Entscheidungsdatum
22.08.2021Norm
B-VG Art130 Abs1 Z2Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch Ing. Mag. Andreas Ferschner als Einzelrichter über die Beschwerde des A, vertreten durch C, Rechtsanwalt in ***, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch die Landespolizeidirektion Niederösterreich betreffend der Einreiseverweigerung und Entziehung des Aufenthaltstitels am 20.2.2021 im Flughafentransitbereich *** und der Anhaltung in Verwahrungshaft sowie unmenschliche und erniedrigende Behandlung, zu Recht erkannt.
I. Gemäß § 28 Absatz 6 VwGVG wird die Beschwerde hinsichtlich der Einreiseverweigerung und der Entziehung des Aufenthaltstitels und der Anhaltung in Verwahrungshaft abgewiesen.
II. Gemäß § 28 Absatz 6 VwGVG wird die Beschwerde hinsichtlich der Durchsuchung in Form des nackten Ausziehens und der Untersuchung der Kleidung stattgegeben.
III. Der Bund (Bundesminister für Inneres) hat dem Beschwerdeführer € 802,40 für Schriftsatzaufwand, Aufwand für die Verhandlung und Eingabegebühr binnen 14 Tagen nach bei sonstigem Zwang zu leisten.
IV. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
1. Gang des Verfahrens:
Mit Eingabe vom 29.3.2021 brachte der Beschwerdeführer eine Maßnahmenbeschwerde ein. Darin brachte er im Wesentlichen vor, dass er türkischer Staatsbürger sei. Seine gesamte Familie seien österreichische Staatsbürger. Er habe über 40 Jahre in Österreich gearbeitet und falle unter das Assoziierungsabkommen mit der Türkei. Sein Lebensmittelpunkt liege in Österreich. Er sei Inhaber des Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt – EU“ gemäß §§ 8 Abs. 1 Z. 7 iVm § 45 NAG. Der Beschwerdeführer sei am 3.2.2020 aus Österreich in die Türkei ausgereist. Aufgrund der Covid Pandemie und dem Umstand, dass er in der Türkei eine Covid Impfung in Aussicht gestellt bekommen habe verblieb der Beschwerdeführer in der Türkei. Am 20.2.2021 sei der Beschwerdeführer von der Türkei zurück nach Österreich geflogen. Im Zuge der Einreisekontrolle sei ihm die Einreise in der Folge verweigert worden. Der Beschwerdeführer sei daueraufenthaltsberechtigte Drittstaatsbürgerin iSd Richtlinie 2003/109/EG idgF und aufenthaltsverfestigt iSd § 9 Abs. 4 BFA-VG. Auch sei das Assoziierungsabkommen anzuwenden. Die belangte Behörde sei davon ausgegangen, dass das unbefristete Niederlassungsrecht gemäß § 20 Abs. 4 NAG erloschen sei und daher eine Einreise ohne Visum nicht möglich sei. Er sei daraufhin festgenommen worden und mit dem Auto vom Flughafen zu einem Polizeianhaltezentrum gebracht worden. Er habe sich nackt ausziehen müssen und sei durchsucht worden. Die Kleidung sei weggebracht worden. Später habe er seine Unterhose zurückerhalten. Ein Röntgen sei auch gemacht worden. Die Verpflegung habe lediglich aus einer Semmel und einem Becher bestanden. Am nächsten Morgen habe er nicht einmal ein Frühstück erhalten.
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat am 7.6.2021 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt und Beweis erhoben durch die Einvernahme der Zeugen B und D, sowie durch Verlesung des Verwaltungsaktes und der vorgelegten Urkunden.
2. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat erwogen wie folgt:
Unstrittig ist, dass der Beschwerdeführer am 3.2.2020 von *** in die Türkei geflogen ist. Weiter unstrittig ist, dass die Wiedereinreise von der Türkei nach Österreich am 20.2.2021 erfolgte. Ebenso unstrittig ist, dass der Beschwerdeführer im Zuge der Einreisekontrolle an der Einreise gehindert wurde. Der Beschwerdeführer hatte am 20.2.2021 einen abgelaufenen türkischen Reisepass ohne Visum mit einem „EG Daueraufenthalt“. Der Beschwerdeführer gab an, dass er am 3.2.2020 in die Türkei gereist sei und seit diesem Datum bis zum 20.2.2021 die Türkei nicht verlassen habe. Weiter gibt er selbst in der Beschwerde an, die Behörden in Österreich nicht über diesen Umstand bzw. die Gründe für eine verzögerte Rückreise informiert zu haben.
