Entscheidungsdatum
14.07.2021Norm
AsylG 2005 §35 Abs1Spruch
W144 2241487-1/2E
W144 2241485-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Huber nach Beschwerdevorentscheidung der Österreichischen Botschaft (ÖB) in Athen/Griechenland vom 17.02.2021, Zl.: XXXX , aufgrund des Vorlageantrags von 1. XXXX , geb. XXXX , und 2. XXXX , geb. XXXX , beide StA. von Afghanistan, über ihre gemeinsame Beschwerde gegen die Bescheide der ÖB Athen jeweils vom 05.11.2020, Zl. jeweils XXXX , zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 35 Abs. 1 AsylG idgF als unbegründet abgewiesen und die Beschwerdevorentscheidung bestätigt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang
Die 1.-Beschwerdeführerin (1.-BF), ist die Mutter des minderjährigen (mj.) 2.-Beschwerdeführers (2.-BF), beide sind Staatsangehörige von Afghanistan und stellten am 04.09.2020 bei der österreichischen Botschaft in Athen (im Folgenden: ÖB) Anträge auf Erteilung von Einreisetiteln gem. § 35 Abs. 1 AsylG.
Begründend führten die BF – unter Anschluss entsprechender und unbedenklicher Urkunden – aus, dass sie die Mutter bzw. der mj. Bruder des XXXX , XXXX geb., ebenfalls StA von Afghanistan, seien, dem mit Bescheid des BFA vom 04.06.2020 der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden sei.
Mit E-Mail vom 30.07.2020 teilte die ÖB den BF mit, dass sie in Griechenland Asyl beantragt haben und sich legal in Griechenland aufhalten, sodass die Botschaft den BF daher empfehle, in Griechenland gemäß der Dublin III-VO an der Dublinabteilung Athen eine Familienzusammenführung mit der Ankerperson in Österreich beantragen. Das Verfahren werde dann von beiden Dublinabteilungen in Athen und Wien geführt.
Die BF antworteten diesbezüglich mit E-Mail vom 27.08.2020, dass den Antragstellern seitens der Behörde in Athen mitgeteilt worden sei, dass eine solche Vorgangsweise gemäß der Dublin III-VO nicht möglich sei. Die Antragsteller würden diesbezüglich jedoch nochmals bei der griechischen Behörde vorstellig werden.
In der Folge erging mit E-Mail vom 08.10.2020 seitens der ÖB eine Anfrage an das BFA, ob in den vorliegenden Fällen Anträge an der ÖB Athen gestellt oder die Parteien auf die Dublinabteilung in Griechenland verwiesen werden sollten. Dazu dürfe auch mitgeteilt werden, dass nach Meinung der ÖB der Anwendungsvorrang der Dublin III-VO zu beachten wäre und zudem die Botschaft nicht über die technischen Voraussetzungen zur Ausstellung von Visa verfüge. Es dürfe um Mitteilung gebeten werden, welche Rechtsmeinung des BFA teile.
Mit E-Mail vom 21.10.2020 teilte das BFA mit, dass ein Aufnahmeersuchen gemäß Art. 10 Dublin III-VO der griechischen Behörden am 9.11.2018 abgelehnt worden sei, da die Tatbestandsvoraussetzungen zum damaligen Zeitpunkt nicht gegeben gewesen seien.
Mit Bescheiden jeweils vom 05.11.2020, zugestellt am 20.11.2020, wies die ÖB die gegenständlichen Anträge mit folgender Begründung wegen Unzuständigkeit zurück:
„ … Die österreichische Botschaft Athen ist gemäß § 1 der Verordnung des Bundesministers für Europa, Integration und Äußeres über die Wahrnehmung konsularischer Aufgaben durch die österreichischen Vertretungsbehörden im Ausland (Konsularverordnung-KonsV), BGBl. II Nr. 327/2019, i.V.m. Anhang 1 der Verordnung, nicht zur Ausstellung von Visa befugt.
Die österreichische Botschaft Athen ist damit eine unzuständige Behörde. Aufgrund ihres Begehrens, bescheidmäßig darüber abzusprechen, war daher spruchgemäß zu entscheiden.“
Gegen diesen Bescheid erhoben die BF mit Schriftsatz vom 18.12.2020 fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Begründend führten die BF Folgendes aus:
„Das Einreiseverfahren gem. § 35 AsylG stelle eine Sonderform der Erteilung eines Visum D dar. Visa D stellen wiederum eine Sonderform der Sichtvermerkserteilung generell dar, welche teilweise von den Bestimmungen des Visakodex abweicht. Es handelt sich somit um eine lex specialis, welche von den allgemeinen Grundsätzen zur Erteilung von Einreisetiteln abweichen kann.
Dies äußert sich unter anderem in den Regelungen betreffend die Zuständigkeit der Vertretungsbehörden. Die hierfür maßgeblichen Bestimmungen finden sich in § 4 KonsG, § 1 KonsV, § 8 FPG sowie den §§ 35 AsylG und 5 NAG.
