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90 Straßenverkehrsrecht, KraftfahrrechtNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Keine Gesetzwidrigkeit einer Geschwindigkeitsbeschränkung auf einem Teilstück der B 130 angesichts der besonderen Unfallhäufigkeit auf diesem Straßenstück; keine Gesetzwidrigkeit wegen Unterlassung der Anhörung der gesetzlichen Interessenvertretungen infolge Annahme von Gefahr im Verzuge und mangels spezifischer InteressenbetroffenheitSpruch
Der Antrag wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die Bezirkshauptmannschaft Eferding erließ am 11. Juni 1986 eine Verordnung, ZVerkR-5300-V/5-1986/Pi/Al, mit der im Gemeindegebiet Hartkirchen verschiedene Verkehrsregelungen verfügt wurden. §54 dieser Verordnung lautet:
"§54
Im Gemeindegebiet Hartkirchen ist auf der B 130 vom Strkm. 6,352 bis 6,919 in beiden Fahrtrichtungen das Überschreiten einer erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h verboten. (§52 a Z10 a StVO. 1960)."
§70 der Verordnung lautet:
"§70
Diese Verordnung wird durch das Anbringen der in den §§1 bis 69 angeführten Straßenverkehrszeichen kundgemacht und tritt für die Dauer der Anbringung derselben in Kraft. Alle früheren Verkehrsregelungen treten damit außer Kraft."
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich stellt gemäß Art129 a Abs3 iVm. Art89 Abs2 und Art139 Abs1 B-VG den Antrag auf Aufhebung des "§54 der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Eferding betreffend Verkehrsregelungen im Gemeindegebiet Hartkirchen vom 11. Juni 1986, VerkR-5.300-V/5-1986/Pi/Al". Anlaß für die Antragstellung bilden zwei bei ihm anhängige Verfahren gegen Bescheide der Bezirkshauptmannschaft Eferding vom 3. April,
Zlen. VerkR 96/60/3-92/Pi/Rö und VerkR 96/61/3-92/Pi/Rö, mit denen der Berufungswerber wegen Übertretungen der in §54 der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Eferding vom 11. Juni 1986 verfügten Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h bestraft wurde.
a. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erblickt die Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Verordnung in der mangelnden Erforderlichkeit der Geschwindigkeitsbeschränkung im Sinne des §43 StVO 1960.
Die Geschwindigkeitsbeschränkung sei aus Gründen der Verkehrssicherheit erlassen worden. Die örtlichen Gegebenheiten im Beschränkungsbereich und auch das Unfallgeschehen unterschieden sich jedoch nicht von anderen Straßenbereichen. Die Geschwindigkeitsbeschränkung sei jedenfalls derzeit ein untaugliches Mittel, eine Hebung der Verkehrssicherheit zu erreichen. Im übrigen stützt sich der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich auf Ausführungen des Berufungswerbers, der als verkehrstechnischer Amtssachverständiger die Aufhebung oder zumindest Anhebung der nunmehr angefochtenen Geschwindigkeitsbeschränkung anläßlich ihrer Überprüfung gemäß §96 Abs2 StVO 1960 selbst empfohlen hatte:
Zwar hätten sich nach dem Ausbau des gegenständlichen Teilstückes der B 130 mehrere Unfälle ereignet, die - ohne Durchführung einer "Ursachenanalyse" - zur Erlassung der gegenständlichen Geschwindigkeitsbeschränkung geführt hätten. Da diese Maßnahme keinen Erfolg gezeigt habe, seien nach weiteren Unfällen Leitbaken aufgestellt worden. Erst dies hätte den angestrebten Erfolg bewirkt.
