Gbk 2021/6/10 GBK II/419/19

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Veröffentlicht am 10.06.2021
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Diskriminierungsgrund

Mehrfachdiskriminierung

Diskriminierungstatbestand

Diskriminierung auf Grund der Religion und der ethnischen Zugehörigkeit bei der Berufsausbildung außerhalb eines Arbeitsverhältnisses

Text

Senat II der Gleichbehandlungskommission

Anonymisiertes Prüfungsergebnis GBK II/419/19 gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz

Der Senat II der Gleichbehandlungskommission (GBK) hat über den Antrag von Herrn A (in Folge: Antragsteller) wegen behaupteter Diskriminierung auf Grund der Religion und der ethnischen Zugehörigkeit bei der Berufsausbildung außerhalb eines Arbeitsverhältnisses gemäß § 18 Z 1 GlBG durch B (in Folge: Antragsgegnerin) nach Durchführung eines Verfahrens gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz, BGBl. I Nr. 66/2004 idgF, iVm § 11 Gleichbehandlungskommissions-GO, BGBl. II Nr. 396/2004 idF BGBl. II Nr. 275/2013 erkannt:

Eine Diskriminierung des Antragstellers auf Grund der Religion durch die Antragsgegnerin bei der Berufsausbildung außerhalb eines Arbeitsverhältnisses gemäß § 18 Z 1 GlBG

l i e g t v o r.

Eine Diskriminierung des Antragstellers auf Grund der ethnischen Zugehörigkeit durch die Antragsgegnerin bei der Berufsausbildung außerhalb eines Arbeitsverhältnisses gemäß § 18 Z 1 GlBG

l i e g t n i c h t v o r.

VORBRINGEN

Im Antrag wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass sich der Antragsteller bei der Antragsgegnerin für die Ausbildung zum Rettungssanitäter beworben habe. Als gläubiger Sikh trage er den Dastar (gebundener Turban).

Am … habe Frau C, eine Mitarbeiterin der Antragsgegnerin, im Zuge eines Telefonates die Bewerbung des Antragstellers unter Bezugnahme auf seinen Dastar mit folgenden Worten abgelehnt: „Können Sie sich vorstellen ohne Kopfbedeckung zu kommen? Ohne dem nehmen wir Sie nicht auf. Sonst ist alles ok." Als der Antragsteller nach einer Begründung gefragt habe, habe sie geantwortet: „Das ist die Entscheidung der Leiterin Ausbildungszentrum X." Bei weiterem Hinterfragen sei der Turban als unhygienisch und als nicht zur Uniform passend bezeichnet worden. Der Antragsteller habe ihr noch entgegengehalten, dass in Österreich, aber auch in anderen europäischen Ländern gläubige Sikhs mit Turban und Bart im Gesundheitswesen arbeiten und dass der Turban farblich an die Uniform angepasst werden könne. Frau C habe diesen Argumenten lediglich entgegengehalten: „Das ist alles schön und gut. Ich kann da nichts machen. Tut mir leid!"

Der Antragsteller habe diese Unterhaltung als demütigend empfunden (Anmerkung: die in diesem Zusammenhang beantragte Prüfung einer Belästigung wurde auf Grund eines Vergleichs im GBK-Verfahren vom Antragsteller zurückgezogen) und habe sich daraufhin am … mit einem E-Mail an Frau D, Leiterin des Ausbildungszentrum X, gewendet und nochmals ausführlich dargelegt, warum keines der ihm von Frau C genannten Argumente gegen das Tragen des Dastars spreche. Er habe wiederum argumentiert, dass der Turban farblich auf die Uniform abgestimmt werden könne und es sich um ein Kleidungsstück handle, das hohen Hygieneanforderungen nicht entgegenstünde, da es verhindere, dass sich Haare lösen. Zudem lege er jeden Tag einen frisch gewaschenen Turban an. Auf dieses Schreiben habe er die Antwort erhalten, dass die Antragsgegnerin eine Einsatzorganisation mit einer bundesweit gültigen Uniformvorschrift sei, die als Kopfbedeckung nur eine Haube oder eine Kappe vorsehe und Abweichungen davon nicht vorgesehen seien.

Der Antragsteller habe sich daraufhin an die Gleichbehandlungsanwaltschaft (GAW) gewendet, die die Antragsgegnerin mittels Interventionsschreiben mit dem Vorhalt der Diskriminierung konfrontiert habe. Die Antragsgegnerin brachte in ihrer Stellungnahme an die GAW im Wesentlichen vor, dass es sich ausschließlich um eine Bewerbung für die Ausbildung zum ehrenamtlichen Rettungssanitäter handle. Weiters habe sie ins Treffen geführt, dass die Antragsgegnerin dem Prinzip der Neutralität verpflichtet sei, dass die Uniformvorschrift ein einheitliches Auftreten und damit Erkennbarkeit bezwecke sowie, dass es notwendig sei, gegebenenfalls einen Schutzhelm tragen zu können und schlussendlich, dass das Gleichbehandlungsgesetz gar nicht zur Anwendung komme, weil es sich bei der Tätigkeit als SanitäterIn um eine ehrenamtliche Tätigkeit handle.

Die Vermutung der Verletzung des Gleichbehandlungsgebots durch eine mittelbare Diskriminierung auf Grund der Religion und der ethnischen Zugehörigkeit im Zusammenhang mit einer Berufsausbildung ergebe sich nach Ansicht der Gleichbehandlungsanwältin aus folgenden Überlegungen:

Die vom Antragsteller angestrebte Ausbildung zum Rettungssanitäter falle aus Sicht der Gleichbehandlungsanwaltschaft zweifelsfrei in den Anwendungsbereich des § 18 Z 1 GIBG. Der Antragsteller habe sich für die Ausbildung zum Rettungssanitäter beworben. Diese Ausbildung unterliege dem Sanitätergesetz (SanG). Der Beruf und Tätigkeiten der/des SanitäterIn dürften nur nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes ausgeübt werden. Gem. § 14 Abs 1 SanG dürften Tätigkeiten der SanitäterInnen ehrenamtlich, berufsmäßig oder als SoldatIn im Bundesheer, als Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes, Zollorgan, Strafvollzugsbediensteter, Angehöriger eines sonstigen Wachkörpers oder als Zivildienstleistender ausgeübt werden. Die berufsmäßige Ausübung von Tätigkeiten setze die erfolgreiche Absolvierung der Ausbildung voraus. Die im Sanitätsgesetz normierte Ausbildung bestehe aus einem Aufbaumodul und könne in weiterer Folge durch ein Berufsmodul aufgestockt werden. Die von der Antragsgegnerin veranschlagten Kurskosten würden sich laut ihrer Website auf … Euro für die Ausbildung inkl. Berufsmodul belaufen. Während das Grundmodul zur freiwilligen Arbeit berechtige, ermögliche das Aufbaumodul die Tätigkeit des/der SanitäterIn auch im Rahmen eines Dienstverhältnisses auszuüben. Die Ausbildung zum beruflichen Rettungssanitäter stelle daher zwingend auf die Absolvierung des Grundmoduls und dem Abschluss einer Prüfung ab. Nach dem Abschluss des theoretischen Teils werden Praktikumsstunden absolviert. Nach Absolvierung dieser Praktikumsstunden sei eine Prüfung zu absolvieren, bevor man die Tätigkeit als Sanitäter ausüben könne. Man erhalte in weiterer Folge eine für zwei Jahre befristete Tätigkeitberechtigung. Dies führe zu dem Schluss, dass die Ausbildung zum Rettungssanitäter zweifelsfrei eine berufliche Ausbildung im Sinne des § 16 Abs 1 Z 2 GIBG darstelle, auf die das Gleichbehandlungsgebot des § 18 Z 1 Anwendung finde.

