TE Bvwg Erkenntnis 2021/4/15 G301 2225665-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.04.2021
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Entscheidungsdatum

15.04.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch


G301 2225663-1/20E

G301 2225665-1/20E

G301 2233534-2/11E

Schriftliche Ausfertigung des am 17.03.2021 mündlich verkündeten Erkenntnisses:

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter MMag. Dr. René BRUCKNER über die Beschwerden 1.) der XXXX , geboren am XXXX , 2.) des minderjährigen XXXX , geboren am XXXX , und 3.) des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit aller: Kolumbien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen – BBU GmbH, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Salzburg, vom 09.10.2019, Zl. XXXX (zu 1.) und Zl. XXXX (zu 2.), und vom 19.11.2020, Zl. XXXX (zu 3.), betreffend Anträge auf internationalen Schutz, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 15.07.2020 und 17.03.2021 zu Recht:

A)       Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Mit den oben im Spruch angeführten Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), Regionaldirektion Salzburg – Außenstelle Salzburg, der Erstbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF1) und dem minderjährigen Zweitbeschwerdeführer (im Folgenden: BF2) jeweils zugestellt am 15.10.2019 und dem Drittbeschwerdeführer (im Folgenden: BF3) zugestellt am 27.11.2020, wurden die Anträge auf internationalen Schutz der BF1 und des minderjährigen BF2 vom 11.06.2019 sowie des BF3 vom 11.02.2020 jeweils hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Kolumbien abgewiesen (Spruchpunkt II.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Kolumbien zulässig ist (Spruchpunkt V.) sowie gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt VI.).

Mit dem am 08.11.2019 beim BFA, Regionaldirektion Salzburg – Außenstelle Salzburg eingebrachten und mit demselben Tag datierten Schriftsatz erhoben die BF1 und der BF2 durch ihren zu diesem Zeitpunkt bevollmächtigten Rechtsvertreter (Verein Menschenrechte Österreich) gemeinsam Beschwerde gegen die oben angeführten Bescheide in vollem Umfang.

Mit dem am 14.12.2020 beim BFA, Regionaldirektion Salzburg – Außenstelle Salzburg eingebrachten und mit demselben Tag datierten Schriftsatz erhob der BF3 durch seinen zu diesem Zeitpunkt bevollmächtigten Rechtsvertreter (Verein Menschenrechte Österreich) Beschwerde gegen den oben angeführten Bescheid in vollem Umfang.

Die gegenständlichen Beschwerden und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) am 22.11.2019 – in Bezug auf die BF1 und den BF2 sowie am 04.01.2021 – in Bezug auf den BF3 – vom BFA vorgelegt.

Das BVwG führte in den die BF1 und den BF2 betreffenden Verfahren am 15.07.2020 in der Außenstelle Graz eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der die BF1 im Beisein eines bevollmächtigten Rechtsvertreters teilnahm. Das BVwG führte am 17.03.2021 in der Außenstelle Graz – nach Verbindung der gegenständlichen Beschwerden gemäß § 39 Abs. 2 AVG iVm. § 17 VwGVG zur gemeinsamen Verhandlung – eine weitere öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der die beschwerdeführenden Parteien im Beisein ihres bevollmächtigten Rechtsvertreters teilnahmen. Ein Vertreter der belangten Behörde ist nicht erschienen. Nach Schluss der Verhandlung wurde das gegenständliche Erkenntnis mündlich verkündet.

Mit dem am 18.03.2021 eingebrachten und mit 17.03.2021 datierten Schriftsatz beantragten die beschwerdeführenden Parteien durch ihren bevollmächtigten Rechtsvertreter die schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat – über die gemäß § 39 Abs. 2 AVG iVm. § 17 VwGVG zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Beschwerden – erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die beschwerdeführenden Parteien führen die im Spruch angeführte Identität (Namen und Geburtsdatum) und sind alle Staatsangehörige der Republik Kolumbien.

Die BF1 und der BF3 führen eine sogenannte „unión libre“ (Lebensgemeinschaft), sind aber nicht miteinander verheiratet. Sie sind leibliche Eltern des minderjährigen BF2.

Die BF1 und der minderjährige BF2 verließen Kolumbien gemeinsam am 06.06.2019 unter Verwendung gültiger Reisepässe auf dem Luftweg von Bogotá via Frankfurt am Main nach München (Deutschland) und reisten von dort mit dem Bus am 08.06.2019 in das österreichische Bundesgebiet ein. Die BF1 stellte für sich und den minderjährigen BF2 am 11.06.2019 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz. Für den minderjährigen BF2 wurden keine eigenen Fluchtgründe, sondern jene der BF1 im Familienverfahren geltend gemacht.

Die BF1 hielt sich bereits zuvor alleine von Mitte Oktober 2018 bis Jänner 2019 – eigenen Angaben zufolge zu Urlaubszwecken – in Österreich auf.

Der BF3 verließ Kolumbien am 26.01.2020 unter Verwendung eines am 21.02.2018 ausgestellten und bis 21.02.2028 gültigen kolumbianischen Reisepasses und reiste auf dem Luftweg von Bogotá über Amsterdam (Niederlande) am 27.01.2020 am Flughafen Wien-Schwechat in das Bundesgebiet ein. Der BF3 stellte am 11.02.2020 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Die beschwerdeführenden Parteien halten sich seit dem Zeitpunkt ihrer jeweiligen Einreise durchgehend in Österreich auf und wohnen derzeit gemeinsam in einer Asylwerberunterkunft des Landes XXXX .

Die BF1 besuchte in Kolumbien fünf Jahre lang die Grundschule, sechs Jahre eine Mittelschule und schloss ihre Ausbildung mit einer Reifeprüfung ab. Nach der Reifeprüfung besuchte sie verschiedene Kurse. Die BF1 arbeitete in Kolumbien im Bereich Privatversicherungen, in einem Unternehmen für Innenausstattung, in einem pharmazeutischen Labor und als Beraterin an der Universität. Die BF1 war eigenen Angaben zufolge seit ca. Juni 2018 nicht mehr berufstätig, da eine Fremdbetreuung des BF2 aufgrund seiner Erkrankung und seines aggressiven Verhaltens nicht mehr möglich gewesen sei.

Die BF1 wurde in Kolumbien von der Regierung als interne Binnenvertriebene anerkannt.