Als Unfallursachen für die im Zeitraum vom 1. Jänner 1982 bis 31. Dezember 1991 vorgefallenen sechs Verkehrsunfälle mit Personenschäden seien drei Vorrangverletzungen, ein Unfall durch Abkommen eines Fahrzeuges von der Fahrbahn und zwei Spurwechselunfälle ermittelt worden. Die Unfallursachen für die acht Verkehrsunfälle mit Sachschäden seien in vier Fällen bei Vorrangverletzungen, in zwei Fällen bei Wildwechsel gelegen, und in zwei weiteren Fällen seien die Unfälle durch Abkommen von der Fahrbahn verursacht worden. Das Unfallgeschehen beruhe daher zu 50 % auf Vorrangverletzungen und zu einem Drittel auf Spurwechselfehlern. Dies lasse eine "negative Auswirkung der Geschwindigkeitsbeschränkung" vermuten. Eine solche Annahme fuße "einerseits auf dem Überschreiten der menschlichen Wahrnehmungsgrenzen aufgrund der gravierenden Diskrepanz zwischen objektiven und normativen Verhaltensbedingungen und andererseits auf der Anhebung der subjektiven Sicherheit der benachrangten Lenker bei gleicher objektiver Sicherheit". Dies führe zu geringerer persönlicher Vorsicht und daher zu unbewußter Risikosteigerung.
Selbst wenn die Voraussetzungen für die Erlassung der gegenständlichen Verordnung ursprünglich vorgelegen seien, sei dies jedenfalls jetzt - nach Anbringung der Leitbaken - nicht mehr der Fall. Es sei nämlich davon auszugehen, "daß durch eine Geschwindigkeitsbeschränkung deren Ziel - hier: eine Hebung der Verkehrssicherheit - jedenfalls nur so lange legitimerweise angestrebt werden darf, ... solange nicht nachweislich (wie im vorliegenden Fall) feststeht, daß die Beschränkung offensichtlich ein hiefür untaugliches Mittel ist".
b. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich rügt schließlich die Verletzung der Anhörungsrechte gemäß §94 f Abs1 lita Z3 StVO 1960. Durch die Herabsetzung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit seien die Interessen von Transportunternehmen und von Unternehmen im Werkverkehr sowie auch die ähnlich gelagerten Interessen der unselbständig Erwerbstätigen berührt. Die gesetzlichen Interessenvertretungen dieser Berufsgruppen wären daher zu hören gewesen.
2. Sowohl die Bezirkshauptmannschaft Eferding als auch die Oberösterreichische Landesregierung haben Äußerungen erstattet, in welchen sie beantragen, den Antrag des Unabhängigen Verwaltungssenates für das Land Oberösterreich als unbegründet abzuweisen.
a. Die Bezirkshauptmannschaft Eferding führt zur Verteidigung ihrer Verordnung vom 11. Juni 1986, ZVerkR-5300-V/5-1986/Pi/Al, aus, daß die gegenständliche Verordnung aus Gründen der Verkehrssicherheit erlassen wurde, "da sich nach dem Ausbau der B 130 im Bereich der neu errichteten Kurve zahlreiche Verkehrsunfälle ereignet haben". Im Kurvenbereich sei zudem nunmehr eine KFZ-Werkstätte sowie ein Tennisplatz mit jeweils einer Zu- und Ausfahrt in die B 130 errichtet worden. Außerdem quere ein neugebauter Geh- und Radweg die Bundesstraße im gegenständlichen Bereich. Die Geschwindigkeitsbeschränkung könne sich daher "weiterhin auf §43 Abs1 litb Zi. 1 StVO 1960" stützen. Die örtlichen Gegebenheiten und das Unfallgeschehen unterschieden sich sehr wohl von anderen Straßenbereichen, "da der weitere Ausbau der
B 130 wie ursprünglich projektiert nicht erfolgte, sondern die
B 130 mit einer Kurve in die alte B 130 wiederum eingebunden wurde".
Bereits 1978 habe sich die verordnungserlassende Behörde auf Grund zahlreicher Unfälle unter Berufung auf §96 Abs1 StVO 1960 veranlaßt gesehen, "unverzüglich ein(zu)schreiten" und "die Verordnung vom 6.10.1978, VerkR-5300-V-2/1978, welche am 17.10.1978 abgesendet wurde, (zu) erlassen". Insbesondere wird auf einen Aktenvermerk vom 13. Oktober 1978 verwiesen, aus dem hervorgeht, daß im gegenständlichen Beschränkungsbereich sogar eine Verlängerung um 117 m bei einem neuerlichen Augenschein am 12. Oktober 1978 für erforderlich erachtet wurde, "um zu vermeiden, daß die Verkehrsteilnehmer im Kurvenbereich ihre Geschwindigkeit von ca. 100 km/h auf 50 km/h verringern".
