die Ihre Identität bestätigen?

VP: Nein

LA: Haben Sie sich jemals um ein Visum für einen EU-Staat bemüht?

VP: Nein

LA: Sie wurden bereits im Zuge der Erstbefragung zu Ihrem Reiseweg befragt. Stimmen Ihre diesbezüglichen Angaben?

VP: JA

LA: Der Staat Bulgarien stimmte in Ihrem Fall bereits mit Anschreiben vom 25.06.2021 gem. Art. 18 (1) d der Dublin-Verordnung zu. Seitens des BFA ist nunmehr geplant, gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gem. § 5 AsylG 2005 idgF zurückzuweisen und eine Anordnung zur Außerlandesbringung gem. § 61 FPG 2005 idgF nach Bulgarien zu treffen.

Wollen Sie nun konkrete Gründe nennen, die dem entgegenstehen?

VP: Ich will auf keinen Fall nach Bulgarien. Mir drohen 18 Monate Haft wenn ich zurückkehren muss. Außerdem werde ich dann nach Afghanistan geschickt. Außerdem gibt es keine Unterstützung in Bulgarien und die Lage ist sehr schlimm.

LA: Wie lange waren Sie in Bulgarien aufhältig?

VP: Ca. 2 Monate.

LA: Sie befinden sich ja jetzt auch in Haft und auch die Schubhaft kann sich über eine Dauer von 18 Monate erstecken. Also ist das Behördenvorgehen hier nicht anders als in Bulgarien. Wollen Sie dazu etwas angeben?

VP: Aber die Verhältnisse sind unten viel schlechter und auch die Hygiene und das Essen ist sehr schlecht und zu wenig. Das habe ich alles selber erlebt.

LA: Haben Sie diesbezüglich irgendwo eine Anzeige gemacht? Bei der Polizei oder einer Menschenrechtsorganisation?

VP: Bei der Polizei habe ich keine Anzeige erstatte und eine Menschenrechtsorganisation habe ich nicht gefunden.

LA: Gab es während Ihres Aufenthalts in Bulgarien konkret Sie betreffende Vorfälle?

VP: Nein

LA: Wieso haben Sie nicht umgehend nach Ihrer Einreise in Österreich einen Asylantrag gestellt?

VP: Ich wollte zuerst etwas meine Ruhe haben und wollte nachdenken. Ich war sehr müde und habe deshalb gewartet. Außerdem wollte ich mich informieren und dann einen Asylantrag stellen.

LA: Ihnen wurden bereits am 06.07.2021 die aktuellen Länderfeststellungen zur Lage in Bulgarien ausgefolgt. Möchten Sie nunmehr eine Stellungnahme zu dieser Länderfeststellung abgeben?

VP: Nein

LA: Wurde Ihnen ausreichend Zeit eingeräumt, Ihre Angaben vollständig und so ausführlich wie Sie es wollten zu machen?

VP: Ja

LA: Wollen Sie noch etwas angeben, was Ihnen besonders wichtig erscheint?

VP: Ich will auf keinen Fall zurück nach Bulgarien.

Anmerkung: Die gesamte Niederschrift wird wortwörtlich rückübersetzt. Nach erfolgter Rückübersetzung:

LA: Haben Sie den Dolmetscher während der gesamten Befragung einwandfrei verstanden?

VP: Ja

LA: Hat Ihnen der Dolmetscher alles rückübersetzt?

VP: Ja

LA: Haben Sie nun nach Rückübersetzung Einwendungen gegen die Niederschrift selbst, wurde alles richtig und vollständig protokolliert?

VP: Keine Einwände

LA: Wünschen Sie die Ausfolgung einer schriftlichen Ausfertigung?

VP: Ja (Anm.: dem ASt. wird eine schriftliche Ausfertigung dieser Niederschrift ausgefolgt)

Anmerkung: Die Verfahrenspartei wird über den weiteren Verlauf des Verfahrens aufgeklärt.

LA: Bestätigen Sie nunmehr durch Ihre Unterschrift die Richtigkeit und Vollständigkeit der Niederschrift und die erfolgte Rückübersetzung!

VP: Ich bestätige mit meiner Unterschrift die Richtigkeit und Vollständigkeit dieser Niederschrift.

(…)“

2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 12.07.2021 wurde der Antrag auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Bulgarien für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-VO zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen den BF gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge eine Abschiebung nach Bulgarien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei.

Die Sachverhaltsfeststellungen zur Lage in Bulgarien wurden im angefochtenen Bescheid, wie folgt, wiedergegeben (unkorrigiert und ungekürzt durch das Bundesverwaltungsgericht):

1.       Allgemeines zum Asylverfahren

Letzte Änderung: 24.7.2020

Zuständig für das erstinstanzliche Asylverfahren ist die Staatliche Agentur für Flüchtlinge beim Ministerrat (State Agency for Refugees with the Council of Ministers, SAR). Es existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit (AIDA 2.2020; vgl. CoE-SG 19.4.2018, EMN 6.6.2020, SAR o.D.a, SAR o.D.b, UNHCR 9.2019, USDOS 13.3.2020).

Die Zahl der Antragsteller ist in den letzten Jahren kontinuierlich gesunken. 2019 lag die Quote der Antragssteller, der ihr Verfahren nicht zu Ende führten, bei 72%. Davon wurde in 40% der Fälle das Asylverfahren eingestellt (discontinued) und bei 24% in Abwesenheit entschieden (AIDA 2.2020). 2020 gab es in Bulgarien bis 31.5.2020 289 Asylanträge (VB 15.7.2020).

Menschenrechtsorganisationen berichteten weiterhin von weit verbreiteten sogenannten Pushbacks (AIDA 2.2020; vgl. USDOS 13.3.2020), Gewalt, Diebstählen und erniedrigenden Praktiken gegenüber Migranten und Asylwerbern an der Grenze zwischen Bulgarien und der Türkei. Im August 2019 behaupteten Medienveröffentlichungen, die angeblich interne Quellen der europäischen Grenzkontrollagentur Frontex zitierten, dass die Grenzpolizei Migranten mit Hunden gejagt, geschlagen und über die Grenze zurückgedrängt habe. Die Vorwürfe wurden vom Innenminister dementiert und er erklärte, dass die Grenzschutzbeamten nur dann Gewalt anwenden, wenn die Situation es erfordert (USDOS 13.3.2020).

Es gibt Vorwürfe, dass die bulgarischen Behörden Migranten, die es schaffen bulgarisches Territorium zu betreten, durch- und auch wieder ausreisen lassen, um sich der Verantwortung im Rahmen der Dublin-Verordnung oder der Rückübernahmeabkommen zu entziehen (AIDA 2.2020).