§ 4 Abs. 1 KonsG bestimmt, dass die Vertretungsbehörden die konsularischen Aufgaben innerhalb ihres durch Verordnung festgelegten örtlichen Zuständigkeitsbereichs wahrnehmen. Die Erläuterungen zu dieser Bestimmung zeigen jedoch, dass von dieser allgemeinen Regelung Abstand genommen wird, sofern in Materiengesetzen besondere Bestimmungen über die Zuständigkeit der Vertretungsbehörden angeführt werden. Dabei wird ausdrücklich auf die Bestimmung des § 8 Abs. 1 FPG hingewiesen.
§ 8 Abs. 1 FPG bestimmt, dass sich die örtliche Zuständigkeit für Amtshandlungen nacah dem 3. Abschnitt des 4. Hauptstückes des FPG (Erteilung von Visa D) im Ausland nach dem rechtmäßigen Wohnsitz des Fremden richtet. Als lex specialis kommt diese Bestimmung somit gegenüber § 4 KonsG vorrangig zur Anwendung.
Eine lex specialis gegenüber den Zuständigkeitsregelungen des § 8 FPG stellt das Einreiseverfahren gem. § 35 AsylG dar. So lauet der Wortlaut des § 35 AsylG ausdrücklich, dass der Antrag bei einer Vertretungsbehörde gestellt werden kann. Dies belegen auch die Erläuterungen zu § 8 Abs. 1 FPG, welche besagen, dass ein Antrag gem. § 35 AsylG bei einer Vertretungsbehörde eingebracht werden kann, selbst wenn die Antragsteller/innen dort nicht über einen rechtmäßigen Wohnsitz verfügen. Noch deutlicher benennen dies die Erläuterungen zu § 35 Abs. 1 AsylG:
„[…] dass trotz der vorgesehenen Änderung des § 8 Abs. 1 FPG ein Antrag auf Erteilung eines Visums zur Einbeziehung in das Familienverfahren nach dem AsylG 2005 auf künftig bei jeder mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland eingebracht werden kann“
Es ergibt sich also deutlich, dass auf das Einreiseverfahren gem. § 35 AsylG nicht die Zuständigkeiten der Konsularverordnung anzuwenden sind. Der Antrag kann somit an jeder mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde eingebracht werden.
Dass die Österreichische Botschaft Athen als offizielle österreichische Vertretungsbehörde mit konsularischen Aufgaben gem. § 3 KonsG betraut ist, steht wohl außer Frage und wird seitens der belangten Behörde auch nicht bestritten. Im Übrigen führt das Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres auf seiner Webseite selbst an, dass Visaanträge auch an der Österreichischen Botschaft Athen gestellt werden können. Es ist für die Botschaft – im Gegensatz zu den Honorarkonsulaten – auch nicht vermerkt, dass diese keine Visabefugnis hätte sondern lediglich, dass die technischen Voraussetzungen für die Visaausstellung nicht vorhanden wären. Aus der Praxis ist ebenso bekannt, dass Anträge auf Familienzusammenführung nach § 46 NAG regulär an der Österreichischen Botschaft Athen eingebracht werden können.
Die belangte Behörde ist demnach zu Unrecht davon ausgegangen, dass sie für die Entgegennahme und Weiterleitung eines Antrages gem. § 35 AsylG unzuständig wäre. Sie hat dadurch den Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
Rechtswidrigkeit in Bezug auf das Unionsrecht
Das Familienverfahren gem. § 35 AsylG setzt für die in § 35 Abs. 5 AsylG genannten Familienangehörigen die Bestimmungen der Familienzusammenführungsrichtlinie (idF Richtlinie), insbesondere deren Kapitel V, um. Ziel der Richtlinie ist die Festlegung der Bedingungen für die Ausübung des Rechts auf Familienzusammenführung durch Drittstaatsangehörige, die sich rechtmäßig im Gebiet der Mitgliedstaaten aufhalten.
Erwägungsgrund 8 der Richtlinie sieht vor, dass der Lage von Flüchtlingen wegen der Gründe, die sie zur Flucht gezwungen haben und sie daran hindern ein normales Familienleben zu führen, besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird. Daher sollten günstigere Bedingungen für die Ausübung ihres Rechts auf Familienzusammenführung vorgesehen werden.
Kapitel V der Richtlinie sieht ein günstigeres Verfahren für die Familienzusammenführung von Flüchtlingen vor. Dies äußert sich unter anderem dadurch, dass gem. Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie die oben genannten Nachweise bei der Familienzusammenführung von Flüchtlingen nicht verlangt werden dürfen. Des weiteren wird der Kreis der Familienmitglieder, denen die Zusammenführung zwingend zu gewähren ist, gem. Art. 10 Abs. 3 lit. a auf die Eltern von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen ausgeweitet.
