TE Vwgh Erkenntnis 1997/1/21 96/11/0279

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.01.1997
beobachten
merken

Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
90/01 Straßenverkehrsordnung;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

KFG 1967 §66 Abs2 liti;
StVO 1960 §20 Abs1;
StVO 1960 §20 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des G in N, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 30. August 1996, Zl. 11-39 Fu 5-1996, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A, B, C, F und G gemäß § 74 Abs. 1 und § 73 Abs. 3 zweiter Satz KFG 1967 für die Dauer von zwei Wochen von der Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides der Bezirkshauptmannschaft U vom 3. Juli 1996, das ist vom 9. Juli bis zum 23. Juli 1996, vorübergehend entzogen.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Grund für die bekämpfte Entziehungsmaßnahme war, daß der Beschwerdeführer am 15. Oktober 1995 im Ortsgebiet von K einen Pkw mit einer höheren Geschwindigkeit als 90 km/h gelenkt habe. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft U vom 13. Juni 1996 wurde er in diesem Zusammenhang einer Übertretung nach § 20 Abs. 2 StVO 1960 für schuldig erkannt.

Gemäß § 66 Abs. 2 lit. i KFG 1967 gilt als bestimmte, die Verkehrsunzuverlässigkeit der betreffenden Person nach sich ziehende, Tatsache, wenn jemand im Ortsgebiet die jeweils zulässige Höchstgeschwindigkeit um mehr als 40 km/h überschritten hat und die Überschreitung mit einem technischen Hilfsmittel festgestellt wurde. Gemäß § 73 Abs. 3 zweiter Satz ist bei der erstmaligen Begehung einer Übertretung im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. i, sofern die Übertretung nicht unter besonders gefährlichen Verhältnissen oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern begangen worden ist, die Zeit, für welche keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden darf (§ 73 Abs. 2), mit zwei Wochen festzusetzen; eine Entziehung der Lenkerberechtigung auf Grund des § 66 Abs. 2 lit. i darf erst ausgesprochen werden, wenn das Strafverfahren wegen der Geschwindigkeitsübertretung in erster Instanz durch Strafbescheid abgeschlossen ist.

Der Beschwerdeführer bringt vor, daß die Messung seiner Fahrgeschwindigkeit in zweierlei Hinsicht mangelhaft gewesen sei. Die von den Behörden des Entziehungsverfahrens getroffene Feststellung sei mit denselben Mängeln behaftet. Er bestreitet damit das Vorliegen einer bestimmten Tatsache im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. i KFG 1967. Die belangte Behörde begründete die in Rede stehende Annahme damit, daß die Fahrgeschwindigkeit des Beschwerdeführers durch Schätzung aus einem nachfahrenden Gendarmeriefahrzeug über eine Strecke von mindestens 300 m ermittelt worden sei. Der Tachometer des Dienstfahrzeuges habe dabei eine Fahrgeschwindigkeit von 110 km/h angezeigt. Eine Messung der Fahrgeschwindigkeit des Dienstfahrzeugs bei einer Tachometeranzeige von 110 km/h mit einer "Laserpistole" im Anschluß an den gegenständlichen Vorfall habe eine Geschwindigkeit von 102 km/h ergeben, sodaß jedenfalls von einer Fahrgeschwindigkeit des Beschwerdeführers im Ausmaß von mehr als 40 km/h auszugehen sei.

Angesichts dieser Feststellungen geht die Rüge des Beschwerdeführers, seine Fahrgeschwindigkeit sei nicht mit einem technischen Hilfsmittel festgestellt worden, ins Leere. Tachometer und "Laserpistole" sind technische Hilfsmittel im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. i KFG 1967 (vgl. den Ausschußbericht betreffend die 18. KFG-Novelle 93 BlgNR 19. GP, S. 2, zu Z. 2, betreffend Anfügung einer neuen lit. i an § 66 Abs. 2). Die Schätzung der Fahrgeschwindigkeit durch Nachfahren mit einem mit einem geeichten Tachometer ausgestatteten Kraftfahrzeug in gleichbleibendem Abstand über eine Strecke von 300 m stellt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein geeignetes Beweismittel zur Feststellung der Fahrgeschwindigkeit eines beobachteten Fahrzeugs dar (vgl. das Erkenntnis vom 3. März 1989, Zl. 88/11/0036). Der Gesetzgeber wollte offensichtlich mit der Regelung betreffend das "technische Hilfsmittel" verhindern, daß eine bloße "Schätzung mit freiem Auge" - wie sie unter bestimmten Voraussetzungen in einem Verwaltungsstrafverfahren als Beweismittel ausreicht - auch in einem Entziehungsverfahren zum Tragen kommt, wird doch eine Entziehung der Lenkerberechtigung von vielen Kraftfahrzeuglenkern als der schwerer als eine Verwaltungsstrafe wiegende Eingriff in ihre Rechte empfunden.

Bei dem Tachometer des Dienstfahrzeugs handelt es sich aber offenbar nicht um ein geeichtes Gerät, im Verwaltungsakt findet sich jedenfalls keine diesbezügliche Angabe. Die belangte Behörde geht in ihrer Gegenschrift fehl, wenn sie auf ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes verweist, wonach dieser Umstand bei "beträchtlichen Überschreitungen" der zulässigen Höchstgeschwindigkeit keine Rolle spiele. Die hier in Rede stehende Geschwindigkeitsdifferenz zwischen 90 km/h (die nach § 20 Abs. 2 StVO 1960 im Ortsgebiet zulässigen 50 km/h zuzüglich der in § 66 Abs. 2 lit. i KFG 1967 genannten 40 km/h) und der vom Tachometer des Dienstfahrzeugs angezeigten Geschwindigkeit von 110 km/h ist aber keine "beträchtliche".

Durch die auf die Messung der Geschwindigkeit des Dienstfahrzeuges, dessen Tachometer 110 km/h anzeigte, mit einer Laserpistole gestützte Annahme einer Fahrgeschwindigkeit von 102 km/h wird die besagte Geschwindigkeitsdifferenz noch geringer. Von einer beträchtlichen Differenz, die ja u.a. auch die im Erfordernis des Nachfahrens in gleichbleibendem Abstand - insbesondere bei verhältnismäßig hohen Fahrgeschwindigkeiten - gelegenen Fehlerquellen abzudecken hat, kann daher im vorliegenden Fall nicht mehr gesprochen werden. Die Feststellung der belangten Behörde, die Fahrgeschwindigkeit des vom Beschwerdeführer gelenkten Fahrzeuges habe mehr als 90 km/h betragen, fußt auf mangelhaften tatsächlichen Grundlagen.

Der angefochtene Bescheid war aus diesem Grund wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben.

Bemerkt sei noch, daß die Ausführungen in der Beschwerde über den Taxilenkerausweis des Beschwerdeführers am Inhalt des angefochtenen Bescheides vorbeigehen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Feststellen der Geschwindigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996110279.X00

Im RIS seit

12.06.2001

Zuletzt aktualisiert am

23.11.2015
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten