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StVONorm
StVO 1960 §9 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karlik und die Hofräte Dr. Dorner und Dr. Bernard als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kowalski, über die Beschwerde des Dr. hc. WN in W, vertreten durch Dr. Franz J. Salzer, Rechtsanwalt in Wien I, Stock im Eisenplatz 3, gegen den Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 6. Juli 1984, Zl. VI/2-1744/2-1983, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Burgenland hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.450,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Eisenstadt-Umgebung wurde der Beschwerdeführer einer Verwaltungsübertretung „nach § 19 Abs. 4 letzter Satz StVO 1960 i.V.m. § 9 Abs. 4 StVO 1960“ schuldig erkannt und hiefür bestraft, weil er am 22. Juni 1982 um 19.35 Uhr ein dem Kennzeichen nach bestimmtes Kraftfahrzeug „auf der Autobahnabfahrt der A 3 in Richtung L 2016 neu im Gemeindegebiet von Hornstein“ gelenkt habe, wobei er „bei der Einmündung in die L 2016 neu das dort angebrachte Vorschriftszeichen ‚Halt‘ nicht beachtet“ habe.
Mit Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 6. Juli 1984 wurde gemäß.§ 66 Abs. 4 AVG 1950 und § 51 Abs. 1 VStG 1950 der dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben und das erstinstanzliche Straferkenntnis bestätigt. Gleichzeitig wurde der Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses „mit der Maßgabe geändert, daß er ab dem Wort ‚gelenkt‘ wie folgt zu lauten hat: ......... wobei Sie bei der Einmündung in die L 2016 neu vor der dort angebrachten Haltelinie nicht angehalten haben.“ Hinzugefügt wurde, daß „ansonsten der Spruch unverändert bleibt“.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die belangte Behörde ist in der Begründung des angefochtenen Bescheides von der vom Beschwerdeführer im Verwaltungsstrafverfahren aufgestellten Behauptung, daß er zur Tatzeit am Tatort das von ihm gelenkte Kraftfahrzeug „vor der Stoptafel und zwar ca. 3 Meter vor der ‚Markierungslinie‘ zum Stillstand gebracht“ habe, ausgegangen und sie hat daraus geschlossen, daß „damit der ihm zur Last gelegte Tatbestand zweifelsfrei erwiesen“ sei, zumal „nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes“ (Hinweis auf das in ZfVB 1977/3/1029 veröffentlichte Erkenntnis vom 16. Dezember 1976, Zl. 242/76) „unmittelbar (nicht mehrere Meter) vor der Haltelinie anzuhalten“ sei. Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides macht der Beschwerdeführer geltend, daß „dadurch, daß der Beschwerdeführer ca. 3 .Meter vor der ‚Markierungslinie‘ sein Fahrzeug zum Stillstand gebracht hat, noch nicht das Tatbild des § 19 Abs. 4 letzter Satz StVO in Verbindung mit § 9 Abs. 4 StVO erfüllt“ sei. Diesem Einwand kommt jedoch - sollte es sich bei der vom Beschwerdeführer als „Markierungslinie“ bezeichneten gelben Bodenmarkierung vor der Kreuzung tatsächlich um eine Haltelinie gehandelt haben (siehe dazu § 55 Abs. 2 StVO 1960 und § 15 Bodenmarkierungsverordnung, BGBl. Nr. 226/1963 in der geltenden Fassung) und diese auch entsprechend erkennbar gewesen sein - keine Berechtigung zu. Denn gemäß § 9 Abs. 4 StVO 1960 ist dann, wenn an einer Kreuzung das Vorschriftszeichen „Halt“ und auf der Fahrbahn eine Haltelinie angebracht ist, an dieser Haltelinie anzuhalten. Wie der Verwaltungsgerichtshof in dem bereits genannten Erkenntnis ausgeführt hat, bedeutet dies, daß unmittelbar vor der Haltelinie anzuhalten ist, was durch ein Anhalten mehrere Meter vor dieser nicht ersetzt werden kann. Dies gilt daher jedenfalls auch für eine Entfernung von „ca. 3 Meter“ von der Haltelinie, wobei die Auffassung des Beschwerdeführers, „aus dieser Entscheidung wäre zu schließen, daß unter ‚unmittelbar‘ ein Bereich bis zu 4 Meter vor der Haltelinie zu verstehen ist“, in dem zitierten Erkenntnis keine Deckung findet. Dennoch erweist sich die Rechtsrüge des Beschwerdeführers im Ergebnis als berechtigt.