Nach Abschluss der Schullaufbahn, die er mit einer Reifeprüfung abschloss, arbeitete der BF3 seit Juli 2007 als Chefkoch in einem Restaurant in Bogotá und verdiente seiner eigenen Einschätzung nach für kolumbianische Verhältnisse sehr gut. Im Dezember 2019 gab er diesen Job auf, um der BF1 und dem BF2 nach Österreich zu folgen.

Der BF3 verfügt in XXXX einem Vorort von Bogotá, über eine etwa 54 m2 große Wohnung, in der er und seine Familie vor der Ausreise aus Kolumbien wohnten; derzeit leben dort die Eltern des BF3. Er verfügt zudem über ein Vermögen von ca. 9 Millionen kolumbianische Pesos auf einem Konto in Kolumbien.

Der minderjährige BF2 leidet an frühkindlichem Autismus. Diese Erkrankung wurde bereits in Kolumbien im Alter von etwa siebeneinhalb Jahren durch einen Kinderarzt diagnostiziert und wurde dort durch Therapien für die Sprachentwicklung bei Logopäden und Psychologen sowie durch eine Beschäftigungstherapie behandelt. Diese Therapien wurden teilweise privat bezahlt, da man – eigenen Angaben der BF1 zufolge – auf ärztliche Termine und Therapien von staatlichen Institutionen sehr lange warten müsste. Zusätzlich wurden in Österreich im Zuge einer Untersuchung des BF2, neben frühkindlichem Autismus (niedrig-mittelfunktional), eine schwere Intelligenzminderung, Gynäkomastie und kindlicher Plattfuß diagnostiziert.

Im Herkunftsstaat Kolumbien ist eine medizinische und therapeutische Behandlung dieser Erkrankungen sowohl durch öffentliche als auch durch private (kostenpflichtige) Einrichtungen möglich und für die beschwerdeführenden Parteien auch zugänglich.

Der BF2 besuchte in Bogotá eine betreute Klasse für Kinder mit Behinderung. In Österreich besucht der BF2 seit dem Schuljahr 2019/20 eine Allgemeine Sonderschule.

Die BF1 und der BF3 sind gesund und arbeitsfähig. Der private und familiäre Lebensmittelpunkt der beschwerdeführenden Parteien befand sich bis zu ihrer letztmaligen Ausreise in Kolumbien. Die beschwerdeführenden Parteien verfügen derzeit in Österreich – abgesehen von sich selbst – über keine familiären und keine berücksichtigungswürdigen privaten Bindungen. In Österreich leben ein Cousin und zwei Cousinen des BF3, die mittlerweile österreichische Staatsbürger sind. Ein weiterer Cousin des BF3, der österreichischer und kolumbianischer Doppelstaatsbürger ist, lebt seit Juli 2020 wieder in Kolumbien. Eine Freundin der BF1, die im selben Heimatdorf aufgewachsen ist, lebt seit 20 Jahren in Österreich und besitzt die österreichische Staatsbürgerschaft. Es bestehen hingegen noch weitreichende familiäre Anknüpfungspunkte in Kolumbien: Die Eltern, eine Schwester und zwei Brüder des BF3 leben in Bogotá. Der BF3 hat ab und zu telefonisch und über Messenger-Dienste Kontakt zu seiner in Kolumbien lebenden Mutter. Auch die Eltern und drei Schwestern der BF1 leben in Kolumbien, zu denen sie derzeit auch regelmäßigen Kontakt (über Messenger-Dienste) pflegt hat.

Konkrete Anhaltspunkte für die Annahme einer umfassenden Integration der beschwerdeführenden Parteien in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht liegen nicht vor. Die BF1 besuchte in Österreich bereits einen A1-Deutschkurs und hat im Juli 2020 einen A2-Kurs angefangen. Der BF3 besuchte von Juli bis September 2020 einen Deutschkurs, den er wegen der Covid-19-Beschränkungen nicht mehr fortsetzen konnte. Ein Deutsch-Integrationskurs oder eine Deutsch-Sprachprüfung wurden jedoch weder von der BF1 noch vom BF3 abgelegt. Die BF1 und der BF3 sind in Österreich ohne Beschäftigung und lebten bislang ausschließlich von Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung. Sowohl die BF1 als auch der BF3 sind in Österreich strafrechtlich unbescholten.

Der BF3 verfügt über ein Einstellungsangebot für eine Saisonarbeitsstelle als Küchenmitarbeiter in einem Schutzhaus in der XXXX für die Saison 2021 (April 2021 bis Oktober 2021), für die er in Teilzeit oder Vollzeit angestellt werden könnte.

Hinsichtlich des Risikos einer Ansteckung mit dem Corona-Virus (SARS-CoV-2) liegen keine Anhaltspunkte vor, wonach auch unter Berücksichtigung des Gesundheitszustandes des BF2 bei einer Rückkehr nach Kolumbien und einem dortigen Aufenthalt dieses Risiko maßgeblich höher als in Österreich wäre. Zudem wird festgestellt, dass den beschwerdeführenden Parteien die Einhaltung der in Österreich geltenden und auch weltweit zur Anwendung gelangenden Präventivmaßnahmen zur Eindämmung von COVID-19 (insbesondere Einhaltung von Hygieneregeln wie regelmäßiges Händewachsen, Abstandhalten, Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes, Reduzierung sozialer Kontakte) zugemutet werden kann.

1.2. Die BF1 und der BF3 konnten eine ihnen aktuell drohende Verfolgungsgefahr oder sonstige im Herkunftsstaat Kolumbien drohende Gefährdung aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) abschließend dargelegten Gründen nicht glaubhaft machen, weshalb das Vorbringen der BF1 und des BF3 vor der belangten Behörde und in der Beschwerde zur behaupteten Verfolgungsgefahr im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat Kolumbien, wonach die BF1 – auf das Wesentliche zusammengefasst – von unbekannten Personen aufgrund der von ihr angestellten Nachforschungen zur Ermordung ihres Bruders im Jahr 2006 telefonisch und persönlich bedroht worden sei, dieser Entscheidung nicht als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt wird. Der BF3 brachte eine gegen ihn gerichtete Bedrohung oder Verfolgung nicht vor. Seine Ausreise erfolgte einzig zu dem Zweck, um bei seiner Familie (der BF1 und dem BF2) in Österreich sein zu können.