Der Zugang von Asylsuchenden zum bulgarischen Hoheitsgebiet bliebt auch 2019 stark eingeschränkt. Dem Innenministerium zufolge wurden insgesamt 2.495 Drittstaatsangehörige festgenommen, darunter 2.184 neu angekommene Asylwerber. Dies entspricht einem Rückgang von 23% im Vergleich zum 2018. Seit dem 1. Jänner 2017 gibt das Innenministerium die Zahl der verweigerten Einreisen ins Land in seinen öffentlich zugänglichen Statistiken nicht mehr bekannt. 2019 haben 309 Asylsuchende an den Grenzen internationalen Schutz beantragt aber nur 2% von ihnen (d.h. 12 Personen) hatten Zugang zum Asylverfahren. Die restlichen 98% kamen in die Schubhaftzentren des Innenministeriums (AIDA 2.2020).

Einzelne Übergriffe von staatlichen Organen auf Migranten und Asylwerber in Bulgarien sind nicht völlig auszuschließen. Ein systematisches Vorgehen von Misshandlungen und/oder herabwürdigender Behandlung durch die bulgarischen Sicherheitskräfte besteht laut Einschätzung des BM.I-Verbindungsbeamten jedoch nicht. Das Disziplinarsystem innerhalb des Innenministeriums wird strikt ausgelegt, und die Täter hätten mit sofortiger Entlassung zu rechnen (VB 31.1.2017).

Quellen:

-        AIDA – Asylum Information Database (2.2020): Country Report: Bulgaria, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_bg_2019update.pdf, Zugriff 20.7.2020

-        EMN – European Migration Network (6.6.2020): Annual Report on Migration and Asylum 2019, https://ec.europa.eu/home-affairs/sites/homeaffairs/files/00_eu_arm2019_synthesis_report_final_en_0.pdf, Zugriff 20.7.2020

-        SAR – State Agency for Refugees (o.D.a): Verfahrensschritte zur Gewährung internationalen Schutzes – Rechte und Pflichten (????? ?? ???????????? ?? ???????????? ?? ???????????? ??????? – ????? ? ??????????), https://aref.government.bg/index.php/en/node/42, Zugriff 20.7.2020

-        SAR – State Agency for Refugees (o.D.b): Dublin-Verfahren (???????????? ?? ??????), https://aref.government.bg/index.php/bg/node/43, Zugriff 20.7.2020

-        UNHCR – United Nations High Commissioner for Refugees (9.2019): Bulgaria Factsheet, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/73117_0.pdf, Zugriff 20.7.2020

-        USDOS – US Department of State (13.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Bulgaria, https://www.ecoi.net/en/document/2027508.html, Zugriff 20.7.2020

-        VB des BM.I Bulgarien (15.7.2020): Bericht des VB, per E-Mail

-        VB des BM.I Bulgarien (31.1.2017): Bericht des VB, per E-Mail
2.         Dublin-Rückkehrer

Letzte Änderung: 24.7.2020

Dublin-Rückkehrer haben grundsätzlich Zugang zum Asylverfahren in Bulgarien. Nach Rücküberstellungen auf der Grundlage der Dublin-Verordnung wird das Asylverfahren regelmäßig eingeleitet bzw. wieder aufgenommen, dabei wird je nach Verfahrensstand unterschieden (UNHCR 17.12.2018):

•        Eine Person, die noch keinen Asylantrag in Bulgarien gestellt hat, hat die Möglichkeit einen Erstantrag zu stellen (UNHCR 17.12.2018).

•        Bei Dublin-Rückkehrern, die in Bulgarien bereits einen Asylantrag gestellt haben, der ohne inhaltliche Prüfung abgeschlossen wurde, wird das Verfahren automatisch wieder eröffnet. Ein Verfahren wird nach bulgarischem Asyl- und Flüchtlingsgesetz (AuFG) ausgesetzt, wenn die asylsuchende Person innerhalb von 10 Werktagen nicht zu einem Termin mit den Behörden erscheint oder ihre Adresse ändert, ohne die Behörde davon in Kenntnis zu setzen. Nach weiteren drei Monaten wird das Asylverfahren beendet, wenn die asylsuchende Person sich nicht bei den Behörden meldet (UNHCR 17.12.2018; vgl. BAMF-BMI 5.2019).

•        Wurde das Asylgesuch auf der Grundlage einer inhaltlichen Prüfung abgewiesen, besteht die Möglichkeit, erneut einen Asylantrag zu stellen. Dieser Antrag wird als Folgeantrag betrachtet und ist nur zulässig, wenn er neue Elemente enthält. Wird der Folgeantrag für zulässig erklärt, was in der Praxis selten der Fall ist, wird der Antrag im regulären Verfahren geprüft. Eine Prüfung im regulären Verfahren erfolgt auch dann, wenn die Entscheidung über die Zulässigkeit nicht innerhalb von 14 Tagen ergeht (UNHCR 17.12.2018).

Die Aufnahmebedingungen von Personen, die unter der Dublin-Verordnung zurückkehren, sind abhängig vom Verfahrensstand (UNHCR 17.12.2018). Vor der Ankunft der Dublin-Rückkehrer informiert SAR die Grenzpolizei über die voraussichtliche Ankunft und gibt an, ob der Rückkehrer in ein Asylaufnahmezentrum oder in ein Schubhaftzentrum zu überstellen ist (AIDA 2.2020):

•        Wer sich in einem laufenden Asylverfahren befindet, wird in ein Unterbringungszentrum der SAR gebracht (AIDA 2.2020).

•        Eine Person, die noch keinen Asylantrag in Bulgarien gestellt hat, kann bei der Ankunft in einem der von der Direktion für Einwanderung verwalteten Zentren für die vorübergehende Unterbringung vor der Abschiebung (Special Centre for the Temporary Accommodation of Foreigners, SCTAF) gebracht werden. Nach Stellen eines Asylantrags wird sie jedoch in ein Aufnahmezentrum der Flüchtlingsagentur SAR überstellt (UNHCR 17.12.2018).

•        Auch Personen, deren Verfahren wiedereröffnet wurde, werden in ein Aufnahmezentrum gebracht. UNHCR hat in letzter Zeit keine Fälle beobachtet, in denen einem Dublin-Rückkehrer, dessen Verfahren noch nicht abgeschlossen war, der Zugang zu Aufnahmezentren verweigert wurde. Dies kann jedoch grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden, wenn diese ihre volle Kapazität erreichen (UNHCR 17.12.2018).

•        Personen, deren Asylantrag bereits inhaltlich geprüft und abgewiesen wurde, werden in einem geschlossenen Zentrum untergebracht. Während des anschließenden Zulässigkeitsverfahrens kommt es darauf an, ob der asylsuchenden Person die negative Erstentscheidung vor deren Ausreise aus Bulgarien zugestellt wurde oder nicht. Ist Letzteres der Fall, wird sie einem Aufnahmezentrum zugewiesen. Wurde die Entscheidung der asylsuchenden Person allerdings vor deren Ausreise aus Bulgarien bereits zugestellt und nicht innerhalb der Frist angefochten, wird sie inhaftiert und in ein geschlossenes Zentrum (SCTAF) gebracht. Die Haft kann während des Zulässigkeitsverfahrens andauern. Auch wenn dies nicht der Fall ist, werden sie jedoch keinem regulären Aufnahmezentrum zugewiesen und haben auch keinen Anspruch auf Verpflegung, Unterkunft oder Sozialhilfe (UNHCR 17.12.2018; vgl. AIDA 2.2020, BAMF-BMI 5.2019).

