Index
L6650 FlurverfassungNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Verletzung im Gleichheitsrecht durch die nach einer Bestimmung des Tir FlurverfassungsG 1996 vorgegebene Unvereinbarkeit des Amtes des Substanzverwalters einer Agrargemeinschaft mit bestimmten anderen Ämtern; Gleichheitswidrigkeit der – lediglich im Fall, dass eine Person bereits zum Obmann, Stellvertreter des Obmannes, Mitglied des Ausschusses oder Rechnungsprüfer einer Agrargemeinschaft gewählt wurde und anschließend zum Substanzverwalter bestellt werden soll – eintretenden Unvereinbarkeit; keine sachliche Rechtfertigung für die "umgekehrte" Vereinbarkeit mit bestimmten anderen Ämtern bei einem bereits bestellten SubstanzverwalterSpruch
I. Die Wortfolge "sowie mit dem Eintritt eines Unvereinbarkeitsgrundes nach Abs4" in §36b Abs3 und §36b Abs4 erster Satz Tiroler Flurverfassungslandesgesetz 1996 – TFLG 1996, LGBl Nr 74 (WV), in der Fassung LGBl Nr 70/2014 waren verfassungswidrig.
II. Der Landeshauptmann von Tirol ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt für Tirol verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Anlassverfahren, Prüfungsbeschluss und Vorverfahren
1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zur Zahl E2893/2020 eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrunde liegt:
1.1. Nachdem die Vollversammlung der Gemeindegutsagrargemeinschaft Neustift am 29. April 2019 ua ihren Substanzverwalter zum Ersatzmitglied des Ausschusses gewählt hatte, beantragten die Gemeinde Neustift im Stubaital, die genannte Agrargemeinschaft und der Gewählte die Feststellung, dass der Letztgenannte noch Substanzverwalter dieser Agrargemeinschaft sei. Zudem beantragte die genannte Gemeinde ua die Feststellungen, sie sei weder zur Kundmachung, dass das Amt des Substanzverwalters wegen Eintrittes eines Unvereinbarkeitsgrundes ende bzw geendet habe, noch dazu verpflichtet, anstelle des Dritteinschreiters einen neuen Substanzverwalter zu bestellen. Der Drittbeschwerdeführer beantragte schließlich die Feststellung, dass er nicht verpflichtet sei, die Wahl zum Ersatzmitglied des Ausschusses der Gemeindegutsagrargemeinschaft Neustift anzunehmen.
1.2. Mit Bescheid vom 15. Mai 2019 wies die Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde ua diese Feststellungsanträge als unzulässig zurück.
1.3. Mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 1. Juli 2019 wurde der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde Folge gegeben und dieser ersatzlos behoben.
1.4. Im fortgesetzten Verfahren stellte die Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde mit Bescheid vom 8. Juli 2019 ua fest,
– dass mit der Wahl des Drittbeschwerdeführers zum Ersatzmitglied des Ausschusses der Gemeindegutsagrargemeinschaft Neustift anlässlich der Vollversammlung am 29. April 2019 dessen Amt als Substanzverwalter der genannten Agrargemeinschaft geendet habe;
– dass der Dritteinschreiter verpflichtet sei, seine Wahl anlässlich der genannten Vollversammlung zum Ersatzmitglied des Ausschusses anzunehmen;
– dass die Gemeinde Neustift verpflichtet sei, die Beendigung des Amtes des Substanzverwalters gemäß §36b Abs2 Tiroler Flurverfassungslandesgesetz 1996 (in der Folge: TFLG 1996) kundzumachen und unverzüglich für den Rest der Funktionsperiode einen neuen Substanzverwalter gemäß §36b Abs3 leg.cit. zu bestellen.
1.5. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Landesverwaltungsgericht Tirol mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und bestätigte den Spruch des erstinstanzlichen Bescheides mit der Maßgabe, dass die Verpflichtung der Gemeinde Neustift zur Kundmachung der Beendigung ua des Amtes des Substanzverwalters gemäß §36b Abs3 letzter Satz TFLG 1996 festgestellt wurde.
2. Bei der Behandlung der gegen diese Entscheidung gerichteten Beschwerde sind im Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der Wortfolge "sowie mit dem Eintritt eines Unvereinbarkeitsgrundes nach Abs4" in §36b Abs3 und des §36b Abs4 erster Satz TFLG 1996, LGBl 74 (WV), idF LGBl 70/2014 entstanden. Der Verfassungsgerichtshof hat daher am 3. März 2021 beschlossen, diese Gesetzesbestimmungen von Amts wegen auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen.
3. Der Verfassungsgerichtshof legte seine Bedenken, die ihn zur Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens bestimmt haben, in seinem Prüfungsbeschluss wie folgt dar:
"[…] Nach vorläufiger Annahme des Verfassungsgerichtshofes dürften die in Prüfung gezogenen Regelungen gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen:
[…] Der Gleichheitsgrundsatz bindet auch den Gesetzgeber (s etwa VfSlg 13.327/1993, 16.407/2001). Er setzt ihm insofern inhaltliche Schranken, als er verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen (vgl zB VfSlg 14.039/1995, 16.407/2001). Innerhalb dieser Schranken ist es dem Gesetzgeber jedoch von Verfassungs wegen durch den Gleichheitsgrundsatz nicht verwehrt, seine politischen Zielvorstellungen auf die ihm geeignet erscheinende Art zu verfolgen (s etwa VfSlg 16.176/2001, 16.504/2002). Ob eine Regelung zweckmäßig ist und das Ergebnis in allen Fällen als befriedigend empfunden wird, kann nicht mit dem Maß des Gleichheitssatzes gemessen werden (zB VfSlg 14.301/1995, 15.980/2000 und 16.814/2003).
[…] Gemäß §36b Abs4 erster Satz TFLG 1996 darf ua zum Substanzverwalter nicht bestellt werden, wer zum Obmann, Stellvertreter des Obmannes, Mitglied des Ausschusses oder Rechnungsprüfer der Agrargemeinschaft gewählt ist. Mit dieser Regelung scheint eine Unvereinbarkeit ua zwischen dem Amt des Substanzverwalters einerseits und den anderen aufgezählten Ämtern andererseits normiert zu werden (vgl auch §36b Abs3 erster Satz TFLG 1996: 'Eintritt eines Unvereinbarkeitsgrundes nach Abs4'). Nach dem Wortlaut dieser in Prüfung gezogenen Bestimmung dürfte die Unvereinbarkeit allerdings nur vorliegen, wenn eine Person bereits zum Obmann, Stellvertreter des Obmannes, Mitglied des Ausschusses oder Rechnungsprüfer einer Agrargemeinschaft gewählt ist und es um ihre Bestellung ua zum Substanzverwalter geht. Für die umgekehrte Fallkonstellation (eine Person ist bereits zum Substanzverwalter bestellt worden und es geht um ihre Wahl zu den anderen genannten Ämtern) scheint die zitierte (oder eine andere) Bestimmung bis zur Novelle LGBl 9/2021 keine Regelung enthalten zu haben (im erstinstanzlichen Bescheid vom 8. Juli 2019 heißt es dazu: 'In diese Richtung gibt es also keine Unvereinbarkeiten.'), sodass eine zum Substanzverwalter bestellte Person anscheinend zB zum Ersatzmitglied des Ausschusses derselben Agrargemeinschaft gewählt werden konnte, was bis zum Inkrafttreten der Novelle LGBl 9/2021 die sofortige Beendigung ihres Amtes als Substanzverwalter wegen Eintrittes eines Unvereinbarkeitsgrundes zur Folge gehabt haben dürfte (vgl §36b Abs3 erster Satz und Abs4 erster Satz leg.cit.).
