TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/2 W175 2230168-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.08.2021
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Entscheidungsdatum

02.08.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs3

Spruch


W175 2230168-1/8E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag. Neumann über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch die Caritas der Diözese Graz-Seckau, Mariengasse 24, 8020 Graz, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.02.2020, Zahl: 1248381005-191014354:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (BF) reiste nach seinen Angaben unter Umgehung der Einreisebestimmungen und schlepperunterstützt in Österreich ein und stellte am 06.10.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (AsylG).

I.2. In der Erstbefragung vom selben Tag gab der BF im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Paschtu im Wesentlichen Folgendes an:

Er sei afghanischer Staatsangehöriger, am XXXX in der Provinz Nangarhar, Afghanistan, geboren, Paschtune und sunnitischer Moslem. Der BF sei unverheiratet und habe vier Jahre die Grundschule besucht. Er habe einen Bruder im Alter von neun Jahren, der mit den Eltern an der von ihm genannten Adresse lebe.

Als Fluchtgrund gab der BF an, dass sein Vater alt und schwach sei und auch nicht arbeite. Der Vater habe sich Geld geborgt, um den BF in ein sicheres Land zu bringen, damit dieser die Familie versorgen könne. Im Falle einer Rückkehr fürchte der BF seine Verwandtschaft, da er die Kosten des Schleppens nicht zurückzuzahlen könne.

I.3. Am 11.10.2019 erfolgte aufgrund eines Handwurzelröntgens der linken Hand die Bestimmung des Knochenalters mit folgendem Ergebnis: "Hand links, FFA 76, Sämtliche Epiphysenfugen an den Phalangen und den Metacarpalia sind geschlossen. Die Epiphysenfuge an der Ulna ist knöchern durchbaut, am Radius kortikal noch nicht vollständig knöchern durchbaut. Ergebnis: Finales Stadium Schmeling 3, GP 30".

Auf Nachfrage beim zuständigen Arzt wurde dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 15.10.2019 mitgeteilt, dass das Handröntgen beim BF eine randständig offene Wachstumsfuge an der Speiche aufgezeigt habe, weshalb kein Schlüsselbein-CT erfolgen könne.

Das BFA veranlasste keine weiteren Untersuchungen zur Altersfeststellung des BF.

I.4. Am 10.01.2020 erfolgte im Beisein des gesetzlichen Vertreters des BF und eines Dolmetschers für die Sprache Paschtu eine niederschriftliche Einvernahme vor dem BFA. In dieser gab der BF an, der Volksgruppe der Pashais anzugehören. Er sei in Nangarhar aufgewachsen, an genaue Daten bezüglich seines Schulstarts oder des Umzugs vom Dorf in die Stadt könne er sich nicht erinnern. Seine Eltern, mit welchen er regelmäßig telefoniere, würden gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder weiterhin in Nangarhar leben. Sein Geburtsdatum habe er nur so angegeben, weil er von seiner Mutter bei der Ausreise erfahren habe, dass er in etwa 15 oder 16 Jahre alt sei. Mit seinem älteren Bruder habe er eine Autowerkstatt gehabt. Ausbildung habe er zwar keine, aber dies sei der Beruf der Familie mütterlicherseits gewesen. Er verfüge über viel Praxis und habe diese Tätigkeit mindestens fünf Jahre lang ausgeübt.

Zu seinem Fluchtgrund führte der BF aus, dass sein älterer Bruder, der mit ihm zusammen als Mechaniker in der Werkstatt gearbeitet habe, vor ungefähr sieben Monaten ermordet worden sei. Ein Kunde, welcher seine Schulden nicht gezahlt habe, sei ein einflussreicher Mann. Eines Tages sei der Bruder zu einer Autopanne gerufen worden, aber nicht mehr zurückgekehrt. Danach habe die Familie über die Polizei von seiner Ermordung erfahren. Das letzte geführte Telefonat, welches auf dem von der Polizei sichergestellten Handy ersichtlich gewesen sei, sei mit diesem Kunden geführt worden. Er habe dann gegenüber vielen anderen den Verdacht geäußert, dass eben nur dieser einflussreiche Kunde der Mörder sein könne. Nachdem sich diese Nachricht verbreitet habe, sei es zu einer Bedrohungssituation gekommen, bei welcher er aufgefordert worden sei, in das Auto jenes Kunden zu steigen. Der BF habe sich geweigert und im Zuge der darauffolgenden Auseinandersetzung seien drei Finger seiner linken Hand unter die Reifen der Rikscha gekommen. Zu Hause habe sein Vater aus Angst um ihn beschlossen, ihn in Richtung Europa zu schicken. Da sein Leben in Gefahr gewesen sei, habe er aus Furcht entführt zu werden, das Geschäft nach diesem Vorfall nicht mehr aufgesucht. Eine Anzeige sei wohl von Ihnen erstattet, aber nicht bearbeitet worden.