In der Praxis werden in Sofia ankommende Personen nach der Überstellung unterrichtet, dass sie verpflichtet sind, sich bei der staatlichen Asylbehörde vorzustellen, meist schon am folgenden Tag. Wenn sie dort vorstellig werden, erhalten sie die Entscheidung, dass das Verfahren wiedereröffnet wird zusammen mit der „take-back" Entscheidung (UNHCR 26.3.2019).

Bezüglich der Anschlussversorgung depressiver Dublin-Rückkehrer teilt SAR mit, dass bei vulnerablen Personen mit spezifischen Bedürfnissen, einschließlich Personen mit psychischen und psychiatrischen Problemen, deren spezifischer Zustand berücksichtigt wird. Gegenwärtig entsprechen das nationale System für internationalen Schutz in Bulgarien und die nationale Gesetzgebung im Bereich des Asyls der Gesetzgebung der EU mit sämtlichen Mindeststandards, einschließlich für die Aufnahmebedingungen. Als EU-Mitglied hält sich Bulgarien an die EU-Asylpolitik und –Gesetzgebung. Im Falle eines depressiven Dublin-Rückkehrers wird das Verfahren wieder aufgenommen und die Person hat alle in der Gesetzgebung vorgesehenen Rechte eines Asylwerbers, einschließlich das Recht auf psychologische Hilfe. Bei der Aufnahme einer Person mit speziellen Bedürfnissen werden Experten mit der jeweiligen medizinischen Qualifikation zugezogen und die betroffene Person wird medizinisch bzw. psychologisch betreut. Die Psychologen von SAR und die NGOs Zentrum „Nadya“, IOM und das Bulgarische Rote Kreuz leisten selbstmordgefährdeten Dublin-Rückkehrer in Bulgarien Hilfe. Folgende Dienstleistungen werden angeboten: psychologische Beratung, Psychotherapie, psychiatrische Beratung, individuelle Einschätzung des psychologischen Verhaltens, Erstellen von Zertifikaten für psychologische und psychisch-gesundheitliche Folgen eines Traumas (VB 20.6.2017).

Quellen:

-        AIDA – Asylum Information Database (2.2020): Country Report: Bulgaria, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_bg_2019update.pdf, Zugriff 20.7.2020

-        BAMF-BMI – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge / Bundesministerium des Innern (Deutschland) (5.2019): Aktuelle Entwicklungen zur Rechtslage und Situation von Asylwerbern und anerkannt Schutzberechtigten in Bulgarien, https://milo.bamf.de/milop/cs.exe/fetch/2000/702450/683266/684671/684878/684880/684924/20138868/21716440/Deutschland___Botschaft_%28Bulgarien%29%2C_Aktuelle_Entwicklungen_zur_Rechtslage_und_Situaton_von_Asylbewerbern_und_anerkannt_Schutzberechtigten_in_Bulgarien%2C_2019.pdf?nodeid=21726048&vernum=-2, Zugriff 20.7.2020

-        UNHCR Representation in Germany – Die Vertretung des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen in Deutschland (26.3.2019): Auskunft des UNHCR, https://milo.bamf.de/milop/cs.exe/fetch/2000/702450/683266/687377/687464/687466/687288/20122890/United_Nations___High_Commissioner_for_Refugees___Amt_des_Vertreters_in_der_Bundesrepublik_Deutschland_%28Berlin%29%2C_26%2E03%2E2019%2C_ohne_Az.pdf?nodeid=20149532&vernum=-2, Zugriff 20.7.2020

-        UNHCR Representation in Germany – Die Vertretung des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen in Deutschland (17.12.2018): Auskunft des UNHCR, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/683266/687377/687464/687466/687288/19129797/United_Nations___High_Commissioner_for_Refugees___Amt_des_Vertreters_in_der_Bundesrepublik_Deutschland__Berlin_%2C_17%2E12%2E2018%2C_ohne_Az.pdf?nodeid=20024439&vernum=-2, Zugriff 20.7.2020

-        VB des BM.I Bulgarien (20.6.2017): Auskunft SAR, per E-Mail
3.         Non-Refoulement

Letzte Änderung: 24.7.2020

Schutz vor Refoulement ist eine Erwägung in der Zulässigkeitsprüfung und unerlässlich für sichere Dritt- und Herkunftsstaaten (AIDA 2.2020).

Menschenrechtsorganisationen zufolge wendet Bulgarien Gewalt und sogenannte „Pushbacks“ an, um Migranten von seinem Territorium fernzuhalten (AIDA 2.2020; vgl. BM 2.3.2020, USDOS 11.3.2020).

Quellen:

-        AIDA – Asylum Information Database (2.2020): Country Report: Bulgaria, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_bg_2019update.pdf, Zugriff 20.7.2020

-        BM – Boardermonitoring Bulgaria (2.3.2020): Bulgaria ist not changing its push-back policy at its border to Turkey, https://bulgaria.bordermonitoring.eu/, Zugriff 20.7.2020

-        USDOS – US Department of State (13.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Bulgaria, https://www.ecoi.net/en/document/2027508.html, Zugriff 20.7.2020
4.         Versorgung

4.1.    Grundversorgung

Letzte Änderung: 24.7.2020

Asylwerber haben laut Gesetz das Recht auf materielle Versorgung während des Asylverfahrens. Wenn es für Neuankömmlinge nicht genug Unterbringungsplätze geben sollte, werden in der Praxis solche ohne eigene Mittel prioritär untergebracht. Spezifische Bedürfnisse und das Armutsrisiko (finanzielle Mittel, Arbeitsmöglichkeiten, Arbeitserlaubnis, Zahl der abhängigen Familienmitglieder, etc.) werden in jedem Fall bewertet. Mit Erhalt der Asylwerbekarte, welche die Verfahrensidentität bestätigt, ist das Recht sich in Bulgarien aufzuhalten, auf Unterbringung und Versorgung, sowie auf Sozialhilfe im selben Ausmaß wie bulgarische Staatsbürger und auf Krankenversicherung, medizinische Versorgung, psychologische Versorgung und Bildung gegeben. 2015 wurde die Auszahlung der Sozialhilfe für Asylwerber eingestellt. Dies wird von den Behörden damit begründet, dass sie in den Aufnahmezentren mit Lebensmitteln versorgt werden (AIDA 2.2020; vgl. UNHCR 17.12.2018). Spezielle Bedürfnisse können daher nicht mehr angemessen berücksichtigt werden, was besonders für Familien mit kleinen Kindern, chronisch kranke und ältere Menschen problematisch ist (UNHCR 17.12.2018). Um außerhalb des Aufnahmezentrums zu wohnen, müssen Asylwerber schriftlich erklären, dass sie über ausreichende Ressourcen verfügen, um für ihren Lebensunterhalt zu sorgen, was sie automatisch vom Recht auf die monatliche finanzielle Unterstützung ausschließt (AIDA 2.2020).

