TE Bvwg Beschluss 2021/8/2 L516 2166867-2

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Veröffentlicht am 02.08.2021
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Entscheidungsdatum

02.08.2021

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
BFA-VG §22
B-VG Art133 Abs4

Spruch


L516 2166867-2/3E

BESCHLUSS

In dem amtswegig eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.07.2021, Zahl 1072149903/210969893, erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX , geb XXXX , StA Pakistan, hat das Bundesverwaltungsgericht durch den Richter Mag. Paul NIEDERSCHICK beschlossen:

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs 2 AsylG nicht rechtmäßig. Der zitierte Bescheid wird daher aufgehoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Begründung:

Der Beschwerdeführer ist pakistanischer Staatsangehöriger und stellte am 11.06.2021 den verfahrensgegenständlich ersten Folgeantrag auf internationalen Schutz.

Das BFA hob mit dem im Zuge einer Einvernahme am 29.07.2021 nach einer Befragung des Beschwerdeführers mündlich verkündeten Bescheid gemäß § 12a Abs 2 AsylG den faktischen Abschiebeschutz auf und begründete dies damit, dass die vom Beschwerdeführer angegebenen Gründe für das Verlassen seines Heimatlandes nicht glaubhaft gewesen seien.

Dagegen richtet sich die vorliegende, gem § 22 Abs 10 AsylG gesetzlich fingierte Beschwerde, die zusammen mit den Verwaltungsakten der Behörde am 02.08.2021 bei der zuständigen Gerichtsabteilung einlangte.

1. Sachverhalt

1.1 Zur Person des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Pakistan und gehört der Volksgruppe der Jat sowie der sunnitischen Glaubensgemeinschaft an. Er stammt aus dem Ort XXXX bei Sialkot in der Provinz Punjab. Seine Identität steht fest. Der Beschwerdeführer ist gesund. (NS EB 11.06.2021 S 1-2; NS EV 01.07.2021 S 2; IZR)

1.2 Zum erster Antrag auf internationalen Schutz vom 05.06.2015

Der Beschwerdeführer stellte am 05.06.2015 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Das Bundesverwaltungsgericht wies diesen Antrag im Rechtsmittelverfahren nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Erkenntnis vom 26.05.2020, L506 2166867-1/17E, zur Gänze ab, erließ eine Rückkehrentscheidung und erklärte die Abschiebung nach Pakistan für zulässig. Jenes Erkenntnis wurde am 28.05.2020 der damaligen Rechtsvertretung des Beschwerdeführers zugestellt. (BVwG 26.05.2020, L506 2166867-1/17E)

Der Beschwerdeführer brachte zu jenem ersten Antrag auf internationalen Schutz zusammengefasst vor: Seine Eltern hätten in Peshawar ein Restaurant besessen. Sein Vater habe dort gearbeitet und er habe seinem Vater geholfen. Dann seien Taliban in ihr Restaurant gekommen, aber keiner hätte gewusst, dass jene Taliban seien. Eines Tages habe das Militär die Taliban verhaftet. Das Militär habe geglaubt, dass das Restaurant die Taliban unterstütze und habe auch sie verhaftet. Sein Vater sei nur 2-3 Stunden festgehalten worden, der Beschwerdeführer habe jedoch drei 3 Tage bleiben müssen. Die Taliban wiederum hätten geglaubt, dass sie Informationen an das Militär weitergegeben hätten, weshalb sie nun von den Taliban gesucht würden. Aus diesem Grund habe er Pakistan verlassen. Die Taliban hätten durch den Inhaber des Lokales und eines Freundes des Beschwerdeführers dessen Wohnadresse erfahren und seien cirka zwei Monate nach dem Vorfall mit dem Militär zum cirka 200 Kilometer vom Restaurant entfernten Heimatdorf des Beschwerdeführers gefahren. Dort sei dann von draußen auf die Wohnung der Familie geschossen worden und die Taliban hätten auch zum Beschwerdeführer gerufen, dass sie ihn umbringen werden, weil er dem Militär geholfen habe. Der Nachbar des Beschwerdeführers sei selbst Polizist und habe dann die Polizei gerufen. Als diese eingetroffen sei, seien die Taliban jedoch schon weg gewesen, weswegen die Polizei lediglich eine Anzeige gemacht habe. Ungefähr zehn Tage nach diesem Vorfall habe der Beschwerdeführer Pakistan verlassen. Eine Flucht in eine andere Stadt sei nicht möglich gewesen, weil ihn die Taliban in Pakistan überall finden können. (BVwG 26.05.2020, L506 2166867-1/17E S 2 f; 58/59).