[…] Für den Verfassungsgerichtshof scheint es für eine unterschiedliche Behandlung der beiden geschilderten Sachverhaltskonstellationen keine sachliche Rechtfertigung zu geben, zumal es bei der Frage der Unvereinbarkeit von mehreren Ämtern nur darauf ankommen dürfte, ob eine solche vorliegt (woran der Verfassungsgerichtshof im vorliegenden Fall angesichts der unterschiedlichen Interessenlagen der Gemeinde als Mitglied einer Gemeindegutsagrargemeinschaft einerseits und der Nutzungsberechtigten derselben Agrargemeinschaft andererseits vorerst keine Zweifel hat), und nicht, welches dieser Ämter zuerst innegehabt wird (es dürfte nicht auf eine bestimmte 'Richtung' ankommen).
Im Gesetzesprüfungsverfahren wird auch zu klären sein, ob die in Prüfung gezogenen Bestimmungen möglicherweise einer verfassungskonformen Interpretation zugänglich sind.
[…] Darüber hinaus dürften die in Prüfung gezogenen Regelungen auch gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht der Gemeinde auf Selbstverwaltung verstoßen:
[…] Gemäß Art116 Abs2 B-VG ist die Gemeinde ein selbständiger Wirtschaftskörper; sie hat – innerhalb der Schranken der allgemeinen Bundes- und Landesgesetze – das Recht, Vermögen aller Art zu besitzen, zu erwerben und darüber zu verfügen, wirtschaftliche Unternehmungen zu betreiben sowie im Rahmen der Finanzverfassung ihren Haushalt selbständig zu führen und Abgaben auszuschreiben. Davon kann beispielsweise die Bestellung eines Schularztes samt Vereinbarung des Honorars erfasst sein (vgl VfSlg 10.842/1986).
Neben den in Art116 Abs2 B-VG angeführten Angelegenheiten umfasst der eigene Wirkungsbereich der Gemeinde gemäß Art118 Abs2 B-VG alle – ausdrücklich als solche zu bezeichnenden – Angelegenheiten, die im ausschließlichen oder überwiegenden Interesse der in der Gemeinde verkörperten örtlichen Gemeinschaft gelegen und geeignet sind, durch die Gemeinschaft innerhalb ihrer örtlichen Grenzen besorgt zu werden. Der Gemeinde sind gemäß Art118 Abs3 B-VG im eigenen Wirkungsbereich ua die behördlichen Aufgaben insbesondere bei der Bestellung der Gemeindeorgane (unbeschadet der Zuständigkeit überörtlicher Wahlbehörden) und der Regelung der inneren Einrichtungen zur Besorgung der Gemeindeaufgaben (Z1) sowie bei der Bestellung der Gemeindebediensteten und der Ausübung der Diensthoheit (unbeschadet der Zuständigkeit überörtlicher Disziplinar-, Qualifikations- und Prüfungskommissionen) gewährleistet (Z2). Aufgaben des eigenen Wirkungsbereiches einer Gemeinde dürfen – abgesehen von den Verwaltungsgerichten (vgl Weber, Art118/1-7 B-VG, in Korinek/Holoubek et al. [Hrsg.], Bundesverfassungsrecht, 13. Lfg. 2017, Rz 28) – nur von Organen der betreffenden Gemeinde erfüllt werden (vgl VfSlg 5410/1966 und 5648/1967).
[…] Gemäß §36b Abs1 TFLG 1996 hat der Gemeinderat der substanzberechtigten Gemeinde aus seiner Mitte für die Dauer seiner Funktionsperiode ua den Substanzverwalter zu bestellen, den er jederzeit – bei zwingend gemeinsamer Bestellung eines Nachfolgers – abberufen kann. Beschlüsse über die Bestellung oder Abberufung ua des Substanzverwalters (sowie das Enden des Amtes aus anderen Gründen [zB {bis zum Inkrafttreten der Novelle LGBl 9/2021} wegen Eintrittes eines Unvereinbarkeitsgrundes nach §36b Abs4 TFLG 1996]; vgl §36b Abs3 leg.cit.) sind gemäß §36b Abs2 leg.cit. an der Amtstafel der substanzberechtigten Gemeinde kundzumachen und werden mit Ablauf des Tages der Kundmachung wirksam.
[…] Der Verfassungsgerichtshof geht vor dem Hintergrund der geschilderten Verfassungsrechtslage vorläufig davon aus, dass die Bestellung und Abberufung eines Substanzverwalters durch den Gemeinderat der substanzberechtigten Gemeinde gemäß §36b TFLG 1996 im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde erfolgen (vgl auch §84a leg.cit.). Damit dürfte es aber unvereinbar sein, dass es die Vollversammlung einer Gemeindegutsagrargemeinschaft (und damit eine von der örtlichen Gemeinschaft verschiedene Personengruppe) in der Hand zu haben scheint, durch die Wahl einer von der substanzberechtigten Gemeinde zum Substanzverwalter bestellten Person zB zum Ersatzmitglied des Ausschusses dieser Agrargemeinschaft einen Unvereinbarkeitsgrund des §36b Abs4 erster Satz (und nunmehr auch Abs7) TFLG 1996 herbeizuführen, der bis zum Inkrafttreten der Novelle LGBl 9/2021 gemäß §36b Abs3 erster Satz leg.cit. zur sofortigen Beendigung des Amtes als Substanzverwalter geführt haben dürfte."
4. Die Tiroler Landesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der den im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken wie folgt entgegengetreten wird (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):
"[…] Vorbemerkungen:
Hinsichtlich der Ausgestaltung der Organisation und der Gebarung von atypischen Gemeindegutsagrargemeinschaften ergeben sich entsprechende Vorgaben für den Gesetzgeber nicht nur aus den allgemeinen verfassungsrechtlichen Schranken des Sachlichkeitsgebots und des verfassungsrechtlichen Effizienzprinzips sowie der Beachtung der verfassungsrechtlichen Erfordernisse der Selbstverwaltung, sondern vor allem auch aus der im Gegenstand einschlägigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl vor allem VfSlg 18.446/2008, 18.933/2009, 19.262/2010, 19.320/2011, 19.802/2013). Insbesondere ist der Gesetzgeber von Verfassung wegen gehalten, dem Substanzanspruch der Gemeinde (grundlegend dazu VfSlg 18.446/2008) und damit unmittelbar zusammenhängend dem auch aus verfassungsrechtlicher Sicht erheblichen Umstand, dass die Nutzungsberechtigten in Ansehung des Substanzwertes über keinerlei Rechte verfügen (VfSlg 19.320/2011) und zudem lediglich Ansprüche auf Naturalleistungen im Ausmaß ihres Haus- und Gutsbedarfs haben (VfSlg 19.802/2013), im Rahmen der Binnenorganisation der atypischen Gemeindegutsagrargemeinschaft als Selbstverwaltungskörper angemessen Rechnung zu tragen (VfSlg 19.320/2011; ausführlich zur spezifischen rechtlichen und tatsächlichen Ausgangslage, die dem Gesetzgeber bei der Regelung der Organisation der Substanzverwaltung maßgeblich schien, siehe die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage, Tiroler Landtag GZ 157/2014, S. 10 f). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die substanzberechtigte Gemeinde und die Nutzungsberechtigten als Mitglieder der atypischen Gemeindegutsagrargemeinschaft zwar im Selbstverwaltungskörper Agrargemeinschaft (in dessen Eigentum jene agrargemeinschaftlichen Grundstücke stehen, an denen sie jeweils berechtigt sind) gemeinschaftlich organisiert sind, dabei aber stark unterschiedliche rechtliche Interessen und Ansprüche an den agrargemeinschaftlichen Grundstücken und ihren Erträgen haben. Das Mitgliedschaftsverhältnis der substanzberechtigten Gemeinde ist geprägt von dem ausschließlich ihr zustehenden Substanzanspruch, jenes der Nutzungsberechtigten hingegen von ihren jeweils auf den Haus- und Gutsbedarf in Form des Bezuges von Naturalleistungen beschränkten Nutzungsrechten (VfSlg 19.802/2013).