Die Bewerbung des Antragstellers werde seitens der Vertreterin der Antragsgegnerin unter Verweis, dass der Dastar unhygienisch sei und dass er gegen die geltenden Uniformvorschriften verstoße, abgelehnt. Nachdem dieser darlegt habe, dass Hygienebedenken kein sachlicher Grund seien, der gegen ihn ins Treffen geführt werden könne, habe man sich auf den Verweis der geltenden Uniformvorschriften beschränkt. Laut Stellungnahme der Antragsgegnerin sei diese dem Prinzip der Neutralität verpflichtet und mit den Uniformvorschriften würde dieses umgesetzt werden. Darüber hinaus seien diese auch notwendig, um sowohl die Erkennbarkeit und Zuordenbarkeit der RettungssanitäterInnen zu gewährleisten als auch um sicherheitsbezogenen Aspekten Rechnung zu tragen.

Gem. § 19 Abs. 2 GIBG liege eine mittelbare Diskriminierung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren, Personen mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen könnten, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren seien durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels sind angemessen und erforderlich.

Im Fall Achbita (EuGH 14.2.2017, C-157/15) habe der EUGH die ihm vorgelegten Fragen dahingehend beantwortet, dass es sich beim Verbot des Tragens religiöser Symbole und Zeichen um eine neutrale Vorschrift handle, die sich nachteilig auf Personen einer bestimmten Religion auswirke. Er habe damit die Prüfung einer unmittelbaren Diskriminierung mit der Begründung ausgeschlossen, dass dieses Verbot sich unterschiedslos auf jede Bekundung solcher Überzeugungen beziehe. Unabhängig, ob die Rechtsansicht des EuGH im zitierten Fall überzeuge, sei aus dieser Entscheidung wohl abzuleiten, dass der EUGH im Falle von Uniformvorschriften, die keine explizite Unterscheidung zwischen unterschiedlichen Religionen vornehmen, das Vorliegen einer mittelbaren Diskriminierung prüfen würde. Anders der OGH, der im Falle der Kündigung einer Notariatsassistentin aufgrund ihres Wunsches, Gesichtsschleier zu tragen, mit dem Verweis auf branchenübliche Kleidung von der Prüfung einer unmittelbaren Diskriminierung ausgegangen sei. Er sei dem Berufungsgericht gefolgt, welches argumentiert habe, dass das Abstellen auf religiöse Kleidungsstücke gerade kein neutrales Unterscheidungskriterium darstelle. (OGH vom 25.5.2016, 9 Ob A 117/15v).

Die von der Antragsgegnerin vorgelegte „Corporate Identity (CI)“ enthalte keinen Verweis auf das Verbot religiöser und weltanschaulicher Symbole.

§ Y der Cl besage, dass geringfügige Abweichungen zulässig seien, sofern die Einheitlichkeit gewährleistet sei. § X regle die Bestandteile der Uniform. Als Kopfbedeckung seien lediglich ein Barrett, eine Schirmmütze und eine Haube vorgesehen. Gemäß § … Cl sei das gemischte sichtbare Tragen von Dienstkleidungsstücken und Zivilkleidung verboten. Die Cl ermögliche allerdings diverse Abzeichen zu tragen.

In Fällen von Diskriminierung von Gruppen, über die anders als im Hinblick auf Frauen und Männer nur wenige statistische Informationen vorliegen, ermögliche die Verschiebung zu einer abstrakteren Prüfung der Auswirkung, im Sinne der Eignung einer Bestimmung zu benachteiligen, überhaupt erst eine mittelbare Diskriminierung festzustellen zu können. Der Sikhismus sei nach Mitgliederzahlen weltweit die viertgrößte Weltreligion und mit ca. 8.000 bis 10.000 Gläubigen in X und mehreren Gemeinschaften in allen größeren Städten in Österreich durchaus präsent. Die Sikh-Religion sei eine im 15. Jahrhundert entstandene monotheistische Religion. Praktizierende Sikhs, vor allem männliche Religionsanhänger, erkenne man an einem kunstvoll gebundenen Turban (Dastar). Die Kopfbedeckung samt ungeschnittenem Haar sei eine Tradition, der Turban dürfe zu jeder Zeit und an jedem Ort getragen werden.

Die in Prüfung stehende Regelung sei aus Sicht der Gleichhandlungsanwältin geeignet, besonders die männlichen Mitglieder dieser religiösen Gemeinschaft im besonderen Maße zu benachteiligen. Im konkreten Fall habe sie zu einer Benachteiligung des Antragstellers geführt.

Aus Sicht der GAW sei weiters zu überprüfen, ob die Sikh auch eine ethnische Gruppe seien und daher potentiell auch aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit benachteiligt werden können. Dazu sei festzustellen, dass der Begriff „ethnische Herkunft" laut EuGH auf dem Gedanken beruhe, dass gesellschaftliche Gruppen insbesondere durch eine Gemeinsamkeit der Staatsangehörigkeit, Religion, Sprache, kulturellen und traditionellen Herkunft und Lebensumgebung gekennzeichnet seien. Religion und ethnische Zugehörigkeit seien keine streng voneinander trennbaren Begriffe.

Zum Ausschluss einer sachlichen Rechtfertigung im Hinblick auf das Vorliegen eines legitimen Ziels und der Angemessenheit und Erforderlichkeit der Mittel sei auszuführen, dass die Antragsgegnerin im Laufe der Vorkommnisse unterschiedliche Rechtfertigungen für das „Turbanverbot" vorbringe.

Im Erstkontakt sei mitgeteilt worden, dass neben der allgemeinen Uniformvorschrift Hygienebestimmungen gegen das Tragen des Turbans sprechen. In der eingangs erwähnten Stellungnahme in Reaktion auf die Intervention der Gleichbehandlungsanwältin sei unter Verweis auf § … der Satzung vorgebracht worden, dass die Antragsgegnerin der Neutralität verpflichtet sei. Dies gehe allerdings aus § … gar nicht hervor. Dieser laute: „B, dessen Tätigkeit nicht auf Gewinn gerichtet ist, bezweckt ausschließlich und unmittelbar die Mildtätigkeit gegenüber allen Menschen, die der Hilfe bedürfen, ohne Ansehen ihrer politischen, rassischen, nationalen oder religiösen Zugehörigkeit".

Aus der Formulierung alleine gehe nicht der Wunsch hervor, sich den Anschein der Neutralität zu geben, sondern es drücke sich lediglich den Anspruch aus, dass die Antragsgegnerin in Entfaltung ihrer Tätigkeit nichtdiskriminierend vorgehe und ihre Tätigkeit unterschiedslos ausübe. Ein Neutralitätsgebot sei zwar laut EuGH Ausdruck der unternehmerischen Freiheit, jedoch müsse dieses für seine Gültigkeit allen MitarbeiterInnen und Auszubildenden auch bekannt sein, indem es zum Beispiel in der Satzung oder im Leitbild ausdrücklich verankert werde. Dies sei im vorliegenden Fall aus Sicht der GAW zu verneinen.