Folgeantragsteller erhalten keine Asylwerberkarte und haben auch kein Recht auf materielle Versorgung. Sie haben lediglich ein Recht auf Übersetzerleistungen während die Zulässigkeit ihres Folgeantrags im Eilverfahren geprüft wird. Wurde der Folgeantrag nur eingebracht, um die Außerlandesbringung zu verzögern, besteht auch kein Recht auf Verbleib im Land. Die Zulässigkeit muss binnen 14 Tagen geklärt werden (AIDA 2.2020).

Falls das Asylverfahren aus objektiven Umständen länger als drei Monate dauert, haben die Asylwerber noch während des Asylverfahrens Zugang zum Arbeitsmarkt. 2019 wurden 101 Arbeitserlaubnisse für Asylwerber im laufenden Verfahren erteilt; 72 Personen haben danach eine Beschäftigung angenommen. In der Praxis ist der Zugang zum Arbeitsmarkt aufgrund der Sprachbarriere, genereller Rezession und hoher Arbeitslosenzahlen jedoch schwierig (AIDA 2.2020).

Quellen:

-        AIDA – Asylum Information Database (2.2020): Country Report: Bulgaria, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_bg_2019update.pdf, Zugriff 20.7.2020

-        UNHCR Representation in Germany – Die Vertretung des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen in Deutschland (17.12.2018): Auskunft des UNHCR, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/683266/687377/687464/687466/687288/19129797/United_Nations___High_Commissioner_for_Refugees___Amt_des_Vertreters_in_der_Bundesrepublik_Deutschland__Berlin_%2C_17%2E12%2E2018%2C_ohne_Az.pdf?nodeid=20024439&vernum=-2, Zugriff 20.7.2020

4.2.    Unterbringung

Letzte Änderung: 24.7.2020

Bulgarien verfügt über Unterbringungszentren in Sofia (Ovcha Kupel, Vrazhdebna und Voenna Rampa), Banya und Pastrogor sowie Harmanli, die von der Migrationsbehörde (SAR) verwaltet werden. Im Dezember 2018 wurde das Aufnahmezentrum Vrazhdebna in Sofia von der SAR geschlossen und im Mai 2019 wiedereröffnet. Vrazhdebna wurde mit EU-Mitteln vollständig renoviert (AIDA 2.2019). Die Kapazität der Unterbringungszentren betrug zwischen Ende Dezember 2019 5.330 Plätze (5.190 Plätze in Aufnahmezentren und 140 in Privatunterkünften) (AIDA 2.2020).

Die Aufnahme- und Unterbringungsbedingungen, einschließlich der Verpflegung für Migranten und Asylwerber sind nach wie vor inadäquat, obwohl die Zahl der nach Bulgarien einreisenden Personen deutlich zurückgegangen ist (AI 16.4.2020). Die Lebensbedingungen in den staatlichen Aufnahmezentren bis auf in Vrazhdebna und in der Sicherheitszone für unbegleitete Minderjährige in Voenna Rampa sind trotz der von der SAR regelmäßig durchgeführten Teilrenovierungen nach wie vor schlecht und liegen unter den Mindeststandards oder erfüllen diese knapp, vor allem in Bezug auf die sanitären Anlagen (AIDA 2.2019; vgl. UNHCR 9.2019). Darüber hinaus beklagten sich die Bewohner aller Aufnahmezentren außer in Vrazhdebna über die insgesamt schlechten hygienischen Umstände, insbesondere aber über Bettwanzen, die regelmäßig zu Gesundheitsproblemen führen. Wo immer möglich, erfolgt die Unterbringung von Familien ohne deren Trennung. Auf die Trennung der verschiedenen Nationalitäten wird geachtet. Asylwerber können mit Erlaubnis auf eigene Kosten auch außerhalb eines Zentrums leben, verlieren dann aber das Recht auf Unterbringung und soziale Unterstützung. Gegen Verweigerung der Unterbringung ist binnen sieben Tagen ein gerichtliches Rechtsmittel möglich (AIDA 2.2020).

Das Land verfügt über zwei Schubhaftzentren: Busmantsi (400 Plätze) und Lyubimets (300 Plätze). Der Betrieb des geschlossenen Verteilerzentrums Elhovo wurde im Februar 2017 eingestellt. Das Aufnahmezentrum Pastrogor kann gegebenenfalls auch als geschlossenes Zentrum verwendet werden. Die Haftbedingungen werden vor allem bezüglich Hygiene kritisiert. Medizinische Versorgung ist nicht in jedem Haftzentrum täglich verfügbar. Die Sprachbarriere und Mangel an Medikamenten stehen ebenfalls unter Kritik (AIDA 2.2020), ebenso wie unter anderem unzureichende Verpflegung, zu kurzer Aufenthalt im Freien, fehlende spezielle Voraussetzungen für Familien, fehlender Zugang zu Toiletten in der Nacht und der Mangel an qualifizierten Dolmetschern (FRA 5.2019; vgl. CoE-CPT 11.7.2019).

Derzeit sind in Bulgarien 798 Personen untergebracht (Stand 12.7.2020): 276 in geschlossenen Zentren (Auslastung von 39,4%), 375 in offenen Zentren (Auslastung von 7,5%), 147 privat untergebracht (auf eigene Kosten) (VB 15.7.2020).

Quellen:

-        AIDA – Asylum Information Database (2.2020): Country Report: Bulgaria, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_bg_2019update.pdf, Zugriff 20.7.2020

-        AIDA – Asylum Information Database (2.2019): Country Report: Bulgaria, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_bg_2018update.pdf, Zugriff 20.7.2020

-        AI – Amnesty International (16.4.2020): Human Rights in Europe - Review of 2019 - Bulgiaria [EUR 01/2098/2020], https://www.ecoi.net/de/dokument/2028188.html, Zugriff 20.7.2020

-        CoE-CPT – Council of Europe - European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (11.7.2019): Report to the Bulgarian Government on the visit to Bulgaria carried out by the European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (CPT) from 10 to 17 December 2018 [CPT/Inf (2019) 24],

https://www.ecoi.net/en/file/local/2012591/2019-24-inf-eng.docx.pdf, Zugriff 20.7.2020

-        FRA – European Agency for Fundamental Rights (5.2019): Migration: key fundamental rights concerns, https://fra.europa.eu/sites/default/files/fra_uploads/fra-2019-migration-bulletin-2_en.pdf, Zugriff 20.7.2020

-        UNHCR – United Nations High Commissioner for Refugees (9.2019): Bulgaria Factsheet, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/73117_0.pdf, Zugriff 20.7.2020

-        VB des BM.I Bulgarien (15.7.2020): Bericht des VB, per E-Mail

4.3.    Medizinische Versorgung

Letzte Änderung: 24.7.2020

Asylwerber in Bulgarien haben nach wie vor Zugang zu medizinischer Versorgung im selben Ausmaß wie bulgarische Staatsbürger (AIDA 2.2020; vgl. UNHCR 17.12.2018), das umfasst auch den Zugang zu psychologischer/psychiatrischer Versorgung (UNHCR 17.12.2018). Asylwerber, die sich für eine Unterkunft außerhalb der Aufnahmezentren entscheiden oder denen keine Unterkunft gewährt wird, haben keinen Zugang zu psychologischer Unterstützung. Der Zugang zu medizinischer Grundversorgung ist ansonsten gewährleistet, unabhängig vom Wohnort der Asylwerber (AIDA 2.2020).