Die 1978 erlassene Geschwindigkeitsbeschränkung von 50 km/h sei sohin wegen Gefahr im Verzug erlassen worden. Gemäß §94 f Abs1 StVO 1960 sei daher von der Anhörung der betroffenen Gemeinde sowie der gesetzlichen Interessenvertretung der betroffenen Berufsgruppen Abstand genommen worden. Mit der Verordnung vom 11. Juni 1986, ZVerkR-5300-V/5-1986/Pi/Al, seien bloß "sämtliche Verkehrsmaßnahmen im Gemeindegebiet von Hartkirchen zusammengefaßt" worden, "wobei im §54 die gegenständliche Geschwindigkeitsbeschränkung unter Berücksichtigung der neuen Straßenkilometer wiederholend angeführt wurde".
Die Bezirkshauptmannschaft Eferding vertritt daher die Ansicht, daß die gegenständliche Geschwindigkeitsbeschränkung nicht gesetzwidrig ist.
b. Die Oberösterreichische Landesregierung schließt sich in ihrer Äußerung im wesentlichen den Argumenten der Bezirkshauptmannschaft Eferding an.
II. 1. Der Verfassungsgerichtshof erkennt gemäß Art139 Abs1 B-VG über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag eines unabhängigen Verwaltungssenates, sofern der unabhängige Verwaltungssenat gemäß Art129 a Abs3 B-VG in Verbindung mit Art89 Abs2 B-VG aus dem Grund der Gesetzwidrigkeit Bedenken gegen die Anwendung der Verordnung hat.
Da der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich bei seiner Entscheidung über die bei ihm anhängige Berufung der beteiligten Partei gegen die Verwaltungsstraferkenntnisse der Bezirkshauptmannschaft Eferding vom 3. April 1992, Zlen. VerkR 96/60/3-92/Pi/Rö und VerkR 96/61/3-92/Pi/Rö, (mit denen die beteiligte Partei für schuldig erkannt wurde, §54 der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Eferding betreffend Verkehrsregelungen im Gemeindegebiet Hartkirchen vom 11. Juni 1986,
ZVerkR 5300-V/5-1986/Pi/Al, übertreten zu haben, ) diese Bestimmung anzuwenden hat, ist der vom Unabhängigen Verwaltungssenat für das Land Oberösterreich gestellte Antrag gemäß Art139 Abs1 B-VG zulässig.
2. Er ist jedoch in der Sache nicht berechtigt:
a. §43 Abs1 litb Z1 StVO 1960 sieht die Erlassung von Geschwindigkeitsbeschränkungen für bestimmte Straßenstrecken durch Verordnung vor, "wenn und insoweit es die Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des sich bewegenden oder die Ordnung des ruhenden Verkehrs, die Lage, Widmung, Pflege, Reinigung oder Beschaffenheit der Straße, die Lage, Widmung oder Beschaffenheit eines an der Straße gelegenen Gebäudes oder Gebietes oder wenn und insoweit es die Sicherheit eines Gebäudes oder Gebietes und/oder der Personen, die sich dort aufhalten, erfordert".
Wie der Verfassungsgerichtshof dazu in VfSlg. 8984/1980 und 9721/1983 ausführte und in seinem Erkenntnis vom 18. März 1993, V24/92 ua., wiederholte, sind "bei Prüfung der Erforderlichkeit einer Verordnung nach §43 StVO 1960 ... die bei der bestimmten Straße oder Straßenstrecke, für welche die Verordnung erlassen werden soll, anzutreffenden, für den spezifischen Inhalt der betreffenden Verordnung relevanten Umstände mit jenen Umständen zu vergleichen, die für eine nicht unbedeutende Anzahl anderer Straßen zutreffen". Der Verfassungsgerichtshof geht sohin in ständiger Judikatur davon aus, daß bei Anwendung der vom Gesetzgeber mit unbestimmten Begriffen umschriebenen tatbestandlichen Voraussetzungen für die Erlassung von Geschwindigkeitsbeschränkungen durch Verordnung die zuständige Behörde einen Vergleich der Verkehrs- und Umweltverhältnisse anzustellen hat: Die betreffenden Verhältnisse an den Straßenstrecken, für welche eine Geschwindigkeitsbeschränkung in Betracht gezogen wird, müssen derart beschaffen sein, daß sie eine Herabsetzung der vom Gesetzgeber selbst allgemein für den Straßenverkehr in §20 Abs2 StVO 1960 festgesetzten Höchstgeschwindigkeiten rechtfertigen.