Angesprochen auf die Divergenz zur Erstbefragung, gab der BF an, dass er in Bulgarien schlechte Erfahrungen gemacht habe, und aus Angst, nach Afghanistan zurückgeschickt zu werden, irgendetwas gesagt habe. Darüber hinaus habe es mit dem Dolmetscher nicht gut funktioniert. Dieser habe kurze Angaben immer lange übersetzt und daher habe er nicht gewusst, was der Dolmetscher sage. Eine Rückübersetzung sei auch nicht gemacht worden.

I.5. Vom gesetzlichen Vertreter des BF wurde mit Eingabe vom 23.01.2020 eine Stellungnahme bei der belangten Behörde eingebracht, in welcher auf die Blutrache in der Gesellschaft der Paschtunen, die aktuelle Sicherheitslage in Nangarhar, auf das Fehlen einer innerstaatlichen Fluchtalternative und zur besonderen Gefährdungslage von Minderjährigen in Afghanistan Stellung genommen wurde. Im Speziellen wurde auf die Situation des BF im Falle einer Rückkehr eingegangen.

I.6. Mit Bescheid vom 13.02.2020 wies das BFA den Antrag auf internationalen Schutz des BF vom 06.10.2019 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und den Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt II.). Dem BF wurde gemäß § 57 AsylG 2005 ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz (FPG) erlassen (Spruchpunkt IV.). Des Weiteren gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Abschließend wurde festgestellt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des BF gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde sowohl Feststellungen zur Person des BF als auch zur Lage in seinem Herkunftsstaat. Insbesondere wurde festgestellt, dass der BF aus Jalalabad, in Afghanistan, stamme, dort familiäre Anknüpfungspunkte habe und zu seinen Familienangehörigen weiterhin Kontakt habe. Er habe dort die Schule besucht und bereits Berufserfahrung gesammelt, daher sei dem BF eine Rückkehr in den Familienverband möglich. Der BF habe keine Verfolgung durch seinen Herkunftsstaat oder durch Drittpersonen in seinem Herkunftsstaat glaubhaft machen können.

Beweiswürdigend führte das BFA (zusammengefasst) aus, dass der BF seine Fluchtgründe in der Einvernahme vor dem BFA gesteigert habe, zumal er in der Erstbefragung die Ermordung seines Bruders in Zusammenhang mit seiner Ausreise aus Afghanistan nicht erwähnt habe. So wirke die in der Einvernahme vorgebrachte Fluchtgeschichte konstruiert, daher könne seinem Vorbringen insgesamt kein Glaube geschenkt werden. Trotz seines geringen Lebensalters sei der BF aufgrund seines reifen Eindrucks, welchen er vor dem BFA gemacht habe, des Schulbesuchs und der mehrjährigen Berufserfahrung einem jungem Erwachsenen gleichzusetzen. Die Familie des BF lebe darüber hinaus weiterhin ohne Probleme in Afghanistan an der alten Wohnadresse.

Zur Inanspruchnahme der innerstaatlichen Fluchtalternative wurde ausgeführt, dass ihm eine solche in Kabul aufgrund der Unterstützungsmöglichkeit durch seine in Afghanistan aufhältige Familie gegeben sei. Beim BF würde es sich um einen arbeitsfähigen jungen Mann, der in Afghanistan aufgewachsen sei, den Großteil seines Lebens dort verbracht habe und grundsätzlich am Erwerbsleben teilnehmen könne, handeln.

I.7. Gegen diesen Bescheid richtet sich der Schriftsatz der Caritas vom 17.03.2020, in welchem zunächst auf die fehlenden Feststellungen beziehungsweise das fehlende multifaktorielle Gutachten hinsichtlich der Volljährigkeit des BF hingewiesen wurde. Moniert wurde in diesem Zusammenhang das fehlende medizinische Fachwissen der belangten Behörde, um die notwendigen Schlussfolgerungen treffen zu können. Somit könne der Würdigung zur Volljährigkeit kein Begründungswert zugesprochen werden und sei diese daher aufgrund der spekulativen Natur nicht beachtlich.