Der EuGH lege zudem an Kleidungsgebote einen strengen Maßstab an: So halte er fest, dass weiters zur Angemessenheit einer internen Regel wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden festzustellen sei, dass das Verbot für ArbeitnehmerInnen, Zeichen politischer, philosophischer oder religiöser Überzeugungen sichtbar zu tragen, zur Gewährleistung der ordnungsgemäßen Anwendung einer Politik der Neutralität geeignet sei, sofern diese Politik tatsächlich in kohärenter und systematischer Weise verfolgt werde.

In der Gesamtschau (Verwendung christlicher Symbolik, kein explizites Verbot religiösen Schmuck zu tragen sowie starke personelle Verbindungen zwischen der … Partei und der Antragsgegnerin) sei ein kohärentes und systematisches Vorgehen der Antragsgegnerin nicht gegeben.

Aus Sicht der GAW sei das von der Antragsgegnerin vorgebrachte Ziel des einheitlichen Auftretens nach Außen zum Zwecke der Erkennbarkeit legitim. Allerdings seien die hierfür eingesetzten Mittel, nämlich farblich abgestimmte Turbane nicht zuzulassen, nicht erforderlich bzw. überschießend. Es erschließe sich der Anwaltschaft nicht, warum ein farblich abgestimmter Turban, der Teil der Uniform sei, einem einheitlichen Erscheinungsbild entgegenstehen sollte.

Zu sicherheitsbezogenen Aspekten sei festzuhalten, dass auch dieses wohl rechtmäßige Ziel mit einer Maßnahme, die weniger stark in die Rechte des Antragstellers eingreifen würde, zu erreichen wäre. Allenfalls würde hier eine punktuelle Weisung ausreichen den Turban abzunehmen. Ein generelles Verbot sei auch im Hinblick auf dieses Ziel überschießend.

In der Stellungnahme der Antragsgegnerin wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass sich der Antragsteller, obwohl er von Frau C bei dem mit ihm anlässlich seiner Bewerbung geführten Telefonat darauf hingewiesen worden sei, dass der von ihm getragene Turban (Dastar) mit den bundesweit geltenden Uniformvorschriften der Antragsgegnerin nicht vereinbar sei, ausdrücklich geweigert habe, seinen Turban im Rettungsdienst abzulegen.

Erklärend sei dazu festzuhalten, dass im Rahmen der Ausbildung zum ehrenamtlichen Rettungssanitäter auch eine Praxisausbildung im laufenden Rettungsdienst erfolge, sodass auch für die Ausbildung die Bereitschaft gegeben sein müsse, die Uniform der Antragsgegnerin zu tragen und die Uniformvorschriften einzuhalten.

Die Bewerbung sei von Frau C jedenfalls ausdrücklich und ausschließlich mit Verweis auf die Uniformvorschrift vor dem Hintergrund der Weigerung des Antragstellers, dieser zu entsprechen, abgelehnt worden.

Unrichtig sei daher, dass die Bewerbung mit dem Argument, der Turban sei unhygienisch, abgelehnt worden sei. Die Hygiene des Turbans sei von der Antragsgegnerin nicht zum Thema gemacht worden. Tatsächlich habe jedoch der Antragsteller selbst, nachdem ihm mitgeteilt worden sei, dass er den Turban aufgrund der Uniformvorschriften im Rettungsdienst nicht tragen könne, die Frage der Hygiene seines Turbans aufs Tapet gebracht. Er habe von sich aus und ohne darauf angesprochen worden zu sein — offenbar um gegen die Uniformvorschriften zu argumentieren — erklärt, dass eine Ablehnung seines Turbans aus hygienischen Gründen jedenfalls nicht begründet wäre. Die Mitarbeiterin der Antragsgegnerin sei darauf aber nicht weiter eingegangen, sondern habe darauf verwiesen, dass die Uniformvorschriften einzuhalten seien und den Antragsteller auch dahingehend informiert, dass er sich bei Fragen oder Beschwerden hierzu an die bei der Antragsgegnerin für die ehrenamtliche Ausbildung Zuständige wenden möge. Dem Antragsteller sei jedenfalls von Anfang an klar kommuniziert worden, dass die geltenden Uniformvorschriften dem Tragen eines Turbans entgegenstehen.

Unrichtig sei daher auch, dass dem Antragsteller — auch nur implizit — unterstellt worden sei, er selbst sei unhygienisch, geschweige denn, dass dies ein Grund gewesen sei, ihn nicht zur Ausbildung zum ehrenamtlichen Rettungssanitäter zuzulassen.

Der Antragsteller habe erkennbar eine Ausbildung zum ehrenamtlichen Rettungssanitäter bei der Antragsgegnerin angestrebt. Ehrenamtliche Tätigkeiten würden jedoch nicht in den Anwendungsbereich des GIBG fallen. Aus dem Größenschluss ergebe sich, dass — wenn die ehrenamtliche Tätigkeit selbst nicht dem GIBG unterliege — umso weniger die Ausbildung zu solch einer ehrenamtlichen Tätigkeit in den Anwendungsbereich des GIBG fallen könne. Der Antragsteller habe sich im Hinblick auf ein Inserat der Antragsgegnerin, in dem um ehrenamtliches Engagement als RettungssanitäterIn geworben worden war, beworben. Auch in dem anlässlich seiner Bewerbung mit Frau C geführten Telefonat, welches im gegenständlichen Antrag nun inkriminiert werde, habe der Antragsteller weder erklärt noch sonst zu erkennen gegeben, als hauptberuflicher Rettungssanitäter tätig werden zu wollen.

Es wäre lebensfremd, hätte er Berufssanitäter werden wollen, dies mit keinem Wort zu erwähnen. Die Mitarbeiterin der Antragsgegnerin habe die Bewerbung vor diesem Hintergrund so verstanden, dass der Antragsteller eine ehrenamtliche Tätigkeit anstrebe. Dass er eine Berufsausbildung angestrebt hätte, werde im Antrag auch erst gar nicht behauptet.

Die Gleichbehandlungsanwaltschaft stütze ihren Antrag vielmehr auf den rein formalen Aspekt, dass die Ausbildung zum Rettungssanitäter Bestandteil einer Berufsausbildung sei und argumentiere daraus das Vorliegen einer Berufsausbildung. Das sei in dieser Allgemeinheit jedoch nicht zutreffend und im gegenständlichen Fall auch konkret zu verneinen. Die erfolgreiche Ausbildung zum Rettungssanitäter befähige zunächst nur zur ehrenamtlichen Tätigkeit als Rettungssanitäter. Die Berufsbefähigung und damit auch die Berufsausbildung zum hauptberuflichen Rettungssanitäter werde erst durch die Absolvierung des Berufsmoduls erlangt. Um die Zulassung zu diesem habe sich der Antragsteller nicht beworben.

Selbst wenn man das Vorliegen einer Berufsausbildung bejahe, gebe es keine auch nur mittelbare Diskriminierung des Antragstellers aufgrund dessen Religion oder dessen ethnischer Zugehörigkeit. Richtig sei, dass es sich beim Sikhismus um eine religiöse Gemeinschaft handle. Die Auffassung der Gleichbehandlungsanwaltschaft, dass vermutet werde, dass der Sikhismus auch eine ethnische Gruppe sei, werde hingegen nicht geteilt.

Sikhismus scheine in der Liste ethnischer Gruppen in den Lexika nicht auf. Wenn und solange der Umstand, dass der Sikhismus eine ethnische Gruppe bilde, nicht feststehe, sondern nur vermutet werde, könne das Verhalten der Antragsgegnerin aber nicht tatbildlich sein, da zumindest die Möglichkeit bestehen müsse, das eigene Handeln — wenngleich auch das Verschulden keine Rolle spiele — auf bestehende Faktenlagen auszurichten.