Der Beschwerdeführer wurde von der Polizei aufgrund des Umstandes, dass im internationalen Bereich des Flughabens Covid-19 bedingt alle Geschäfte geschlossen hatten zum Flughafentransitsonderbereich gebracht, damit zumindest eine Unterbringung des Beschwerdeführers sichergestellt werden konnte. Der Beschwerdeführer konnte sein Zimmer jederzeit verlassen, da es nicht von außen versperrt wurde. Auf Wunsch wäre er auch in den internationalen Bereich zurückgebracht worden. Dieser Wunsch wurde jedoch nicht geäußert.
Vor der Rückreise in die Türkei erfolgte eine Leibesvisitation und musste sich der Beschwerdeführer nackt ausziehen. Begründet wurde diese Maßnahme damit, dass bei allen Personen vom Flughafentransitsonderbereich vermutet wird, dass eine erhöhte Verletzungsgefahr bestehe, da sich viele Personen selbst verletzen um einen Aufenthalt in Österreich zu erzwingen. Der Beschwerdeführer zeigte keine solche Absichten und hat sogar den Rückflug nach *** selbst bezahlt.
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt und dem Vorbringen in der Beschwerde und ist im Wesentlichen unstrittig. Die Feststellungen zur Unterbringung ergeben sich aus dem Vorbringen der Landespolizeidirektion und dem dort geführten Akt.
3. Rechtlich folgt:
§ 20 NAG lautet:
§ 20. (1) Befristete Aufenthaltstitel sind für die Dauer von zwölf Monaten oder für die in diesem Bundesgesetz bestimmte längere Dauer auszustellen, es sei denn, es wurde jeweils eine kürzere Dauer des Aufenthaltstitels beantragt oder das Reisedokument weist nicht die entsprechende Gültigkeitsdauer auf.
(1a) Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 2, 4, 5, 6, 8, 9 oder 10 sind für die Dauer von drei Jahren auszustellen, wenn der Fremde
1.das Modul 1 der Integrationsvereinbarung (§ 9 IntG) erfüllt hat und
2.in den letzten zwei Jahren durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war,es sei denn, es wurde eine kürzere Dauer des Aufenthaltstitels beantragt oder das Reisedokument weist nicht die entsprechende Gültigkeitsdauer auf.
(2) Die Gültigkeitsdauer eines Aufenthaltstitels beginnt mit dem Ausstellungsdatum, die Gültigkeitsdauer eines verlängerten Aufenthaltstitels mit dem auf den letzten Tag des letzten Aufenthaltstitels folgenden Tag, wenn seither nicht mehr als sechs Monate vergangen sind. Der rechtmäßige Aufenthalt im Bundesgebiet im Zeitraum zwischen Ablauf des letzten Aufenthaltstitels und Beginn der Gültigkeitsdauer des verlängerten Aufenthaltstitels ist gleichzeitig mit dessen Erteilung von Amts wegen gebührenfrei mit Bescheid festzustellen.
(3) Inhaber eines Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt – EU“ (§ 45) sind in Österreich - unbeschadet der befristeten Gültigkeitsdauer des diesen Aufenthaltstiteln entsprechenden Dokuments - unbefristet niedergelassen. Dieses Dokument ist für einen Zeitraum von fünf Jahren auszustellen und, soweit keine Maßnahmen nach dem Fremdenpolizeigesetz 2005 durchsetzbar sind, abweichend von § 24 auch nach Ablauf auf Antrag zu verlängern.