Überdies sei eine besonders sorgfältige Prüfung der möglichen Risiken, insbesondere in Fällen von Kindern, deren Familie Ziel von Bedrohungen durch regierungsfeindliche Kräfte seien, notwendig. Familienmitglieder seien oftmals Ziele von Anschlägen durch regierungsfeindliche Gruppierungen wie den Taliban. Aufgrund seiner Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie seines ermordeten Bruders sowie der ihm unterstellten politischen Gesinnung habe der minderjährige BF Angst vor Verfolgungshandlungen, welche die Mörder seines Bruders setzen könnten, um der von seiner Seite allenfalls drohenden „Blutrache“ vorzubeugen.

Darüber hinaus würde im Falle einer Rückkehr der minderjährige BF insbesondere der Gefahr einer Zwangsrekrutierung oder sonstigen das Kindeswohl bedrohenden Situationen ausgesetzt sein. Insbesondere sei von der belangten Behörde nicht gewürdigt worden, dass es sich im Falle des BF, um einen unbegleiteten Minderjährigen handle, dessen besondere Vulnerabilität außerordentliche Beachtung geschenkt hätte werden müssen.

I.8. Die Beschwerde samt Verwaltungsakt langte am 06.04.2020 beim BVwG ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen und Beweiswürdigung:

Die unter Pkt. I als Verfahrensgang dargelegten Ausführungen werden als Feststellungen der vorliegenden Entscheidung zugrunde gelegt. Diese ergeben sich aus dem unzweifelhaften Akteninhalt.

2. Rechtliche Beurteilung:

2.1. Anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2013, entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2013, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes – AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 28 VwGVG lautet:

(1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

§ 1 BFA-Verfahrensgesetz – BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 in der geltenden Fassung bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem BFA, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem BVwG gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG 2005 und Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG bleiben unberührt.

Soweit nicht ein Erkenntnis gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG zu fällen ist, erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG durch Beschluss.

2.2. Rechtlich folgt daraus:

2.2.1. Die gegenständliche, zulässige und rechtzeitige Beschwerde wurde mit Schreiben vom 17.03.2020, eingelangt am 18.03.2020, beim BFA eingebracht und ist beim BVwG am 06.04.2020 eingegangen.

Zu Spruchteil A):

2.2.2. Gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht (VwG) den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, sofern die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat.

Zur Anwendung der Vorgängerbestimmung des § 66 Abs. 2 AVG durch den Unabhängigen Bundesasylsenat – an dessen Stelle als Rechtsmittelinstanz in Asylsachen mit 01.07.2008 der Asylgerichtshof und mit 01.01.2014 das BVwG getreten ist – hat der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) mit Erkenntnis vom 21.11.2002, 2002/20/0315, ausgeführt:

„Im Berufungsverfahren vor der belangten Behörde ist gemäß § 23 AsylG und Art. II Abs. 2 Z 43a EGVG (unter anderem) § 66 AVG anzuwenden. Nach § 66 Abs. 1 AVG in der Fassung BGBl. I Nr. 158/1998 hat die Berufungsbehörde notwendige Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens durch eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde durchführen zu lassen oder selbst vorzunehmen. Außer dem in § 66 Abs. 2 AVG erwähnten Fall hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, gemäß § 66 Abs. 4 AVG immer in der Sache selbst zu entscheiden (vgl. dazu unter dem besonderen Gesichtspunkt der Auslegung der Entscheidungsbefugnis der belangten Behörde im abgekürzten Berufungsverfahren nach § 32 AsylG die Ausführungen im Erkenntnis vom 23.07.1998, 98/20/0175, Slg. Nr. 14.945/A, die mehrfach vergleichend auf § 66 Abs. 2 AVG Bezug nehmen; zu diesem Erkenntnis siehe auch Wiederin, ZUV 2000/1, 20 f.)“

2.2.3. Der Verwaltungsgerichtshof judiziert in mittlerweile ständiger Rechtsprechung, dass das Verwaltungsgericht prinzipiell nicht nur die gegen einen verwaltungsbehördlichen Bescheid eingebrachte Beschwerde, sondern auch die Angelegenheit zu erledigen hat, die von der Verwaltungsbehörde zu entscheiden war (vgl. etwa VwGH 30.01.2019, Ra 2018/03/0131, mwN). Eine Auslegung des § 27 VwGVG dahingehend, dass die Prüfbefugnis der Verwaltungsgerichte stark eingeschränkt zu verstehen wäre, ist demnach unzutreffend (vgl. VwGH 09.09.2015, Ra 2015/03/0019, mit Hinweis auf VwGH 17.12.2014, Ro 2014/03/0066). Allerdings stellt die "Sache" des bekämpften Bescheides den äußersten Rahmen für die Prüfbefugnis des Verwaltungsgerichts dar. "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ist jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat (vgl. etwa VwGH 09.09.2015, Ro 2015/03/0032, mwN).

