TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/8 L511 2240849-1

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Veröffentlicht am 08.09.2021
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Entscheidungsdatum

08.09.2021

Norm

ASVG §101
AVG §6 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch


L511 2240849–1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Sandra Tatjana JICHA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch MATLACH.WENIG Partnerschaftsgesellschaft mbB, gegen den Bescheid der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt Landesstelle Salzburg vom 19.01.2021, Zahl: XXXX , zu Recht:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der Bescheid der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt Landesstelle Salzburg vom 19.01.2021, Zahl XXXX , gemäß § 28 Abs. 2 und Abs. 5 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang:

1.       Verfahren vor der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt [AUVA]

1.1.    Der Beschwerdeführer stellte mit Schreiben vom 15.12.2020, bei der belangten Behörde am 15.12.2020 eingelangt, einen Antrag auf rückwirkende Herstellung des gesetzlichen Zustandes gemäß § 101 ASVG.

1.2.    Mit Bescheid vom 19.01.2021, Zahl: XXXX , wurde der Antrag auf rückwirkende Herstellung des gesetzlichen Zustandes gemäß § 101 ASVG von der AUVA Landesstelle Salzburg abgewiesen.

1.3.    Mit Schreiben vom 22.02.2021 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde gegen den Bescheid.

2.       Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht [BVwG] am 29.03.2021 die Beschwerde samt Verwaltungsakt (Ordnungszahl des Gerichtsverfahrensaktes [OZ] 1) vor.

II.      ad A) Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       entscheidungswesentliche Feststellungen

1.1.    Der dem Verfahren zu Grunde liegende Bescheid vom 19.01.2021, Zahl: XXXX , weist im Kopf die AUVA Landesstelle Salzburg als bescheidausfertigende Behörde aus. Die Fertigungsklausel lautet „Der Direktor der Landesstelle: i.A. XXXX “. Der Bescheid weist keine Unterschrift auf und ist mit einer nicht personalisierten Amtssignatur „Dieses Dokument wurde amtssigniert.“ versehen.

2.       Beweiswürdigung und Beweisaufnahme

2.1.    Die Beweisaufnahme erfolgte durch Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsverfahrensakt aus dem sich auch der unter I. dargelegte Verfahrensgang ergibt (OZ 1).

2.2.    Die getroffenen Feststellungen ergeben sich unmittelbar aus dem im Akt einliegenden Bescheid.

3.       Rechtliche Beurteilung

3.1.1.  Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch Einzelrichterin ergeben sich aus § 6 Bundesgesetz über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes [BVwGG] iVm § 414 Abs. 1 und Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz [ASVG]. Das Verfahren des Bundesverwaltungsgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) geregelt. Verfahrensgegenständlich sind demnach neben dem VwGVG auch die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, sowie jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen sinngemäß anzuwenden, die die AUVA im erstinstanzlichen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (§ 17 VwGVG).

3.1.2.  Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig (§ 7, § 9 VwGVG).

3.2.    Zur Behebung der Entscheidung wegen Unzuständigkeit der Landesstelle

3.2.1.  Das Verwaltungsgericht hat seine sachliche und örtliche Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen und gemäß § 6 Abs. 1 AVG auch die Unzuständigkeit der Unterinstanz in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen (vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 E 5 zu § 6 AVG). Bei Überprüfung der Frage, ob jene Verwaltungsbehörde, die als erste Instanz entschieden hat, auch tatsächlich zur Entscheidung zuständig war, ist die Zuständigkeitsvorschrift heranzuziehen, die im Zeitpunkt der Entscheidung durch die erstinstanzliche Behörde in Geltung stand (vgl. VwGH 15.12.2014, Ro2014/17/0121). Die Unzuständigkeit ist von Amts wegen in jeder Phase des Verfahrens wahrzunehmen. Dadurch, dass eine Partei die Unzuständigkeit der Behörde nicht geltend macht, wird die Zuständigkeit nicht begründet (VwGH 14.10.2015, 2013/04/0097).

zur sachlichen Zuständigkeit der AUVA

3.2.2.  Gemäß § 409 und §410 Abs. 1 ASVG ist die AUVA im Rahmen ihrer örtlichen und sachlichen Zuständigkeit zur Behandlung der Verwaltungssachen (mit Ausnahme der im zweiten und dritten Satz des § 409 ASVG ausdrücklich und jedenfalls den Krankenversicherungsträgern zugewiesenen Angelegenheiten) berufen und hat in diesen Angelegenheiten auch Bescheide zu erlassen. Der Generalklausel in § 410 Abs. 1 1. Satz ASVG folgt eine demonstrative Aufzählung von Verwaltungssachen.