Mit den durch die Novelle LGBl Nr 70/2014 in das TFLG 1996 eingefügten Sonderbestimmungen für Agrargemeinschaften auf Gemeindegut im Sinn des §33 Abs2 litc Z2 TFLG 1996 wurden die spezifischen Interessen der substanzberechtigten Gemeinde einerseits und die der Nutzungsberechtigten andererseits im Rahmen der Organisationsform der Agrargemeinschaft möglichst entflochten. Dies wurde schließlich dadurch verwirklicht, dass sich die Aufgabenbereiche der Organe der atypischen Gemeindegutsagrargemeinschaft nunmehr jeweils auf jene Angelegenheiten beziehen, die die Rechte bzw Interessen der von ihnen jeweils 'repräsentierten' Mitglieder der Agrargemeinschaft, nämlich einerseits der Nutzungsberechtigten (Obmann, Ausschuss, Vollversammlung) und andererseits der substanzberechtigten Gemeinde (Substanzverwalter) betreffen, wobei bei Überschneidungen (sog 'gemischte Angelegenheiten') wie bisher ein Zusammenwirken vorgesehen ist. Ausschließliche Substanzangelegenheiten obliegen in diesem neuen Organisationssystem einem durch die Novelle LGBl Nr 70/2014 neu eingerichteten Organ der Agrargemeinschaft, dem sog Substanzverwalter, der von der Gemeinde als einzigem und ausschließlich substanzberechtigtem Mitglied der Agrargemeinschaft bestellt wird. Für ausschließlich die land- und forstlichen Nutzungsrechte bzw d[ie] Interessen der Nutzungsberechtigten betreffende Angelegenheiten sind weiterhin die gewählten Organe der Agrargemeinschaft autonom zuständig. Im verbleibenden 'Querschnittsbereich' der sog 'gemischten Angelegenheiten' müssen die Gemeinde und die Nutzungsberechtigten im Ausschuss bzw in der Vollversammlung weiterhin zusammenwirken. In diesem – trotz der aus der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes folgenden klaren Trennung der rechtlichen Betroffenheit der Nutzungsberechtigten einerseits und der substanzberechtigten Gemeinde andererseits – verbleibenden 'Querschnittsbereich' wird so in den jeweils zuständigen Kollegialorganen der notwendige interne Interessenausgleich ermöglicht. Mit einer solcherart klaren Zuständigkeitstrennung anhand der jeweils berührten Interessen bezweckte der Gesetzgeber die Schaffung einer effizienten, auf die spezifischen rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse abgestimmten organisatorischen Binnenstruktur der atypischen Gemeindegutsagrargemeinschaft. Dadurch sollte vor allem auch den zT massiven Schwierigkeiten, welche die effektive und sachgerechte Ausübung der der Gemeinde zustehenden umfassenden Dispositionsbefugnis über den Substanzwert aufgrund der nach der bis zur TFLG-Novelle LGBl Nr 70/2014 (weiterhin) den bestehenden Organen der Agrargemeinschaft (insbesondere Obmann und Ausschuss) übertragenen Bewirtschaftung und Verwaltung des atypischen Gemeindegutes begegnete, Abhilfe geschaffen werden (siehe in diesem Zusammenhang die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage, Tiroler Landtag GZ 157/2014, S. 11 f und 14 f).
[…] Zu den Bedenken, dass die antragsgegenständlichen Bestimmungen gegen das nach Art2 StGG und Art7 B-VG verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verstoßen:
Die Tiroler Landesregierung stimmt dem Verfassungsgerichtshof zu, dass es bei der Frage der Unvereinbarkeit von mehreren Ämtern nur darauf ankommen dürfe, ob eine solche vorliegt, und erachtet ausgehend von diesem Grundsatz eine verfassungskonforme Interpretation der in Prüfung gezogenen Bestimmungen aus nachstehenden Gründen für geboten und auch möglich.
Inkompatibilität ist die rechtlich festgelegte Unvereinbarkeit im Verhältnis von Tätigkeiten, Funktionen und Ämtern. Neben ihrer Bedeutung für die Gewaltenteilung sind Unvereinbarkeitsregelungen auch im Hinblick auf die Vermeidung von Tätigkeits- und Ämterkumulationen zum Schutz öffentlicher Funktionen vor Interessenkollisionen und amtsfremden Interesseneinflüssen relevant (vgl dazu stellvertretend nur Adamovich/Funk/Holzinger/Frank, Österreichisches Staatsrecht Band II³ [2014] Rn 25.013 f). Der unterschiedlichen Interessenlage bei atypischen Gemeindegutsagrargemeinschaften mit dem Substanzanspruch des Mitglieds Gemeinde einerseits und dem Interesse auf Befriedigung der Nutzungsrechte der übrigen Mitglieder andererseits wird – wie einleitend bereits dargelegt – durch die spezifische organisationsrechtliche Binnenstruktur und die damit verbundene weitestgehende organisatorische Entflechtung in der Besorgung der die jeweiligen Interessen betreffenden Aufgaben durch die dafür zuständigen Organe Rechnung getragen. In diesem Kontext stehen ganz offensichtlich auch die in §36b Abs4 TFLG 1996 festgelegten Unvereinbarkeitsgründe (vgl die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage, Tiroler Landtag GZ 157/2014, S. 13). Die Bestimmung verfolgt das Ziel, Interessenkollisionen von vornherein auszuschließen und die Gemeinde bzw die Nutzungsberechtigten vor den jeweils anderen Interesseneinflüssen zu schützen. Sie sollte zum Ausdruck bringen, dass die Ämter des Substanzverwalters bzw seines Stellvertreters mit den Ämtern des Obmanns, Stellvertreter des Obmanns, Mitglied des Ausschusses oder Rechnungsprüfers der Agrargemeinschaft unvereinbar sind, wobei es nur darauf ankommt, dass jemand für dieses Amt gewählt wurde und nicht etwa darauf, ob er es tatsächlich ausübt. Dabei liegt die vom Gesetzgeber mit dieser Bestimmung aufgegriffene Unvereinbarkeit – mit Blick auf das Gesamtsystem der organisatorischen Binnenstruktur der atypischen Gemeindegutsagrargemeinschaft und den dahinter stehenden Motiven des Gesetzgebers (siehe dazu wiederum schon die einleitenden Vorbemerkungen) – unabhängig von der 'Richtung' vor, denn es ist im Hinblick auf das Entstehen von Interessenkonflikten im Grunde unerheblich, welches in der Unvereinbarkeitsbestimmung genannte Amt zu welchem anderem dort genannten Amt hinzutritt. Auch wenn die Bestimmung ihrem Wortlaut nach keine wechselseitige Unvereinbarkeit vorsieht, war es unzweifelhaft die Intention des Gesetzgebers, die Organfunktionen für die Wahrnehmung der Interessen der Gemeinde (Substanzverwalter) einerseits sowie die Wahrnehmung der Interessen der Nutzungsberechtigten (insbesondere Obmann, Ausschuss) auf verschiedene Personen aufzuteilen und eine Kumulation der betreffenden Funktionen in einer Person von vornherein zu unterbinden. Vor diesem Hintergrund könnte die Bestimmung des §36b Abs4 TFLG 1996 verfassungskonform dahingehend interpretiert werden, dass die Ämter des Substanzverwalters und seines Stellvertreters mit den Ämtern des Obmanns, seines Stellvertreters, Mitglied des Ausschusses oder Rechnungsprüfers der Agrargemeinschaft generell unvereinbar sind und dies der Gesetzgeber in jede Richtung hin angeordnet, gleichwohl nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht hat.