Die belangte Behörde hat - in Abänderung des Spruches des erstinstanzlichen Straferkenntnisses - dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, ein Kraftfahrzeug gelenkt zu haben, wobei er am Tatort „vor der dort angebrachten Haltelinie nicht angehalten“ habe. Dabei fehlt es aber an einer hinreichenden Angabe der als erwiesen angenommenen Tat im Sinne des § 44 a lit. a VStG 1950. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 13. Juni 1984, Zl. 82/03/0265, dargelegt, daß es nach der genannten Gesetzesstelle. rechtlich geboten ist, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, daß u.a. auch die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird. Abgesehen davon, daß der Vorwurf der belangten Behörde dahingeht, nicht „vor“ (anstatt „an“) der Haltelinie angehalten zu haben, und im übrigen der Beschwerdeführer nach seiner (von der belangten Behörde unwidersprochen gebliebenen) Behauptung „vor“ der Kreuzung, nämlich ca. 3 Meter davor, angehalten hat, ist als wesentliche Tatbestandsvoraussetzung des § 9 Abs. 4 StVO 1960 nicht nur der Umstand anzusehen, daß an einer Kreuzung auf der Fahrbahn eine Haltelinie angebracht ist, an der der Lenker eines Fahrzeuges nicht angehalten hat, sondern darüberhinaus, daß dort auch das Vorschriftszeichen „Halt“ angebracht ist. Erst das Vorliegen aller dieser Voraussetzungen gemeinsam läßt eine Subsumtion der Tat unter die von der belangten Behörde herangezogene Bestimmung des § 9 Abs. 4 StVO 1960 zu. Dies hat die belangte Behörde übersehen, indem sie das im erstinstanzlichen Straferkenntnis enthaltene Tatbestandsmerkmal des Nichtbeachtens eines am Tatort befindlichen Vorschriftszeichens „Halt“ gegen das fehlende, weitere Tatbestandsmerkmal des Nichtanhaltens „vor“ (richtig: an) einer Haltelinie ausgetauscht hat, anstatt beide Tatbestandsmerkmale in den Spruch ihres Bescheides aufzunehmen (siehe auch die anderen in der Straßenverkehrsordnung 1960 vorgesehenen Fälle der Verpflichtung zum Anhalten „an“ bzw. „vor“ einer Haltlinie in den §§ 9 Abs. 3, 37 Abs. 1 und 38 Abs. 1, sowie hinsichtlich der Stelle, an der vor einer Kreuzung auf Grund des Vorschriftszeichens „Halt“ anzuhalten ist, wenn eine Bodenmarkierung fehlt oder nicht sichtbar ist, § 52 Z. 24 leg. cit.).
Da somit die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet hat, war dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß noch auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.
Hinsichtlich der zitierten, nicht in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes veröffentlichten Entscheidungen wird an Art. 14 Abs. 4 seiner Geschäftsordnung, BGBl. Nr. 45/1965, erinnert.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil in dem mit S 8.060,-- pauschalierten Schriftsatzaufwand die Umsatzsteuer bereits enthalten ist und Stempelgebühren nur für jede Ausfertigung der Beschwerde unabhängig von der Anzahl der Bögen zu entrichten waren.
Wien, am 25. April 1985
Schlagworte
Mängel im Spruch Fehlen von wesentlichen TatbestandsmerkmalenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1985:1985020039.X00Im RIS seit
08.10.2021Zuletzt aktualisiert am
08.10.2021