Die Richtlinie gibt den Mitgliedstaaten präzise positive Verpflichtungen auf. Dabei stellt die Genehmigung der Familienzusammenführung die Grundregel dar. Der durch die Richtlinie eröffnete Handlungsspielraum, darf durch die Mitgliedstaaten nicht in einer Weise genutzt werden, die das Ziel dieser Richtlinie, nämlich die Familienzusammenführung zu fördern, und ihre praktische Wirksamkeit beeinträchtigen würde.
Im vorliegenden Fall halten sich die Familienangehörigen in Griechenland auf. Weder verfügen sie über ein Aufenthaltsrecht in Griechenland, noch ist es ihnen möglich, in andere Länder, ob innerhalb der EU oder außerhalb – zu reisen. Wäre ihnen dies möglich, müssten sie keinen Antrag gem. § 35 AsylG stellen, sondern könnten direkt nach Österreich einreisen um hier einen Antrag gem. § 35 AsylG einzubringen.
Die BF nun auf ein Verfahren an den Botschaften Bratislava oder Ljubljana sowie dem Generalkonsulat München zu verweisen, wie in Anlage 1 der Konsularverordnung angeführt, während sich im Aufenthaltsstaat eine Vertretungsbehörde befindet, die mit konsularischen Aufgaben betraut ist, stellt ein unbegründetes Hindernis für die Familienzusammenführung dar, beeinträchtigt dadurch die praktische Wirksamkeit der Richtlinie und ist daher nach Ansicht des EuGH unzulässig.
Im Übrigen könnte im Lichte der Privilegierung von Flüchtlingen durch Kapitel V der Richtlinie nicht nachvollzogen werden, weshalb diese Personengruppe keinen Antrag gem. § 35 AsylG an der Österreichischen Botschaft Athen stellen dar, sonstige Drittstaatsangehörige gem. § 46 NAG jedoch sehr wohl.
Unabhängig von den obigen Ausführungen zum nationalen Recht gebietet es somit bereits die Richtlinie, dass belangte Behörde für die Entgegennahme und Bearbeitung des Antrages zuständig ist.“
In der Folge erlies die ÖB mit dem angefochtenen Bescheid vom 17.02.2021 eine Beschwerdevorentscheidung gem. § 14 Abs. 1 VwGVG, mit welcher die Beschwerde abgewiesen wurde. Begründend führte die Botschaft aus:
„Ungeachtet der Erfüllung dieser formellen Voraussetzungen für eine Beschwerde, ist ihr aber nicht stattzugeben, da gem. § 35 Abs. 1 AsylG der „Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels nur bei einer mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen kann.
Aus dem Vorrang des Unionsrechts folgt die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, nationales Recht unionskonform auszulegen. Eine unionsrechtskonforme Interpretation führt in Hinblick auf die unmittelbare Anwendbarkeit des Schenger Grenzkodex (2016/399) und der EU-Visum-Verordnung (2018/1806) im gegenständlichen Fall zu einer einschränkenden Auslegung des § 35 AsylG. Art 5 Grenzkodex legt fest, dass die Außengrenzen nur an den Grenzübergangsstellen und während der festgesetzten Verkehrsstunden überschritten werden dürfen. Gem. Art 3 EU-Visum-VO müssen Staatsangehörige der Drittländer, die in Anhang I der VO aufgeführt sind, beim Überschreiten der Außengrenzen der Mitgliedstaaten im Besitz eines Visums sein. Die zitierten Bestimmungen legen nahe, dass der Gesetzgeber in § 35 AsylG unter Einbeziehung der unionsrechtlichen Komponente wohl nur österreichische Vertretungsbehörden außerhalb des Schengenraums gemeint haben kann und damit wäre die Österreichische Botschaft in Athen unzuständige Behörde. Auch ist nicht nachvollziehbar, warum der Antragsteller den Antrag nicht bereits bei einer Vertretungsbehörde in einem der Nachbarländer Griechenlands – die alle im Gegensatz zur Botschaft in Athen – für die Ausstellung von Visa zuständig sind, gestellt hat.
Weiters legt zur örtlichen Zuständigkeit der Vertretungsbehörden § 4 Abs. 1 Konsulargesetz (BGBl. I 40/2019) fest, dass die Vertretungsbehörden die konsularischen Aufgaben innerhalb ihres von der Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres (nunmehr Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten) durch Verordnung festgelegten örtlichen Zuständigkeitsbereichs wahrnehmen.
Basierend darauf wurde die Konsularverordnung (BGBl. II 327/2019, zuletzt geändert durch BGBl. II 404/2020) erlassen. Gem. § 1 der Verordnung haben die Berufsvertretungsbehörden ihre konsularischen Aufgaben gemäß § 3 Abs. 1 KonsG innerhalb ihres jeweiligen, in Anlage 1 angeführten, örtlichen Zuständigkeitsbereichs (sogenannter Konsularbezirk gemäß Art. 1 Abs. 1 lit. b des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen, BGBl. Nr. 318/1969) wahrzunehmen.