2.2.3.1. Nach der mittlerweile ständigen, vom Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, ausgehenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Zulässigkeit bzw. Unzulässigkeit einer Aufhebung und Zurückverweisung gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG stellt die Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis steht diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden. Der Verwaltungsgerichtshof hat auch bereits wiederholt hervorgehoben, dass selbst Bescheide, die in der Begründung dürftig sind, keine Zurückverweisung der Sache rechtfertigen, wenn brauchbare Ermittlungsergebnisse vorliegen, die im Zusammenhalt mit einer allenfalls durchzuführenden Verhandlung (§ 24 VwGVG) zu vervollständigen sind (vgl. zum Ganzen VwGH 26.6.2019, Ra 2018/11/0092, mwN).

§ 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat.

2.2.3.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat somit in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, folgende Grundsätze herausgearbeitet (vgl. auch VwGH 30.06.2015, Ra 2014/03/0054):

Die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht kommt nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.

Der Verfassungsgesetzgeber hat sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 BGBl. I Nr. 51/2012, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen ist.

Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stellt die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz leg.cit. bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Grenzen sind die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer, sodass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Wie bereits oben erwähnt kommt eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).

2.2.4. Der angefochtene Bescheid erweist sich vor diesem Hintergrund in Bezug auf den ermittelten Sachverhalt aus folgenden Gründen als mangelhaft:

2.2.4.1. Wie dem Verfahrensgang zu entnehmen ist, hat das BFA es unterlassen, wie in der Beschwerde zutreffend ausgeführt, die notwendigen Ermittlungsschritte zum Alter des BF zu setzen sowie entsprechende Feststellungen zu treffen und nachvollziehbar darzulegen, von welchem Alter des BF die Behörde aus welchen Gründen ausgehe. Auch wenn für das BFA offenbar aufgrund der persönlichen Ausstrahlung, des reifen Auftretens, der ausgewachsenen Statur, des Bartwuchses und der Gestik und Mimik Zweifel an der angeführten Minderjährigkeit des BF bestanden haben, sind allein diese Indizien im Gesamtkontext des gegenständlichen Einzelfalls gesehen noch nicht abschließend geeignet, um hieraus die Volljährigkeit des BF abzuleiten.

Bei der Feststellung der Minderjährigkeit handelt es sich um einen wesentlichen Punkt im Asylverfahren. § 13 Abs. 3 BFA-VG legt fest, dass die Asylbehörden die Durchführung einer multifaktoriellen Untersuchungsmethodik zur Altersdiagnose anordnen können, wenn es dem Antragsteller nicht gelingt, eine behauptete und auf Grund der bisher vorliegenden Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens zweifelhafte Minderjährigkeit nachzuweisen.

Da weder aus den bisher vorliegenden Ermittlungsergebnissen hinreichend gesicherte Aussagen zur Volljährigkeit beziehungsweise Minderjährigkeit des BF gezogen werden können, noch der BF seine behauptete Minderjährigkeit durch geeignete Bescheinigungsmittel nachweisen kann, wird eine multifaktorielle Altersdiagnose anzuordnen sein, um Klarheit über das Alter des BF erhalten zu können. Ohne die solcherart bezeichneten Erhebungen kann aus Sicht des erkennenden Gerichts nicht von Entscheidungsreife gesprochen werden.

Bestehen auch nach der medizinischen Altersdiagnose begründete Zweifel an der Volljährigkeit zum Zeitpunkt der Antragstellung, ist gemäß § 13 Abs. 3 BFA-VG von einer Minderjährigkeit des BF auszugehen.

2.2.4.2. Im verfahrensgegenständlichen Bescheid hält das BFA unter Verweis auf das Ergebnis eines Handwurzelröntgens vom 11.10.2019 nur fest, dass dieses einen Grenzwert von GP 30 ergab, ohne diesbezüglich weitere Ermittlungen getätigt zu haben. Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass das BFA einen - für sich allein genommen - ungeeigneten Ermittlungsschritt setzte, lassen sich doch aus den darin enthaltenen Angaben noch keine Schlüsse auf eine eventuell vorliegende Volljährigkeit ziehen. Nach den erläuternden Bemerkungen zu § 13 Abs. 3 BFA-VG ist ein Handwurzelröntgen alleine nämlich nicht ausreichend, sondern eine Altersdiagnose auf Grundlage eines Untersuchungsmodells zu erfolgen hat, das sich auf drei individuelle medizinische Untersuchungen stützt (vgl. RV 1803 XXIV. GP).