Ferner sei zu beachten, dass nach der Rechtsprechung des EuGH eine mittelbare Diskriminierung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe zudem nur vorliege, wenn die mutmaßlich diskriminierende Maßnahme zur Benachteiligung einer bestimmten ethnischen Gruppe führe (EuGH, 06.04.2017, C 668/15). Auch das sei gegenständlich nicht der Fall.

Die inkriminierten Uniformvorschriften würden gleich auf und quer durch alle ethnischen Gruppen wirken, bei denen Zugehörige zur ethnischen Gruppe aus religiösen Gründen (gleich welcher Religion auch immer) religiöse Kleidungsstücke sichtbar nach außen tragen wollten. Festzuhalten sei, dass es schlicht unwahr sei, dass – wie die Gleichbehandlungsanwaltschaft behaupte — die Antragsgegnerin im Laufe der „Vorkommnisse" unterschiedliche Rechtfertigungen für das „Turbanverbot“ vorgebracht habe. Diese Behauptung entbehre jeder Grundlage.

Die Antragsgegnerin habe von Anfang an sowohl gegenüber dem Antragsteller als auch später gegenüber der Gleichbehandlungsanwaltschaft klargestellt und darauf hingewiesen, dass der Dastar mit den Uniformvorschriften nicht vereinbar sei.

Zum Thema „Neutralität gegenüber Hilfebedürftigen“ als rechtmäßiges Ziel der Antragsgegnerin sei der Kernpunkt dabei die Neutralität im Außenauftritt gegenüber hilfsbedürftigen Menschen, zu deren Hilfe sich die Antragsgegnerin ohne Rücksicht „deren ethnischer Zugehörigkeit, Religion oder Weltanschauung" in ihren Grundsätzen verschrieben habe.

Dies sei eines der grundlegenden Prinzipien der Antragsgegnerin. Im Vordergrund stehe einzig und allein die Hilfeleistung.

Es sei der Gleichbehandlungsanwaltshaft daher nicht zu folgen, wenn diese vermeine, das Fehlen des Begriffs „Neutralität" schließe die Neutralität als Grundprinzip der Antragsgegnerin aus. Dies wäre unverständlicher Formalismus. Die Satzung konkretisiere den Neutralitätsbegriff und mache diesen für jeden leicht verständlich Die Verpflichtung zur Neutralität im vorstehenden Sinn spiegle sich auch im Leitbild des B wider und sei auch dort erklärt, „Verantwortung für Menschen" zu übernehmen, „unabhängig von deren ethnischer Zugehörigkeit, Religion oder Weltanschauung".

B sei auch Teil eines internationalen Netzwerkes von Rettungsorganisationen und habe sich auch in diesem Rahmen verpflichtet, Hilfeleistung ausschließlich an den Bedürfnissen der in Not geratenen Personen zu orientieren, und ethnische, weltanschauliche oder religiöse Aspekte dabei uneingeschränkt außen vor zu lassen.

Zusammengefasst sei ein neutraler Außenauftritt evident ein grundlegendes Anliegen, das auch in der Schulung und Ausbildung zum Rettungssanitäter wiederholt thematisiert und vermittelt werde. Der neutrale Außenauftritt solle für die Betroffenen (dies sind oft Personen in einer persönlichen/medizinischen Ausnahmesituation) jeden Anschein vermeiden, dass eben religiöse oder weltanschauliche Aspekte eine Rolle bei der Hilfeleistung spielen könnten.

Offen zur Schau getragene politische oder religiöse Symbole könnten genau diese grundlegende Verpflichtung konterkarieren und die betroffenen Personen einem zusätzlichen Stress oder Rechtfertigungsdruck aussetzen, der auch nur dem Anschein nach zu vermeiden sei.

Zum Punkt der Notwendigkeit und Angemessenheit der Uniformvorschriften zur Zielerreichung sei auszuführen, dass mit den Uniformvorschriften, die die Uniform vom Schuhwerk bis zur Kopfbedeckung regeln, dieser Grundsatz der Neutralität im Außenauftritt umgesetzt werden könne. Bei Einhaltung der Uniformvorschriften sei für alle MitarbeiterInnen — gleich welcher Religion, Weltanschauung oder politischen Gesinnung auch immer — gewährleistet, dass keine religiösen Symbole oder weltanschauliche oder politische Zeichen nach außen sichtbar verwendet werden. Soweit die Gleichbehandlungsanwaltschaft ins Treffen führe, dass die Uniformvorschriften keine explizite Anordnung beinhalten, dass religiöse Symbole verboten seien, übersehe sie, dass bei Einhaltung der Uniformvorschriften deutlich nach außen getragene religiöse Symbole eigentlich nicht möglich seien. Ein explizites Verbot sei daher (zumal gegen verdeckt getragene Symbole überhaupt kein Einwand bestehe und ein solches Verbot daher auch überschießend wäre) nicht notwendig.

Die Uniformvorschriften würden bundesweit gelten und seien auf jene MitarbeiterInnen beschränkt, die mit den PatientInnen in Kontakt treten (Rettungs- und Krankentransportdienst) und seien daher als Mittel zum Erreichen vorstehenden Zieles angemessen, aber auch notwendig.

Bei dem Bemühen der Antragsgegnerin um Neutralität — auch im Außenauftritt – handle es sich auch nach dem EuGH (EuGH 14.03.2017, C-157/15) klar um ein rechtmäßiges Ziel.

So habe der EuGH in seiner Entscheidung dargelegt, dass der Wille, den Kunden gegenüber eine Politik der politischen, philosophischen und religiösen Neutralität zum Ausdruck zu bringen, als rechtmäßiges Ziel iSd § 19 Abs. 2 GIBG anzusehen sei. Der Wunsch des Arbeitgebers, den Kunden ein Bild der Neutralität zu vermitteln, gehöre zur „unternehmerischen" Freiheit. Bei der Antragsgegnerin sei der Kunde der hilfesuchende Patient.

Zu den sicherheitsbezogenen Aspekten sei anzumerken, dass es im Rettungsdienst immer wieder zu Situationen kommen könne, bei denen die RettungssanitäterInnen einen Schutzhelm aufsetzen müssten (zB Verkehrsunfälle, Brandeinsätze etc). In solchen gefährlichen Situationen bestehe schon aus Sicherheitsgründen kein Anspruch, religiöse Symbole zu tragen.

Der Antragsteller habe im Gespräch mit der Mitarbeiterin der Antragsgegnerin erklärt, nicht bereit zu sein, den Dastar im Rettungsdienst abzulegen. Er wäre daher auch dann nicht zur Ausbildung zum ehrenamtlichen Rettungssanitäter zuzulassen gewesen, wenn die Uniformvorschrift das Tragen eines Dastars außer bei Weisung im Gefahrenfall zuließe, da auch eine Weisung nicht helfen würde, wenn die Bereitschaft, dieser zu entsprechen, nicht bestehe.

Darüber hinaus seien SanitäterInnen von sich aus verpflichtet, bei entsprechender Gefahrenlage einen Helm aufzusetzen, auch ohne dass erst eine Weisung dazu erteilt werde, da eine Weisung in der Praxis in den wenigsten Fällen möglich sein werde.

Darüber hinaus seien SanitäterInnen von sich aus verpflichtet, bei entsprechender Gefahrenlage einen Helm aufzusetzen, auch ohne dass erst eine Weisung dazu erteilt werde, da eine Weisung in der Praxis in den wenigsten Fällen möglich sein werde.