Andere Gründe für die Annahme einer den beschwerdeführenden Parteien im Herkunftsstaat drohenden Verfolgungsgefahr liegen nicht vor und wurden auch nicht vorgebracht.

Die beschwerdeführenden Parteien hatten mit den Behörden ihres Herkunftsstaates weder auf Grund ihrer politischen Gesinnung, ihres Religionsbekenntnisses oder ihrer Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe noch sonst irgendwelche Probleme.

Grund für die Ausreise der beschwerdeführenden Parteien aus dem Herkunftsstaat waren persönliche Gründe und die dortigen Lebensbedingungen sowie die Suche nach besseren Lebensbedingungen im Ausland, insbesondere eine aus ihrer Sicht bessere medizinische Versorgung und Behandelbarkeit der oben angeführten Erkrankungen des BF2 in Österreich.

Anhaltspunkte dahingehend, dass sonstige Gründe bestehen würden, die einer Rückkehr oder Rückführung (Abschiebung) der beschwerdeführenden Parteien in den Herkunftsstaat Kolumbien allenfalls entgegenstünden, liegen nicht vor.

1.3. Maßgebliche Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat KOLUMBIEN:

Auszug aus dem „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Kolumbien“ vom 01.09.2020:

„1. Politische Lage

Die Republik Kolumbien ist eine Präsidialdemokratie, in der der Präsident zugleich Staatsoberhaupt, Regierungschef und Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist. Er wird direkt gewählt; seine Amtszeit beträgt vier Jahre. Er kann einmal wiedergewählt werden. Der Präsident ernennt und entlässt das Kabinett. Der aktuelle Präsident ist Iván Duque Márquez. Die beiden Kammern des Kongresses werden ebenfalls für vier Jahre und die Mitglieder des Senats werden über landesweite Listen gewählt (AA 9.3.2020a; vgl. LP 3.2020a).

Kolumbien ist eine konstitutionelle Mehrparteienrepublik. Im Jahr 2018 fanden Präsidentschafts- und Parlamentswahlen statt. Im Juni 2018 wählten die Wähler Ivan Duque Marquez in einem zweiten Wahlgang zum Präsidenten, der von Beobachtern als frei und fair und als der friedlichste seit Jahrzehnten angesehen wurde (USDOS 11.3.2020).

Am 27. Oktober 2019 fanden die Wahlen zu insgesamt 22.000 lokalen und regionalen Wahlämtern statt. 32 Gouverneure und 1.101 Bürgermeister sowie zahlreiche Stadträte und Mitglieder von Regionalversammlungen werden ihre Ämter am 1. Januar 2020 antreten. Nachdem die Wahlen 2018 als die friedlichsten in der jüngsten Geschichte Kolumbiens bezeichnet wurden - vor allem wegen der Demobilisierung der FARC nach dem Friedensabkommen - wurden 2019 die von der ehemaligen Guerilla verlassenen Gebiete von anderen bewaffneten Gruppen und illegalen Akteuren besetzt. Im Wahlkampf wurden so viele Gewalttaten begangen, dass die diesjährigen Wahlen als die gewalttätigsten der jüngsten Geschichte des Landes gelten können (KAS 10.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (9.3.2020a): Kolumbien, Steckbrief, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/kolumbien-node/kolumbien/201514, Zugriff 11.8.2020

- KAS - Konrad-Adenauer-Stiftung (10.2019): Regionalwahlen Kolumbien 2019: Die Stunde der Regionen, https://www.ecoi.net/en/file/local/2025997/Regionalwahlen+Kolumbien+2019.+Die+Stunde+der+Regionen.pdf, Zugriff 14.8.2020

- LP - LiPortal, Das Länderinformationsportal (3.2020): Kolumbien, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/kolumbien/geschichte-staat/#c6086, Zugriff 11.8.2020

- USDOS - US Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Colombia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026353.html, Zugriff 14.8.2020

2. Sicherheitslage

Die Sicherheitslage in Kolumbien hat sich in den letzten Jahren erheblich verbessert. Der Friedensprozess mit der FARC wird trotz diverser Schwierigkeiten fortgesetzt. Guerillareste (ELN, EPL), FARC-Dissidenten sowie Gruppen aus dem Bereich der organisierten Kriminalität verüben weiter Gewalttaten und liefern sich Bandenkriege im Kampf um die Vorherrschaft in den Drogengebieten. Terroristische Anschläge auf touristische Ziele sind mit Ausnahme eines Anschlags in einem Einkaufszentrum in Bogotá im Juni 2017 in den letzten Jahren nicht vorgekommen. Demonstrationen, Protestaktionen und Streiks können insbesondere in großen Städten in Kolumbien jederzeit stattfinden. Verkehrsbehinderungen und Straßenblockaden, auch vor Grenzübergängen wie nach Ecuador und Venezuela, sowie gewalttätige Ausschreitungen können dabei nicht ausgeschlossen werden (AA 14.8.2020c).

Zur Verhinderung einer Ausbreitung des Virus haben bewaffnete Gruppen in mehreren Teilen des Landes Ausgangssperren und andere Maßnahmen verhängt. Um ihre Regeln durchzusetzen, werden Personen, von denen angenommen wird, dass sie diese nicht einhalten, bedroht und angegriffen. Dem Quartalsbericht des UN-Generalsekretärs über die Lage in Kolumbien ist zu entnehmen, dass illegale bewaffnete Gruppen und kriminelle Organisationen die Pandemie ausnutzen, um ihre territoriale Kontrolle auszuweiten und Verbrechen gegen Teile der Bevölkerung zu intensivieren. Besonders stark betroffen sind demnach die Departamentos Antioquía, Cauca, Chocó, Meta, Nariño und Putumayo (BAMF BN 27.7.2020).

Die durch die Strategien des ehemaligen Präsidenten Uribe [Präsident 2002 - 2010; Anm.] geschaffene Asymmetrie der militärischen Macht ermöglichte es Santos [Präsident 2010 - 2018; Anm.], den Dialog mit der Guerilla aufzunehmen. Die Position des derzeitigen Präsidenten Ivan Duque zu Friedensverhandlungen hat die offizielle Position erneut verschoben und das Wiederaufleben früherer, meist militärischer Methoden im Umgang mit illegalen bewaffneten Gruppen wie der ELN, gefördert. Diese Wende, ergänzt durch das Zögern der Regierung hinsichtlich der vollständigen Umsetzung des Friedensabkommens mit den FARC, hat erhebliche Zweifel an der Kontinuität der staatlichen Politik im Hinblick auf die Sicherheitslage des Landes ausgelöst (BTI 29.4.2020).