(4) Ein Aufenthaltstitel nach Abs. 3 erlischt, wenn sich der Fremde länger als zwölf aufeinander folgende Monate außerhalb des EWR-Gebietes aufhält. Aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen, wie einer schwerwiegenden Erkrankung, der Erfüllung einer sozialen Verpflichtung oder der Leistung eines der allgemeinen Wehrpflicht oder dem Zivildienst vergleichbaren Dienstes, kann sich der Fremde bis zu 24 Monate außerhalb des EWR-Gebietes aufhalten, wenn er dies der Behörde vorher mitgeteilt hat. Liegt ein berechtigtes Interesse des Fremden vor, hat die Behörde auf Antrag festzustellen, dass der Aufenthaltstitel nicht erloschen ist. Der Nachweis des Aufenthalts im EWR-Gebiet obliegt dem Fremden.
(4a) Abweichend von Abs. 4 erster Satz erlischt der Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“, der einem Inhaber eines Aufenthaltstitels „Blaue Karte EU“ oder dessen Familienangehörigen erteilt wurde erst, wenn sich der Fremde länger als 24 aufeinander folgende Monate außerhalb des EWR-Gebietes aufhält.
(5) Abs. 4 gilt nicht für Inhaber eines Aufenthaltstitels Daueraufenthalt – EU, wenn
1.sein Ehegatte, eingetragener Partner oder Elternteil Österreicher ist, der in einem Dienstverhältnis zu einer inländischen Gebietskörperschaft steht und dessen Dienstort im Ausland liegt, oder
2.sein Ehegatte, eingetragener Partner oder Elternteil Österreicher ist, der in einem Dienstverhältnis zu einer inländischen Körperschaft öffentlichen Rechts steht und dessen Dienstort im Ausland liegt, soweit die Tätigkeit dieser Körperschaft im Ausland im Interesse der Republik liegt und er die beabsichtigte Aufgabe der Niederlassung (§ 2 Abs. 2) der Behörde vorher mitgeteilt hat. Das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß Z 1 oder 2 hat der Fremde nachzuweisen. Der Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ ist auch nach Aufgabe der Niederlassung auf Antrag zu verlängern.
Artikel 14 der EU Verordnung 399/2016 lautet:
Einreiseverweigerung
(1) Einem Drittstaatsangehörigen, der nicht alle Einreisevoraussetzungen des Artikels 6 Absatz 1 erfüllt und der nicht zu dem in Artikel 6 Absatz 5 genannten Personenkreis gehört, wird die Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten verweigert. Davon unberührt bleibt die Anwendung besonderer Bestimmungen zum Asylrecht und zum internationalen Schutz oder zur Ausstellung von Visa für längerfristige Aufenthalte.
(2) Die Einreiseverweigerung kann nur mittels einer begründeten Entscheidung unter genauer Angabe der Gründe für die Einreiseverweigerung erfolgen. Die Entscheidung wird von einer nach nationalem Recht zuständigen Behörde erlassen. Die Entscheidung tritt unmittelbar in Kraft. Die begründete Entscheidung mit genaue Angabe der Gründe für die Einreiseverweigerung wird mit dem Standardformular nach Anhang V Teil B erteilt, das von der nach nationalem Recht zur Einreiseverweigerung berechtigten Behörde ausgefüllt wird. Das ausgefüllte Standardformular wird dem betreffenden Drittstaatsangehörigen ausgehändigt, der den Empfang der Entscheidung über die Einreiseverweigerung auf diesem Standardformular bestätigt.
(3) Personen, denen die Einreise verweigert wird, steht ein Rechtsmittel zu. Die Verfahren für die Einlegung des Rechtsmittels bestimmen sich nach nationalem Recht. Dem Drittstaatsangehörigen werden auch schriftliche Angaben zu Kontaktstellen gemacht, die ihn über eine rechtliche Vertretung unterrichten können, die entsprechend dem nationalen Recht in seinem Namen vorgehen kann. Die Einlegung eines solchen Rechtsmittels hat keine aufschiebende Wirkung im Hinblick auf die Entscheidung über die Einreiseverweigerung. Wird im Rechtsmittelverfahren festgestellt, dass die Entscheidung über die Einreiseverweigerung unbegründet war, so hat der betreffende Drittstaatsangehörige unbeschadet einer nach nationalem Recht gewährten Entschädigung einen Anspruch auf Berichtigung des ungültig gemachten Einreisestempels und anderer Streichungen oder Vermerke durch den Mitgliedstaat, der ihm die Einreise verweigert hat.
