TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/2 W128 2187955-1

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Veröffentlicht am 02.09.2021
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Entscheidungsdatum

02.09.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
B-VG Art140 Abs7
PrivSchG §5 Abs1 litd
PrivSchG §5 Abs4

Spruch


W128 2187955-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Michael FUCHS-ROBETIN als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX gegen den Bescheid des Stadtschulrates für Wien (nunmehr Bildungsdirektion für Wien) vom 04.12.2017, Zl. 600.902092/0001-RPS/2017, zu Recht erkannt:

A)

Der angefochtene Bescheid wird ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer zeigte am 06.11.2017 die Verwendung von XXXX (Genannter) als Privatlehrer für den Unterrichtsgegenstand „ XXXX " im Schulversuch „ XXXX für Kinder mit XXXX Religionsbekenntnis" an der privaten Neuen Mittelschule des Vereins „ XXXX , an.

2. Mit Bescheid vom 04.12.2017 untersagte die belangte Behörde die angezeigte Verwendung und führte dazu begründend aus, dass, davon ausgehend, dass der Genannte selbstständig den Unterricht in dem durch einen Schulversuch genehmigten Unterrichtsgegenstand XXXX unterrichten soll, gemäß § 5 Abs. 4 iVm § 5 Abs. 1 lit. d PrivSchG die Beherrschung der Sprache Deutsch zumindest auf dem Niveau B2 des gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GERS) erforderlich sei. Ein Absehen von deutschen Sprachkenntnissen zumindest auf dem Niveau B2 des gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GERS) sei nicht möglich.

3. Mit Schreiben vom 30.12.2017 erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig die gegenständliche Beschwerde. In der Begründung wird ausgeführt, dass für die Gestaltung des Unterrichts der Lehrer zusätzlich zu pädagogisch-didaktischen Kompetenzen, perfekte Kenntnisse der hebräischen Sprache wie auch eine religiöse Ausbildung benötige. Er sei für die Umsetzung des Schulkonzepts notwendig und er besuche auch einen Deutschkurs. Es werde daher um Verlängerung der Frist für die Erbringung des Nachweises über Deutschkenntnisse auf dem Niveau B2 bis 31.08.2018 ersucht.

4. Am 26.02.2018 legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor, ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen.

5. Mit Schreiben vom 10.10.2019 forderte das Bundesverwaltungsgericht den Beschwerdeführer auf, einen aktuellen Nachweis über die Deutschkenntnisse des Genannten vorzulegen.

6. Am 07.11.2019 übermittelte der Beschwerdeführer ein Zertifikat über die bestandene Prüfung über das Niveau B1 vom 22.03.2018 und teilte mit, der Genannte bereite sich derzeit auf die Prüfung B2 vor und werde voraussichtlich bis Ende des Jahres (2019) ein B2-Zertifikat vorweisen können. Er könne sehr gut auf Deutsch kommunizieren und konzentriere sich in der Vorbereitung auf die Vervollständigung seiner Schreibkenntnisse.

7. Mit Erkenntnis vom 26.11.2019, W128 2187955-1/4E wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde als unbegründet ab und führte begründend aus, dass der Genannte lediglich über den Nachweis einer Sprachkompetenz in der deutschen Sprache auf dem Referenzniveau B1 verfüge. Somit sei das gesetzliche Erfordernis gemäß § 5 PrivSchG nicht erfüllt. Es liege auch keine Ausnahme nach § 5 Abs. 1 dritter Satz PrivSchG vor. Das Gesetz räume den zuständigen Behörden diesbezüglich keinen Spielraum ein, sondern setze Sprachkenntnisse der deutschen Sprache auf dem Referenzniveau C1 für die Ausübung des Berufes von Lehrpersonen an Privatschulen als unerlässlich fest. Die Verwendung des Genannten sei daher zu Recht untersagt worden.

8. Der Beschwerdeführer erhob in der Folge Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof gegen dieses Erkenntnis und stützte diese auf eine Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, die Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes und die Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung. Begründend wird ausgeführt, dass die Einschränkung auf das Referenzniveau C1 unverhältnismäßig und unsachlich sei. Konkret sei es unmöglich einen Sprachlehrer für XXXX zu finden, der einerseits hinreichend qualifiziert sei und andererseits die deutsche Sprache auf dem Referenzniveau C1 aufweise. Die Regelung verhindere somit einen hochwertigen Hebräischunterricht, ohne dass es dafür eine sächliche Rechtfertigung gebe.