b. Der Verfassungsgerichtshof ist auf Grund der dargestellten Rechtslage mit den Antragsgegnerinnen der Meinung, daß bereits eine besondere Unfallhäufigkeit auf einem bestimmten Straßenstück die Erlassung einer Geschwindigkeitsbeschränkung für dieses Straßenstück rechtfertigt. Umso mehr ist eine Geschwindigkeitsbeschränkung erforderlich, wenn, wie im vorliegenden Fall, an jenem Straßenstück eine Kraftfahrzeugwerkstätte mit Zu- und Ausfahrt zur Straße liegt sowie ein Geh- und Radweg die Straße im betreffenden Bereich quert. Die Darstellung der Verkehrssituation durch die Bezirkshauptmannschaft Eferding zeigt hinreichend, daß im Bereich der verordneten Geschwindigkeitsbeschränkung besondere, die Verkehrssicherheit beeinträchtigende Verhältnisse vorliegen, die eine Reduzierung der gesetzlichen Höchstgeschwindigkeit erforderlich machen: Wie die Behörde ausführt, ist die B 130 Bundesstraße von Haibach/Donau in Richtung Hartkirchen sehr gut ausgebaut und läßt sohin bautechnisch ein Befahren mit höheren Geschwindigkeiten zu. Da die Straße entgegen dem ursprünglichen Projekt nicht weiter ausgebaut wurde, sondern "mit einer Kurve in die alte B 130 wiederum eingebunden wurde, kam es zu zahlreichen Unfällen". Um dieser Unfallgefahr zu begegnen und damit die Verkehrssicherheit im Sinne des §43 Abs1 litb StVO 1960 zu erhöhen, hat die Bezirkshauptmannschaft Eferding wegen Gefahr im Verzug ohne vorhergehende Anhörung sonstiger Stellen gemäß §94 f Abs1 StVO 1960 mit einer vom 6. Oktober 1978 datierten, am 17. Oktober 1978 erlassenen Verordnung die fragliche Geschwindigkeitsbeschränkung verfügt. Die im Sinne des §94 f Abs1 lita Z1 StVO 1960 "betroffene" Gemeinde Hartkirchen hat über Aufforderung der Bezirkshauptmannschaft Eferding in einer nachträglichen Stellungnahme vom 3. November 1978 sogar ausgeführt, daß ihrer Meinung zufolge "die aufgestellte Geschwindigkeitsbeschränkung von 50 km/h ... zu wenig ist". Damit "sich die Unfallsziffer verringert", die von der Gemeinde damit erklärt wird, "daß die Autos mit voller Geschwindigkeit sich dem Kurvenbereich nähern und dann ins Schleudern geraten", wurde von der Gemeinde eine - weitere - "etappenweise Herabsetzung der Geschwindigkeit" im Bereich vor der bereits erlassenen Geschwindigkeitsbeschränkung gefordert.
Mit dem nunmehr angefochtenen §54 der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Eferding betreffend Verkehrsregelungen im Gemeindegebiet Hartkirchen vom 11. Juni 1986, ZVerkR-5300-V/5-1986/Pi/Al, wurde sodann die, wie bereits dargetan, im Sinne des §43 Abs1 litb StVO 1960 erforderliche Geschwindigkeitsbeschränkung auf der B 130 Bundesstraße (gemeinsam mit anderen Verkehrsmaßnahmen im Gemeindegebiet Hartkirchen) von der Bezirkshauptmannschaft Eferding neuerlich erlassen.