Dies legen auch die folgenden Überlegungen nahe: Dass nicht schon früher eine Bestimmung – wie nun durch die TFLG-Novelle LGBl Nr 9/2021 der neue §36b Abs7 – in das Gesetz aufgenommen wurde, dürfte sich nämlich im System der durch die TFLG-Novelle LGBl Nr 70/2014 geschaffenen spezifischen Binnenstruktur der atypischen Gemeindegutsagrargemeinschaft, die organisatorisch eine klare Trennung und Entflechtung der Besorgung der die substanzberechtigte Gemeinde einerseits und die Nutzungsberechtigten andererseits betreffenden Angelegenheiten vorsieht (siehe dazu schon die vorstehenden Ausführungen und Hinweise auf die parlamentarischen Materialien), als planwidrige Lücke erweisen, die sich aus der Entstehung der betreffenden Sonderbestimmungen erklären könnte. So hatte es der Gesetzgeber der TFLG-Novelle LGBl Nr 70/2014 offenkundig primär im Auge, ausgehend von der einschlägigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes die Durchsetzung des Substanzanspruchs der Gemeinde auch binnenorganisatorisch (besser als zuvor) zu gewährleisten (siehe dazu ausdrücklich die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage, Tiroler Landtag GZ 157/2014, S. 11 f). Um dies abzusichern, war dabei auch die Mitwirkung von den die Nutzungsberechtigten repräsentierenden Organwaltern in den ausschließlich die Gemeinde betreffenden Substanzangelegenheiten explizit auszuschließen, damit diesbezügliche Interessenskollisionen von vornherein […] vermieden werden. An eine Konstellation wie im Anlassfall, nämlich, dass die Möglichkeit der Wahl des vom Gemeinderat bestellten Substanzverwalters, der selbst Mitglied der Agrargemeinschaft ist, in den Ausschuss in einer spezifischen Konfliktlage bewusst dazu genutzt wird, um eine gesetzlich normierte Unvereinbarkeit zu provozieren, wurde dabei ganz offenkundig nicht gedacht. Dabei scheint es dem Gesetzgeber der TFLG-Novelle LGBl Nr 70/2014 nicht zusinnbar, dass er eine solche Regelungslücke bewusst in Kauf genommen hat.
Aus alledem ergibt sich nach Ansicht der Tiroler Landesregierung, dass §36b Abs4 erster Satz TFLG 1996 einer verfassungskonformen Interpretation dahingehend zugänglich ist, dass er die Unvereinbarkeit der Funktion des Substanzverwalters mit bestimmten anderen Organfunktionen in jede Richtung hin anordnet, sodass er weder das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt noch – worauf sogleich einzugehen ist – die Gemeinde in ihrem Recht auf Selbstverwaltung beeinträchtigt.
[…] Zu den Bedenken, die Gemeinde werde in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Selbstverwaltung verletzt:
Das vorstehend dargelegte umfassende Verständnis des §36b Abs4 erster Satz TFLG 1996 vorausgesetzt, bewirkt eine gegen den ausdrücklichen Willen des im Amt befindlichen Substanzverwalters erfolgende Wahl in den Ausschuss der Agrargemeinschaft nicht die Absetzung des Substanzverwalters gegen den Willen des bestellenden und jederzeit zur Abberufung ermächtigten Organs Gemeinderat, sodass es dann auch nicht in der Hand der Vollversammlung einer Gemeindegutsagrargemeinschaft liegt, einen Unvereinbarkeitsgrund in Bezug auf den Substanzverwalter herbeizuführen; dies aus den folgenden Gründen:
Ein solches Verständnis des §35 Abs4 in Verbindung mit §36b Abs4 TFLG 1996 würde nicht nur die vom Gesetzgeber intendierte, klare organisatorische Trennung innerhalb der Gemeindegutsagrargemeinschaft unterlaufen, sondern auch in Widerspruch zum Gebot der Bildung der Organe der Gemeindegutsagrargemeinschaft nach demokratischen Grundsätzen aus dem Kreis de[r] Mitglieder des Selbstverwaltungskörpers stehen, weil damit jene Mitglieder, deren Interessen durch die Substanzverwaltung überhaupt nicht betroffen sind, (mittelbar) Einfluss auf die Abberufung und damit implizit auf die Bestellung des Substanzverwalters gewinnen würden. Diese Rechte stehen aber nach dem Wortlaut des Gesetzes und dem Willen des Gesetzgebers (s die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage, Tiroler Landtag GZ 157/2014, S. 11 ff) ausschließlich der substanzberechtigten Gemeinde zu. Daher könnte §35 Abs4 TFLG 1996 im gegebenen Zusammenhang – auch im Hinblick auf die vom Gesetzgeber in §36b Abs4 TFLG 1996 (unvollständig) zum Ausdruck gebrachte Unvereinbarkeit zwischen den beiden Ämtern – verfassungskonform entweder dahingehend interpretiert werden, dass der Substanzverwalter – wie es nun §36b Abs7 TFLG 1996 ausdrücklich normiert – als Obmann, Stellvertreter des Obmanns oder Mitglied (Ersatzmitglied) des Ausschusses von vornherein nicht wählbar ist, oder dahingehend, dass für den Substanzverwalter wegen dieser gesetzlich normierten Unvereinbarkeit keine Pflicht zur Annahme der Wahl in den Ausschuss besteht, sodass diese Wahl aus diesem wichtigem, in seiner Funktion als Substanzverwalter gelegenen Grund, abgelehnt werden kann (in diesem Fall scheint ein Gesetzesverständnis naheliegend, wonach der Substanzverwalter erst dann als in den Ausschuss gewählt gilt, wenn er diese Wahl tatsächlich ausdrücklich annimmt und so bewusst das Entstehen eines Unvereinbarkeitsgrundes akzeptiert). Wie bereits dargelegt scheint es nämlich dem Gesetzgeber, gerade auch mit Blick auf das eingangs dargestellte Gesamtsystem der inneren Organisation der atypischen Gemeindegutsagrargemeinschaft und der dafür in den Gesetzesmaterialien ins Treffen geführten Gründe, nicht zusinnbar, dass er den Nutzungsberechtigten – qua Kreation eines Unvereinbarkeitsgrundes durch Wahl des bestellten Substanzverwalters gegen dessen Willen in den Ausschuss – einen Einfluss auf die Abberufung des Substanzverwalters einräumen wollte. Dass eine solche Konstellation in der Praxis tatsächlich auftreten kann, war vom Gesetzgeber offenkundig nicht hinreichend bedacht worden (siehe bereits vorstehend).