Laut Anhang 1 ist für das Land Griechenland grundsätzlich die Österreichische Botschaft Athen örtlich zuständig, allerdings nicht für die Ausstellung von Visa. Gemäß § 1 iVm Anhang 1 der Konsularverordnung besteht für die Österreichische Botschaft Athen somit keine Zuständigkeit zur Ausstellung von Visa. Auch verfügt die Österreichische Botschaft Athen nicht über die technische Ausstattung zur Erteilung von Visa.
Weiters ist dem Vorbringen der Beschwerde, wonach die Zuständigkeiten der Konsularverordnung nicht auf Einreiseverfahren gem. § 35 AsylG anzuwenden seien, Folgendes zu entgegnen:
Wird der Normgehalt des § 35 Abs. 1 AsylG im Sinne der systematischen Interpretation, wonach sich das Begriffsverständnis möglichst widerspruchslos in das Gesamtsystem einfügen soll, ausgelegt, so ist hier sehr wohl die Konsularverordnung heranzuziehen, um den Inhalt der Bestimmung zu ermitteln. Eine Auslegung nach dem Gesetzeszusammenhang legt im gegenständlichen Fall nahe, dass die Wortfolge „bei einer mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde“ in Hinblick auf § 1 iVm Anhang 1 Konsularverordnung so zu verstehen ist, dass der Antrag bei einer zur Visaausstellung örtlich zuständigen Vertretungsbehörde zu stellen ist. Darüber hinaus ist anzumerken, dass das Konsulargesetz (BGBl. I 40/2019) und die darauf basierende Konsularverordnung als lex posterior gegenüber § 35 AsylG einzustufen ist.
Dies gründet sich darauf, dass es sich bei der Visaausstellung (Art. 5d WKK) um einen Teilbereich der konsularischen Tätigkeiten handelt. Nachdem § 35 AsylG mit den anderen Teilbereichen der konsularischen Tätigkeiten nach Art. 5 WKK (wie etwa die Unterstützung in Krisenfällen, Haftbesuche etc.) keinerlei Berührungspunkte aufweist, ist davon auszugehen, dass mit den in § 35 AsylG genannten „konsularischen Tätigkeiten“ der Visabereich gemeint, und damit die in der Konsularverordnung festgelegte örtliche Zuständigkeitsregelung maßgeblich ist.
Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber für den Fall einer Antragstellung im Schengenraum das Dublin-Verfahren vorgesehen hat und dieses daher anzuwenden ist.
Aus den oben genannten Gründen ist die Österreichische Botschaft Athen im gegenständlichen Verfahren unzuständige Behörde.
Weiters kann auch keine Beschwer festgestellt werden, da es der beschwerdeführenden Partei möglich gewesen wäre, bereits in einem anderen Staat vor Einreise nach Griechenland einen Antrag gem. § 35 AsylG bei einer österreichischen Vertretungsbehörde zu stellen. Auch mangels Rechtschutzinteresse ist der Beschwerde daher nicht stattzugeben.“
Dagegen brachten die BF mit Schriftsatz vom 03.03.2021 somit fristgerecht einen Vorlageantrag an das Bundesverwaltungsgericht ein.
Mit Schreiben des Bundesministeriums für Inneres vom 14.04.2021 wurde am 15.04.2021 dem Bundesverwaltungsgericht der Vorlageantrag samt den Verwaltungsakten übermittelt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1.) Feststellungen:
Festgestellt wird der oben wiedergegebene Verfahrensgang.
Weiters wird festgestellt, dass die ÖB Athen technisch nicht über die Voraussetzungen verfügt, Visa zu erteilen.
2.) Beweiswürdigung:
Die Festgestellungen zum Verfahrensgang ergeben sich sämtlich aus dem Akt der ÖB; der vorliegende Sachverhalt ist zudem unstrittig.
Die Feststellung, dass die ÖB Athen über keine technischen Voraussetzungen zur Ausstellung von Visa verfügt, ergibt sich konkret aus der E-Mail Korrespondenz der ÖB mit dem BFA (vgl. etwa E-Mail vom 08.10.2020 der ÖB an das BFA).
3.) Rechtliche Beurteilung:
II.3.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG) idgF lauten wie folgt:
„§ 2 Soweit die Bundes- oder Landesgesetze nicht die Entscheidung durch den Senat vorsehen, entscheidet das Verwaltungsgericht durch Einzelrichter (Rechtspfleger).
Beschwerdevorentscheidung
§ 14 (1) Im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG steht es der Behörde frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zwei Monaten aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen (Beschwerdevorentscheidung). § 27 ist sinngemäß anzuwenden.
(2) Will die Behörde von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absehen, hat sie dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen.
(3) Im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 4 B-VG hat die Behörde dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen.