BEFRAGUNG VON AUSKUNFTSPERSONEN

Der Antragsteller schilderte auf Frage, warum er glaube, dass die Ablehnung durch die Antragsgegnerin mit seinem Glauben und seiner Herkunft zu tun habe, dass nach dem Ablauf des Gesprächs man „gegen seine Persönlichkeit sei“, er sei nicht aufgebracht gewesen und habe nicht geschrien, das Thema seiner Haare habe er so nie angesprochen. Er erinnere sich, dass es für ihn nicht in Frage gekommen sei, seine Kopfbedeckung abzulegen, danach sei von Frau C gekommen, dass dies unhygienisch sei und nicht zur Uniform passe. Dass es um eine ehrenamtliche und nicht um eine hauptamtliche Ausbildung gegangen sei, zeige auch, dass man ihn einfach nicht habe aufnehmen wollen.

Auf Frage, ob er Frau C einen Grund genannt habe, warum er seine Kopfbedeckung nicht abnehme, meinte er zunächst, dass er sein ganzes Leben lang Schwierigkeiten gehabt habe, die er ertragen habe, damit er seine Kopfbedeckung noch weiterhin tragen könne. Deswegen käme es für ihn nicht in Frage diese abzulegen. Für ihn beinhalte dies alles, im Detail habe er mit ihr aber nicht darüber gesprochen, warum er dies nicht ablegen könne.

Auf Vorhalt des weiteren E-Mailverkehrs mit Frau D wurde festgehalten, dass dort nichts zum Thema „unhygienisch“ geschrieben gewesen sei.

Auf Frage bestätigte er, dass die Nichtabnahme des Turbans mit seiner Religion zu tun habe.

Auf Frage, ob Frau C ihm gegenüber gesagt habe, dass er wegen seiner Religion nicht in die Ausbildung übernommen werden könne, meinte er, dass sie „das nicht so genau gesagt habe“, aber was solle er darunter verstehen, wenn er die Ausbildung nicht machen dürfe, wenn er etwas auf dem Kopf habe?

Auf Nachfrage gab er an, dass Frau C gesagt habe, dass er – wenn er sein Kopftuch abnehme – an dieser Ausbildung teilnehmen dürfe. Es sei nicht gesagt worden, dass er aus ethnischen Gründen nicht aufgenommen werde. So etwas sage auch keiner.

Auf Frage, ob es Situationen gebe, in denen er bereit wäre den Turban abzulegen, meinte er, dass er nicht glaube, dass so eine Situation kommen werde, in der er seinen Turban ablegen müsse.

Auf Frage, wie in seinem Heimatland die Frage von Sicherheitsvorschriften wie Helmtragepflicht gelöst würde, gab er an, dass es in Indien Rettungssanitäter und Soldaten mit Turban, aber ohne Helm gebe. Auch anderswo gebe es Beispiele. Mit Sicherheitsvorschriften, wie Helmtragen, sei er noch nicht konfrontiert worden. In Indien trage man größere Turbane als er jetzt.

Die Frage, ob er seinen Dastar stets so eng trage, dass ein Helm darüber getragen werden könnte, bejahte er. Auch wenn er einen Helm tragen müsste, würde er den Dastar nicht ablegen.

Die Frage, ob er im Telefonat mit Frau C gesagt habe, hauptberuflich Rettungssanitäter werden zu wollen, bejahte der Antragsteller. Er korrigierte sich dann dahingehend, dass nicht darüber gesprochen worden sei, seine Bewerbung aber darauf abgezielt habe. Er habe damals ein Inserat in „Facebook“ gelesen, weil er etwas Sinnvolles habe machen wollen. Dabei sei es nicht um eine ehrenamtliche Ausbildung gegangen.

Der Antragsteller gab an, dass das für ihn relevante Inserat im …, nicht im … erschienen sei. Die Frage, ob ihm die Höhe der zu bezahlenden Ausbildungskosten bekannt sei, bejahte er.

Als Auskunftsperson wurde Frau C befragt, die ausführte, dass sie u.a. administrativ und telefonisch unterstützend für Frau D im Rahmen der Rettungssanitäterausbildung tätig sei, sie handle ausschließlich auf Anweisung.

Im Zusammenhang mit dem Antragsteller gab sie an, dass es zeitweise sehr hektisch zugehe und sie nicht dessen Bewerbung, sondern nur einen Zettel mit der Telefonnummer bekommen habe mit dem Auftrag, ihn telefonisch zu fragen, ob er den Turban gegen eine B-konforme Kopfbedeckung tauschen würde. Mit dem Zusatz, dass sich der Antragsteller bei Fragen an Frau D wenden könne.

Das Telefonat mit dem Antragsteller sei aus ihrer Sicht so abgelaufen, dass sie zunächst informiert und dann gefragt habe, ob er bereit sei, für den praktischen Bereich – nicht für die Theorie – den Turban abzulegen und eine Kopfbedeckung der Antragsgegnerin tragen würde. Wortwörtlich könne sie dessen Antwort nicht wiedergeben, sinngemäß könne er dies aus religiösen Gründen nicht tun. Sie habe nachgefragt und ihn darauf hingewiesen, dass dies die Statuten seien, nach denen sie arbeiten müsse, sie gebe es weiter, sie habe ihn auch auf die Kontaktmöglichkeit mit Frau D hingewiesen.

Auf Frage nach dem dem Antragsteller dafür genannten Grund gab sie an, dass es betriebliche Statuten gebe und klar festgelegt sei, dass Uniform und private Sachen nicht vermischt werden dürften. Sie habe versucht ihm das zu erklären – der Antragsteller sei etwas aufgebracht gewesen, was sie verstehe, was sie ihm auch kommuniziert habe.

Das Thema „unhygienisch“ habe sie nicht aufgebracht, sie kenne den Antragsteller ja nicht. Teilweise sei sie etwas hilflos gewesen, weil die Situation sich hochgeschaukelt habe. Sie habe versucht ihn zu beruhigen und an Frau D zu verweisen. Das Thema Hygiene sei aus ihrer Erinnerung vom Antragsteller eingebracht worden, dieser habe ihr erklärt, dass seine Haare über 1,5 Meter lang seien.

Auf Frage gab sie an, dass sie mit den Bewerbungen nichts zu tun habe, sondern Telefonate führe, wenn Unterlagen fehlen würden.

Die Frage, ob sie sich an eine andere Bewerbungssituation erinnere, in der auf Grund religiöser Zeichen nachgefragt worden sei, verneinte sie.

Die Frage, ob sie wisse, warum es diese Uniform überhaupt gebe, verneinte sie.

Auf Frage gab sie an, dass das Telefonat mit dem Antragsteller relativ zu Beginn ihrer Tätigkeit bei der Antragsgegnerin stattgefunden habe. Das Thema Hygiene sei definitiv vom Antragsteller gekommen. Sie habe sich immer wieder auf die Statuten bezogen.

Frau D gab als erste Vertreterin der Antragsgegnerin zur Ablehnung des Antragstellers befragt an, dass es nur um das Einhalten der Uniformvorschriften gegangen sei, die für alle gelten würden. Dort stehe auch, welche Kopfbedeckungen getragen werden dürften. Es gehe niemals um die Nationalität oder die Religion, die Ausbildungsstätte sei für einen sehr hohen Nationalitäten- und Religionsmix bekannt.

Es gebe auch Projekte, Leute mit nichtdeutscher Muttersprache schon während der Ausbildung zu unterstützen. Es sei niemals um die Nationalität oder die Religion des Antragstellers, sondern nur um das Einhalten der Vorschriften gegangen.