9. Der Verfassungsgerichtshof hob mit Erkenntnis vom 17.06.2021, E 107/2020-12 das angefochtene Erkenntnis wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes auf.

Begründend führte er zusammengefasst aus:

Mit Erkenntnis vom 17. Juni 2021, G 391/2020 u.a., habe der Verfassungsgerichtshof erkannt, dass § 5 Abs. 4 PrivSchG i.d.F. BGBl. I Nr. 35/2019 als verfassungswidrig aufgehoben werde und diese Aufhebung mit Ablauf des 30. Juni 2022 in Kraft trete. Gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG wirke die Aufhebung der gesetzlichen Bestimmung auf das gegenständliche Verfahren, als einem Anlassfall gleichzuhalten, zurück. Es sei daher so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereist zum Zeitpunkt der Verwirklichung des der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichtes zugrunde gelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte. Der Beschwerdeführer sei somit wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt. Daher sei das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.11.2019, W128 2187955-1/4E aufzuheben.

10. Am 27.08.2021 bestätigte der Beschwerdeführer – nach Aufforderung durch das Bundesverwaltungsgericht – das weiterhin aufrechte Beschäftigungsverhältnis des Genannten mittels Versicherungsdatenauszuges.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Verein „ XXXX “ betreibt am Standort XXXX , eine private Neue Mittelschule mit Öffentlichkeitsrecht (gesetzlich geregelte Schulartbezeichnung).

Der am 06.11.2017 zur Verwendung als Lehrer für den Unterrichtsgegenstand „ XXXX " im Schulversuch „ XXXX für Kinder mit XXXX Religionsbekenntnis" angezeigte, XXXX ist israelischer Staatsbürger. XXXX leitet den Unterricht eigenständig und untersteht nicht als „Native Speaker“ den Anweisungen einer anderen Lehrkraft.

XXXX wird nach wie vor als Lehrer an der vom Beschwerdeführer geführten Privatschule verwendet.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem Akteninhalt und sind unstrittig.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.2. Zu A) Behebung des Bescheides

3.2.1. Gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG sind alle Gerichte und Verwaltungsbehörden an den Spruch des Verfassungsgerichtshofes gebunden, wenn ein Gesetz wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben worden ist oder der Verfassungsgerichtshof gemäß Abs. 4 ausgesprochen hat, dass ein Gesetz verfassungswidrig war. Auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles ist jedoch das Gesetz weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht. Hat der Verfassungsgerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis eine Frist gemäß Abs. 5 gesetzt, so ist das Gesetz auf alle bis zum Ablauf dieser Frist verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles anzuwenden.

§ 5 Privatschulgesetz (PrivSchG), BGBl. Nr. 244/1962, idF BGBl. I Nr. 35/2019 lautet (auszugsweise):

„§ 5. Leiter und Lehrer.

(1) Für die pädagogische und schuladministrative Leitung der Privatschule ist ein Leiter zu bestellen,

a) der die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt,

b) der die Eignung zum Lehrer in sittlicher und gesundheitlicher Hinsicht aufweist,

c) der die Lehrbefähigung für die betreffende oder eine verwandte Schulart oder eine sonstige geeignete Befähigung nachweist,

d) der in der deutschen Sprache Sprachkenntnisse nach zumindest dem Referenzniveau C 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen entsprechend der Empfehlung des Ministerkomitees des Europarates an die Mitgliedsstaaten Nr. R (98) 6 vom 17. März 1998 zum Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen – GER nachweisen kann und

e) in dessen Person keine Umstände vorliegen, die nachteilige Auswirkungen auf das österreichische Schulwesen erwarten lassen.