SAR ist verpflichtet Asylwerber kranken zu versichern. In der Praxis haben Asylwerber mit denselben Problemen zu kämpfen wie Bulgaren (AIDA 2.2020), da das nationale Gesundheitssystem große materielle und finanzielle Defizite aufweist (AIDA 2.2020; vgl. BTI 29.4.2020; OECD/EO 29.10.2019). In dieser Situation ist spezielle Betreuung für Folteropfer und Traumatisierte nicht verfügbar. Wenn das Recht auf Versorgung, aus welchen Gründen auch immer, entzogen wird, betrifft das auch das Recht auf medizinische Versorgung. Medizinische Grundversorgung ist in den Unterbringungszentren gegeben, und zwar entweder durch eigenes medizinisches Personal oder Nutzung der Notaufnahmen lokaler Hospitäler. Alle Zentren verfügen über medizinische Behandlungsräume (AIDA 2.2020).

Fehlende Dolmetscher und die mangelnde Bereitschaft einiger Ärzte, Asylsuchende als Patienten zu registrieren, stellen jedoch praktische Hindernisse beim Zugang zu medizinischer Versorgung dar. Zudem umfasst die Versicherung nicht alle medizinischen Behandlungen und Medikamente. Insbesondere bei schweren und chronischen Erkrankungen können einige Behandlungen nur teilweise erstattet werden. Ohne finanzielle Unterstützung stoßen Asylsuchende auf Schwierigkeiten, diese zusätzlichen Kosten zu decken. Das Bulgarische Rote Kreuz verfügt über einen kleinen Fonds, der hauptsächlich von UNHCR finanziert wird, um die Kosten für medizinische Versorgung und Medikamente für eine begrenzte Anzahl extrem vulnerabler Asylsuchender zu decken. In der Praxis wird psychologische Unterstützung in den Aufnahmezentren von NGOs geleistet, die auf Projektbasis finanziert wird, und nicht in allen Zentren auf dem gleichen Niveau und in gleicher Häufigkeit angeboten werden kann. Die Nachhaltigkeit dieser Dienstleistungen ist entsprechend nicht gewährleistet (UNHCR 17.12.2018).

MedCOI bearbeitet grundsätzlich keine medizinischen Anfragen zu EU-Mitgliedsstaaten, da die medizinischen Mitarbeiter von MedCOI (Ärzte) davon ausgehen, dass medizinische Behandlungsmöglichkeiten in der EU generell in ausreichendem Maße verfügbar sind. Ausnahmen von dieser Regel sind nur in sehr spezifischen Einzelfällen möglich (MedCOI 14.12.2016).

Quellen:

-        AIDA – Asylum Information Database (2.2020): Country Report: Bulgaria, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_bg_2019update.pdf, Zugriff 20.7.2020

-        BTI – Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report Bulgaria,

https://www.ecoi.net/en/file/local/2029432/country_report_2020_BGR.pdf, Zugriff 20.7.2020

-        MedCOI – Medical Country of Origin Information (14.12.2016): Auskunft MedCOI, per E-Mail

-        OECD/EO – Organisation for Economic Co-operation and Development/European Observatory on Health Systems and Policies (29.10.2019): Bulgaria: Country Health Profile 2019, State of Health in the EU, https://www.oecd-ilibrary.org/docserver/34781ac1-en.pdf?expires=1594814329&id=id&accname=guest&checksum=975003598D2DE0B62B342C613516F30C, Zugriff 20.7.2020

-        UNHCR Representation in Germany – Die Vertretung des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen in Deutschland (17.12.2018): Auskunft des UNHCR, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/683266/687377/687464/687466/687288/19129797/United_Nations___High_Commissioner_for_Refugees___Amt_des_Vertreters_in_der_Bundesrepublik_Deutschland__Berlin_%2C_17%2E12%2E2018%2C_ohne_Az.pdf?nodeid=20024439&vernum=-2, Zugriff 20.7.2020

-        WHO – World Health Organisation (2018): Bulgaria – Health system review, http://www.euro.who.int/__data/assets/pdf_file/0005/383054/HiT-Bulgaria-2018-web.pdf?ua=1, Zugriff 20.7.2020

Zur COVID-19 Pandemie

Derzeit herrscht weltweit die als COVID-19 bezeichnete Pandemie. COVID-19 wird durch das Corona- Virus SARS-CoV-2 verursachte. In Bulgarien wurden bisher 422.462 Fälle von mit diesem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen, wobei bisher 18.140 diesbezügliche Todesfälle bestätigt wurden (https://coronavirus.jhu.edu/map.html, abgerufen am 12.07.2021.

Wie gefährlich der Erreger SARS-CoV-2 ist, kann derzeit noch nicht genau beurteilt werden. Man geht aber von einer Sterblichkeitsrate von bis zu drei Prozent aus, wobei v.a. alte Menschen und immungeschwächte Personen betroffen sind (https://www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus/Coronavirus---Haeufig-gestellte-Fragen.html, abgerufen am 12.07.2021).

Beweiswürdigung

Die Behörde gelangt zu obigen Feststellungen aufgrund folgender Erwägungen:

Betreffend die Feststellungen zu Ihrer Person:

Mangels Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokumentes oder sonstigen Bescheinigungsmittels steht Ihre Identität nicht fest. Soweit Sie im Asylverfahren namentlich genannt werden, dient dies lediglich der Individualisierung Ihrer Person als Verfahrenspartei, nicht jedoch als Feststellung der Identität.

Hinsichtlich Ihrer behaupteten Staatsangehörigkeit und Volljährigkeit wird Ihren Angaben deswegen Glauben geschenkt, weil diese widerspruchsfrei und nachvollziehbar sind.

Sie wurden durch AHZ Vordernberg niederschriftlich einvernommen. Dabei wurden Sie dahingehend befragt, ob Sie an irgendwelchen Krankheiten oder gesundheitlichen Beschwerden leiden würden, was Sie verneinten. Im Zuge Ihrer Einvernahme vor dem Bundesamt gaben Sie ebenfalls an gesund zu sein und keine Medikamente einzunehmen.

Im Zuge des weiteren Verfahren kamen keine Hinweise hervor, dass Sie an einer lebensbedrohenden Erkrankung leiden würden. Ebenso war dem vorliegenden Akt nicht zu entnehmen bzw. behaupteten Sie auch zu keinem Zeitpunkt, dass Sie immungeschwächt wären.