Auf Frage, ob er nicht abgelehnt worden sei, weil er Sikh sei, wurde mit „natürlich nicht“ beantwortet.

Zu den für den Antragsteller relevanten Uniformvorschriften hätte eine Haube gezählt, als Kopfbedeckung sei eine Haube und ein Kapperl möglich. Der Sanitäter entscheide selbst, wann er welche Kopfbedeckung verwende.

Auf Frage nach dem Grund für „Haube, Schirmmütze, Barrett“ wurde auf die Einheitlichkeit verweisen. Daneben sei der Sicherheitsaspekt relevant.

Auf Frage nach dem Sinn der Einheitlichkeit meinte sie, dass es um die Wiedererkennung gehe. Man wolle als Marke wahrgenommen werden.

Frau Mag.a E als zweite Vertreterin der Antragsgegnerin ergänzte, dass es auch um die Neutralität, die man gegenüber der Öffentlichkeit darstellen möchte, gehe – man trage keine religiösen Symbole und sei in der Hilfeleistung dementsprechend neutral.

Auf Frage, ob es beim Thema „Neutralität“ nur um Religion und Weltanschauung gehe, wurde damit beantwortet, dass es um diese beiden Themen sowie Politik sowie „überall, wo (es um) Neutralität“ gehe. Es dürften auch keine einschlägigen Symbole getragen werden. Dies würde alle Religionen betreffen.

Auf Frage, inwiefern dies damit zusammenpasse, dass das Tragen von religiösen Symbolen sehr wohl erlaubt sei, wurde erläutert, dass die Uniformvorschrift vorgebe, welche Kleidungsstücke getragen werden dürften. Es handle sich um abschließende Regelungen. Zum Thema des Tragens eines religiösen Symbols unter der Kleidung wurde erläutert, dass dies gestattet sei.

Auf Frage nach der Formulierung in § Z und ob beispielsweise ein großes Kreuz über der Kleidung getragen gestattet sei, meinte sie, dass es nicht verschriftlicht sei, aber unterrichtet werde.

Auf Frage, wie gewährleistet werde, dass im Auswahlprozess Menschen mit religiösen Symbolen oder Tätowierungen weltanschaulicher Natur klar kommuniziert werde, dass das nicht in Frage komme, gab sie an, dass beim Auswahlverfahren ein Bewerber darauf angesprochen werde – wenn man es während der Ausbildung erst sehe, werde es dann angesprochen. Ein Teilnehmer habe eine Tätowierung entfernen lassen müssen.

Auf Hinweis nach Orden in § … der Statuten und die Frage, wie das mit der Neutralität im Hinblick auf religiöse Symbole zusammenpasse, wurde ausgeführt, dass es schon Geistliche gegeben habe, die bei der Antragsgegnerin Dienst versehen hätten.

Auf Frage, wie § … mit der Neutralität vereinbar sei, meinte sie, dass es sich um Ehrenabzeichen handle, wo sich jemand erkenntlich zeige. Diese Anzeichen würden bei großen Veranstaltungen getragen werden.

Auf Frage nach der Neutralität wurde einerseits auf die Satzung … und deren Leitbild sowie andererseits auf die Teilnahme an internationalen Rettungsorganisationen, welche ebenfalls entsprechend zur Neutralität verpflichtet seien, verwiesen. Letztendlich ergebe es sich aus dem Alltag der Antragsgegnerin.

Auf Frage zur Rettungssanitäterausbildung seien die Kurskosten von ca. … -- Euro selbst zu tragen, bei ehrenamtlicher Tätigkeit übernehme der Antragsgegnerin die Kosten, der Interessent arbeite danach die Kurskosten ab. Der Unterschied zwischen ehrenamtlicher und hauptamtlicher Tätigkeit sei das Berufsmodul, welches … Euro koste.

Auf Frage an Mag.a E, was für sie „Neutralität“ bedeute, führte sie aus, dass religiöse oder weltanschauliche Aspekte keine Rolle bei der Tätigkeit spielen. Das lebe man tagtäglich.

Auf Frage wurde dargelegt, dass Frauen mit Kopftuch nicht als Rettungsanitäterinnen in Frage kämen, eine Dame trage jetzt eine Haube.

Die Frage, ob die Neutralität bei der Antragsgegnerin eine sehr große Rolle spiele, wurde mit „das leben wir auch täglich“ beantwortet.

Auf Frage, wie es dazu komme, dass – wenn Neutralität wichtig sei – es offenbar im Unternehmen nicht hinreichend bekannt sei, meinte sie, dass die Antragsgegnerin eine „Marke“ sei, jeder der Teilnehmer wisse, dass man extrem tolerant sei und es egal sei, woher jemand komme oder welche Religion jemand habe.

Es gehe um die Patientenversorgung und das Verhältnis zur Kollegenschaft. Das sei ihr wichtig, darauf schaue sie in der Ausbildung. Sie sei erstmals mit einem juristischen Vorwurf konfrontiert und fühle sich etwas überfahren. Sie wisse, was sie seit 27 Jahren lebe. Sie sehe die Antragsgegnerin als „Marke“.

Auf Frage, ob die Uniform einen oder mehrere Zwecke habe, wurde erklärt, dass die Einhaltung der Uniformvorschrift zu einem einheitlichen Außenauftritt führe. Die relevante Haube sei rot – auf Frage, ob es im Sinne der Sicherheit einen Unterschied mache, ob der Antragsteller eine rote Haube oder einen roten Dastar trage, wurde angegeben, dass es um die Helme gehe, die im Dienst getragen würden.

PRÜFUNGSGRUNDLAGEN

Der Senat II der Gleichbehandlungskommission (GBK) stu?tzt sein Prüfungsergebnis auf die schriftlichen Vorbringen des Antragstellers und der Antragsgegnerin und die oben angeführten Aussagen der vom Senat dazu angehörten Auskunftspersonen.

Eingangs ist darauf hinzuweisen, dass das GlBG die GBK nicht zur Prüfung von jeglichen Vorwürfen auf Grund einer subjektiv empfundenen Ungerechtigkeit oder von Mobbing im Allgemeinen ermächtigt, sondern dass sich die Kognitionsbefugnis der GBK ausschließlich auf die Prüfung von Diskriminierungsvorwürfen im Zusammenhang mit den in § 17 genannten Gründen beschränkt, wobei dieser Zusammenhang bei Antragseinbringung vom/von der AntragstellerIn glaubhaft zu machen ist.

Für eine solche Glaubhaftmachung genügt nach der Rsp zwar eine „Bescheinigung“ der behaupteten Tatsachen, wobei der zu erreichende Überzeugungsgrad gegenüber der beim „Regelbeweis“ geforderten „hohen Wahrscheinlichkeit“ auf eine „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ herabgesenkt ist.

Vereinfacht gesagt muss mehr für die Darstellung des Antragstellers sprechen als dagegen (OGH 9 ObA 144/14p, ARD 6Z5/14/2015 = Arb 13.203; 9 ObA 177/07f, ZAS 2009/29, 186 [Klicka] = DRdA 2010/11, 137 [Eichinger]; vgl. auch Windisch-Graetz, in ZellKomm3 [2018] § 12 GlBG Rz 16). Wird zB eine Bewerbung mit dem Hinweis abgelehnt, man verfüge über keine Sanitäreinrichtungen für männliche Mitarbeiter, liegt ein starkes Indiz für eine Diskriminierung auf Grund des Geschlechts vor (OGH 9 ObA Y/04m, ecolex 2004, 420 = ASoK 2005, 26).