Das Erfordernis gemäß lit. d wird auch durch einen Nachweis von zumindest gleichwertigen Sprachkenntnissen erfüllt. Lit. d gilt nicht für Personen gemäß § 1 Z 2 der Ausländerbeschäftigungsverordnung, BGBl. II Nr. 609/1990 in der Fassung der Verordnung BGBl. II Nr. 257/2017 sowie für Schulen, die keine gesetzlich geregelte Schulartbezeichnung führen oder durch deren Besuch gemäß § 12 des Schulpflichtgesetzes 1985, BGBl. Nr. 76/1985, die allgemeine Schulpflicht nicht erfüllt werden kann oder die nach dem vom zuständigen Bundesminister erlassenen oder genehmigten Organisationsstatut nicht auf die Erlangung eines Zeugnisses über den erfolgreichen Besuch einer Schulstufe oder einer Schulart (Form bzw. Fachrichtung einer Schulart) oder nicht auf den Erwerb der mit der erfolgreichen Ablegung einer Reifeprüfung, Reife- und Diplomprüfung, Diplomprüfung oder Abschlussprüfung verbundenen Berechtigungen abzielen.

[…]

(4) Die an der Schule verwendeten Lehrer haben ebenfalls die in Abs. 1 genannten Bedingungen zu erfüllen.

(5) Die zuständige Schulbehörde kann von dem Erfordernis der österreichischen Staatsbürgerschaft (Abs. 1 lit. a und Abs. 4) Nachsicht erteilen, wenn die Verwendung im Interesse der Schule gelegen ist und öffentliche Interessen der Nachsichterteilung nicht entgegenstehen.

(6) Die Bestellung des Leiters und der Lehrer sowie jede nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes maßgebende Veränderung in deren Person ist vom Schulerhalter der zuständigen Schulbehörde unverzüglich anzuzeigen, welche die Verwendung des Leiters oder Lehrers innerhalb eines Monats ab dem Einlangen der Anzeige zu untersagen hat, wenn die Bedingungen der vorstehenden Absätze nicht erfüllt sind. Darüber hinaus hat die zuständige Schulbehörde die Verwendung eines Leiters oder Lehrers zu untersagen, wenn die in den vorstehenden Absätzen genannten Bedingungen später wegfallen, sowie hinsichtlich des Leiters auch dann, wenn er die ihm nach Abs. 3 obliegenden Aufgaben nicht ausreichend erfüllt.

[…]“

3.2.2. Im vorliegenden Fall, der, wie der VfGH in seiner Entscheidung vom 17.06.2021, E 107/2020-12 ausführte, einem Anlassfall zum Erkenntnis G 391/2020 gleichzuhalten war, untersagte die Bildungsdirektion für Wien gemäß § 5 Abs. 1 lit. d i.V.m. Abs. 4 PrivSchG die Verwendung von XXXX als Lehrer an der privaten Neue Mittelschule mit Öffentlichkeitsrecht des Vereins „ XXXX “ am Standort XXXX , weil er über keinen Nachweis einer Sprachkompetenz in der deutschen Sprache auf dem Referenzniveau C 1 des GER verfügte.

Infolge der Anlassfallwirkung des Art. 140 Abs. 7 B-VG ist § 5 Abs. 4 PrivSchG i.d.F. BGBl. I Nr. 35/2019 als aufgehobene Norm hier nicht mehr anzuwenden (siehe dazu etwa VwGH 01.03.2017, Ro 2015/03/0022, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des Verfassungs- und des Verwaltungsgerichtshofes). Damit fehlt die Rechtsgrundlage, auf die sich der angefochtene Bescheid stützt. Folglich ist er ersatzlos zu beheben.

3.2.4. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG Abstand genommen werden, da der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage geklärt ist und eine mündliche Erörterung die weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Abgesehen davon ist das Schulrecht nicht von Art. 6 EMRK und auch nicht von Art. 47 GRC erfasst (vgl. VfGH 10.03.2015, E 1993/2014, sowie VwGH 23.05.2017, Ra 2015/10/0127).

3.3. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt: Dass infolge der Anlassfallwirkung des Art. 140 Abs. 7 B-VG die aufgehobene Norm nicht mehr anzuwen-den ist, entspricht der oben angeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Anlassfall Bescheidbehebung Deutschkenntnisse Gesetzesaufhebung Lehrerbestellung Privatschule Rechtsanschauung des VfGH Unterrichtssprache verfassungswidrig

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W128.2187955.1.00

Im RIS seit

08.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

08.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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