(4) Die Grenzschutzbeamten stellen sicher, dass ein Drittstaatsangehöriger, dem die Einreise verweigert wurde, das Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats nicht betritt.
(5) Die Mitgliedstaaten erheben statistische Daten über die Anzahl der Personen, denen sie die Einreise verweigern, die Gründe für die Einreiseverweigerung, die Staatsangehörigkeit der betreffenden Personen und die Art der Grenze (Land-, Luft- oder Seegrenze), an der ihnen die Einreise verweigert wurde, und legen sie gemäß der Verordnung (EG) Nr. 862/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates jährlich der Kommission (Eurostat) vor.
(6) Die Modalitäten der Einreiseverweigerung sind in Anhang V Teil A festgelegt.
ANHANG V
TEIL A
Modalitäten der Einreiseverweigerung an der Grenze
1. Im Falle einer Einreiseverweigerung
a) füllt der zuständige Grenzschutzbeamte das in Teil B dargestellte Standardformular für die Einreiseverweigerung aus. Der betreffende Drittstaatsangehörige unterschreibt das Formular und erhält eine Kopie des unterschriebenen Formulars. Verweigert der Drittstaatsangehörige die Unterschrift, so vermerkt der Grenzschutzbeamte dies im Feld „Bemerkungen“ des Formulars;
b) bringt der zuständige Grenzschutzbeamte in dem Pass einen Einreisestempel an, den er in Form eines Kreuzes mit schwarzer, dokumentenechter Tinte durchstreicht; zudem trägt er rechts neben diesem Stempel ebenfalls mit dokumentenechter Tinte den oder die Kennbuchstaben ein, die dem Grund oder den Gründen für die Einreiseverweigerung entsprechen und die in dem genannten Standardformular aufgeführt sind;
c) annulliert oder hebt der zuständige Grenzschutzbeamte das Visum gemäß dem Verfahren des Artikels 34 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 auf;
d) erfasst der zuständige Grenzschutzbeamte die Einreiseverweigerung akten- oder listenmäßig mit Angabe der Personalien und der Staatsangehörigkeit des betroffenen Drittstaatsangehörigen, des Grenzübertrittspapiers sowie des Einreiseverweigerungsgrundes und -datums.
Im gegenständlichen Fall hatte der Beschwerdeführer den Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt EG“ ausgestellt bekommen. Der Beschwerdeführer reiste am 3.2.2020 in Türkei aus. Bis 20.2.2021 verließ der Beschwerdeführer die Türkei nicht.
Gemäß § 20 Abs. 4 NAG erlischt der Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt EU“ wenn sich der Fremde länger als zwölf aufeinander folgende Monate außerhalb des EWR-Gebietes aufhält. Aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen, wie einer schwerwiegenden Erkrankung, der Erfüllung einer sozialen Verpflichtung oder der Leistung eines der allgemeinen Wehrpflicht oder dem Zivildienst vergleichbaren Dienstes, kann sich der Fremde bis zu 24 Monate außerhalb des EWR-Gebietes aufhalten, wenn er dies der Behörde vorher mitgeteilt hat. Liegt ein berechtigtes Interesse des Fremden vor, hat die Behörde auf Antrag festzustellen, dass der Aufenthaltstitel nicht erloschen ist. Der Nachweis des Aufenthalts im EWR-Gebiet obliegt dem Fremden.
Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer am 3.2.2020 das EWR-Gebiet verlassen. Der Beschwerdeführer hat die Behörden nicht verständigt, dass ein Grund vorliege, weshalb diese Frist auf 24 Monate erstreckt werden kann. Einen Antrag, auf Feststellung, dass der Aufenthaltstitel nicht erloschen ist, stellte der Beschwerdeführer ebenso nicht, bzw. machte er bis zur Erhebung der Beschwerde auch kein berechtigtes Interesse für so einen Antrag geltend. Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, dass der Aufenthaltstitel nicht verfahrensfrei ungültig werden könne, ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei § 20 Abs. 4 NAG um eine Beendigung des Aufenthaltstitels ex lege handelt. Daher ist prinzipiell keine weitere Prüfung über die Gültigkeit des Aufenthaltstitels vorgesehen. Der Fremde hat jedoch die Möglichkeit bei berechtigtem Interesse einen Antrag auf Feststellung, dass der Aufenthaltstitel nicht erloschen ist zu stellen. Dies hat der Beschwerdeführer jedoch nicht getan. Insgesamt hielt sich der Beschwerdeführer etwas über 12 Monate durchgehend in der Türkei auf. Er hat der Behörde nicht verständigt, dass er die Frist von 12 Monaten auf 24 Monate erstrecken wollte. Eine Verfassungswidrigkeit des § 20 Abs. 4 NAG konnte das Gericht nicht erkennen, da es sich nicht um eine Ausweisung eines Fremden handelte. Vielmehr reiste der Beschwerdeführer freiwillig aus dem EWR-Raum aus. Er hat es verabsäumt sich um die Verlängerung seines Aufenthaltstitels rechtzeitig zu kümmern.
Das bedeutet, dass der Beschwerdeführer am 20.2.2021 keinen gültigen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt EU“ mehr besaß. Somit hätte er ein gültiges Visum für die Einreise benötigt. Über ein solches Visum verfügte der Beschwerdeführer jedoch nicht. Die zuständigen Grenzbeamten haben daher – wie in Artikel 14 der EU VO 399/2016 vorgesehen dem Beschwerdeführer die Einreise verweigert. Eine begründete Entscheidung über die Einreiseverweigerung erhielt der Beschwerdeführer durch den durchgestrichenen Einreisestempel mit dem Vermerk „C“ Die Gründe für die Zurückweisung wurden dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht. Dass der Beschwerdeführer die notwendigen Informationsblätter nicht erhalten hat, wurde nicht einmal vorgebracht. Nicht festgestellt werden konnte, dass der Beschwerdeführer das Standardformular für die Einreiseverweigerung (Teil B) nicht erhalten hat. Gemäß Artikel 14 wird die begründete Entscheidung mit genaue Angabe der Gründe für die Einreiseverweigerung mit dem Standardformular nach Anhang V Teil B erteilt. Weiter besagt die Richtlinie, dass der Beschwerdeführer ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung einlegen kann, die Beschwerde jedoch keine aufschiebende Wirkung hat. Es war daher die Beschwerde in diesen Punkten abzuweisen.
Soweit sich der Beschwerdeführer auf das Assoziierungsabkommen mit der Türkei berief ist anzumerken, dass dieses nur für Personen gilt die eine Erwerbstätigkeit in Österreich ausüben. Der Beschwerdeführer gab jedoch selbst an, dass er bereits in Pension sei und nicht mehr erwerbstätig.
Wenn vorbrachte wurde, dass die 12 Monatsfrist lediglich aufgrund von Covid-19 und dem Warten auf die Impfung überschritten wurde und dies jedenfalls berücksichtigungswürdige Gründe gemäß § 20 NAG seien, muss angemerkt werden, dass solche Gründe nur zu prüfen sind, wenn sie vorher der Behörde bekannt gegeben wurden. Dies ist im gegenständlichen Fall jedoch unstrittig nicht passiert. Gründe weshalb der Beschwerdeführer verhindert war die österreichischen Behörden zu verständigen brachte er nicht vor. Von einer automatischen Verlängerung der 12 Monatsfrist wegen der Covid-19 Pandemie konnte nicht ausgegangen werden, da dazu die rechtlichen Grundlagen in Österreich nicht geschaffen wurden. Vielmehr besteht für alle Betroffenen die Möglichkeit die Frist nach Verständigung der österreichischen Behörden auf 24 Monate verlängern zu lassen.
