TE Vwgh Beschluss 2021/9/8 Ra 2021/19/0158

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Veröffentlicht am 08.09.2021
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

VwGG §46 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser sowie die Hofräte Dr. Pürgy und Dr. Chvosta als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Seiler, in der Revisionssache des N S in W, vertreten durch Mag. Elisabeth Mace, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Mariahilfer Straße 124/15, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. März 2021, W225 2178202-1/13E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

I. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

II. Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 19. November 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2        Mit Bescheid vom 23. Oktober 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3        Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis ab. Die Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.

4        Mit Beschluss vom 5. Mai 2021, Ra 2021/19/0158-4, wies der Verwaltungsgerichtshof den Antrag des Revisionswerbers, ihm für die außerordentliche Revision gegen das Erkenntnis des BVwG die Verfahrenshilfe zu bewilligen, wegen Aussichtslosigkeit ab.

5        Am 22. Juni 2021 brachte der - durch eine Rechtsanwältin vertretene - Revisionswerber beim BVwG im Weg des elektronischen Rechtsverkehrs (ERV) eine außerordentliche Revision gegen das Erkenntnis des BVwG ein. Als Tag der Zustellung des Abweisungsbeschlusses betreffend den Antrag auf Verfahrenshilfe wurde der 11. Mai 2021 angeführt.

6        Mit verfahrensleitender Anordnung des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Juli 2021 wurde dem Revisionswerber die Möglichkeit eingeräumt, zu dem Umstand, dass die sechswöchige Revisionsfrist nach der Aktenlage mit dem Tag der Zustellung des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes über die Abweisung des Verfahrenshilfeantrages (am 8. Mai 2021) zu laufen begonnen habe und die gegenständliche Revision somit verspätet sei, Stellung zu nehmen.

7        Auf diesen Vorhalt hin brachte der Revisionswerber mit Schriftsatz vom 6. August 2021 einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Revisionsfrist ein.

8        Hat die Partei innerhalb der Revisionsfrist die Bewilligung der Verfahrenshilfe beantragt (§ 61 VwGG) und wird dieser Antrag abgewiesen, so beginnt die Revisionsfrist gemäß § 26 Abs. 3 VwGG mit der Zustellung des abweisenden Beschlusses an die Partei.

9        Im Fall der Zustellung eines Dokumentes durch Hinterlegung gilt das hinterlegte Dokument mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird, als zugestellt (§ 17 Abs. 3 ZustG). Beginn und Lauf einer Frist werden durch Samstage, Sonntage oder gesetzliche Feiertage nicht behindert (§ 62 Abs. 1 VwGG iVm § 33 Abs. 1 AVG).

10       Im vorliegenden Fall wurde der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. Mai 2021 erstmals am 8. Mai 2021 in der Geschäftsstelle des Zustelldienstes zur Abholung bereitgehalten, was vom Revisionswerber auch nicht bestritten wird. Die Zustellung wurde daher an diesem Tag wirksam. Die sechswöchige Revisionsfrist endete mit 21. Juni 2021. Die vorliegende, am 22. Juni 2021 im Weg des ERV eingebrachte, Revision erweist sich somit als verspätet.

11       Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Ein minderer Grad des Versehens hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht.

12       Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes trifft das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei, wobei an berufliche und rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen ist als an rechtsunkundige und bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen. Ein dem Vertreter widerfahrenes Ereignis stellt einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Vertreter selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hiebei höchstens um einen minderen Grad des Versehens handelt (vgl. VwGH 25.9.2019, Ra 2019/19/0199, mwN).

13       Der vorliegende Antrag auf Wiedereinsetzung erblickt das die Einhaltung der Revisionsfrist hindernde Ereignis darin, dass dem bislang zuverlässigen Mitarbeiter eines - den Revisionswerber zum damaligen Zeitpunkt vertretenden - Vereins, der mit der Berechnung des Termins des Ablaufs der sechswöchigen Revisionsfrist betraut gewesen sei, ein Versehen bei der Eintragung des Termins in den Fristenkalender unterlaufen sei. Der Mitarbeiter habe am 12. Mai 2021 mehrere Fristen, also Endtermine von Rechtsmitteln bzw. richterlichen Fristen in das Terminbuch eintragen müssen und sei ihm dabei insofern ein Fehler unterlaufen, als er - nachdem für den 22. Juni 2021 mehrere derartige Fristen einzutragen gewesen seien - irrtümlicherweise den 22. Juni 2021 und nicht 21. Juni 2021 als Termin des Ablaufs der Revisionsfrist notiert habe. Die den Revisionswerber im gegenständlichen Revisionsverfahren vertretende Rechtsanwältin habe diesen Umstand erst mit Erhalt der verfahrensleitenden Anordnung des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Juli 2021 erkannt.

14       Mit diesem Vorbringen gelingt es dem Revisionswerber schon deshalb nicht einen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund im Sinn des § 46 Abs. 1 VwGG darzulegen, weil die Frage, in welcher Form und binnen welcher Frist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof einzubringen ist, jedenfalls einer Beurteilung durch den einschreitenden Rechtsanwalt bedarf (vgl. VwGH 15.12.2015, Ra 2015/01/0061, mwN). Im Übrigen hat nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes derjenige, der einen Wiedereinsetzungsantrag auf das Verschulden einer Hilfsperson stützt, schon im Wiedereinsetzungsantrag durch ein substantiiertes Vorbringen darzulegen, aus welchen Gründen ihn selbst kein die Wiedereinsetzung ausschließendes Verschulden trifft, etwa dass und in welcher Weise der Wiedereinsetzungswerber die erforderliche Kontrolle ausgeübt hat (vgl. nochmals VwGH Ra 2015/01/0061, mwN).

Ein derartiges Vorbringen enthält der vorliegende Antrag nicht.

15       Dass dem Revisionswerber an der Versäumung der Revisionsfrist kein Verschulden oder ein lediglich minderer Grad des Versehens anzulasten wäre, wurde mit dem Wiedereinsetzungsantrag folglich nicht dargetan.

16       Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher gemäß § 46 Abs. 1 und Abs. 4 VwGG abzuweisen und die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 8. September 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021190158.L00

Im RIS seit

07.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

18.10.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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