Wesentlich ist dabei, dass das GlBG von einem gestuften Beweislastmodell ausgeht (dazu eingehend Weberndorfer, Glaubhaftmachung von Diskriminierung am Arbeitsplatz, in Ulrich/Rippatha, Glaubhaftmachung von Diskriminierung – Hilfe oder Hemmnis beim Rechtszugang [2018] 35 [72]). Der/die AntragstellerIn ist aufgefordert, das verpönte Merkmal sowie die darauf basierende Benachteiligung zu benennen und mittels ausführlicher Darstellung des Geschehens zu konkretisieren. Der Senat der GBK ist dabei von der Richtigkeit und vom Vorliegen der entscheidungsrelevanten Tatsachen zu überzeugen mit dem Ziel, die Kausalität einer (oder mehrerer) besonderen(r) Eigenschaft(en) (hier die Religion und die ethnische Zugehörigkeit) mit einer Benachteiligung so zu verknüpfen, dass der damit befasste Senat der GBK vom Vorliegen einer Diskriminierung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit überzeugt ist.

Erst wenn dies gelungen ist, obliegt es dem/der AntragsgegnerIn in einem weiteren Schritt zu beweisen, dass ein anderer als der glaubhaft gemachte Grund für die Ungleichbehandlung maßgeblich war (so überzeugend Weberndorfer, in Ulrich/Rippatha, Glaubhaftmachung von Diskriminierung 72).

BEGRÜNDUNG

Der Senat II der Gleichbehandlungskommission hat erwogen:

Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Gleichbehandlungsgesetzes, BGBl. I Nr. 66/2004 idgF, lauten:

§ 17. (1) Auf Grund der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung darf in Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis niemand unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden […]“

„§ 18. Aus den im § 17 genannten Gründen darf niemand unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden

1.   bei der Berufsberatung, Berufsausbildung, beruflichen Weiterbildung und Umschulung Arbeitsverhältnisses außerhalb eines Arbeitsverhältnisses,

[…].“

„§ 19. (1) Eine unmittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn eine Person auf Grund eines in § 17 genannten Grundes in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.

(2) Eine mittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen, die einer ethnischen Gruppe angehören, oder Personen mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung, eines bestimmten Alters oder mit einer bestimmten sexuellen Orientierung gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Zieles angemessen und erforderlich.“

Generell ist zur Frage des Beweismaßes und der Beweislastverteilung im GBK-Verfahren anzumerken, dass gemäß § 26 Abs. 12 GlBG eine betroffene Person, die sich auf einen Diskriminierungstatbestand im Sinne der §§ 17, 18 oder 21 GlBG beruft, diesen glaubhaft zu machen hat. Insoweit genügt daher nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (OGH) eine „Bescheinigung“ des behaupteten nach dem GlBG verbotenen Motivs, wobei jedoch der bei der GBK zu erreichende Überzeugungsgrad gegenüber der beim „Regelbeweis“ geforderten „hohen Wahrscheinlichkeit“ auf eine „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ herabgesenkt ist. Vereinfacht gesagt muss – wie bereits oben ausgeführt – mehr für die Darstellung des/r AntragstellerIn sprechen als dagegen (vgl. OGH 9 ObA 144/14p, Arb 13.203 mit weiteren Nachweisen).

Wenn dem/der AntragstellerIn die Glaubhaftmachung von Umständen, die einen nachvollziehbaren Zusammenhang zwischen der behaupteten Diskriminierung und dessen/ deren Religion bzw. ethnischer Zugehörigkeit herstellen, gelungen ist, obliegt es dem/der AntragsgegnerIn zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass ein anderes vom/von der AntragsgegnerIn glaubhaft gemachtes Motiv für die unterschiedliche Behandlung ausschlaggebend war oder ein Rechtfertigungsgrund im Sinne der §§ 19 Abs. 2 oder 20 GlBG vorliegt.

Der Senat geht bei seiner Prüfung von folgenden Erwägungen aus:

Aus übereinstimmenden Vorbringen ergibt sich, dass die auf die zuvor ergangene Aufforderung von Frau C folgende mangelnde Bereitschaft des Antragstellers, seinen Dastar gemäß ihrer Aufforderung zugunsten einer uniformkonformen Kopfbedeckung abzulegen, dessen Ausbildung zum Rettungssanitäter bei der Antragsgegnerin verhindert hat.

Dass von Seiten Frau Cs dabei keine unmittelbare Bezugnahme auf die Religion des Antragstellers erfolgt ist, sondern dieser ihre Frage, ob er den Turban gegen eine B-konforme Kopfbedeckung tauschen würde, abgelehnt habe, spielt für die vom Senat zu beurteilende Frage, ob durch das gesamte die Bewerbung des Antragstellers betreffende Vorgehen der Antragsgegnerin eine mittelbare Diskriminierung des Antragstellers erfolgt ist, keine Rolle.

Im Falle einer mittelbaren Diskriminierung erfolgt die Ungleichbehandlung einer Person nicht offensichtlich wegen eines der in § 17 GlBG genannten Diskriminierungsgründe, sondern aufgrund einer/s dem Anschein nach neutralen Vorschrift, Kriteriums oder Verfahrens können Personen, die einer ethnischen Gruppe angehören, oder Personen mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung, eines bestimmten Alters oder mit einer bestimmten sexuellen Orientierung gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligt werden. Allerdings liegt keine mittelbare Diskriminierung vor, wenn die betreffende Regelung durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt ist und die Mittel zur Erreichung des Zieles angemessen und erforderlich sind.

Auf Grund der Anhörung der oben genannten Auskunftspersonen steht für den Senat fest, dass die Bekleidungsvorschriften der Antragsgegnerin betreffend die laut deren Statuten zulässigen Kopfbedeckungen als Teil der Uniform der Antragsgegnerin dem Antragsteller gegenüber zur Begründung der Ablehnung seiner Bewerbung ins Treffen geführt wurden.

Im Hinblick auf die relevante Frage, ob die verschiedenen von der Antragsgegnerin im Verfahren geltend gemachten Punkte im Hinblick auf den obigen Prüfungsmaßstab betreffend die Frage des Vorliegens einer allfälligen mittelbaren Diskriminierung

?    durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und

?    die gewählten Mittel zur Erreichung des Zieles angemessen und erforderlich

als gerechtfertigt anzusehen sind, ist folgendes auszuführen:

Werden mehrere Argumente für die Rechtfertigung einer im Ergebnis für eine bestimmte Gruppe einschränkenden Maßnahme ins Treffen geführt, liegt eine mittelbare Diskriminierung bereits dann vor, wenn eine einzige Maßnahme dem obigen Prüfungsmaßstab nicht entspricht.

Laut § X der Corporate Identity (CI) der Antragsgegnerin ist als Kopfbedeckung „Haube, Schirmmütze, Barrett“ möglich, wobei der/die SanitäterIn selbst entscheiden könne, wann welche Kopfbedeckung verwendet werde.

Als Grund für die Existenz dieser Vorschriften wurde dem Senat von den Vertreterinnen der Antragsgegnerin Einheitlichkeit im Auftreten, Wiedererkennung alsMarke“, Sicherheitsaspekte sowie Neutralität genannt.