Das Bundesverwaltungsgericht erachtete im damaligen Rechtsmittelverfahren nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit näherer Begründung das Vorbringen des Beschwerdeführers zu dessen vorgebrachten Ausreisegründen für nicht glaubhaft, ging zudem vom Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative im Falle einer hypothetisch angenommenen Glaubhaftigkeit des Vorbringens aus und führte aus, dass auch kein Sachverhalt im Sinne der Art 2 und 3 EMRK vorliege sowie eine Rückkehrentscheidung im Falle des Beschwerdeführers keine Verletzung des Art 8 EMRK darstelle (BVwG 26.05.2020, L506 2166867-1/17E S 58 ff; 68 ff).

1.3 Freiwillige Rückkehr nach Pakistan

Der Beschwerdeführer kehrte nach Abschluss seines ersten Asylverfahrens freiwillig mit Unterstützung des Bundesministeriums für Inneres am 15.09.2020 nach Pakistan zurück. (IZR)

1.4. Zum gegenständlichen ersten Folgeantrag vom 11.06.2021
Am 11.06.2021 stellte der Beschwerdeführer den gegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Die Erstbefragung fand dazu am 12.06.2021 Tag statt, eine Einvernahme vor BFA am 01.07.2021 und 29.07.2021.

Das Verfahren wurde nicht zugelassen.

Zur Begründung des gegenständlichen Folgeantrages brachte der Beschwerdeführer Folgendes vor:

Bei der Erstbefragung am 12.06.2021 brachte der Beschwerdeführer vor, er sei am 01.04.2021 auf den Feldern von drei bewaffneten Talibankämpfern beschossen worden; er habe sich verstecken können, seine Kuh sei getötet worden und kurze Zeit später sei die Polizei gekommen und er habe ein Anzeige erstattet, wobei die Polizei ihm gesagt habe, sie könne nichts gegen die Taliban tun. Danach habe er beschlossen Pakistan zu verlassen, bei einer Rückkehr werde er von den Taliban erschossen. (NS EB 12.06.2021 S 4)

Bei der Einvernahme vor dem BFA am 01.07.2021 und 29.07.2021 führte er aus, er habe nach wie vor dieselben Probleme mit denselben Personen wie bei seinem ersten Antrag, die Probleme seien nur schlimmer geworden, was er mit Unterlagen belegen könne. Bei einer Rückkehr würden ihn die Taliban töten, sie würden immer wieder ins Dorf kommen und nach ihm fragen. Er sei nach seiner Rückkehr nach Pakistan in sein Dorf zurück, weil er nicht gewusst habe, wo er sonst hin solle. Um in einen anderen Teil Pakistans zu gehen benötige man Geld. Er wäre überall unsicher gewesen. Er sei nach Pakistan zurück, habe sich 5 Büffel genommen und habe neu starten wollen. Er sei bis Februar 2021 versteckt geblieben und als er das Geld von der Rückkehr bekommen habe, habe er sich erst die Büffel gekauft. Bei einer Rückkehr nach Pakistan sei sein Leben in Gefahr (NS EV 01.07.2021 S 5; NS EV 29.07.2021 S 2)

Der Beschwerdeführer legte dem BFA ein Schreiben in Urdu vor, das er als jene Polizeianzeige bezeichnete, die er nach dem Angriff der Taliban am 01.04.2021 erstattet habe. (AS 107-108; Übersetzung AS 111-113)

1.5 Das BFA begründete die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutz damit, dass die vom Beschwerdeführer angegebenen Gründe für das neuerliche Verlassen seines Heimatlandes nicht glaubhaft seien.