Seit dem Friedensabkommen der Regierung mit der Rebellenorganisation Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia (FARC) von 2016 rivalisieren Dissidenten der FARC, die Rebellengruppe Ejército de Liberación Nacional (ELN) und Paramilitärs der Autodefensas Gaitanistas de Colombia (AGC) um die Kontrolle der Region (BAMF BN 17.8.2020).

Kolumbien ist noch immer von einem mehr als 50 Jahre währenden Konflikt geprägt, der über 200.000 Tote gefordert und rund 6,8 Millionen Kolumbianerinnen und Kolumbianer zu Binnenflüchtlingen gemacht hat. Zunehmende Bedrohung geht heute von neuen kriminellen Banden aus, die sich zum Teil aus früheren Paramilitärs rekrutieren. Hinzu kommen ELN und Dissidenten der FARC, die sich dem Demobilisierungsprozess nicht angeschlossen haben. Diese Gruppen finanzieren sich größtenteils durch Drogengeschäfte. Insgesamt ist das Gewaltniveau im Land zwar stark gesunken. Ein aktuelles Problem stellen aber Morde an Personen dar, die sich in den von Organisierter Kriminalität beherrschten Gebieten für soziale Belange oder Schutz der Menschenrechte einsetzen (AA 9.3.2020b).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (9.3.2020b): Kolumbien, Politisches Porträt, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/kolumbien-node/kolumbien/201514, Zugriff 14.8.2020

- AA - Auswärtiges Amt (14.8.2020c): Kolumbien, Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/kolumbien-node/kolumbiensicherheit/201516, Zugriff 14.2020

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (27.7.2020): BN - Briefing Notes 27. Juli 2020, https://www.ecoi.net/en/file/local/2034697/briefingnotes-kw31-2020.pdf, Zugriff 14.8.2020

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (17.8.2020): BN - Briefing Notes 17. August 2020, per E-Mail 17.8.2020

- BTI - Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report Colombia,
https://www.ecoi.net/en/file/local/2029459/country_report_2020_COL.pdf, Zugriff 17.8.2020

3. Rechtsschutz/Justizwesen

Die kolumbianische Justiz ist unabhängig. Diese Unabhängigkeit wird von der Regierung grundsätzlich respektiert (USDOS 11.3.2020; vgl. FH 4.3.2020). Das Justizsystem gilt jedoch als überlastet und ineffizient. Probleme sind unter anderem Bestechung, Erpressung, Korruption und Einschüchterung von Richtern, Staatsanwälten und Zeugen (USDOS 11.3.2020).

Im Falle einer Verhaftung oder Anklage ist der allgemeine Rechtsschutz mit seinen rechtsstaatlichen Bestimmungen wie Vorführung vor einen Richter innerhalb einer bestimmten Zeit, Recht auf eine öffentliche Anhörung und Verteidigung, Recht auf Berufung, Recht auf Verweigerung der Aussage etc. gewährleistet. Eine Kaution ist außer bei schweren Straftaten, wie Mord, Rebellion oder Drogenhandel, allgemein möglich. Die Behörden respektieren diese Rechte im Allgemeinen (USDOS 11.3.2020).

Lang andauernde Gerichtsverfahren und eine hohe Quote an Nicht-Verurteilungen bedingen das schlechte Ansehen der Justiz im Land (LP 3.2020).

Das Militärjustizsystem funktioniert sowohl unter dem alten inquisitorischen als auch unter einem neueren Anklagejustizsystem, das erst 2020 vollständig umgesetzt werden sollte. Der Übergang zum neuen System geht nur langsam voran, und das Militär hatte noch keine interinstitutionelle Strategie für die Rekrutierung, Einstellung oder Ausbildung von Ermittlern, Tatorttechnikern oder forensischen Spezialisten entwickelt, die im Rahmen des Anklageverfahrens erforderlich ist. Als solches übt die Militärjustiz keine kriminalpolizeiliche Untersuchungsbefugnis aus; alle neuen kriminalpolizeilichen Untersuchungsaufgaben werden von gerichtspolizeilichen Ermittlern der CNP [Colombian National Police; Anm.] und dem Korps der Kriminaltechniker des Generalstaatsanwalts durchgeführt (USDOS 11.3.2020).


Quellen:

- FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - Colombia,
https://www.ecoi.net/de/dokument/2030849.html, Zugriff 11.8.2020

- LP - LiPortal, Das Länderinformationsportal (3.2020): Kolumbien, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/kolumbien/geschichte-staat/#c6086, Zugriff 11.8.2020

- USDOS - US Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Colombia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026353.html, Zugriff 14.8.2020

4. Sicherheitsbehörden

Die kolumbianische Polizei beschäftigt etwa 136.000 Beamte und untersteht dem Verteidigungsministerium. Der Präsident des Landes übt durch die Ernennung des Polizeidirektors ebenfalls erheblichen Einfluss auf die Polizei aus. Die Struktur der Polizei umfasst verschiedene Einheiten für die Regionen, die Städte und die einzelnen Bundesstaaten. Diese umfassen die Kriminalpolizei, den Geheimdienst, die Verkehrspolizei, verschiedene Eliteeinheiten sowie bestimmte Einheiten zur Wahrung öffentlicher Sicherheit und Ordnung sowie zur Drogenbekämpfung. Neben diesen Einheiten existieren noch der Zolldienst und das administrative Sicherheitsdepartment (Inlandsgeheimdienst) (Departamento Administrativo de Seguridad: DAS). Der Geheimdienst ist direkt dem Präsidenten unterstellt und ihm gegenüber verantwortlich. Neben Informationsbeschaffung und Spionageabwehr übernimmt der Geheimdienst ebenfalls wichtige Aufgaben bei der Strafverfolgung (BICC 7.2020).