Aus alledem ergibt sich nach Ansicht der Tiroler Landesregierung, dass die bis zur TFLG-Novelle LGBl Nr 9/2021 bestandene Rechtslage auch im hier gegebenen Zusammenhang einer verfassungskonformen Interpretation dahingehend zugänglich ist, dass diese nicht in Widerspruch zum der Gemeinde verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Selbstverwaltung gerät."
5. Die Beschwerdeführer im Anlassverfahren haben als beteiligte Parteien eine Äußerung erstattet, in der Folgendes vorgebracht wird (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):
"Eine verfassungskonforme Interpretation der geprüften Fassung des TFLG 1996 hätte schon vor der TFLG-Novelle LGBl 9/2021 zum Ergebnis führen müssen, [w]as jetzt in §36b Abs7 TFLG normiert ist, nämlich, dass zum Obmann, Stellvertreter des Obmannes oder Mitglied (Ersatzmitglied) des Ausschusses der Agrargemeinschaft nicht bestellt werden darf, wer zum Substanzverwalter, dessen Stellvertreter oder ersten Rechnungsprüfer bestellt ist.
Dies hätte sich auch vor der Novelle zwanglos aus §36[b] Abs4 TFLG in der bis zum 29.01.2021 geltenden Fassung des TFLG ableiten lassen, weil in dieser Bestimmung unmissverständlich zum Ausdruck kommt, dass die Funktionen eines Substanzverwalters, des Stellvertreters eines Substanzverwalters sowie des ersten Rechnungsprüfers der Agrargemeinschaft mit den Funktionen eines Obmannes, dessen Stellvertreters, eines Ausschussmitgliedes oder des Rechnungsprüfers der Agrargemeinschaft unvereinbar [sind], und eine Gesetzesauslegung, wonach eine Unvereinbarkeit nur in eine Richtung gewirkt hätte, widersinnig ist und war.
Bei der reinen Wortinterpretation ergibt sich allerdings das Problem, dass der Unvereinbarkeitsgrund des §36b TFLG 1996 in der zu prüfenden Fassung schon dann eintrat, wenn jemand zum Obmann etc. 'gewählt' worden war, und der Eintritt dieses Unvereinbarkeitsgrundes (anders als nach der geltenden Rechtslage), zwingend das Ende der Funktion eines Substanzverwalters etc. nach sich zog. Nach dem reinen Wortlaut der Bestimmung kam es somit gar nicht darauf an, ob eine solche Wahl gegen ein gesetzliches Verbot oder ein verfassungsrechtlich gewährleistetes Recht verstoßen hätte.
Die Beschwerdeführer sind allerdings nach wie vor der Ansicht, dass die belangte Behörde und das Landesverwaltungsgericht Tirol dem Gesetzgeber des TFLG nicht unterstellen hätte[n] dürfen, dass er das Erlöschen der Funktion eines Substanzverwalters etc. auch für den Fall anordnen hätte wollen, dass die Wahl einer Person zum Obmann, dessen Stellvertreter oder als Ausschussmitglied oder Rechnungsprüfer der Agrargemeinschaft infolge Vorliegens eines Unvereinbarkeitsgrundes gar nicht zur Folge gehabt hätte, dass der Gewählte sein Amt antreten bzw ausüben hätte müssen oder dürfen.
Die Beschwerdeführer sind daher der Auffassung, das TFLG 1996 hätte auch schon vor der TFLG-Novelle LGBl Nr 9/2021 verfassungskonform so interpretiert werden können – und demzufolge auch müssen –, dass die Wahl des Substanzverwalters und seines Stellvertreters zum Ersatzmitglied des Ausschusses der Agrargemeinschaft nicht zum Erlöschen der Funktionen des Substanzverwalters und seines Stellvertreters geführt hat."
II. Rechtslage
Die maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar (die in Prüfung gezogenen Bestimmungen sind hervorgehoben):
1. §35, §36a Abs1, §36b und §84a TFLG 1996, LGBl 74 (WV), idF LGBl 138/2019 laute(te)n:
"§35
Organe, Willensbildung, Vertretung nach außen
(1) Die Organe der Agrargemeinschaften sind:
a) die Vollversammlung;
b) der Ausschuss;
c) der Obmann.
(2) Die Vollversammlung ist beschlussfähig, wenn alle Mitglieder der Agrargemeinschaft, im Fall einer Agrargemeinschaft auf Gemeindegut im Sinn des §33 Abs2 litc Z1 auch die Gemeinde, ordnungsgemäß eingeladen wurden und mehr als die Hälfte der Mitglieder anwesend sind; sind zur festgesetzten Zeit nicht mehr als die Hälfte der Mitglieder anwesend, so ist die Vollversammlung nach Ablauf einer halben Stunde ohne Rücksicht auf die Zahl der anwesenden Mitglieder beschlussfähig. Die Einladung ist ordnungsgemäß, wenn sie auf der Grundlage des nach Abs7 geführten Mitgliederverzeichnisses erfolgt oder sonst in einer in den Satzungen festgelegten Art, wie ortsübliche Kundmachung, Verlautbarung in einem den Mitgliedern allgemein zugänglichen periodischen Druckwerk, Anberaumung an einem bestimmten Tag im Jahr, nach einer bestimmten Veranstaltung oder sonstigen Übung, vorgenommen wird. Sind Anteilsrechte festgelegt, so ist zu einem Beschluss der Vollversammlung die Mehrheit der Anteilsrechte der anwesenden Mitglieder erforderlich. Sind keine Anteilsrechte festgelegt, so beschließt die Vollversammlung mit einfacher Stimmenmehrheit. Bei Anteils- oder Stimmengleichheit gibt die Stimme des Obmannes den Ausschlag.
(3) Die Mitglieder haben ihre Stimmen persönlich oder durch schriftlich Bevollmächtigte abzugeben. Von der Beibringung einer schriftlichen Vollmacht kann abgesehen werden, wenn ein Mitglied durch ein dem Obmann bekanntes Familienmitglied vertreten wird und Zweifel über Bestand und Umfang der Vertretungsbefugnis nicht bestehen. Ein Bevollmächtigter darf höchstens zwei Mitglieder vertreten.
(4) Die Zahl der Mitglieder des Ausschusses ist von der Agrarbehörde je nach Größe der Zahl der Mitglieder der Agrargemeinschaft mit höchstens 15 v.H. der Mitglieder der Agrargemeinschaft, mindestens aber mit drei Mitgliedern festzusetzen. Die Mitglieder des Ausschusses sind von der Vollversammlung aus ihrer Mitte für die Dauer von fünf Jahren zu wählen. Als gewählt gelten der Reihe nach jene Mitglieder (Ersatzmitglieder), die die meisten Stimmen, die ohne Rücksicht auf die von den Stimmberechtigten vertretenen Anteilsrechte zu werten sind, auf sich vereinen. Jedes Mitglied der Agrargemeinschaft ist verpflichtet, die Wahl anzunehmen. Eine Neuwahl ist durchzuführen, wenn es mindestens die Hälfte der Ausschussmitglieder verlangt oder die Zahl der Ausschussmitglieder trotz Einberufung der Ersatzmitglieder unter die Hälfte absinkt.
(5) Die Mitglieder des Ausschusses haben unmittelbar nach ihrer Wahl aus ihrer Mitte den Obmann und dessen Stellvertreter in getrennten Wahlgängen zu wählen. Als gewählt gilt, wer die meisten Stimmen auf sich vereint.