Das BFA traf für diese Entscheidungen zu den Gründen für die Anträge auf internationalen Schutz sowie zur voraussichtlichen Entscheidung im nunmehrigen Verfahren die folgenden Sachverhaltsfeststellungen (NS EV 29.07.2021, mündl verkündeter Bescheid S 13 (AS 149):

„Im Zuge des gegenständlichen Folgeantrages ergab sich kein neuer objektiver Sachverhalt.

Ihr neuer Antrag auf internationaler Schutz wird daher voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein.“

Die Beweiswürdigung des BFA dazu gestaltet sich dazu wörtlich wie folgt (NS EV 29.07.2021, mündl verkündeter Bescheid S 34-36 (AS 170-172; Orthografie und Interpunktion im Original):

„In Ihren vorangegangenen Verfahren gaben Sie zusammenfassend an, Pakistan aufgrund von Problemen mit den Taliban zu haben. Diese hätten geglaubt, dass Sie Informationen weitergeben hätten, weswegen Sie von diesen gesucht worden wären.

Im Zuge dieses Verfahrens gaben Sie zusammengefasst in der Einvernahme vom 01.07.201 an, einen neuen Asylantrag zu stellen, da Sie nach wie vor dieselben Probleme mit denselben Personen haben würden. Diese Probleme wären nun schlimmer geworden. Weiters gaben Sie an, dass die Taliban in Ihr Dorf gekommen wären und nach Ihnen gefragt hätten.

Im Zuge des Parteiengehörs vom 29.07.2021 führten Sie aus, dass Sie in der Einvernahme vom 01.07.2021 die Wahrheit gesagt hätten.

Betreffend des am 05.07.2021 beim BFA eingelangten fremdsprachigen Schriftstückes wird von Amtswegen festgehalten, dass diesem keinerlei Beweiskraft beizumessen ist. Es wird zwar der von Ihnen im Zuge der Einvernahmen geschilderte Sachverhalt beschrieben, nur ist diesbezüglich festzuhalten, dass nicht verifiziert werden kann, wann, von wem oder wo dieses Schriftstück erstellt worden ist. Sollte es sich aber um eine Anzeigeschrift handeln, so wäre wiederum vielmehr davon auszugehen, dass in diesem Fall die Sicherheitsbehörden vor Ort sehr wohl Schritte und Maßnahmen gegen derartige Geschehnisse setzen, was im Umkehrschluss Ihr Vorbringen wiederum massiv schwächen würde.

Nach gesamtheitlicher Abwägung ist anzuführen, dass sich ihr Parteienbegehren im zweiten – gegenständlichen – Antrag mit dem im ersten deckt. So baut das Vorbringen, Sie hätten Probleme mit den Taliban, auf den bereits in Ihrem Vorverfahren (VZ: 150616292) behandelten und gewürdigten Sachverhalt auf.

Da Sie Ihr Vorbringen im gegenständlichen Asylverfahren auf ein bereits rechtskräftig als unglaubwürdig qualifiziertes Vorbringen stützen, kann kein neuer Sachverhalt vorliegen, weil jeder Sachverhalt, welcher auf dieses unglaubwürdige bzw. mit diesem im Zusammenhang stehende Vorbringen aufbaut, nach den Denkgesetzen der Logik ebenfalls als unglaubwürdig zu werten ist und der darin behauptete Sachverhalt in der Tatsachenwirkung nicht existiert.

Zusätzlich ist festzuhalten, dass Sie im Jahr 2020 freiwillig ausreisten und in Ihr angestammtes Dorf zurückkehrten, was der allgemeinen Denklogik folgend das Bestehen einer reellen Gefahr für Ihre Person in Pakistan zusätzlich widerspricht.