Darüber hinaus hielt die Behörde im Bescheid noch fest, dass das äußere Erscheinungsbild des BF mit dem in Österreich angegebenen Geburtsdatum in keiner Weise vereinbar sei. Für diese Annahme fehlte der Behörde jedoch das nötige medizinische Fachwissen. Auf Grundlage des Ergebnisses des zu erstellenden multifaktoriellen Gutachtens, wird das BFA in der Folge eine Neubeurteilung für darüber gegebenenfalls hinausgehenden Ermittlungen zu treffen haben.

Insofern ist sowohl unter entsprechender Nichtberücksichtigung des vom Arzt übermittelten Mails hinsichtlich einem nicht durchführbaren Schlüsselbein-CT als auch einer ausständigen Beauftragung eines Gutachtens, die Begründung im gegenständlichen Bescheid, dass das vom BF angegebene Alter, nicht glaubhaft gewesen und daher von einer Volljährigkeit auszugehen sei, nicht nachvollziehbar.

In der Stellungnahme und der Beschwerde des Vertreters des BF wird mehrmals auf die Vulnerabilität von Minderjährigen Bezug genommen, wonach eine besonders sorgfältige Prüfung der Risiken in Fällen von Kindern, deren Familie Ziel von Bedrohungen durch regierungsfeindliche Kräfte sind, vorzunehmen ist.

Die Höchstgerichte haben im Falle von minderjährigen Kindern bereits wiederholt ausgesprochen, dass es einer spezifischen Prüfung bedarf, ob besonders vulnerable und schutzbedürftige Personengruppen, zu denen minderjährige Kinder gehören, bei einer Rückkehr nach Afghanistan, eine Verletzung ihrer durch Art. 3 EMRK garantierten Rechte droht (vgl. VfGH 21.09.2017, E 2130-2132/2017/14; VfGH 11.10.2017 E1734-1738/2017-8; VwGH 21.03.2018, Ra 2017/18/0474-0479-9).

Insofern kann die Begründung des BFA im Rahmen der Prüfung der innerstaatlichen Fluchtalternative nicht nachvollzogen werden, als diese im konkreten Fall beim minderjährigen BF von einem arbeitsfähigen jungen Mann, der in Afghanistan aufgewachsen ist und bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann, ausgeht. Auch wenn der BF den Ausführungen des BFA nach, eigenen Angaben nach bereits als Kind Arbeitserfahrung als Mechaniker gesammelt hat, so würde dieser Umstand, im Falle der Rückkehr des BF nach Afghanistan, es nicht rechtfertigen, dass dieser gezwungener Maßen neuerlich einer Kinderarbeit nachgehen müsste. Den herangezogenen Länderberichten des BFA nach hat der BF von Seiten der Regierung mit keinem entsprechenden Schutz zu rechnen, als diese nur geringe Bemühungen zeigt, Kinderarbeit zu verhindern oder diese aus ausbeuterischen Verhältnissen zu befreien. Überdies ist den Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 eine interne Schutzalternative unter anderem nur dann zumutbar, wenn die betroffene Person im voraussichtlichen Neunansiedelungsgebiet Zugang zu einem Unterstützungsnetzwerk durch Mitglieder ihrer (erweiterten) Familie oder durch Mitglieder ihrer größeren ethnischen Gemeinschaft hat und man sich vergewissert hat, dass diese willens und in der Lage sind, die betroffenen Personen tatsächlich zu unterstützen. Insofern wäre der BF auf sich alleine gestellt und ist nicht hervorgekommen, inwieweit dieser den nach den Länderberichten nach weit verbreiteten körperlichen Züchtigungen und Übergriffen beziehungsweise sexuellen Missbrauch junger Burschen gegenüber Einhalt geboten werden könnte. Dies ändert allerdings nichts an den Umstand sich mit der konkreten Sicherheitslage von Nangarhar auseinanderzusetzen. Den vom BFA nach herangezogenen Länderberichten zählt diese zu einen der volatilsten Provinzen in Afghanistan. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass die Familie des BF bis dato unversehrt in der Heimatprovinz des BF gelebt hat. Insofern wird das BFA unter Zugrundelegung aktueller Berichte sowohl die objektiven Kriterien (Lage im Land) als auch das Vorliegen von subjektiven bzw. individuellen Kriterien (Situation des Antragstellers) gegebenenfalls bei der Beurteilung des Status als subsidiär Schutzberechtigter zu prüfen haben.