(6) Von der Wahl des Ausschusses ist abzusehen, wenn die Agrargemeinschaft weniger als 15 Mitglieder umfasst. In diesem Fall sind der Obmann und dessen Stellvertreter in getrennten Wahlgängen von der Vollversammlung aus ihrer Mitte für die Dauer von fünf Jahren zu wählen. Als zum Obmann (Stellvertreter) gewählt gilt jenes Mitglied, das die meisten Stimmen, die ohne Rücksicht auf die von den Stimmberechtigten vertretenen Anteilsrechte zu werten sind, auf sich vereint. Jedes Mitglied der Agrargemeinschaft ist verpflichtet, die Wahl anzunehmen. Eine Neuwahl ist durchzuführen, wenn es mindestens die Hälfte der Mitglieder der Agrargemeinschaft verlangt.
(7) Dem Obmann obliegt die Einberufung der Vollversammlung und des Ausschusses. Der Obmann hat in den Sitzungen der Vollversammlung und des Ausschusses den Vorsitz zu führen und die Beschlüsse der Vollversammlung und des Ausschusses durchzuführen. Der Obmann hat ein Mitgliederverzeichnis ordnungsgemäß zu führen. Jeder Wechsel des Eigentums an einer Stammsitzliegenschaft und der Erwerb eines Mitgliedschaftsrechtes an einer Agrargemeinschaft ist unverzüglich vom neuen Mitglied dem Obmann der Agrargemeinschaft schriftlich mitzuteilen. Auf die gleiche Weise ist eine Änderung der Wohnadresse mitzuteilen. Werden diese Mitteilungen unterlassen, so gilt das Mitgliederverzeichnis auch dann als ordnungsgemäß geführt, wenn die tatsächlichen Änderungen nicht berücksichtigt sind.
(8) Der Ausschuss ist beschlussfähig, wenn sämtliche Mitglieder, im Fall einer Agrargemeinschaft auf Gemeindegut im Sinn des §33 Abs2 litc Z1 auch die Gemeinde, eingeladen wurden und der Obmann oder dessen Stellvertreter sowie mehr als die Hälfte der Mitglieder anwesend sind. Bei Verhinderung von Mitgliedern sind Ersatzmitglieder einzuberufen. Der Ausschuss beschließt mit einfacher Stimmenmehrheit, bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Obmannes.
(9) Der Obmann vertritt die Agrargemeinschaft nach außen, in Angelegenheiten, die der Beschlussfassung durch die Vollversammlung oder den Ausschuss unterliegen, jedoch nur im Rahmen entsprechender Beschlüsse. Zu allen Vertretungshandlungen, durch die der Agrargemeinschaft Verbindlichkeiten auferlegt werden, ist der Obmann nur gemeinsam mit einem weiteren Mitglied des Ausschusses, im Fall des Abs6 der Vollversammlung, befugt; dies gilt insbesondere für die Fertigung von Urkunden.
(10) Kann in einer Angelegenheit, die der Beschlussfassung durch die Vollversammlung oder den Ausschuss unterliegt, die Vollversammlung bzw der Ausschuss wegen Gefahr im Verzug nicht rechtzeitig einberufen werden, so kann der Obmann in dieser Angelegenheit allein entscheiden und die erforderlichen Maßnahmen setzen. Die Entscheidung ist ohne unnötigen Aufschub der Vollversammlung bzw dem Ausschuss zur nachträglichen Kenntnisnahme und Beschlussfassung vorzulegen.
(11) Ist der Obmann verhindert, so sind die Geschäfte von seinem Stellvertreter zu führen.
2. Unterabschnitt
Sonderbestimmungen für Agrargemeinschaften auf Gemeindegut
im Sinn des §33 Abs2 litc Z2
§36a
Organe, Satzungen
(1) Organe der Agrargemeinschaften auf Gemeindegut im Sinn des §33 Abs2 litc Z2 sind die Organe nach §35 Abs1, der Substanzverwalter sowie der erste und der zweite Rechnungsprüfer. §35 ist anzuwenden, soweit in diesem Unterabschnitt nichts anderes bestimmt ist.
[…]
§36b
Substanzverwalter, Rechnungsprüfer
(1) Der Gemeinderat der substanzberechtigten Gemeinde hat aus seiner Mitte für die Dauer der Funktionsperiode des Gemeinderates den Substanzverwalter und für den Fall der Verhinderung des Substanzverwalters einen ersten und einen zweiten Stellvertreter zu bestellen. Der Gemeinderat der substanzberechtigten Gemeinde kann den Substanzverwalter bzw dessen Stellvertreter jederzeit abberufen; über die Abberufung und die Bestellung eines Nachfolgers ist zwingend gemeinsam zu beschließen, widrigenfalls die Abberufung nicht zustande kommt.
(1a) Nach dem Ablauf der Funktionsperiode des Gemeinderates haben der Bürgermeister und der Bürgermeister-Stellvertreter der substanzberechtigten Gemeinde, bei Vorliegen eines Unvereinbarkeitsgrundes nach Abs4 erster Satz der Reihe nach die nach §31 Abs3 der Tiroler Gemeindeordnung 2001 – TGO, LGBl Nr 36/2001, zur Vertretung des Bürgermeisters berufenen Organe, bis zur Bestellung des Substanzverwalters und dessen Stellvertreter durch den neuen Gemeinderat die Aufgaben und Befugnisse des Substanzverwalters und des ersten Stellvertreters des Substanzverwalters wahrzunehmen.
(2) Beschlüsse über die Bestellung bzw die Abberufung des Substanzverwalters (Stellvertreters des Substanzverwalters) sind an der Amtstafel der Gemeinde kundzumachen. Sie werden mit dem Ablauf des Tages der Kundmachung an der Amtstafel der substanzberechtigten Gemeinde wirksam.
(3) Außer durch Abberufung endet das Amt als Substanzverwalter (Stellvertreter des Substanzverwalters) durch Tod, mit der Wirksamkeit eines Mandatsverlustes nach §25 Abs1 TGO, eines Mandatsverzichtes nach §26 Abs2 TGO oder eines in sinngemäßer Anwendung des §26 Abs3 TGO erklärten Amtsverzichtes sowie mit dem Eintritt eines Unvereinbarkeitsgrundes nach Abs4; ist die Stadt Innsbruck substanzberechtigte Gemeinde, so tritt an die Stelle des §25 Abs1 TGO der §16a Abs2 des Innsbrucker Stadtrechtes 1975, LGBl Nr 53, an die Stelle des §26 Abs2 TGO der §16a Abs3 des Innsbrucker Stadtrechtes 1975 und an die Stelle des §26 Abs3 TGO der §17a Abs5 des Innsbrucker Stadtrechtes 1975. Der Gemeinderat der substanzberechtigten Gemeinde hat in diesen Fällen für den Rest der Funktionsperiode unverzüglich einen neuen Substanzverwalter (Stellvertreter des Substanzverwalters) zu bestellen. Das Enden des Amtes ist nach Abs2 erster Satz kundzumachen.
(4) Zum Substanzverwalter oder dessen Stellvertreter darf nicht bestellt werden, wer zum Obmann, Stellvertreter des Obmannes, Mitglied des Ausschusses oder Rechnungsprüfer der Agrargemeinschaft gewählt ist. Für die Befangenheit des Substanzverwalters oder dessen Stellvertreters gilt §29 Abs1, 3 erster Satz, 5 zweiter Satz und 6 TGO sinngemäß.