Vorlageantrag
§ 15 (1) Jede Partei kann binnen zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird (Vorlageantrag). Wird der Vorlageantrag von einer anderen Partei als dem Beschwerdeführer gestellt, hat er die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt (§ 9 Abs. 1 Z 3), und ein Begehren (§ 9 Abs. 1 Z 4) zu enthalten.
(2) Ein rechtzeitig eingebrachter und zulässiger Vorlageantrag hat aufschiebende Wirkung, wenn die Beschwerde
1.
von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung hatte und die Behörde diese nicht ausgeschlossen hat;
2.
von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung hatte, die Behörde diese jedoch zuerkannt hat.
Die Behörde hat dem Verwaltungsgericht den Vorlageantrag und die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorzulegen und den sonstigen Parteien die Vorlage des Antrags mitzuteilen.
(3) Verspätete und unzulässige Vorlageanträge sind von der Behörde mit Bescheid zurückzuweisen. Wird gegen einen solchen Bescheid Beschwerde erhoben, hat die Behörde dem Verwaltungsgericht unverzüglich die Akten des Verfahrens vorzulegen.
§16 [ … ]
Verfahren vor dem Verwaltungsgericht
Anzuwendendes Recht
§ 17 Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.“
§§ 11, 11a Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idgF lauten:
„Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten
§ 11 (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.
(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragssteller.
(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.
(4) Vollinhaltlich ablehnende Entscheidungen gemäß Abs. 1 betreffend Visa D sind schriftlich in einer Weise auszufertigen, dass der Betroffene deren Inhalt und Wirkung nachvollziehen kann. Dem Betroffenen sind die Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit, die der ihn betreffenden Entscheidung zugrunde liegen, genau und umfassend mitzuteilen, es sei denn, dass Gründe der Sicherheit der Republik Österreich dieser Mitteilung entgegenstehen. In der schriftlichen Ausfertigung der Begründung ist auch die Rechtsmittelinstanz anzugeben.
(5) Für die Berechnung von Beginn, Lauf und Ende von Fristen (§ 33 AVG) gelten die Wochenend- und Feiertagsregelungen im Empfangsstaat.
(6) Kann dem Antrag auf Erteilung eines Visums D auf Grund zwingender außenpolitischer Rücksichten oder aus Gründen der nationalen Sicherheit nicht stattgegeben werden, so ist die Vertretungsbehörde ermächtigt, sich auf den Hinweis des Vorliegens zwingender Versagungsgründe zu beschränken. Der maßgebliche Sachverhalt muss auch in diesen Fällen im Akt nachvollziehbar sein.
(7) Der Fremde hat im Antrag auf Erteilung eines Visums D den jeweiligen Zweck und die beabsichtigte Dauer der Reise und des Aufenthaltes bekannt zu geben. Der Antrag ist zurückzuweisen, sofern der Antragsteller, ausgenommen die Fälle des § 22 Abs. 3 FPG, trotz Aufforderung und Setzung einer Nachfrist kein gültiges Reisedokument oder gegebenenfalls kein Gesundheitszeugnis vorlegt oder wenn der Antragsteller trotz entsprechenden Verlangens nicht persönlich vor der Behörde erschienen ist, obwohl in der Ladung auf diese Rechtsfolge hingewiesen wurde.
(8) Minderjährige Fremde, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, können bei Zustimmung des gesetzlichen Vertreters die Erteilung eines Visums selbst beantragen.
(9) Für Entscheidungen über die Erteilung eines Visums für Saisoniers (§2 Abs. 4 Z 13) ist Art. 23 Abs. 1 bis 3 Visakodex sinngemäß anzuwenden.
Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten
§ 11a (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.
(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.
(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.
(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt.“
Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Wahrnehmung konsularische Aufgaben, BGBl. I. Nr.40/2019, (Konsulargesetz - KonsG) lauten wie folgt:
Begriffsbestimmungen
§ 2. Im Sinne dieses Bundesgesetzes sind:
1. „Konsularbehörden“: die Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres und die Vertretungsbehörden, soweit es sich im Weiteren nicht ausdrücklich um die Konsularbehörden eines anderen Mitgliedstaats handelt;
2. „Vertretungsbehörden“: die örtlich zuständigen österreichischen Berufsvertretungsbehörden sowie jene Honorarkonsuln, die die Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres mit der Wahrnehmung von Aufgaben nach diesem Bundesgesetz unter ihrer Aufsicht betraut, soweit es sich im Weiteren nicht ausdrücklich um die Vertretungsbehörden eines anderen Mitgliedstaats handelt;
3. [ Ziffern 3 bis 5...]
Örtliche Zuständigkeit der Vertretungsbehörden
§ 4. (1) Die Vertretungsbehörden nehmen die konsularischen Aufgaben innerhalb ihres von der Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres durch Verordnung festgelegten örtlichen Zuständigkeitsbereichs wahr.