2.2.5. Zusammengefasst ist festzustellen, dass das BFA in Bezug auf die Ermittlung der Sachlage bezüglich der Frage des Vorliegens asylrelevanter Verfolgung als auch bezüglich der Frage des Refoulementschutzes nicht mit der gebotenen Genauigkeit und Sorgfalt vorgegangen ist und die Sachlage nicht ausreichend erhoben bzw. sich (in der Bescheidbegründung) nur mangelhaft mit den Angaben des BF hinsichtlich seiner Minderjährigkeit auseinandergesetzt hat.

Der VwGH verlangt in seiner Rechtsprechung eine ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens eines Asylwerbers unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers und der objektiven Wahrscheinlichkeit seines Vorbringens, wobei letzteres eine Auseinandersetzung mit (aktuellen) Länderberichten verlangt (VwGH 26.11.2003, 2003/20/0389). Aufgrund des mangelnden Ermittlungsverfahrens hat die belangte Behörde jedenfalls eine solche ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens nicht vorgenommen, da die belangte Behörde dieses offensichtlich nicht anhand der konkret entscheidungsrelevanten aktuellen Situation gewürdigt hat.

Aus Sicht des BVwG verstößt das Prozedere der belangten Behörde gegen die in § 18 Abs. 1 AsylG normierten Ermittlungspflichten. Die Asylbehörden haben in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amts wegen beizuschaffen. Diese Rechtsnorm, die eine Konkretisierung der aus § 37 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 leg. cit. hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörde, den maßgeblichen Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und festzustellen darstellt, hat die Erstbehörde in diesem Verfahren missachtet.

2.2.6. Die aufgezeigten Ermittlungsmängel wiegen nach Lage des Falles so schwer, dass im Sinne der dargelegten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes mit einer Aufhebung des angefochtenen Bescheids und Zurückverweisung der Angelegenheit an das Bundesamt gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG vorzugehen ist. Infolge der bloß ansatzweisen und zum Teil untauglichen Ermittlungsschritte der belangten Behörde sind weitere Ermittlungen des Sachverhalts zur Beurteilung des Antrags auf internationalen Schutz unbedingt erforderlich.

Ausgehend von diesen Überlegungen war im vorliegenden Fall vom Bundesverwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG eine kassatorische Entscheidung zu treffen.

Die Feststellung des maßgebenden Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht ist nicht im überwiegenden Interesse der Raschheit gelegen, zumal nicht ersichtlich ist, inwieweit das gerichtliche Verfahren einer Beauftragung eines Gutachtens für die Altersfeststellung des BF schneller als das verwaltungsbehördliche abliefe; ebenso ist keine besondere Dringlichkeit der Rechtssache gegeben. Schließlich ist auch nicht ersichtlich, dass die Führung des Verfahrens durch das Bundesverwaltungsgericht mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wäre (vgl. VwGH 21.11.2019, Ra 2018/10/0090).

Im fortgesetzten Verfahren wird das BFA die dargelegten Mängel zu beheben bzw. die aufgezeigten Ermittlungsschritte zu setzen und in weiterer Folge in einem neuen Bescheid eine Beurteilung des Vorbringens des BF unter Würdigung der jeweiligen Ergebnisse zu treffen haben.

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

In der rechtlichen Beurteilung (Punkt 2.) wurde unter Bezugnahme auf die Judikatur des VwGH ausgeführt, dass im erstbehördlichen Verfahren notwendige Ermittlungen unterlassen wurden. Betreffend die Anwendbarkeit des § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG im gegenständlichen Fall liegt keine grundsätzliche Rechtsfrage vor, weil § 28 Abs. 3 2. Satz inhaltlich § 66 Abs. 2 AVG (mit Ausnahme des Wegfalls des Erfordernisses der Durchführung einer mündlichen Verhandlung) entspricht, sodass die Judikatur des VwGH betreffend die Zurückverweisung wegen mangelhafter Sachverhaltsermittlungen heranzuziehen ist. Im Übrigen trifft § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG eine klare Regelung (im Sinne der Entscheidung des OGH vom 22.03.1992, 5Ob105/90), weshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung Ermittlungspflicht Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung Minderjährigkeit Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W175.2230168.1.00

Im RIS seit

08.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

08.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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