Letztere bedeute laut Aussage der angehörten Auskunftspersonen, dass man sich gegenüber der Öffentlichkeit so darstellen wolle, dass man keine religiösen oder politischen Symbole trage und in der Hilfeleistung dementsprechend neutral sei. Dies würde alle Religionen betreffen. Die Uniformvorschriften würden vorgeben, welche Kleidungsstücke getragen werden dürften. Es handle sich um abschließende Regelungen. Zum Thema des Tragens religiöser Symbole unter der Kleidung wurde bei der Befragung der Auskunftspersonen erläutert, dass dies gestattet sei.

§ Y CI führt zum Thema Dienstkleidung aus, dass „sofern die Einheitlichkeit gewährleistet (sei), geringfügige, auf die Dauer der Dienstverrichtung beschränkte Abweichungen zulässig“ seien.

§ Z CI regelt zum Thema „Haarschnitt“, dass dieser so zu beschaffen sein habe, dass davon keine Selbst- und/oder Fremdgefährdung ausgehen könne.

Im Hinblick auf die in § X CI geregelten möglichen Kopfbedeckungen ist für den Senat sowohl im Hinblick auf das gewünschte einheitliche Erscheinungsbild als auch den relevierten Sicherheitsaspekt nicht nachvollziehbar, welcher Unterschied zwischen einer roten Haube und einem – eng gebundenen – roten Dastar besteht, da nach Meinung des Senates beide Kopfbedeckungen das Haar des Antragstellers aus Sicht des Senates gleichwertig bedecken würden, zumal geringfügige Abweichungen laut CI zulässig sind.

Da im Übrigen die – im Verfahren nicht abschließend geklärte – Haarlänge bzw. Frisur des Antragstellers seitens der Antragsgegnerin nicht als mögliches sicherheitsrelevantes Hindernis ins Treffen geführt wurde, ist für den Senat nicht nachvollziehbar, inwiefern sich die unter einer roten Haube iSd § X CI verstauten Haare des Antragstellers in sicherheitsrelevanter Weise von einer Unterbringung derselben unter dem eng gebundenen Dastar unterscheiden würde.

Zum sicherheitsrelevanten Argument des Tragens eines Helms ist nach Meinung des Senates – folgt man einer lebensnahen Betrachtungsweise in punkto Frisuren bzw. deren möglichem Volumen im Einzelfall – daher allenfalls eine gewisse Haarlänge, die auf Grund des individuellen Umfangs nicht mehr unter einem Sicherheitshelm verstaubar sein könnte, von Relevanz, nicht aber die über die Haarpracht aufgesetzte, eng anliegende Kopfbedeckung in Form von Haube oder Dastar selbst.

Insgesamt führt daher die von der Antragsgegnerin vorgenommene Beschränkung der laut § X CI zulässigen Kopfbedeckungen im Ergebnis zum Ausschluss einer ganzen Personengruppe, nämlich jener der Dastar-tragenden Sikhs.

Im Hinblick auf die obigen Ausführungen ist der Senat zum Ergebnis gelangt, dass diese Beschränkung der für eine Tätigkeit bei der Antragsgegnerin laut § X CI zulässigen Kopfbedeckungen – zumindest im Hinblick auf die von der Antragsgegnerin dem Senat gegenüber ins Treffen geführten Ziele Sicherheit und Einheitlichkeit im Auftreten – aus Sicht des Senates als unverhältnismäßig einschränkend zu qualifizieren ist. Sowohl den sicherheitsrelevanten Aspekten als auch jenem des einheitlichen Erscheinungsbildes könnte nach Meinung des Senates auch durch eine – über dem gebundenen Dastar getragene – vorgesehene Kopfbedeckung Rechnung getragen werden.

Auch dem ebenfalls ins Treffen geführten Aspekt der Neutralität wäre in dieser Tragevariante – zB Haube über Dastar – Rechnung getragen, zumal das Tragen religiöser Symbole unter der Dienstkleidung der Antragsgegnerin nach Angaben der befragten Auskunftspersonen zulässig ist und der Sanitäter selbst entscheiden kann, wann er welche Kopfbedeckung trägt.

In Summe wäre diese Vorgangsweise ein gelinderes Mittel zur Erreichung der verschiedenen im Verfahren relevierten Ziele der Antragsgegnerin als jenes der geforderten Abnahme des Dastar, welche dem Antragsteller die Ausbildung zum Rettungssanitäter unter Einhaltung seiner religiösen Gebote ermöglicht hätte. Daher war für den Senat nicht nachvollziehbar, warum das Ablegen des Dastar aus Sicht der Antragsgegnerin die für die Zulassung zur Ausbildung unabdingbare Voraussetzung gewesen ist.

Das Vorliegen einer Diskriminierung des Antragstellers bei der Berufsausbildung außerhalb eines Arbeitsverhältnisses gemäß § 18 Z 1 GlBG auf Grund der Religion war daher auf Grund der Unverhältnismäßigkeit der von der Antragsgegnerin geforderten Maßnahme, nämlich die Abnahme des Dastar, zu bejahen.

Zum Thema der behaupteten Diskriminierung auf Grund der ethnischen Zugehörigkeit ist festzuhalten, dass der Senat nicht die generelle Frage zu beurteilen hatte, ob Sikhs eine ethnische Gruppe sind, sondern dass das einzige nach den Maßstäben des GlBG bei diesem Sachverhalt relevante Beurteilungskriterium für das Vorliegen einer Diskriminierung auf Grund der ethnischen Zugehörigkeit jenes der „Fremdwahrnehmung“ ist.

Gemäß dem Telos der - weit auszulegenden - Antidiskriminierungsgesetzgebung sind Adressaten der Diskriminierung auf Grund der ethnischen Zugehörigkeit Personen, die als fremd wahrgenommen werden, weil sie auf Grund bestimmter Unterschiede von der regionalen Mehrheit als nicht zugehörig angesehen werden.

Auf Grund der konkreten Konstellation des vorliegenden Sachverhalts wäre auch ein „autochthoner Österreicher“, der zum Sikhismus konvertiert und in Folge den Dastar trägt, im selben Ausmaß von der zitierten „Fremdwahrnehmung“ im Hinblick auf die in Österreich als unüblich empfundene Kopfbedeckung betroffen wie der aus Indien stammende Antragsteller.

Im konkreten Fall geht der Senat davon aus, dass die durch seinen Dastar bestimmte Fremdwahrnehmung des Antragstellers daher gerade nicht auf einem der ethnischen Sphäre zugeschriebenen Aspekt seines Erscheinungsbildes, sondern zweifelsfrei auf einem religiösen Merkmal – nämlich jenem der religiös vorgeschriebenen Kopfbedeckung in Form eines Turbans – beruht.

Es handelt sich nach Ansicht des Senates daher in gegenständlicher Angelegenheit nicht um das Phänomen einer auf Grund eines ethnischen Merkmals bedingten „Fremdwahrnehmung“ des Antragstellers. Durch die religiöse Komponente des Dastar liegt, wie ausgeführt, kein Kontext zu mit der Fremdwahrnehmung in Verbindung stehenden ethnischen Aspekten vor, weshalb das Vorliegen einer Diskriminierung auf Grund der ethnischen Zugehörigkeit außerhalb eines Arbeitsverhältnisses gemäß § 18 Z 1 GlBG in diesem konkreten Einzelfall zu verneinen ist.

Vorschlag:

Der Senat schlägt der Antragsgegnerin die Zahlung eines angemessenen Schadenersatzes an den Antragsteller vor.

Binnen zwei Monaten ab Zustellung des Prüfungsergebnisses ist dem Senat über die Umsetzung dieses Vorschlags zu berichten.

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2021
Quelle: Gleichbehandlungskommisionen Gbk, https://www.bmgf.gv.at/home/GK
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