Wie auch teilweise der Geheimdienst, ist die kolumbianische Polizei Korruptionsvorwürfen und Anschuldigungen ausgesetzt, Menschenrechtsverletzung begangen zu haben. Seit diese Vorwürfe insbesondere Ende der 1990er Jahre ihren Höhepunkt fanden, wurden Anstrengungen unternommen, Strukturen krimineller Organisationen und korrupter Polizisten aufzubrechen. Insgesamt wurde ein Reformprozess angestoßen, der zu einer Verbesserung im Kampf gegen Korruption und Menschenrechtsverletzungen innerhalb der Polizei führte. Dies hat die Lage zwar verbessert, weiterhin gibt es jedoch Berichte über außergerichtliche Tötungen, Amtsmissbrauch, Säuberungen (mit Todesfolge), Folter, Gewalt sowie die Erniedrigung von Gefangenen (BICC 7.2020).

Die Polizei ist professioneller als in den meisten Nachbarländern, verfügt aber nicht über die notwendigen Ressourcen. Sie wird manchmal beschuldigt, mit Kriminellen konspiriert zu haben und ist in vielen ländlichen Gebieten, in denen die gefährlichsten Gruppen aktiv sind, weitgehend abwesend (FH 4.3.2020).

Während das Militär einerseits ein stabiles politisches System garantiert, loyal ist und dadurch als Hauptstütze der Stabilität des Landes und der politischen und wirtschaftlichen Elite des Landes fungiert, ist es andererseits in die politische Gewalt involviert, die das Land weiterhin prägt. Dem Militär wird häufig vorgeworfen, das schlechteste Menschenrechtsverhalten in der Welt zu haben. Für viele Bewohner, insbesondere ländlichen Bevölkerungsgruppen, ist das Militär zum ständigen Bestandteil des Alltags geworden und hat dadurch bei diesen ein hohes Ansehen (BICC 7.2020).

Quellen:

- BICC - Bonn International Center for Conversion (7.2020): Länderbericht Kolumbien, http://ruestungsexport.info/user/pages/04.laenderberichte/kolumbien/2020_Kolumbien.pdf, Zugriff 5.8.2020

- FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - Colombia,
https://www.ecoi.net/de/dokument/2030849.html, Zugriff 11.8.2020

5. Folter und unmenschliche Behandlung

Obwohl das Gesetz solche Praktiken verbietet, gibt es Berichte, dass Polizei, Militär und Gefängniswärter manchmal misshandeln oder foltern. Die Fälle, in denen Polizei oder Militär der Folter beschuldigt werden, werden vor einem Zivilgericht und nicht vor einem Militärgericht behandelt. Berichten zufolge waren die Sicherheitskräfte bis Oktober 2019 an neun Fällen von Folter beteiligt. Zwischen Januar und September 2019 hat die Generalstaatsanwaltschaft keine Angehörigen des Militärs oder der Polizei der Folter beschuldigt. Banden des organisierten Verbrechens und illegale bewaffnete Gruppen waren bis Oktober 2019 für vier dokumentierte Fälle von Folter verantwortlich gemacht worden. Nach Angaben von NGOs, die die Haftbedingungen in den Gefängnissen überwachen, gab es 2019 zahlreiche Anschuldigungen wegen sexueller und physischer Gewalt durch Wachen und andere Insassen (USDOS 11.3.2020).

Es wurde ein Reformprozess angestoßen, der zu einer Verbesserung im Kampf gegen Korruption und Menschenrechtsverletzungen innerhalb der Polizei führte. Dies hat die Lage zwar verbessert, weiterhin gibt es jedoch Berichte über außergerichtliche Tötungen, Amtsmissbrauch, Säuberungen (mit Todesfolge), Folter, Gewalt sowie die Erniedrigung von Gefangenen (BICC 7.2020).

Quellen:

- BICC - Bonn International Center for Conversion (7.2020): Länderbericht Kolumbien, http://ruestungsexport.info/user/pages/04.laenderberichte/kolumbien/2020_Kolumbien.pdf, Zugriff 5.8.2020

- USDOS - US Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Colombia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026353.html, Zugriff 14.8.2020

6. Korruption

Im aktuellen Transparency International Corruption Perceptions Index 2019 rangiert Kolumbien unter 180 Ländern und Territorien an 96. Stelle mit einer Punkteanzahl von 37 von bestmöglichen 100 (TI 2019).

Amtliche Korruption ist per Gesetz verboten, was von der Regierung grundsätzlich auch durchgesetzt wird. Manchmal werden korrupte Beamte jedoch nicht bestraft. Einnahmen aus dem organisierten Verbrechen verstärken die Korruption. Bis September 2019 registrierte die Generalstaatsanwaltschaft 31.239 Korruptionsvorwürfe und hatte formell mit der Untersuchung von 4.014 Fällen begonnen (USDOS 11.3.2020).

Korruption findet auf mehreren Ebenen der öffentlichen Verwaltung statt. Die Überwachung von Regionalpolitikern durch den nationalen Generalstaatsanwalt und den Generalinspektor hat zugenommen, und mehrere Beamte, insbesondere Regionalpolitiker, wurden im Laufe des Jahres suspendiert oder waren mit Korruptions- oder anderen Anklagepunkten konfrontiert (FH 4.3.2020).

Quellen:

- FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - Colombia,
https://www.ecoi.net/de/dokument/2030849.html, Zugriff 11.8.2020

- TI - Transparency International (2019): Corruption Perceptions Index 2019, Country data Colombien, https://www.transparency.org/en/countries/colombia, Zugriff 18.8.2020

- USDOS - US Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Colombia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026353.html, Zugriff 14.8.2020

(…)

8. Allgemeine Menschenrechtslage

Zu den größten Menschenrechtsproblemen Kolumbiens gehören unter anderem extralegale Tötungen, Korruption, Berichten zufolge auch Folter und willkürliche Festnahmen, Vergewaltigung und Missbrauch von Frauen und Kindern durch illegale bewaffnete Gruppierungen, sowie Gewalt gegen und Vertreibung von indigenen und afro-kolumbianischen Gemeinschaften. Besonders illegale bewaffnete Gruppierungen begehen Menschenrechtsverbrechen wie u.a. politische Morde, Erpressung, Entführungen, Menschenhandel, Einsatz von Bomben und Landminen, Einschränkung der Bewegungsfreiheit, Zwangsrekrutierung und Rekrutierung von Kindern, sowie Einschüchterung von Journalisten, Frauen und Menschenrechtsverteidigern. Die Regierung untersuchte diese Menschenrechtsverbrechen, auch solche, die von Staatsbediensteten begangen wurden (USDOS 11.3.2020).