Der Beschwerdeführer bekämpfte weiters die Anhaltung im Flughafentransitsonderbereich. Hierzu ist festzustellen, dass dem Beschwerdeführer lediglich die Möglichkeit geboten wurde, dass er dort übernachten kann, da es aufgrund von Covid-19 keine anderen Möglichkeiten gab. Eine förmliche Anhaltung im Sinne des Gesetzes lag nicht vor. Vielmehr erfolgte die Unterbringung freiwillig und bestand für den Beschwerdeführer die Möglichkeit seinen Aufenthaltsraum zu verlassen. Dies ist auch dann gegeben, wenn er für den Rücktransport in den Transitbereich erst einen Beamten kontaktieren hätte muss, der ihn dann dorthin mit einem Fahrzeug bringt. Da der Beschwerdeführer formal nicht angehalten wurde bestand auch kein Anspruch auf Verpflegung und Verköstigung, sodass sich die Prüfung ob diese ausreichend war erübrigt.
Letztlich wurde noch der Punkt der Durchsuchung des Beschwerdeführers und das Entkleiden von ihm bekämpft. Dazu ist anzumerken, dass diese Durchsuchung und das Entkleiden nicht wie in der Beschwerde ausgeführt bei der Anhaltung (die nie erfolgte) passierte, sondern knapp vor dem Rückflug. Die belangte Behörde brachte vor, dass dies ein übliches und vorgesehenes Vorgehen sei bei Personen die vom Flughafensondertransit kommen. Dies da die Behörde die Erfahrung gemacht habe, dass die Betroffenen – zumeist Asylwerber deren Zulassungsverfahren negativ entschieden wurde – mit einfachsten Mitteln sich selbst verletzen um einen Aufenthalt in Österreich zu bewirken. Der Beschwerdeführer war jedoch nicht dieser Personengruppe zuzuordnen. Er verhielt sich der Aktenlage nach kooperativ, hat das Rückflugticket selbst bezahlt und wurde auch nicht angehalten. Er wurde lediglich mit anderen Personen die angehalten wurden zum Flugzeug gebracht. Dass er dann diesen erhöhten Sicherheitschecks – wegen der Gefahr der Selbstverletzung – ebenfalls unterzogen wurde erweist sich als rechtswidrig. Es gab keinen Verdacht, dass die Gefahr bestünde, der Beschwerdeführer würde sich selbst verletzen. Vielmehr war zu diesem Zeitpunkt schon klar, dass er in die Türkei zurück reisen würde und von dort einen neuen Aufenthaltstitel beantragen werde. Somit erfolgte die Anweisung, dass der Beschwerdeführer sich ausziehen muss und durchsucht wird ohne rechtliche Grundlage.
4. Kosten
Gemäß § 35 VwGVG hat die obsiegende Partei im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt Anspruch auf den Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.
Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.
Im vorliegenden Fall wurde die Beschwerde zu dem Punkt der Einreiseverweigerung und Anhaltung abgewiesen und betreffend die Entkleidung und Durchsuchung stattgegeben. Daher war die belangte Behörde in einem Punkt die obsiegende Partei und der Beschwerdeführer ebenfalls in einem Punkt obsiegende Partei. Aufwandsersatz ist nur auf Antrag der Partei zu leisten. Beide Parteien stellten einen solchen Antrag. Es waren daher die Kosten nach der VwG-Aufwandersatz-Verordnung (BGBl II 2013/517 idgF) und die Barauslagen dem Beschwerdeführer zuzusprechen.
Dem Beschwerdeführer stehen somit € 737,60 Euro für Schriftsatzaufwand, € 922,00 Euro für den Aufwand für die Verhandlung und € 30,00 für die Eingabegebühr zu.
Dem Bund steht im Gegenzug Aufwandersatz (Vorlage-, Schriftsatz, Verhandlung) in der Höhe von € 887,20 zu.
Rechnet man diese beiden Forderungen gegeneinander auf bleibt ein Betrag von € 802,40 übrig, die der Bund dem Beschwerdeführer zu leisten hat.
5. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Fall keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Maßnahmenbeschwerde; Einreiseverweigerung; Aufenthaltstitel; Entziehung; Anhaltung; Durchsuchung;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2021:LVwG.M.18.001.2021Zuletzt aktualisiert am
06.10.2021