Deshalb hatten die oa. Feststellungen zu erfolgen.

Betreffend die Feststellungen zur Begründung des Dublin-Tatbestands:

Die Feststellungen zur Einbringung des Antrages auf internationalen Schutz, zur Einleitung und Abschluss des Konsultationsverfahrens, sowie zum zuständigkeitsbegründenden Sachverhalt ergeben sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt und Ihren eigenen Angaben.

Betreffend die Feststellungen zu Ihrem Privat- und Familienleben:

Sie führten widerspruchsfrei aus, sich alleine im österr. Bundesgebiet aufzuhalten. Familiäre oder andere besonders enge Anknüpfungspunkte oder Abhängigkeiten zu in Österreich aufenthaltsberechtigten Personen konnten Ihren weiteren eigenen Angaben ebenso nicht entnommen werden bzw. kamen diesbezüglich im Verfahren auch keine Hinweise hervor.

Aus diesem Grund hatten auch die obigen Feststellungen zu erfolgen.

Betreffend die Feststellungen zur Lage im Mitgliedsstaat:

Die Feststellungen zum Mitgliedstaat basieren auf einer Zusammenstellung der Staatendokumentation des BFA. Diese ist gemäß § 5 Abs. 2 BFA-G zur Objektivität verpflichtet und unterliegt der Beobachtung eines Beirates. Es ist daher davon auszugehen, dass alle zitierten Unterlagen von angesehenen staatlichen und nichtstaatlichen Einrichtungen stammen, ausgewogen zusammengestellt wurden und somit keine Bedenken bestehen, sich darauf zu stützen.

Die Länderfeststellungen ergeben sich aus den zitierten, unbedenklichen Quellen. Bezüglich der von der erkennenden Behörde getätigten Feststellungen zur allgemeinen Situation im Mitgliedstaat ist festzuhalten, dass diese Kenntnisse als notorisch vorauszusetzen sind. Gemäß § 45 Absatz 1 AVG bedürfen nämlich Tatsachen, die bei der Behörde offenkundig sind (so genannte „notorische“ Tatsachen; vergleiche Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze 13-MSA1998-89) keines Beweises. „Offenkundig“ ist eine Tatsache dann, wenn sie entweder „allgemein bekannt“ (notorisch) oder der Behörde im Zuge ihrer Amtstätigkeit bekannt und dadurch „bei der Behörde notorisch“ (amtsbekannt) geworden ist; „allgemein bekannt“ sind Tatsachen, die aus der alltäglichen Erfahrung eines Durchschnittsmenschen – ohne besondere Fachkenntnisse – hergeleitet werden können (VwGH 23.01.1986, 85/02/0210; vergleiche auch Fasching; Lehrbuch 2 Rz 853). Zu den notorischen Tatsachen zählen auch Tatsachen, die in einer Vielzahl von Massenmedien in einer der Allgemeinheit zugänglichen Form über Wochen hin im Wesentlichen gleich lautend und oftmals wiederholt auch für einen Durchschnittsmenschen leicht überprüfbar publiziert wurden, wobei sich die Allgemeinnotorietät nicht auf die bloße Verlautbarung beschränkt, sondern allgemein bekannt ist, dass die in den Massenmedien verbreiteten Tatsachen auch der Wahrheit entsprechen.

Im Rahmen der Erstbefragung führten Sie zu Ihrem Aufenthalt in Bulgarien aus, in Bulgarien mit 35 Personen in einem kleinen Raum eingesperrt gewesen zu sein. Auch hätten Sie nur wenig zu essen bekommen. Auch führten Sie aus, in Falle einer Rückkehr in Bulgarien für 18 Monate in Haft zu müssen und danach nach Afghanistan abgeschoben zu werden.

Vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, gaben Sie diesbezüglich an, dass Sie auf keinen Fall nach Bulgarien zurückkehren wollen würden, da Ihnen dort 18 Monate Haft drohen würden. Sie würden außerdem nach Afghanistan geschickt werden und man bekäme keine Unterstützung in Bulgarien. Schließlich gaben Sie an, dass die Lage dort sehr schlimm wäre. Konkrete Vorfälle brachten Sie keine vor und gaben ebenfalls an, dass Sie sich weder an die Polizei oder eine Menschenrechtsorganisation vor Ort gewandt hätten.

An dieser Stelle wird auf die oa. unbedenkliche Länderfeststellung zur Lage in Bulgarien verwiesen, in welcher konkret ausgeführt ist, dass für das erstinstanzliche Asylverfahren die Staatliche Agentur für Flüchtlinge beim Ministerrat (State Agency for Refugees with the Council of Ministers, SAR) zuständig ist. Es existiert ein mehrstufiges Asylverfahren mit Beschwerdemöglichkeiten. Die Regierung garantiert einen gewissen Schutz vor Ausweisung oder Rückkehr von Migranten und Asylwerbern in Länder, in denen ihr Leben oder ihre Freiheit aufgrund von Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder politischer Gesinnung bedroht wäre.

99,8% der betretenen illegalen Migranten geben an, dass Bulgarien nicht ihr Zielland ist. Ende 2016 stieg die Quote der Antragsteller, die ihr Verfahren nicht zu Ende führen, auf 84%. 44% der Asylverfahren wurden eingestellt (discontinued) und 41% in Abwesenheit entschieden. Nur 15% der Asylwerber blieben lange genug im Land, um eine inhaltliche Entscheidung zu erhalten. Mit Jänner 2016 ist in Bulgarien eine Reihe von Gesetzesänderungen in Kraft getreten. Demzufolge ist ein Verfahren zu suspendieren, wenn sich der Antragsteller diesem für mehr als zehn Arbeitstage entzieht. Nach weiteren drei Monaten ist das Verfahren zu beenden. Erscheint der Antragsteller binnen einer Frist von sechs Monaten ab Beendigung und bringt triftige Gründe für sein Fernbleiben vor, ist das Verfahren wiederzueröffnen. Die zuvor gebräuchliche Drei-Monats-Regel für die Wiedereröffnung von Verfahren existiert nicht mehr. Ohne triftige Gründe für das Fernbleiben bleibt nur die Möglichkeit eines Folgeantrags, der aber als unzulässig gilt, wenn er keine neuen Elemente in Bezug auf den Antragsteller oder den Herkunftsstaat enthält. Wenn es bereits einen Antrag gab, aber das Verfahren des Dublin-Rückkehrers nicht inhaltlich geführt wurde, ist dieses jedenfalls wiederzueröffnen. Sind mehr als sechs Monate seit Einstellung des Verfahrens vergangen, würde in so einem inhaltlich noch nicht behandelten Fall ein erneuter Antrag als Erstantrag gelten (und nicht als Folgeantrag).

Folgeantragsteller (außer Vulnerable) haben während der Zulässigkeitsprüfung ihres Folgeantrags (de jure 14 Tage) kein Recht auf Unterbringung, Sozialhilfe, Krankenversicherung/-versorgung und psychologische Hilfe. Bei Antragstellern, deren suspendiertes Verfahren wiedereröffnet wird, weil es triftige Gründe für Ihr Fernbleiben gibt, ist laut Gesetz das Recht auf Krankenversicherung als fortdauernd (continuous) zu betrachten.

Die Angaben zum Zugang von Dublin-Rückkehrern zu Versorgung sind widersprüchlich. Zum einen sagt der AIDA-Bericht, dass Antragsteller, die sich dem Verfahren entziehen, in der Praxis bei Rückkehr das Recht auf Versorgung verlieren. Sie können auf eigene Kosten außerhalb der Zentren wohnen, was demnach hauptsächlich Dublin-Rückkehrer ohne Recht auf Versorgung in Anspruch nehmen. Ihre Zahl ist aber nicht sehr hoch. Auf der andren Seite gibt AIDA an, dass SAR vor der Ankunft von Dublin-Rückkehrern die Grenzpolizei darüber informiert, ob der Rückkehrer in ein Unterbringungszentrum zu verbringen (im Falle einer Wiedereröffnung des Verfahrens; bzw. wenn Rückkehrer die Ablehnung seines Antrags in Abwesenheit noch nicht mitgeteilt wurde), oder in Schubhaft zu nehmen ist (etwa wenn eine negative Entscheidung in Abwesenheit Rechtskraft erlangte). Jedenfalls übernahm Bulgarien 2016 624 Dublin-Rückkehrer (von 10.377 Anfragen). 2015 waren es noch 262 Rückkehrer gewesen (von 8.131 Anfragen). Im Prinzip gibt es für Dublin-Rückkehrer keine Hindernisse beim Zugang zum Verfahren in Bulgarien.

Bezüglich der Anschlussversorgung depressiver Dublin-Rückkehrer teilt SAR mit, dass bei vulnerablen Personen mit spezifischen Bedürfnissen, einschließlich Personen mit psychischen und psychiatrischen Problemen, deren spezifischer Zustand berücksichtigt wird. Gegenwärtig entsprechen das nationale System für internationalen Schutz in Bulgarien und die nationale Gesetzgebung im Bereich des Asyls der Gesetzgebung der EU mit sämtlichen Mindeststandards, einschließlich für die Aufnahmebedingungen. Als EU-Mitglied hält sich Bulgarien an die EU-Asylpolitik und –Gesetzgebung und folgt diesen sehr streng. Im Falle eines depressiven Dublin-Rückkehrers wird das Verfahren wieder aufgenommen und die Person hat alle in der Gesetzgebung vorgesehenen Rechte eines Asylwerbers, einschließlich das Recht auf psychologische Hilfe. Bei der Aufnahme einer Person mit speziellen Bedürfnissen werden Experten mit der jeweiligen medizinischen Qualifikation zugezogen und die betroffene Person wird von denen medizinisch, bzw. psychologisch betreut. Die Psychologen von SAR und die NGOs Zentrum „Nadya“, IOM und das Bulgarische Rote Kreuz leisten selbstmordgefährdeten Dublin-Rückkehrer in Bulgarien Hilfe. Folgende Dienstleistungen werden angeboten: psychologische Beratung, Psychotherapie, psychiatrische Beratung, individuelle Einschätzung des psychologischen Verhaltens, Erstellen von Zertifikaten für psychologische und psychisch-gesundheitliche Folgen eines Traumas. Das bulgarische Asylgesetz definiert als vulnerable Gruppen: Kinder, Schwangere, Alte, alleinstehende Elternteile in Begleitung ihrer minderjährigen Kinder, Behinderte und Opfer schwerer Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt. Die Gesetze sehen keine spezifischen Identifikationsmechanismen für Vulnerable vor, weswegen sich NGOs besorgt über den Mangel an Verfahrensgarantien für Vulnerable zeigen. Die Feststellung einer etwaigen Vulnerabilität wird vor der Registrierung durch Gruppenbefragungen vorgenommen. In der Praxis werden bestimmte Maßnahmen zur Sicherstellung der Medikation bzw. Ernährung bei bestimmten schweren chronischen Krankheiten gesetzt, z.B. Diabetes, Epilepsie, etc.).

Asylwerber haben laut Gesetz das Recht auf materielle Versorgung während des Asylverfahrens, inklusive eines etwaigen Beschwerdeverfahrens. Die Aufenthaltsdauer in den Zentren ist gesetzlich nicht begrenzt. Wenn es für Neuankömmlinge nicht genug Unterbringungsplätze geben sollte, werden in der Praxis solche ohne eigene Mittel prioritär untergebracht. Spezifische Bedürfnisse und das Armutsrisiko (finanzielle Mittel, Arbeitsmöglichkeiten, Arbeitserlaubnis, Zahl der abhängigen Familienmitglieder, etc.) werden in jedem Fall bewertet. Mit Erhalt der Asylwerbekarte, welche die Verfahrensidentität bestätigt, ist das Recht sich in Bulgarien aufzuhalten, auf Unterbringung und Versorgung, sowie zu Sozialhilfe im selben Ausmaß wie bulgarische Staatsbürger und zu Krankenversicherung, medizinischer Versorgung, psychologischer Versorgung und Bildung gegeben. Folgeantragsteller erhalten keine Asylwerberkarte und haben auch kein Recht auf materielle Versorgung. Sie haben lediglich ein Recht auf Übersetzerleistungen während die Zulässigkeit ihres Folgeantrags im Eilverfahren geprüft wird. Wurde der Folgeantrag nur eingebracht, um die Außerlandesbringung zu verzögern, besteht auch kein Recht auf Verbleib im Land. Die Zulässigkeit muss binnen 14 Tagen geklärt werden. Im Frühjahr 2015 wurde rückwirkend mit 1. Februar 2015 beschlossen, die Sozialhilfe für Asylwerber in Höhe von BGN 65,- (EUR 33,-) nicht mehr auszubezahlen, weil die Asylwerber in den Zentren der SAR drei warme Mahlzeiten am Tag erhalten würden. Letzteres ist Berichten zufolge aber nicht immer zutreffend. Einige NGOs haben daher gegen diese Entscheidung gerichtliche Beschwerde erhoben, welche jedoch nicht zugelassen wurde. Wenn Antragsteller sich dem Verfahren entziehen, verlieren sie bei Rückkehr in der Praxis das Recht auf Versorgung.

Bulgarien verfügt über Unterbringungszentren in Sofia (Ovcha Kupel, Vrazhdebna und Voenna Rampa), Banya und Harmanli sowie Pastrogor. Die Kapazität der Unterbringungszentren liegt bei ca. 5.130 Plätzen, SAR selbst spricht mit Stand Anfang 2017 von 5.490 Plätzen. Wenn das Asylverfahren länger als drei Monate dauert, haben Antragsteller Zugang zum Arbeitsmarkt bzw. zu Jobtrainings und Sozialleistungen im Falle von Arbeitslosigkeit. In der Praxis ist der Zugang zum Arbeitsmarkt aufgrund der Sprachbarriere, genereller Rezession und hoher Arbeitslosenzahlen aber schwierig.