(5) Der Gemeinderat der substanzberechtigten Gemeinde hat aus seiner Mitte für die Dauer der Funktionsperiode des Gemeinderates den ersten Rechnungsprüfer zu bestellen; Abs1 zweiter Satz sowie Abs3 erster und zweiter Satz gilt sinngemäß. Die Vollversammlung hat aus ihrer Mitte für die Dauer von fünf Jahren den zweiten Rechnungsprüfer zu bestellen; §35 Abs6 zweiter, dritter und vierter Satz gilt sinngemäß. Zum Rechnungsprüfer darf nicht bestellt werden, wer zum Obmann, Stellvertreter des Obmanns, Mitglied des Ausschusses oder Substanzverwalter (Stellvertreter des Substanzverwalters) gewählt ist.
(6) Auf Beschlüsse des Gemeinderates über die Bestellung und die Abberufung des Substanzverwalters (Stellvertreters des Substanzverwalters) und des ersten Rechnungsprüfers sind die gemeindeorganisationsrechtlichen Vorschriften über die Durchführung von Wahlen anzuwenden.
4. HAUPTSTÜCK
Straf- und Schlussbestimmungen
§84a
Eigener Wirkungsbereich der Gemeinde
Die Gemeinde hat die ihr nach diesem Gesetz obliegenden Aufgaben, mit Ausnahme jener nach §12 Abs2 erster Satz, §17a Abs4 fünfter Satz, §17b Abs3 erster und zweiter Satz und Abs6, §49e erster Satz, §49j vierter Satz, §52 zweiter Satz und §72 Abs2, im eigenen Wirkungsbereich zu besorgen."
2. Durch das am 30. Jänner 2021 in Kraft getretene Gesetz vom 16. Dezember 2020, mit dem das Tiroler Flurverfassungslandesgesetz 1996 und das Güter- und Seilwege-Landesgesetz 1970 geändert werden, LGBl 9/2021, wurden ua die Überschrift des §36b TFLG 1996 neu gefasst ("Substanzverwalter, Rechnungsprüfer, Unvereinbarkeit"), die Wortfolge "sowie mit dem Eintritt eines Unvereinbarkeitsgrundes nach Abs4" in §36b Abs3 leg.cit. aufgehoben und §36b leg.cit. folgender Abs7 angefügt:
"(7) Zum Obmann, Stellvertreter des Obmannes oder Mitglied (Ersatzmitglied) des Ausschusses der Agrargemeinschaft darf nicht bestellt werden, wer zum Substanzverwalter, dessen Stellvertreter oder ersten Rechnungsprüfer gewählt ist."
Die Materialien zu diesen Änderungen (RV 597/20 BlgLT 17. GP, 2) lauten wie folgt:
"Der vorgeschlagene §36b regelt künftig neben der Bestellung des Substanzverwalters und des Rechnungsprüfers auch die für die Bestellung des Obmannes, des Stellvertreters des Obmannes und der Mitglieder (Ersatzmitglieder) des Ausschusses geltenden Unvereinbarkeitsgründe. Durch den vorgeschlagenen Abs7 soll – spiegelbildlich zu §36b Abs4 – nicht jemand zum Obmann, Stellvertreter des Obmannes oder Mitglied (Ersatzmitglied) des Ausschusses gewählt werden dürfen, der bereits zum Substanzverwalter, dessen Stellvertreter oder Rechnungsprüfer bestellt wurde. Durch die Aufnahme dieser Unvereinbarkeitsgründe kann der Fall, dass eine Abberufung des Substanzverwalters oder seines Stellvertreters aufgrund des Eintritts eines Unvereinbarkeitsgrundes nach Ab[s]. 4 ex lege erfolgt, nicht mehr eintreten. Daher kann die entsprechende Wortfolge in Abs3 aufgehoben werden."
III. Erwägungen
1. Zur Zulässigkeit des Verfahrens
Im Verfahren hat sich nichts ergeben, was an der Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Bestimmungen zweifeln ließe. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich das Gesetzesprüfungsverfahren insgesamt als zulässig.
2. In der Sache
Die im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes haben sich als zutreffend erwiesen:
2.1. Zusammengefasst hegte der Verfassungsgerichtshof gegen die in Prüfung gezogenen Gesetzesbestimmungen das Bedenken, dass diese gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen könnten, weil eine Unvereinbarkeit ua zwischen dem Amt des Substanzverwalters einerseits und dem Amt des Obmannes, Stellvertreters des Obmannes, Mitglieds des Ausschusses oder Rechnungsprüfers einer Agrargemeinschaft andererseits – bis zur Novelle LGBl 9/2021 – nur für den Fall normiert gewesen sei, dass eine Person bereits zum Obmann, Stellvertreter des Obmannes, Mitglied des Ausschusses oder Rechnungsprüfer einer Agrargemeinschaft gewählt sei und es um ihre Bestellung ua zum Substanzverwalter gehe, nicht aber für die umgekehrte Sachverhaltskonstellation, dass eine Person bereits zum Substanzverwalter bestellt worden sei und es um ihre Wahl zu den anderen genannten Ämtern gehe. Für die unterschiedliche Behandlung der beiden geschilderten Sachverhaltskonstellationen scheine es keine sachliche Rechtfertigung zu geben (auf eine bestimmte "Richtung" komme es nicht an).
Zudem hegte der Verfassungsgerichtshof das Bedenken, die in Prüfung gezogenen Regelungen könnten gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht der Gemeinde auf Selbstverwaltung verstoßen, weil es die Vollversammlung einer Gemeindegutsagrargemeinschaft (und damit eine von der örtlichen Gemeinschaft verschiedene Personengruppe) in der Hand habe, durch die Wahl einer von der substanzberechtigten Gemeinde zum Substanzverwalter bestellten Person zB zum Ersatzmitglied des Ausschusses dieser Agrargemeinschaft einen Unvereinbarkeitsgrund des §36b Abs4 erster Satz (und nunmehr auch Abs7) TFLG 1996 herbeizuführen, der bis zum Inkrafttreten der Novelle LGBl 9/2021 gemäß §36 Abs3 erster Satz TFLG 1996 zur sofortigen Beendigung des Amtes des Substanzverwalters geführt habe, obwohl die Bestellung und Abberufung eines Substanzverwalters durch den Gemeinderat der substanzberechtigten Gemeinde gemäß §36b leg.cit. im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde erfolgten (vgl §84a TFLG 1996).
