TE Vwgh Beschluss 2021/9/14 Ra 2021/06/0115

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Veröffentlicht am 14.09.2021
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Index

L37152 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag Kärnten
L82000 Bauordnung
L82002 Bauordnung Kärnten
001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §56
BauO Krnt 1996 §35
BauO Krnt 1996 §36
BauRallg
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler und die Hofrätinnen Mag.a Merl und Mag. Rehak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber BA, in der Revisionssache der U GmbH in W, vertreten durch Dr. Bernhard Fink, Dr. Peter Bernhart, Mag. Klaus Haslinglehner, Dr. Bernd Peck und Mag. Kornelia Kaltenhauser und Mag. Michael Lassnig, Rechtsanwälte in 9020 Klagenfurt, Bahnhofstraße 5, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Kärnten vom 18. Mai 2021, KLVwG-1900/8/2020, betreffend Baueinstellung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bauberufungskommission der Landeshauptstadt Klagenfurt; weitere Partei: Kärntner Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Kärnten (LVwG) die Beschwerde der Revisionswerberin gegen den im innergemeindlichen Instanzenzug ergangenen Bescheid der Bauberufungskommission der Landeshauptstadt Klagenfurt vom 13. Oktober 2020 betreffend einen Auftrag zur Einstellung sämtlicher Bauarbeiten zur Umsetzung der Baubewilligung vom 29. November 2019 mit sofortiger Wirkung gemäß § 35 Kärntner Bauordnung 1996 (K-BO) ab und erklärte eine ordentliche Revision für unzulässig.

5        In der Zulässigkeitsbegründung wendet sich die Revisionswerberin im Wesentlichen gegen die Beurteilung des LVwG, wonach das Schreiben der Baubehörde erster Instanz vom 6. August 2020 (betreffend einen Auftrag zur teilweisen Einstellung der Bauarbeiten) nicht als Bescheid zu werten sei und somit die Bescheide vom 21. bzw. 27. August 2020 (der spätere Bescheid wurde wegen eines geänderten Firmenwortlautes erlassen) betreffend die Einstellung sämtlicher Bauarbeiten nicht wegen entschiedener Sache unzulässig seien.

6        Dazu ist zunächst auszuführen, dass die Qualifikation eines Schreibens der Behörde die Lösung eines Einzelfalls darstellt, dem regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung zukommt (vgl. etwa VwGH 25.10.2018, Ra 2017/07/0029, Rn. 22, mwN). Anderes gilt für einzelfallbezogene Beurteilungen nur dann, wenn die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Auslegung als geradezu unvertretbare Anwendung der vom Verwaltungsgerichtshof geprägten Rechtsprechung anzusehen wäre (vgl. etwa VwGH 21.12.2016, Ra 2016/12/0103, Rn. 21, mwN).

Eine solche Unvertretbarkeit zeigt die Revisionswerberin jedoch nicht auf. Das LVwG setzte sich ausführlich unter Hinweis auf hg. Rechtsprechung und Literaturaussagen etwa mit der Frage der Normativität der Erledigung, der fehlenden Bezeichnung als „Bescheid“, dem Fehlen eines „Spruches“ sowie einer „Rechtsmittelbelehrung“ auseinander und kam unter anderem aufgrund der Bezeichnung des Schreibens im Betreff als „Parteiengehör - Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes. Baueinstellung. Mitteilung“, der Anrede („Sehr geehrte Damen und Herren“) sowie der eingeräumten Frist für eine Stellungnahme zum Ermittlungsverfahren zu dem Ergebnis, dass die Baubehörde erster Instanz mit diesem Schreiben nicht normativ (rechtsgestaltend oder rechtsfeststellend) eine Angelegenheit entschieden habe. Angesichts dieser - keineswegs unvertretbaren - Auslegung des LVwG besteht für den Verwaltungsgerichtshof keine Veranlassung, näher auf die Frage der „gemischten Erledigungen“ (die Revisionswerberin meint damit behördliche Erledigungen, die einerseits normative Anordnungen und andererseits bloße Bekanntgaben des Standes des Ermittlungsverfahrens mit einer Möglichkeit zur Stellungnahme enthalten) einzugehen. Die Frage, ob sich die Sach- und Rechtslage zwischen 6. August 2020 und 27. August 2020 änderte, ist im vorliegenden Fall nicht entscheidungsrelevant.

Die Feststellung der fehlenden Bescheidqualität des Schreibens vom 6. August 2020 hatte zur Folge, dass die am 23. Juli 2020 fernmündlich verfügte Einstellung der Bauarbeiten gemäß § 35 Abs. 2 K-BO wieder als aufgehoben galt, weil die Behörde nicht innerhalb von zwei Wochen nach ihrer Erlassung die getroffenen Anordnungen mit Bescheid verfügte. Damit stand dem gegenüber der Revisionswerberin erlassenen Bescheid vom 27. August 2020 nicht das Hindernis der entschiedenen Sache entgegen.

7        Wenn die Revisionswerberin darüber hinaus das Vorliegen der Voraussetzungen für eine gänzliche Einstellung des Bauvorhabens bestreitet, weil es nicht höher als bewilligt errichtet werde und die marginale Erhöhung der Fundament-Betonaußenkante (= RBOK Tiefgarage) lediglich die Raumhöhe der Tiefgarage verringere, die „FOK EG“ jedoch nicht geändert/erhöht werde, lässt sie unberücksichtigt, dass auch die von ihr selbst zugestandene „marginale Erhöhung“ der RBOK Tiefgarage eine Abweichung vom Baubewilligungsbescheid darstellt und der K-BO - wie das LVwG zutreffend ausführte - Bautoleranzen fremd sind (vgl. VwGH 12.3.2021, Ra 2021/06/0043, Rn. 8, mwN). Darüber hinaus stellte die Revisionswerberin nicht in Abrede, dass das Gelände in der Natur nicht mit jenem in den Einreichplänen - die Grundlage der Baubewilligung waren - übereinstimmt. Auch diesbezüglich liegt offenbar eine Abweichung vom Baukonsens vor.

8        In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme; sie war daher zurückzuweisen.

Wien, am 14. September 2021

Schlagworte

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European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021060115.L00

Im RIS seit

08.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

12.10.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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