(2) [ … ]
Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten über die Wahrnehmung konsularische Aufgaben durch die österreichischen Vertretungsbehörden im Ausland, BGBl. II. Nr. 327/2019 idgF (Konsularverordnung -KonsV) lauten wie folgt:
Örtliche Zuständigkeit der Berufsvertretungsbehörden
§ 1. Die Berufsvertretungsbehörden haben ihre konsularischen Aufgaben gemäß § 3 Abs. 1 KonsG innerhalb ihres jeweiligen, in Anlage 1 angeführten, örtlichen Zuständigkeitsbereichs (sogenannter Konsularbezirk gemäß Art. 1 Abs. 1 lit. b des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen, BGBl. Nr. 318/1969) wahrzunehmen.
Die Anlage 1 der KonsV lautet zu Griechenland wie folgt:
Land Berufsvertretungsbehörde Konsularbezirk
Griechenland Botschaft Athen, jedoch Botschaft Griechenland
(Hellenische Republik) Laibach und Botschaft Pressburg
sowie Generalkonsulat München
für Visa
zu Deutschland, Slowakei und Slowenien gleichlautend (vgl. beispielhaft für die Slowakei) wie folgt:
Land Berufsvertretungsbehörde Konsularbezirk
Slowakei Botschaft Pressburg, zusätzlich Botschaft Slowakei;
(Slowakische Republik) Laibach sowie Generalkonsulat München außerdem Andorra
für Visa Belgien, Dänemark,
Deutschland, Estland,
Finnland, Frankreich,
Griechenland, Island, Italien,
Lettland, Liechtenstein, Litauen,
Luxemburg, Malta, Monaco,
Niederlande, Norwegen, Polen,
Portugal, San Marino, Schweden
Schweiz, Slowakei, Slowenien,
Spanien, Tschechien, Ungarn,
und Vatikan für Visa
Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 idgF (AsylG) lauten wie folgt:
Anträge auf Einreise bei Vertretungsbehörden
§ 35. (1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen. Erfolgt die Antragstellung auf Erteilung eines Einreisetitels mehr als drei Monate nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 zu erfüllen.
(2) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 frühestens drei Jahre nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der Vertretungsbehörde stellen, sofern die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind. Diesfalls ist die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.
(2a) Handelt es sich beim Antragsteller um den Elternteil eines unbegleiteten Minderjährigen, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, gelten die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 als erfüllt.
(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 oder Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde auf die Vollständigkeit des Antrages im Hinblick auf den Nachweis der Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 hinzuwirken und den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.
(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden aufgrund eines Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn
1.
gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9),
2.
das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht und
3.
im Falle eines Antrages nach Abs. 1 letzter Satz oder Abs. 2 die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind, es sei denn, die Stattgebung des Antrages ist gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten.
Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.
(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
II.3.2. In den vorliegenden Fällen hat die ÖB die Anträge der BF mit Bescheiden vom 05.11.2020 wegen Unzuständigkeit zurückgewiesen und in der Folge diese Entscheidung mit Beschwerdevorentscheidung vom 17.02.2021 bestätigt.
In inhaltlicher Hinsicht führte die ÖB zum einen aus, aus welchen Gründen sie sich für die vorliegenden Anträge für unzuständig erachtet, und wies zum anderen darüber hinaus darauf hin, dass „der Gesetzgeber für den Fall einer Antragstellung im Schengenraum das Dublin-Verfahren vorgesehen habe und dieses daher anzuwenden sei“; damit spricht die ÖB, die bereits im Zuge eines E-Mail-Verkehrs mit den BF von einem „Anwendungsvorrang“ der Dublin III-VO gesprochen hat, im Ergebnis aus, dass Anträge gemäß § 35 AsylG, in Fällen wie den vorliegenden, überhaupt unzulässig seien.
II.3.3. Vorweg ist auszuführen, dass die europäischen Rechtsgrundlagen für die Einreise von Drittstaatsangehörigen in den Schengenraum grundsätzlich erkennen lassen, dass für Drittstaatsangehörige vor (!) ihrer Einreise in den Schengenraum entsprechende Visa für die legale Einreise zu beantragen sind, dass hingegen innerhalb des Schengenraumes sodann weitgehende Reisefreiheit bestehen soll. Angesichts dessen sind die österr. Vertretungsbehörden in den Mitgliedstaaten (grundsätzlich, abgesehen von Laibach, Pressburg und München) nicht mit den technischen Voraussetzungen zur Erteilung solcher Visa ausgestattet.
II.3.4. Für die weitere Betrachtungsweise sind zwei Personengruppen zu unterscheiden, nämlich
? zum einen Drittstaatsangehörige, die (ohne jegliche Bedrohungslage, aus welchen Gründen auch immer, wie beispielhaft Familiennachzug), in den Schengenraum reisen/migrieren, und
? zum anderen Drittstaatsangehörige, die mit der Absicht, im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten internationalen Schutz zu suchen, einreisen.
Die erste Gruppe wird entsprechend dem gesamteuropäischen Grundgedanken zum Schengenraum darauf verwiesen werden können, ausnahmslos vor Einreise in den Schengenraum entsprechende Visa zu beantragen.