2.2. Die Tiroler Landesregierung bringt in ihrer Äußerung – auf das Wesentliche zusammengefasst – zum Bedenken, dass die in Prüfung gezogenen Gesetzesbestimmungen gegen den Gleichheitsgrundsatz verstießen, vor, sie erachte eine verfassungskonforme Interpretation dieser Regelungen für geboten und auch möglich. Die in §36b Abs4 TFLG 1996 festgelegten Unvereinbarkeitsgründe verfolgten – vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Interessenlage bei atypischen Gemeindegutsagrargemeinschaften mit dem Substanzanspruch des Mitglieds Gemeinde einerseits und dem Interesse auf Befriedigung der Nutzungsrechte der übrigen Mitglieder andererseits sowie der spezifischen organisationsrechtlichen Binnenstruktur und der damit verbundenen weitestgehenden organisatorischen Entflechtung in der Besorgung der die jeweiligen Interessen betreffenden Aufgaben durch die dafür zuständigen Organe – das Ziel, Interessenkollisionen von vornherein auszuschließen und die Gemeinde bzw die Nutzungsberechtigten vor den jeweils anderen Interesseneinflüssen zu schützen. Auch wenn §36b Abs4 TFLG 1996 seinem klaren Wortlaut nach keine wechselseitige Unvereinbarkeit vorsehe, sei es unzweifelhaft die Intention des Gesetzgebers gewesen, die Organfunktion für die Wahrnehmung der Interessen der Gemeinde (Substanzverwalter) einerseits sowie die Wahrnehmung der Interessen der Nutzungsberechtigten (insbesondere Obmann und Ausschuss) – unabhängig von der "Richtung" – auf verschiedene Personen aufzuteilen und eine Kumulation der betreffenden Funktionen in einer Person von vornherein zu unterbinden, sodass die in Rede stehende Regelung verfassungskonform dahingehend interpretiert werden könnte, dass die darin genannten Ämter generell unvereinbar seien, auch wenn der Gesetzgeber dies nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht habe. Dass nicht schon früher eine Bestimmung wie der durch die Novelle LGBl 9/2021 eingefügte Abs7 des §36b TFLG 1996 in das Gesetz aufgenommen worden sei, dürfte sich im System der durch die TFLG 1996-Novelle LGBl 70/2014 geschaffenen spezifischen Binnenstruktur der atypischen Gemeindegutsagrargemeinschaft als planwidrige Lücke erweisen, die sich aus der Entstehung der betreffenden Sonderbestimmungen erklären könnte. Der Gesetzgeber der zuletzt genannten Novelle habe – ausgehend von der einschlägigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes – offenkundig primär im Auge gehabt, die Durchsetzung des Substanzanspruches der Gemeinde auch binnenorganisatorisch (besser als zuvor) zu gewährleisten. An eine Konstellation wie im Anlassfall sei dabei offenkundig nicht gedacht worden; dem Gesetzgeber der TFLG 1996-Novelle LGBl 70/2014 sei es jedoch nicht zusinnbar, dass er eine solche Regelungslücke bewusst in Kauf genommen habe.
Zum Bedenken, die in Rede stehenden Bestimmungen verstießen gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht der Gemeinde auf Selbstverwaltung, bringt die Tiroler Landesregierung vor, beim dargestellten umfassenden Verständnis des §36b Abs4 erster Satz TFLG 1996 bewirke eine gegen den ausdrücklichen Willen des im Amt befindlichen Substanzverwalters erfolgende Wahl in den Ausschuss der Agrargemeinschaft nicht die Absetzung des Substanzverwalters gegen den Willen des bestellenden und jederzeit zur Abberufung ermächtigten Organs Gemeinderat. §35 Abs4 TFLG 1996 könnte im gegebenen Zusammenhang – auch im Hinblick auf die vom Gesetzgeber in §36b Abs4 leg.cit. (unvollständig) zum Ausdruck gebrachte Unvereinbarkeit zwischen den in Rede stehenden Ämtern – verfassungskonform entweder dahingehend interpretiert werden, dass der Substanzverwalter – wie es nun §36b Abs7 TFLG 1996 ausdrücklich normiere – als Obmann, Stellvertreter des Obmannes oder Mitglied (Ersatzmitglied) des Ausschusses von vornherein nicht wählbar sei, oder dahingehend, dass für den Substanzverwalter wegen dieser gesetzlich normierten Unvereinbarkeit keine Pflicht zur Annahme der Wahl in den Ausschuss bestehe, sodass diese Wahl aus einem wichtigen, in seiner Funktion als Substanzverwalter gelegenen Grund abgelehnt werden könne (in diesem Fall scheine ein Gesetzesverständnis naheliegend, nach dem der Substanzverwalter erst als in den Ausschuss gewählt gelte, wenn er diese Wahl ausdrücklich annehme und so bewusst das Entstehen eines Unvereinbarkeitsgrundes akzeptiere).
2.3. Die Beschwerdeführer im Anlassverfahren vertreten in ihrer Äußerung zusammengefasst die Ansicht, eine verfassungskonforme Interpretation der in Prüfung gezogenen Fassung des TFLG 1996 hätte bereits vor dessen Novelle LGBl 9/2021 – abgeleitet aus §36b Abs4 TFLG 1996 – zum Ergebnis führen müssen, dass zum Obmann, Stellvertreter des Obmannes oder Mitglied (Ersatzmitglied) des Ausschusses der Agrargemeinschaft nicht bestellt werden dürfe, wer zum Substanzverwalter, dessen Stellvertreter oder ersten Rechnungsprüfer bestellt sei (vgl nunmehr §36b Abs7 TFLG 1996). Die Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde und das Landesverwaltungsgericht Tirol hätten dem Gesetzgeber des TFLG 1996 nicht unterstellen dürfen, dass er das Erlöschen der Funktion eines Substanzverwalters etc. auch für den Fall anordnen hätte wollen, dass die Wahl einer Person zum Obmann, dessen Stellvertreter oder als Ausschussmitglied oder Rechnungsprüfer der Agrargemeinschaft in Folge des Vorliegens eines Unvereinbarkeitsgrundes gar nicht zur Folge gehabt hätte, dass der Gewählte sein Amt antreten bzw ausüben hätte müssen oder dürfen.
2.4. Die von der Tiroler Landesregierung und den Beschwerdeführern im Anlassverfahren in ihren Äußerungen vorgebrachten Argumente für eine verfassungskonforme Interpretation der in Prüfung gezogenen Gesetzesbestimmungen vermögen die im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes nicht zu zerstreuen: Mag auch die Intention des Gesetzgebers der TFLG 1996-Novelle LGBl 70/2014 gewesen sein, eine generelle (von der "Richtung" unabhängige) Unvereinbarkeit von Organfunktionen zu normieren, die die in einer atypischen Gemeindegutsagrargemeinschaft vorhandenen unterschiedlichen Interessenlagen der substanzberechtigten Gemeinde einerseits und der Nutzungsberechtigten andererseits wahrnehmen, so hat er dies im insoweit klaren Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen nicht zum Ausdruck gebracht. Es verbietet sich daher (vgl VfSlg 8147/1977) – für die in Prüfung gezogene Rechtslage vor der Novelle LGBl 9/2021 – sowohl die Auslegung, eine zum Substanzverwalter bestellte Person sei zB zum Ersatzmitglied des Ausschusses nicht wählbar (gegen eine derartige Einschränkung spricht der für den [Stellvertreter des] Substanzverwalter[s] explizit vorgesehen gewesene Endigungsgrund des Eintrittes eines Unvereinbarkeitsgrundes), als auch jene, sie müsse eine solche Wahl nicht annehmen (§35 Abs4 vierter Satz TFLG 1996 idF vor LGBl 9/2021 normierte ausdrücklich eine ausnahmslose Pflicht eines jeden Agrargemeinschaftsmitgliedes zur Annahme einer Wahl).
IV. Ergebnis
1. Die Wortfolge "sowie mit dem Eintritt eines Unvereinbarkeitsgrundes nach Abs4" in §36b Abs3 und §36b Abs4 erster Satz TFLG 1996, LGBl 74 (WV), in der Fassung LGBl 70/2014 waren wegen Verstoßes gegen den auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitssatz verfassungswidrig. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Eingehen auf das weitere im Prüfungsbeschluss dargelegte Bedenken.
2. Die Verpflichtung des Landeshauptmannes von Tirol zur unverzüglichen Kundmachung der Feststellung, dass die in Prüfung gezogenen Gesetzesbestimmungen verfassungswidrig waren, erfließt aus Art140 Abs5 erster Satz B-VG und §64 Abs2 VfGG iVm §2 Abs1 liti Tir Landes-VerlautbarungsG 2013.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Flurverfassung, Unvereinbarkeit, Agrargemeinschaft, Auslegung verfassungskonforme, Organ OrganwalterEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2021:G44.2021Zuletzt aktualisiert am
20.10.2021