Zusammenfassend kann somit festgehalten werden, dass Sie diesen gegenständlichen Antrag auf int. Schutz aus den Gründen stellen, welche auf die bereits im Zuge des ersten Verfahrens genannten Gründe aufbauen. Vielmehr ergibt sich der Eindruck, dass es sich bei Ihrem aktuellen Fluchtvorbringen um ein rein gedankliches Konstrukt handelt, um einer vermeintlichen Abschiebung entgegen zu wirken.“

2. Beweiswürdigung

2.1 Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus den vom BFA vorgelegten und unverdächtigen Verwaltungsverfahrensakten zu den Anträgen des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowie aus den Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes zum Vorverfahren. Die Feststellungen zu den Angaben des Beschwerdeführers im vorangegangenen sowie gegenständlichen Verfahren, zur Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichtes im Vorverfahren sowie zur Begründung des BFA für die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes ergeben sich konkret aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes sowie den im Akt einliegenden Niederschriften, wobei zu den jeweiligen Feststellungen die entsprechenden Fundstellen angeführt sind.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Unrechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes (§12a AsylG)

3.1 Gemäß § 12a Abs 2 AsylG kann das BFA den faktischen Abschiebeschutz eines Fremden, der einen Folgeantrag gestellt hat und bei dem die Voraussetzungen des § 12a Abs 1 AsylG 2005 nicht erfüllt sind, aberkennen, wenn drei Voraussetzungen gegeben sind: Erstens muss gegen den Fremden eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FrPolG 2005 vorliegen; zweitens muss die Prognose zu treffen sein, dass der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und drittens darf die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2, 3 oder 8 MRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen (VwGH 18.09.2019, Ra 2019/18/0338).

3.2 Aufrechte Rückkehrentscheidung

3.2.1 Das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.05.2020, L506 2166867-1/17E, zum ersten Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz wurde auch 28.05.2019 der damaligen Rechtsvertretung des Beschwerdeführers im zugestellt. Seit dieser Erlassung sind keine 18 Monate vergangen, der Beschwerdeführer ist zwar im September 2020 freiwillig nach Pakistan zurückgekehrt, Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG bleiben jedoch 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht. (§ 12a Abs 6) Nach seiner neuerlichen Einreise in Österreich im Juni 2021 wurde das gegenständliche Folgeverfahren nicht zugelassen, sodass die Rückkehrentscheidung noch aufrecht ist.

3.3 Keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts?

3.3.1 Der Beschwerdeführer begründete den gegenständlichen Folgeantrag zusammengefasst damit, dass es nach seiner ursprünglich freiwillig erfolgten Rückkehr zu einem neuen Vorfall gekommen sei, er am 01.04.2021 auf seinen Feldern von Taliban beschossen worden sei, er dazu auch eine Anzeige bei der Polizei erstattet habe, die ihm gesagt habe, gegen die Taliban nicht helfen zu können. (im Detail oben 1.4)

Soweit das BFA die Unglaubhaftigkeit jenes neuen Vorbringens, das nach der Rückkehr des Beschwerdeführers – ausschließlich – damit begründet, dass kein neuer Sachverhalt vorliegen könne, weil jeder Sachverhalt, welcher auf dieses unglaubwürdige bzw mit diesem im Zusammenhang stehende Vorbringen aufbaue, nach den Denkgesetzen der Logik ebenfalls als unglaubwürdig zu werten sei und der darin behauptete Sachverhalt in der Tatsachenwirkung nicht existiere, lässt das BFA die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes außer Acht. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sind jedoch die von einem Asylweber behaupteten Geschehnisse, die sich nach rechtskräftigem Abschluss des ersten Asylverfahrens ereignet haben sollen, daraufhin zu überprüfen, ob sie einen "glaubhaften Kern" aufweisen oder nicht. Dass das neue Vorbringen in einem inhaltlichen Zusammenhang mit den im Erstverfahren nicht geglaubten Behauptungen stand, ändert an diesem Umstand nichts. Ein solcher Zusammenhang kann für die Beweiswürdigung der behaupteten neuen Tatsachen argumentativ von Bedeutung sein, macht eine Beweiswürdigung des neuen Vorbringens aber nicht von vornherein entbehrlich oder gar - in dem Sinn, mit der seinerzeitigen Beweiswürdigung unvereinbare neue Tatsachen dürften im Folgeverfahren nicht angenommen werden - unzulässig. Könnten die behaupteten neuen Tatsachen, gemessen an der dem rechtskräftigen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes zu Grunde liegenden Rechtsanschauung im Vorverfahren, zu einem anderen Verfahrensergebnis führen, so bedürfte es einer die gesamten bisherigen Ermittlungsergebnisse einbeziehenden Auseinandersetzung mit ihrer Glaubwürdigkeit (vgl VwGH 13.11.2014, Ra 2014/18/0025).

Daher bedeutet der Umstand, dass die im Erstverfahren vorgebrachten Verfolgungshandlungen dort als unglaubhaft bewertet wurden, nicht zwangsläufig, dass die neu vorgebrachten Verfolgungshandlungen, die sich nach Abschluss des ersten Verfahrens ereignet haben sollen, ohne nähere Auseinandersetzung mit diesen automatisch ebenso unglaubhaft sein müssen, wie dies vom BFA angenommen wurde.

Soweit das BFA „zusätzlich“ festhielt, dass der Beschwerdeführer 2020 freiwillig in sein Dorf zurückgekehrte und dies einer reellen Gefahr widerspreche, mag dies für Ereignisse vor der erfolgten Rückkehr zutreffen; für Ereignisse, die sich nach einer Rückkehr ereignet haben sollen, lässt sich aus jener Rückkehr im Jahr 2020 ein derartiger Schluss nicht automatisch ziehen.

Im Ergebnis wurde eine – ordnungsgemäße – schlüssige und individuelle und damit tragfähige Prüfung des Vorbringens des Beschwerdeführers im gegenständlichen Verfahren auf das Vorliegen eines „glaubhaften Kerns“ vom BFA unterlassen.

3.4 Vorliegen einer klaren Missbrauchsabsicht nicht dargelegt

Zudem hat sich das BFA in der angefochtenen Entscheidung zwar – wenn auch unzureichend – damit beschäftigt hat, ob der Folgeantrag voraussichtlich zurückzuweisen sein wird, das BFA hat sich jedoch – entgegen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (zB VwGH 07.02.2020, Ra 2019/18/0487) – nicht mit der Frage, ob die Folgeantragstellung klar missbräuchlich erfolgt ist, auseinandergesetzt hat.

In diesem Zusammenhang hat der Verwaltungsgericht auch festgehalten, dass nicht jeder Folgeantrag, bei dem eine (spätere) Zurückweisung wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG in Betracht kommen könnte, zur Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes nach § 12a Abs 2 AsylG berechtigt. (ebenso VwGH 07.02.2020, Ra 2019/18/0487; 26.03.2020, Ra 2019/14/0079)

3.5 Da somit nicht sämtliche Voraussetzungen des § 12a Abs 2 erfüllt sind, ist die vom BFA mit dem mündlich verkündeten Bescheid vom 29.07.2021 verfügte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes nicht rechtmäßig.

3.6 Gemäß § 22 Abs 1 zweiter Satz BFA-VG war ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden.

Zu B)

Revision

3.7 Die Revision ist nicht zulässig, da die Rechtslage klar ist bzw durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt ist.

3.8 Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

aufrechte Rückkehrentscheidung Bescheidbehebung entscheidungsrelevante Sachverhaltsänderung faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung nicht rechtmäßig Folgeantrag Missbrauch

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:L516.2166867.2.00

Im RIS seit

08.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

08.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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