Als Verwaltungssache qualifiziert die Rechtsprechung auch die Entscheidung über die (Notwendigkeit der) Herstellung des gesetzlichen Zustands nach § 101 ASVG und verfahrensrechtliche Bescheide in Leistungssachen (Kneihs in Mosler/Müller/Pfeil, SV-Komm § 410 ASVG Rz8; VwGH 22.01.2003, 2003/08/0003; 26.05.2010, 2009/08/0249).

3.2.3.  Gemäß § 24 Abs. 1 Z 1 ASVG ist die AUVA mit dem Sitz in Wien Träger der Unfallversicherung und hat gemäß § 24 Abs. 2 ASVG die Unfallversicherung nach den Vorschriften des ASVG durchzuführen.

Fallbezogen liegt dem Verfahren ein Antrag auf Herstellung des gesetzlichen Zustands nach § 101 ASVG in Bezug auf einen Leistungsbescheid der AUVA zu Grunde, woraus sich die sachliche Zuständigkeit der AUVA zum bescheidmäßigen Abspruch über den Antrag auf Herstellung des gesetzlichen Zustands nach § 101 ASVG ergibt (vgl. VwGH 22.01.2003, 2003/08/0003).

zur örtlichen Zuständigkeit

3.2.4.  Der gegenständlich bekämpfte Bescheid wurde von der AUVA Landesstelle Salzburg mit der Fertigungsklausel „Der Direktor der Landesstelle: i.A. [Name]“ erlassen.

3.2.5.  Gemäß § 418 Abs. 1 und Abs. 3 ASVG erfolgt die Verwaltung der AUVA durch eine Hauptstelle und vier (in Abs. 3 näher umschriebenen) Landesstellen, darunter auch die Landesstelle Salzburg für die Länder Salzburg, Tirol und Vorarlberg. Gemäß § 418 Abs. 2 ASVG hat die Hauptstelle die Verwaltung zu führen, soweit nicht einzelne Aufgaben durch Gesetz den Landes- oder Außenstellen zugewiesen sind. § 418 Abs. 4 sieht vor, dass die Landesstellen die Hauptstelle in Angelegenheiten des allgemeinen Versicherten- und Dienstgeber/innenservice zu unterstützen und die im § 434 Abs. 2 bis 4 genannten Aufgaben [der Landesstellenausschüsse] zu besorgen haben.

Gemäß § 419 ASVG sind der Verwaltungsrat, die Hauptversammlung und die Landesstellenausschüsse am Sitz der Landesstellen die Verwaltungskörper der Versicherungsträger.

3.2.5.1. Gemäß § 432 Abs. 1 ASVG obliegt dem Verwaltungsrat des jeweiligen Versicherungsträgers ua die Vertretung des Versicherungsträgers. Den Landesstellenausschüssen obliegt gemäß § 434 Abs. 1 die Geschäftsführung hinsichtlich der ihnen nach den Abs. 2 bis 4 zugewiesenen Aufgaben. Sowohl der Verwaltungsrat als auch der Landesstellenausschuss kann die Besorgung bestimmter laufender Angelegenheiten dem Büro des Versicherungsträgers übertragen.

3.2.5.2. Gemäß § 418 Abs. 4 ASVG iVm § 434 Abs. 3 ASVG sind den Landesstellenausschüssen der AUVA demanch folgende Aufgaben gesetzlich zugewiesen:

Entgegennahme von Leistungsanträgen (Z1); Mitwirkung an der Durchführung der Rehabilitation im Rahmen der Unfallversicherung, Gewährung von Maßnahmen der Gesundheitsvorsorge und ihre Durchführung; Mitwirkung an der Feststellung aller übrigen Leistungen und Vorlage der Leistungsanträge an den zur Entscheidung zuständigen Verwaltungskörper (Z2); Standesführung und Kontrolle der im Sprengel der Landesstelle wohnenden Renten(Pensions)empfänger/innen (Z3); Bestellung von Bevollmächtigten zur Vertretung der Anstalt bei den für ihren Sprengel in Betracht kommenden Landesgerichten als Arbeits- und Sozialgerichte bzw. dem Arbeits- und Sozialgericht Wien, den Oberlandesgerichten und Landeshauptmännern/Landeshauptfrauen sowie bei anderen Behörden für die in Betracht kommenden Länder (Z4) und Mitwirkung bei der Durchführung der Unfallverhütungsvorschriften, bei der Überwachung derselben durch Besichtigung der Betriebe und bei der Vorsorge für erste Hilfeleistung bei Arbeitsunfällen (Z5).