c. Die Rechtmäßigkeit der von der Bezirkshauptmannschaft Eferding erlassenen Geschwindigkeitsbeschränkung wird auch durch die Ausführungen des technischen Amtssachverständigen (und beteiligten Partei in diesem Verfahren), die dieser anläßlich der Überprüfung der Verordnung auf ihre Erforderlichkeit gemäß §96 Abs2 StVO 1960 in der mündlichen Verhandlung vom 13. Dezember 1989 zu Protokoll gab, nicht widerlegt. Für die den überwiegenden Teil seines Gutachtens bildenden verkehrspsychologischen Überlegungen fehlt dem technischen Amtssachverständigen von vornherein die Kompetenz. Wenn der Sachverständige in Anbetracht des für höhere Geschwindigkeiten geeigneten Ausbauzustandes des fraglichen Straßenstückes davon ausgeht, daß sich "gerade der erfahrene Kraftfahrer bei der Geschwindigkeitswahl an wahrnehmungsmäßig gegebenen Signalen (orientiert)", sodaß sich "in der Regel die wahrnehmungsmäßig fundierte Geschwindigkeitswahl durchsetzen (wird)", wenn diese mit der "verordneten Geschwindigkeit nicht überein(stimmt)", so mag dieser Behauptung zwar eine gewisse Berechtigung zukommen. Gleichwohl wäre dieser Überlegung zufolge eine verordnete Geschwindigkeitsbeschränkung, welche die entsprechend dem Straßenbauzustand dem Kraftfahrer "wahrnehmungsmäßig" sinnvoll erscheinende Höchstgeschwindigkeit reduziert, nie zulässig. Daß der Gesetzgeber ua. im Interesse der Verkehrssicherheit in §43 Abs1 litb StVO 1960 von einer anderen Konzeption der Erforderlichkeit von Geschwindigkeitsbeschränkungen ausgegangen ist, ist nicht zu bezweifeln.
Für die im Interesse der Verkehrssicherheit erforderliche Aufrechterhaltung der verordneten Geschwindigkeitsbeschränkung durch die Bezirkshauptmannschaft Eferding sprachen sich im übrigen bei der genannten mündlichen Verhandlung vom 13. Dezember 1989 sowohl der Vertreter der Bundesstraßenverwaltung, der Gemeinde Hartkirchen als auch der Vertreter des Gendarmeriepostens Aschach an der Donau unter Hinweis auf die besondere Gefahrensituation für die an jener Straßenstrecke bestehenden Kreuzungen sowie die dort vorhandenen Zufahrten aus. Der Vertreter des Kuratoriums für Verkehrssicherheit vertrat die Auffassung, daß mit einer Geschwindigkeitsbeschränkung von 70 km/h das Auslangen gefunden werden könnte und begründet diese Meinung damit, "daß die Straße für eine höhere Geschwindigkeit entsprechend ausgebaut ist". Daß der Ausbauzustand einer Straße allein für die Erforderlichkeit einer Geschwindigkeitsbeschränkung gemäß §43 Abs1 litb StVO 1960 nicht maßgeblich sein kann, wurde aber bereits dargetan.
Der Verfassungsgerichtshof bleibt bei seiner bereits im Erkenntnis vom 18. März 1993, V24/92 ua., vertretenen Auffassung, daß für die Erforderlichkeit einer Geschwindigkeitsbeschränkung der Empfehlung des "am besten mit der Sachlage vertrauten Gendarmeriepostens" eine entsprechende Bedeutung zuzumessen ist und daß auch der Umstand, daß sich nach Erlassung der angefochtenen Verordnung weiterhin Verkehrsunfälle im betroffenen Straßenstück ereigneten, nicht geeignet ist, die Erforderlichkeit der Geschwindigkeitsbeschränkung in Zweifel zu ziehen. Im übrigen kann daraus - in Zusammenhalt mit den durch das Landesgendarmeriekommando am 19. September 1988 durchgeführten Geschwindigkeitsmessungen - höchstens entnommen werden, daß die bestehende Geschwindigkeitsbeschränkung wirksamer zu überwachen und möglicherweise durch weitere verkehrssichernde Maßnahmen zu ergänzen ist, keinesfalls aber, daß die Geschwindigkeitsbeschränkung nicht erforderlich ist.
d. Wenn der antragstellende unabhängige Verwaltungssenat die Rechtmäßigkeit der von ihm angefochtenen Verordnung unter Hinweis auf §94 f Abs1 lita StVO 1960 wegen mangelnder Anhörung gesetzlicher Interessenvertretungen vor der Erlassung jener Verordnung in Zweifel zieht, ist dem entgegenzuhalten:
Daß gesetzliche Interessenvertretungen vor Erlassung der ursprünglichen, geschwindigkeitsbeschränkenden Verordnung vom 6. Oktober 1978 nicht angehört wurden, schadete schon deswegen nicht, weil angesichts der Unfallhäufigkeit mit gutem Grund "Gefahr im Verzuge" angenommen werden und eine Anhörung vor Erlassung der Verordnung daher gemäß §94 f Abs1 StVO 1960 überhaupt entfallen konnte.