Für die zweite Gruppe, (die de facto regelmäßig schlepperunterstützt und illegal nach Europa einreist, und) für die allenfalls fluchtbedingte Hinderungsgründe für die Erlangung entsprechender Einreisetitel vor der Einreise gegeben sein können, bestehen hingegen die Normen der Dublin III-VO, die die Zuständigkeit zur Verfahrensführung und damit ihren weiteren Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten regeln und dabei auch ausdrücklich familiäre Anknüpfungspunkte mitberücksichtigen.
II.3.5. Zur Unzulässigkeit der Anträge gem. § 35 AsylG in casu:
II.3.5.1. Für die Rechtsansicht der BF, dass ihre Antragstellung gemäß § 35 AsylG auch innerhalb des Hoheitsgebietes der Mitgliedstaaten im Schengenraum, konkret bei der ÖB Athen, zulässig ist, spricht prima vista der weit gefasste Wortlaut des § 35 AsylG, nachdem ein Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei „einer“ mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) gestellt werden kann.
Diese Betrachtungsweise greift jedoch bei teleologischer Interpretation zu kurz, denn diesfalls könnten auch Personen, die keinerlei Bedrohungslage ausgesetzt waren/sind und nur aus familiären Gründen migrieren wollen, illegal in den Schengenraum einreisen und in der Folge diesen illegalen Aufenthalt durch die Stellung eines Antrags gemäß § 35 AsylG, sofern die diesbezüglichen Voraussetzungen dafür vorliegen, legalisieren, ohne sich vorher um ein zur legalen Einreise berechtigendes Visum zu bemühen, obwohl ihnen dies möglich und zumutbar gewesen wäre. Der Wortlaut des § 35 AsylG ist daher einschränkend in dem Sinn zu interpretieren, dass Anträge gemäß dieser Bestimmung grundsätzlich bei Vertretungsbehörden in Staaten außerhalb des Schengenraumes gestellt werden müssen. Diese Betrachtungsweise steht auch im Einklang mit dem Konsulargesetz und der Konsularverordnung, in welcher geregelt ist, dass - mit wenigen Ausnahmen - die Vertretungsbehörden innerhalb des Schengenraumes grundsätzlich nicht zur Ausstellung von Visa zuständig und folglich auch technisch nicht dazu ausgestattet sind.
II.3.5.2. In casu sind die BF jedoch – ihrem Vorbringen zufolge – als Schutzsuchende nach Griechenland eingereist, sodass allenfalls fluchtbedingte Hinderungsgründe an der Beantragung von Visa außerhalb des Schengenraumes vorgelegen haben können. Für diesen Personenkreis sind die Regelungen der Dublin III-VO normiert, die in ihren Artikeln 8 bis 11 auch (und sogar vorrangig) familiäre Anknüpfungspunkte und Aspekte der Familienzusammenführung berücksichtigen. Personen, die als Schutzsuchende in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einreisen und folglich Anträge auf internationalen Schutz stellen, haben in der Folge das Recht auf eine inhaltliche Überprüfung ihrer Flüchtlingseigenschaft, sodass für diesen Personenkreis als lex spezialis die Dublin III-VO zur Bestimmung ihres weiteren Aufenthalts (zur Verfahrensführung) im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten zur Anwendung gelangt.
In diesem Sinne hat die ÖB im Zuge des Verfahrens den BF zu Recht einen „Anwendungsvorrang“ der Dublin III-VO gegenüber Anträgen gemäß § 35 AsylG entgegengehalten sowie in der Beschwerdevorentscheidung ausgeführt, dass „bei Antragstellung im Schengenraum das Dublin-Verfahren vorgesehen“ ist.
Diese Rechtsauffassung wird auch in der Literatur geteilt; so wird im Kommentar zum Asyl- und Fremdenrecht von Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, vom 15.1.2016, Seite 948, K1 zu § 35 AsylG ausgeführt:
„Zulässigkeitsvoraussetzung für Anträge auf Einreise gemäß § 35 bei Vertretungsbehörden sind die Familienangehörigkeit (Abs. 5), der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten der Bezugsperson und der Aufenthalt im Ausland, wobei sich dabei nicht um das Heimatland des Fremden handeln muss. In Frage kommt jedes Land außer Österreich. Befindet sich der Fremde im Hoheitsgebiet eines anderen Dublin-States, so kommt aufgrund des Anwendungsvorranges die Dublin III-VO zur Anwendung.“
Für die vorliegenden Fälle bedeutet dies, dass sich die Antragstellung der BF gem. § 35 AsylG, in casu konkret bei der ÖB Athen, als unzulässig erweist. Damit hat die ÖB die Anträge der BF jedenfalls im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen.