Eine Welle tödlicher Angriffe gegen Menschenrechtsverteidiger und andere soziale Aktivisten hielt das ganze Jahr 2019 über an. Zahlreiche Aktivisten wurden ermordet und die Täter dieser Verbrechen genossen im Allgemeinen Straffreiheit. Obwohl die Regierung Duque ihren Respekt für zivilgesellschaftliche Gruppen bekräftigt und im August 2018 ein Abkommen unterzeichnet hat, das die Regierung zur Entwicklung einer wirksameren Schutzpolitik verpflichtet, gehen die Verstöße gegen hochrangige Menschenrechtsaktivisten weiter. Laut Angaben der lokalen und internationalen Menschenrechtsgruppen wurden in Kolumbien zwischen Januar und Juni 2019 59 Menschenrechtsverteidiger getötet. Gegenüber den 77 Todesfällen im selben Zeitraum des Vorjahres bedeutet dies zwar einen Rückgang, aber die Drohungen gegen Aktivisten stiegen um 75% an (FH 4.3.2020).

Obwohl Kolumbien allen wichtigen Menschenrechtsabkommen beigetreten ist, ist die Menschenrechtssituation im Land weiterhin schlecht. Grundlegende Menschenrechte sind durch Einschränkungen seitens der Politik in Gefahr. Ebenso werden den staatlichen Sicherheitskräften immer wieder Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. Problematisch ist der Umgang der Regierung mit politischen Gefangen von denen es derzeit über 7.000 gibt (hinzukommen noch mehr als 60.000 Inhaftierte). Ihnen wird der Status eines politischen Gefangenen seitens der Regierung verweigert, was die Arbeit von Menschenrechtsgruppen erschwert. Die kolumbianische Regierung steht vor der Herausforderung die Menschenrechtsverletzungen in den Griff zu bekommen und die Sicherheitskräfte für ihre Taten zur Verantwortung zu ziehen. Die Gratwanderung zwischen militärischer Sicherheit und Einhaltung der Menschenrechte stellt die kolumbianische Regierung weiterhin auf die Probe (BICC 7.2020).

Quellen:

- BICC - Bonn International Center for Conversion (7.2020): Länderbericht Kolumbien, http://ruestungsexport.info/user/pages/04.laenderberichte/kolumbien/2020_Kolumbien.pdf, Zugriff 5.8.2020

- FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - Colombia,
https://www.ecoi.net/de/dokument/2030849.html, Zugriff 11.8.2020

- USDOS - US Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Colombia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026353.html, Zugriff 14.8.2020

(…)

14. Relevante Bevölkerungsgruppen

14.1. Frauen/Kinder

Frauen genießen die gleichen politischen Rechte und mindestens 30% der Kandidaten auf Parteilisten müssen Frauen sein. Etwa 20% der Sitze in den einzelnen Kongresskammern sind derzeit von Frauen besetzt. Frauen sind am Arbeitsplatz mit Diskriminierung und sexueller Belästigung sowie mit geschlechtsspezifischer Gewalt konfrontiert (FH 4.3.2020).

Sexuelle Belästigung bleibt ein Problem und wird oft nicht gemeldet. Vergewaltigungen, auch in der Ehe, sind ein ernstes Problem. Per Gesetz sind Haftstrafen von acht bis 30 Jahren vorgesehen. Täter bleiben jedoch meist straffrei. Von Januar bis August 2019 leitete die Generalstaatsanwaltschaft 26.968 neue Ermittlungen wegen Sexualverbrechen ein, gegenüber 28.942 im Jahr 2018. Das Gesetz verpflichtet die Regierung, Opfern häuslicher Gewalt sofortigen Schutz vor weiterem physischen oder psychischen Missbrauch zu gewähren. Das Gesetz verbietet FGM/C (Female Genital Mutilation/Cutting; Anm.), doch wurden vereinzelte Fälle in mehreren indigenen Gemeinden in verschiedenen Teilen des Landes gemeldet. Dem UN-Bevölkerungsfonds zufolge hatten sich zwei Drittel der Frauen aus der Embera-Gemeinschaft einer FGM/C unterzogen (USDOS 11.3.2020).

Kinderarbeit, die Rekrutierung von Kindern durch illegale bewaffnete Gruppen und der damit verbundene sexuelle Missbrauch sind ernsthafte Probleme in Kolumbien; die Rekrutierung ist seit dem Friedensabkommen zwar zurückgegangen, aber nicht beendet worden (FH 4.3.2020).

Kindesmissbrauch ist ein ernstes Problem. Das kolumbianische Institut für Familienfürsorge (ICBF) berichtete, dass es zwischen Januar und 31. Juli 2019 6.150 Fälle von sexuellem Missbrauch an Kindern gab. Die Eheschließung ist im Alter von 18 Jahren rechtlich vorgeschrieben. Jungen, die älter als 14 Jahre sind und Mädchen, die älter als 12 Jahre sind, dürfen mit Zustimmung ihrer Eltern heiraten (USDOS 11.3.2020).

Das Gesetz verbietet die sexuelle Ausbeutung von Minderjährigen oder die Beihilfe bei sexueller Ausbeutung von Minderjährigen und sieht eine Strafe von 14 bis 25 Jahren Gefängnis vor, mit verschärften Strafen für Täter, die Familienmitglieder des Opfers sind, und für Fälle von Sextourismus, Zwangsheirat oder sexueller Ausbeutung durch illegale bewaffnete Gruppen. Jedoch bleibt sexuelle Ausbeutung von Kindern ein Problem. Das Gesetz verbietet Pornografie mit Kindern unter 18 Jahren und sieht eine Strafe von 10 bis 20 Jahren Gefängnis und eine Geldstrafe für Verstöße vor. Das Mindestalter für einvernehmlichen Geschlechtsverkehr liegt bei 14 Jahren. Die Strafe für sexuelle Handlungen mit einem Kind unter 14 Jahren beläuft sich zwischen neun und 13 Jahren Gefängnis. Die Regierung setzt das Gesetz im Allgemeinen durch (USDOS 11.3.2020).