3.2.5.3. Somit sind weder die verfahrensgegenständlich relevante Erlassung von Entscheidung über die (Notwendigkeit der) Herstellung des gesetzlichen Zustands nach § 101 ASVG noch eine etwaige Mitwirkung der Landesstellen bei Durchführung der diesbezüglichen Verfahren (im Gegensatz zur Mitwirkung bei der Feststellung von Leistungen im Sinne des §434 Abs. 3 Z1 und Z2 ASVG) im Gesetz vorgesehen.

3.2.5.4. Eine weitere Übertragung von Aufgaben an den Landesstellenausschuss durch den Verwaltungsrat (im Anhang zur Geschäftsordnung) oder die Hauptversammlung (in der Satzung), wie dies vor der Neustrukturierung durch das Sozialversicherungs-Organisationsgesetz 2018 [SV-OG] noch in § 434 Abs. 1 ASVG idF BGBl I Nr. 83/2009 für den Vorstand (nunmehr Verwaltungsrat) vorgesehen war, ist seit in Kraft treten des SV-OG mit 01.01.2020 nicht mehr vorgesehen, und es sind auch durch die Satzung der AUVA, Amtliche Verlautbarung Nr. 51/2020, und den Anhang zur Geschäftsordnung des Verwaltungsrates der AUVA, Amtliche Verlautbarung Nr. 50/2020, keine derartigen Übertragungen von Aufgaben an den Landesstellenausschuss erfolgt.

3.2.6.  Aus diesem Regelungszusammenhang ergibt sich, dass in Ermangelung einer durch Gesetz festgelegten Zuständigkeit der Landesstellen auf Grund der im § 418 Abs. 2 ASVG enthaltenen Generalklausel (auch) die Erlassung von verfahrensrechtlichen Bescheiden der Hauptstelle des jeweiligen Versicherungsträgers obliegt und vom Landesstellenausschuss im Namen des Versicherungsträgers zu fertigen ist (vgl. J./R.Silbernagl in Mosler/Müller/Pfeil, SV-Komm § 418 ASVG Rz11).

3.2.7.  Zusammengefasst kommt die Kompetenz zum verfahrensgegenständlichen bescheidmäßigen Abspruch über einen Antrag auf Herstellung des gesetzlichen Zustands nach § 101 ASVG somit ausschließlich der Hauptstelle der AUVA zu, und es fehlt dem Direktor der Landesstelle Salzburg an der Ermächtigung zur Erlassung des verfahrensgegenständlichen Bescheides, weshalb dieser so zu betrachten ist, als ob er von einer unzuständigen Behörde erlassen worden wäre (vgl. explizit dazu VwGH 25.09.1990, 89/08/0119).

3.2.8.  Die AUVA Landesstelle Salzburg hat den verfahrensgegenständlichen Bescheid somit als unzuständige Behörde erlassen, sodass dieser (unabhängig davon, ob der Rechtsmittelwerber dies im Verfahren eingewendet hat oder im Rechtsmittel releviert hat,) wegen Unzuständigkeit ersatzlos in Form einer negativen Sachentscheidung vom BVwG aufzuheben ist (vgl. für viele VwGH 20.07.2016, Ra2015/22/0055).

3.3.    Aufgrund der Behebung des angefochtenen Bescheides konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen.

III.    ad B) Zulässigkeit der Revision

Im Hinblick auf den gegenständlichen Sachverhalt ist auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes VwGH 25.09.1990, 89/08/0119 zu verweisen, der eine ähnliche Konstellation zu Grunde lag. Durch das Sozialversicherungs-Organisationsgesetz 2018 [SV-OG], BGBl. I Nr. 100/2018, erfolgte jedoch eine völlige Neuorganisation der Versicherungsträger, welche auch eine Neufassung der Satzung und des Anhanges zur Geschäftsordnung erforderlich machten. Da zur sachlichen und örtlichen Zuständigkeit der Landesstellen der AUVA, fallbezogen zur Erlassung von verfahrensrechtlichen Bescheiden, nach Neuorganisation durch das SV-OG keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes besteht, ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Schlagworte

Bescheidbehebung Entscheidungsbefugnis ersatzlose Behebung Herstellung des Rechtszustandes Revision zulässig Unzuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:L511.2240849.1.00

Im RIS seit

07.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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