Asylwerber haben ein Recht auf dieselbe medizinische Versorgung wie bulgarische Staatsbürger. SAR ist verpflichtet Asylwerber krankenzuversichern. In der Praxis haben Asylwerber damit mit denselben Problemen zu kämpfen wie Bulgaren, da das nationale Gesundheitssystem große materielle und finanzielle Defizite aufweist. In dieser Situation ist laut AIDA spezielle Betreuung für Folteropfer und Traumatisierte nicht verfügbar. Wenn das Recht auf Versorgung, aus welchen Gründen auch immer, entzogen wird, betrifft das auch das Recht auf medizinische Versorgung. Medizinische Grundversorgung ist in den Unterbringungszentren gegeben, und zwar entweder durch eigenes medizinisches Personal oder Nutzung der Notaufnahmen lokaler Hospitäler. Alle Zentren verfügen über medizinische Behandlungsräume. In Bulgarien besteht grundsätzlich die Möglichkeit, rezeptfreie Medikamente auch über das Internet zu erwerben. MedCOI bearbeitet grundsätzlich keine medizinischen Anfragen zu EU-Mitgliedsstaaten, da die medizinischen Mitarbeiter von MedCOI (Ärzte) davon ausgehen, dass medizinische Behandlungsmöglichkeiten in der EU generell in ausreichendem Maße verfügbar sind. Ausnahmen von dieser Regel sind nur in sehr spezifischen Einzelfällen möglich.

Die bulgarischen Behörden stimmten Ihrer Wiederaufnahme gem. der Dublin-VO zu und erklärten sich somit bereit, Sie nach Bulgarien einreisen zu lassen und die Ihnen gegenüber bestehenden Verpflichtungen wahrzunehmen. Es kann somit festgestellt werden, dass Sie im Falle der Rückbringung nach Bulgarien dort die Ihnen zugesicherten Leistungen in Anspruch nehmen können.

Verkannt wird aber nicht, dass entsprechende Fälle von Fehlverhalten bulgarischer Staatsorgane gegen Asylwerber Innen vorkommen können. Es ist aber klar festzustellen, dass es sich bei Bulgarien um einen Rechtsstaat mit ausreichenden Rechtsschutzeinrichtungen handelt, um sich gegen behördliches Fehlverhalten zur Wehr setzen zu können, was Sie jedoch vermieden und auch nicht bei Menschenrechtsorganisationen um etwaige Hilfe angesucht haben.

Das Bundesamt kommt zu dem Schluss, dass einer Rücküberstellung hinsichtlich Ihres Vorbringens nichts im Wege steht, da die Zuständigkeit Bulgariens eindeutig mit dem Schreiben vom 25.06.2021 geklärt ist und der Mitgliedsstaat Bulgarien sich bereiterklärt hat Sie zurück zu nehmen, sich Ihres Verfahrens anzunehmen und den Sachverhalt zu prüfen. Hinsichtlich eines Non. Refoulment wird auf die oben beigefügten Länderinformationsblätter verwiesen.

Die Feststellungen zur Pandemie ergeben sich aus dem Amtswissen sowie die konkreten Daten aus den Angaben der Johns Hopkins University in Baltimore, USA, die ausführlich Daten rund um die Pandemie sammelt, auswertet und zur Verfügung stellt.

Die Feststellungen zum Virus SARS-CoV-2 ergeben sich aus den vom Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz als oberste Gesundheitsbehörde veröffentlichte Informationen.

Zusammenfassend ergibt sich, dass in Bulgarien die gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen eingehalten werden.

Im Bescheid wurde insbesondere ausgeführt, dass die Identität des BF mangels identitätsbezeugender Dokumente nicht feststehe. Aufgrund der Angaben des BF, des Eurodac-Abgleiches und der Zustimmung der bulgarischen Behörden stehe der Sachverhalt für das BFA fest. Der BF habe angegeben, gesund zu sein. Er leide somit an keinen schweren, lebensbedrohenden Krankheiten, die einer Überstellung nach Bulgarien entgegenstehen würden. Auch sei darauf zu verweisen, dass schon aufgrund der ausdrücklichen Zusicherung seitens der bulgarischen Behörden, den BF zu übernehmen, keine maßgebliche Wahrscheinlichkeit dafür erkannt werden könne, dass man den BF in Bulgarien ohne jegliche staatliche Versorgung (insbesondere medizinische Versorgung) gleichsam seinem Schicksal überlassen würde. Die Feststellungen zur derzeit weltweit herrschenden Pandemie seien aktualisiert und entsprechend dargestellt worden. Es seien weder schützenswerte familiäre noch besonders ausgeprägte private Anknüpfungspunkte in Österreich gegeben, weshalb die Außerlandesbringung keinen ungerechtfertigten Eingriff in das Grundrecht nach Art. 8 EMRK darstelle. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 sei nicht erschüttert worden und habe sich kein Anlass zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO ergeben.

3. Gegen den Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde eingebracht, die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt und im Wesentlichen vorgebracht, der BF habe in Bulgarien keine hinreichende Unterbringung oder Versorgung erhalten, sei in eine Zelle gesperrt worden mit zahlreichen anderen Personen und fürchte er in Bulgarien kein faires Verfahren zu erhalten. Die Ermittlungstätigkeiten des BFA seien nicht hinreichend und es sei keine Einzelfallprüfung erfolgt. Auszugsweise wurden Berichte über Bulgarien aus den Jahren 2018 und 2019 in der Beschwerde wiedergegeben.


II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Festgestellt wird zunächst der unter Pkt. I. dargelegte Verfahrensgang.

Die erkennungsdienstliche Behandlung ergab einen EURODAC-Treffer über eine Asylantragstellung in Bulgarien am 29.01.2021.

Am 18.06.2021 wurde gegen den BF die Dublin–Schubhaft gem. Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung iVm § 76 Abs. 2 Z 3 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG erlassen.

Mit Schreiben vom 25.06.2021 erklärte Bulgarien sich damit einverstanden, den BF gemäß
Art. 18 Abs. 1 lit d. Dublin III-VO rückzuübernehmen.

Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den oben wiedergegebenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur allgemeinen Situation im Mitgliedstaat Bulgarien an.

Konkrete, in der Person des BF gelegene Gründe, welche für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung im zuständigen Mitgliedstaat sprechen würden, liegen nicht vor.

Der BF hat nicht in substantiierter Weise dargetan, dass er im Falle einer Überstellung nach Bulgarien Gefahr liefe, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

Der erst 22jährige BF ist gesund. Ärztliche Unterlagen wurden nicht vorgelegt. Schwere oder lebensbedrohende Erkrankungen, welche der Überstellung des BF nach Bulgarien entgegenstehen, liegen nicht vor.

Die aktuelle Situation hinsichtlich der Covid-19-Pandemie begründet keine Unmöglichkeit einer Rückkehr des BF nach Bulgarien.

Bei Covid-19 handelt es sich um eine durch das Corona-Virus SARS-COV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet. Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15 % der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung so schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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