Quellen:

- FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - Colombia,
https://www.ecoi.net/de/dokument/2030849.html, Zugriff 11.8.2020

- USDOS - US Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Colombia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026353.html, Zugriff 14.8.2020

(…)


15. Bewegungsfreiheit

Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Auswanderung und auch Rücksiedlung sind gesetzlich garantiert und werden auch von der Regierung im Allgemeinen respektiert. Militärische Aktionen und der bewaffnete Konflikt schränken jedoch in bestimmten ländlichen Gebieten das Recht auf Bewegungsfreiheit ein (USDOS 11.3.2020).

Die Bewegungsfreiheit hat sich im Zuge des Friedensprozesses erheblich verbessert, wird aber weiterhin durch die anhaltende Gewalt in bestimmten Regionen, insbesondere für gefährdete Minderheitengruppen, eingeschränkt. Die Reisefreiheit wird in einigen abgelegenen Gebieten durch illegale Kontrollpunkte, die von kriminellen und Guerillagruppen betrieben werden, weiter eingeschränkt (FH 4.3.2020).

Nach Angaben des UN-Büros für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten sahen sich zwischen Januar und August 2019 mehr als 342.000 Personen aufgrund bewaffneter Zwischenfälle und geografischer Besonderheiten Bewegungseinschränkungen ausgesetzt, die ihren Zugang zu wesentlichen Gütern und Dienstleistungen beeinträchtigen (USDOS 11.3.2020).

Quellen:

- FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - Colombia,
https://www.ecoi.net/de/dokument/2030849.html, Zugriff 11.8.2020

- USDOS - US Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Colombia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026353.html, Zugriff 14.8.2020

16. IDPs und Flüchtlinge

Die Zwangsvertreibungen aufgrund von Gewalt unter Guerillas, paramilitärischen Gruppen und kolumbianischen Sicherheitskräften sind nach wie vor weit verbreitet. Indigene und afro-kolumbianische Gemeinschaften sind überproportional betroffen. Das Risiko für Vertreibung bleibt auch nach dem Friedensabkommen von 2016 bestehen, da andere Rebellengruppen das von der FARC hinterlassene Vakuum füllen. Zwischen 1985 und September 2017 wurden fast 7,6 Millionen Menschen innerhalb Kolumbiens vertrieben, die höchste Zahl weltweit. Diese Schätzungen könnten die tatsächlichen Zahlen übersteigen, da viele Binnenvertriebene nicht registriert sind (CIA 4.8.2020).

Die Regierung arbeitet mit UNHCR und anderen humanitären Organisationen zusammen um Schutz und Unterstützung für Binnenflüchtlinge, Flüchtlinge, Asylsuchende und staatenlose Personen zur Verfügung zu stellen. Es gibt etwa 7,8 Millionen Binnenvertriebene (IDPs) im Land, was weitgehend auf den bewaffneten Konflikt zurückzuführen ist. Drogenhandel, illegaler Bergbau und groß angelegte unternehmerische Vorhaben in ländlichen Gebieten tragen ebenfalls zur Vertreibung bei. In vielen Gebieten verfügen die lokalen Institutionen nicht über die Kapazitäten, um die Rechte der Vertriebenen und der von Vertreibung bedrohten Gemeinschaften zu schützen und ihnen öffentliche Dienstleistungen zu bieten, so dass die Regierung Schwierigkeiten hat, den neu vertriebenen Bevölkerungsgruppen angemessenen Schutz oder humanitäre Hilfe zu gewähren. Viele Binnenvertriebene leben weiterhin in Armut unter unhygienischen Bedingungen und mit eingeschränktem Zugang zu Gesundheitsversorgung, Bildung, Unterkunft und Beschäftigung (USDOS 11.3.2020).

Binnenvertriebene in Kolumbien leben oft unter prekären Bedingungen in überfüllten Unterkünften, mit beschränktem Zugang zu Wasser und Nahrung. Diese Familien, die vor der Gewalt in ihren Heimatregionen geflohen sind und oft mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen haben, sind zudem einem weiteren Risiko durch Covid-19 ausgesetzt (HRW 11.5.2020).

Die derzeitige politische, soziale und wirtschaftliche Krise, in der sich Venezuela befindet, hat zu einer Abwanderung von Menschen nach Kolumbien geführt: Kolumbien hat bereits über 800.000 Menschen aufgenommen. Bis zu 3.000 Venezolaner passierten die Grenze täglich (LP 3.2020).

Quellen:

- CIA - Central Intelligence Service (4.8.2020): The World Factbook, South America: Colombia, Military and Security, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/co.html, Zugriff 18.8.2020

- HRW - Human Rights Watch (11.5.2020): Colombia Should Protect Displaced People During Covid-19, https://www.ecoi.net/de/dokument/2029691.html, Zugriff 18.8.2020

- LP - LiPortal, Das Länderinformationsportal (3.2020): Kolumbien, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/kolumbien/geschichte-staat/#c6086, Zugriff 11.8.2020

- USDOS - US Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Colombia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026353.html, Zugriff 14.8.2020

17. Grundversorgung und Wirtschaft

Die Wirtschaft Kolumbiens erholt sich und für heuer rechnet man mit einem Wachstum in Höhe von 3,1% des BIP. Sowohl das Vertrauen der Konsumenten als auch der Geschäftswelt verbessert sich deutlich, trotz Volatilität der internationalen Finanz- und Rohstoffmärkte infolge schwieriger Umstände (WKO 3.4.2020).

Kolumbien ist stark von Energie- und Bergbauexporten abhängig, was es anfällig für Schwankungen der Rohstoffpreise macht. Kolumbien ist der viertgrößte Erdölproduzent Lateinamerikas und der viertgrößte Kohleproduzent der Welt, der drittgrößte Kaffeeexporteur und der zweitgrößte Exporteur von Schnittblumen. Die wirtschaftliche Entwicklung Kolumbiens wird durch unzureichende Infrastruktur, Armut, Drogenhandel und eine unsichere Sicherheitslage sowie durch die Abhängigkeit von Grundstoffen gebremst (CIA 4.8.2020).

Der Prozentanteil der Menschen, die in tiefer Armut leben, ist in ländlichen Gebieten dreimal höher als in städtischen Gebieten. Die fünf Departements mit dem höchsten Grad an multidimensionaler Armut sind Chocó, Guainía, La Guajira, Vaupés und Vichada, in denen die indigenen Völker und afrokolumbianischen Gemeinschaften am stärksten vertreten sind (HRC 8.5.2020).