Im übrigen setzt die Anhörungspflicht gemäß §94 f Abs1 lita Z3 StVO 1960 voraus, daß "Interessen von Mitgliedern einer Berufsgruppe berührt werden". Von der angefochtenen Geschwindigkeitsbeschränkung sind alle Kraftfahrer betroffen, die den betreffenden Teil der B 130 Bundesstraße benutzen. Umstände, welche die Interessen von Wirtschaftstreibenden oder unselbständig Erwerbstätigen in spezifischer Weise durch die angefochtene Geschwindigkeitsbeschränkung berührt erscheinen lassen (wie dies etwa in VfSlg. 5784/1968 dadurch der Fall war, daß eine Verkehrsbeschränkung die Ausübung des betreffenden Gewerbes erschwerte oder gar unterband; vgl. auch VfSlg. 9818/1983 und 11920/1988; VfGH 17.6.1994, V65/94) sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Dadurch daß, - ebenso wie alle anderen Verkehrsteilnehmer -, auch Frächter als Lenker von Lastkraftfahrzeugen sowie unselbständig Erwerbstätige als Kraftfahrer auf Grund der Geschwindigkeitsbeschränkung allenfalls eine geringfügig längere Fahrtdauer zu gewärtigen haben, wird nicht bewirkt, daß diese im Sinne des §94 f Abs1 lita Z3 StVO 1960 spezifisch "berührt werden". Wollte man das Gesetz anders auslegen, wäre schlechthin jedwede verkehrsbeschränkende Verordnung gemäß §43 StVO 1960 erst nach vorhergehender Anhörung aller gesetzlichen beruflichen Interessenvertretungen zu erlassen, weil jede Verkehrsbeschränkung auch beliebige Angehörige gesetzlicher beruflicher Vertretungen (wie etwa auch Ärzte und Rechtsanwälte) betreffen kann, wenn diese als Kraftfahrer die verordneten Verkehrsbeschränkungen zu beachten haben. Hätte der Gesetzgeber eine derart weitreichende Beteiligung gesetzlicher Interessenvertretungen am Verfahren zur Erlassung verkehrsbeschränkender Verordnungen gewünscht, so hätte er dies durch Verzicht auf die Einschränkung zum Ausdruck gebracht, daß Voraussetzung des Anhörungsrechtes gesetzlicher Interessenvertretungen ist, daß Interessen von Mitgliedern der betreffenden Berufsgruppe "berührt werden". Lediglich eine spezifische Interessenbetroffenheit kann sohin jene Anhörungspflicht gemäß §94 f Abs1 StVO 1960 begründen, deren Verletzung die ohne Anhörung erlassene, verkehrsbeschränkende Verordnung entsprechend der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfSlg. 5784/1968, 8086/1977, 9818/1983, 11920/1988; VfGH 17.6.1994, V65/94) gesetzwidrig macht. Mangels einer derartigen Interessenbetroffenheit durfte die angefochtene Verordnung ohne Mitwirkung gesetzlicher Interessenvertretungen erlassen werden.
3. Da die Bedenken des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich gegen die Gesetzmäßigkeit des §54 der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Eferding vom 11. Juni 1986, ZVerkR-5300-V/5-1986/Pi/Al, sohin nicht zutreffen, war der Antrag abzuweisen.
4. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 vom Verfassungsgerichtshof ohne mündliche Verhandlung beschlossen werden.
Schlagworte
Straßenpolizei, Geschwindigkeitsbeschränkung, Verordnungserlassung, Anhörungsrecht (bei Verordnungserlassung)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1995:V24.1993Dokumentnummer
JFT_10049697_93V00024_00