II.3.6. Zur Unzuständigkeit der ÖB Athen:
Der Vollständigkeit halber ist zu ergänzen, dass selbst, wenn man von der Zulässigkeit der gegenständlichen Anträge der BF innerhalb des Schengenraumes ausgehen sollte, konkret die ÖB Athen unzuständig erscheint:
§ 35 AsylG normiert, dass Anträge auf Erteilung eines Einreisetitels bei einer „mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörden im Ausland (Vertretungsbehörde)“ gestellt werden können.
Was unter einer „Vertretungsbehörde“ zu verstehen ist, wird in § 2 Z. 2 KonsG definiert, wonach Vertretungsbehörden „die örtlich zuständigen österreichischen Berufsvertretungsbehörden (…)“ sind. Bereits daraus ist ersichtlich, dass dem Begriff der „Vertretungsbehörde“ ex lege die Eigenschaft der örtlich zuständigen Behörde innewohnt. Die örtliche Zuständigkeit der Vertretungsbehörden richtet sich entsprechend dem Anhang 1 der Konsularverordnung nach dem bezughabenden Konsularbezirk, wie er in deren Anhang 1 aufgelistet ist. Hieraus ergibt sich, dass für den Konsularbezirk „Griechenland“ die Vertretungsbehörden in Laibach, Pressburg und das Generalkonsulat München für die Ausstellung von Visa örtlich zuständig sind, während hingegen die ÖB Athen zur Ausstellung von Visa (offensichtlich schon sachlich) nicht zuständig ist.
Somit wären die Anträge der BF, selbst im Fall der Zulässigkeit der Anträge innerhalb des Hoheitsgebietes der Mitgliedstaaten der Dublin III-VO, konkret bei der ÖB Athen wegen Unzuständigkeit zurückzuweisen, zumal die BF auf der konkreten Zuständigkeit der ÖB Athen beharrt haben.
II.3.7. Eine mündliche Verhandlung war gemäß § 11a Abs. 2 FPG nicht durchzuführen.
II.3.8. Barauslagen iSd § 11a Abs. 3 leg.cit. sind im Beschwerdeverfahren nicht entstanden.
Zu B) Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Es wird nicht verkannt, dass (gegenständlicher Entscheidung argumentativ entgegengehalten werden könnte, dass) ein Anwendungsvorrang der Dublin III-VO gegenüber § 35 AsylG gesetzlich nicht ausdrücklich vorgesehen ist und zudem beiden Anträgen unterschiedliche Begehren zugrunde liegen - nämlich zum einen das Begehren von internationalem Schutz für die eigene Person und zum anderen das (zunächst) bloße Begehren der Einreise zum Zwecke der Familienzusammenführung.
Zudem könnten sich im Falle eines Anwendungsvorranges der Dublin III-VO gegenüber einem Antrag gemäß § 35 AsylG Rechtsschutzdefizite für jene Antragsteller ergeben, deren Übernahme im Zuge von Dublin-Konsultationen trotz im Zielstaat aufhältiger Familienangehöriger zu Unrecht von den Behörden des Zielstaates verweigert wird.
In den vorliegenden Fällen ist daher die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung abhängt und keine einschlägige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt, nämlich:
a) Sind Anträge gemäß § 35 AsylG im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der Dublin III-VO grundsätzlich (un)zulässig, bzw.
b) ist diesbezüglich (im Sinne der Erwägungen unter Punkt II.3.4.) zu differenzieren, ob Antragsteller eigene Fluchtgründe geltend machen und demzufolge einen Antrag auf internationalen Schutz im Mitgliedstaat gestellt haben?
c) Besteht ein Anwendungsvorrang der Dublin III-VO gegenüber § 35 AsylG?
d) Falls Anträge gemäß § 35 leg. cit. im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten zulässig sind, müssten diese in der Folge entsprechend den Bestimmungen des KonsG und der KonsV (Anhang 1) bei den örtlich zuständigen Vertretungsbehörden in Laibach, Pressburg oder dem Generalkonsulat in München gestellt werden, oder könnten derartige Anträge bei jeder Vertretungsbehörde gestellt werden?
e) Hätte die Vertretungsbehörde (ÖB) diesfalls die Anträge gemäß § 6 AVG an die örtlich zuständige Vertretungsbehörde weiterzuleiten, nachdem die ÖB nicht über die technischen Voraussetzungen zur Erteilung von Visa verfügt und wie sollte sich diesfalls das dislozierte Verfahren gestalten?
(II.3.7. Vgl. auch die gleichlautenden Erwägungen des BVwG in seiner Entscheidung vom 24.06.2021, Zl. W144 2242143-1/2E und W144 2242144-1/2E, mit welcher ebenfalls die Revision gem. Art. 133 Abs. 4 B-VG für zulässig erklärt wurde)
Schlagworte
Dublin III-VO Einreisetitel örtliche Zuständigkeit österreichische Botschaft Revision zulässig Unionsrecht unzulässiger Antrag UnzuständigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W144.2241485.1.00Im RIS seit
07.10.2021Zuletzt aktualisiert am
07.10.2021