Aufgrund einer massiven Abwertung des Pesos zum US-Dollar sank das Bruttosozialprodukt (in US-Dollar) 2015 und 2016. Trotzdem ist Kolumbien unter den großen lateinamerikanischen Volkswirtschaften das Land mit den historisch höchsten Wachstumsraten. Wachstumstreiber sind die Bauwirtschaft, der öffentliche Dienst sowie Immobilien und Finanzdienstleistungen. Kolumbien hat in den letzten Jahren einen deutlichen Rückgang der Armutsquote auf jetzt 28% (Weltbank) erreichen können. Gleichwohl bestehen erhebliche Ungleichgewichte in der Einkommens- und Vermögensverteilung fort. Wichtige Wirtschaftszweige sind Landwirtschaft und Industrie, Dienstleistungen und Tourismus, Öl- und Erdgasförderung sowie Bergbau (BICC 7.2020).

Quellen:

- BICC - Bonn International Center for Conversion (7.2020): Länderbericht Kolumbien, http://ruestungsexport.info/user/pages/04.laenderberichte/kolumbien/2020_Kolumbien.pdf, Zugriff 5.8.2020

- CIA - Central Intelligence Service (4.8.2020): The World Factbook, South America: Colombia, Military and Security, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/co.html, Zugriff 18.8.2020

- HRC - UN Human Rights Council (formerly UN Commission on Human Rights) (8.5.2020): Situation of human rights in Colombia; Report of the United Nations High Commissioner for Human Rights [A/HRC/43/3/Add.3], https://www.ecoi.net/en/file/local/2025857/A_HRC_43_3_Add.3_E.pdf, Zugriff 18.8.2020

- WKO - Wirtschaftskammer Österreich (3.4.2020): Die kolumbianische Wirtschaft,
https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/die-kolumbianische-wirtschaft.html, Zugriff 5.8.2020

18. Medizinische Versorgung

Das medizinische Versorgungsangebot ist in den größeren Städten in der Regel mit dem in Europa zu vergleichen (AA 14.8.2020c; vgl. EDA 28.8.2020). Es ist auf dem Lande jedoch vielfach technisch, apparativ und hygienisch problematisch (AA 14.8.2020c).

Öffentliche Krankenhäuser entsprechen nicht dem europäischen Standard. Die Privatkliniken - vor allem in den Großstädten - weisen internationalen Standard auf. Die Versorgung mit Medikamenten ist ausgezeichnet. Apotheken in den Städten sind in ausreichender Zahl vorhanden. Prekär ist die Lage in Kleinstädten und auf dem Land (BMEIA 28.8.2020).

Die medizinische Versorgungslage variiert gemäß des Stadt-Land-Gefälles. Neben den ländlichen Regionen sind auch die Küstengebiete benachteiligt. Bedingt durch Mangelernährung und schlechte Wohnverhältnisse sind Tuberkulose, Malaria, Ruhr und Typhus in den wenig medizinisch versorgten Gebieten weit verbreitet. Besonders die vertriebene Bevölkerung lebt in prekären hygienischen Verhältnissen mit häufig lebensbedrohlichen Risiken für die Gesundheit (LP 3.2020).

In einer gemeinsamen Erklärung haben die lokalen Vertretungen der UN in Brasilien, Kolumbien und Peru dringend zur internationalen Solidarität mit den indigenen Gemeinden im Amazonasgebiets aufgerufen. Vor dem Hintergrund der COVID-19-Pandemie fordern sie bessere Schutzkonzepte und mehr finanzielle Unterstützung. Bei indigenen Völkern in Staaten, die Anteil am Amazonasgebiet haben, liegen Infektions- und Sterberaten weit über dem jeweiligen nationalen Durchschnitt. Sich auf offizielle Angaben stützende Medienberichte zufolge haben sich von den schätzungsweise 170.000 isoliert lebenden Indigenen in der Region bis Ende Juli 2020 rund 28.000 Personen mit SARS-CoV-2 infiziert. Über 1.100 Personen seien an den Folgen der Virusinfektion verstorben. Neben den gesundheitlichen Risiken bringe die Krankheit auch harte sozioökonomische Konsequenzen mit sich. So sei u.a. die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln gefährdet und eine Vertiefung der Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern zu befürchten (BAMF BN 10.8.2020).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (14.8.2020c): Kolumbien, Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/kolumbien-node/kolumbiensicherheit/201516, Zugriff 14.2020

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (10.8.2020): BN - Briefing Notes 10. August 2020, https://www.ecoi.net/en/file/local/2035733/briefingnotes-kw33-2020.pdf, Zugriff 18.8.2020

- BMEIA - Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten (28.8.2020): Kolumbien, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/kolumbien/, Zugriff 28.8.2020

- EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (28.8.2020): Kolumbien, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/kolumbien/reisehinweise-fuerkolumbien.html; Zugriff 28.8.2020

- LP - LiPortal, Das Länderinformationsportal (3.2020): Kolumbien, Gesellschaft, https://www.liportal.de/kolumbien/gesellschaft/#c6084, Zugriff 18.8.2020


19. Rückkehr

Die Regierungen Kolumbiens und Ecuadors trafen sich während des Jahres 2019 weiterhin zu Gesprächen über die Lage der kolumbianischen Flüchtlinge und Asylsuchenden in Ecuador und die kolumbianische Regierung bot ein Programm zur Unterstützung von Kolumbianern im Ausland an, die nach Kolumbien zurückkehren. Darüber hinaus schätzte die Regierung, dass im August 2019 500.000 Kolumbianer, von denen viele durch den Konflikt in Kolumbien vertrieben und in Venezuela als Flüchtlinge registriert worden waren, aus Venezuela zurückgekehrt sind (USDOS 11.3.2020).

Das Committee on the Protection of the Rights of All Migrant Workers and Members of Their Families stellt fest, dass das Außenministerium mehrere Unterstützungsprogramme für Rückkehrer in verschiedenen Bereichen, unter anderem humanitäre Repatriierung, umfassende Opferunterstützung und Entschädigung, durchführt. Dennoch ist das Committee besorgt darüber, dass diese Programme bei der effektiven Wiedereingliederung rückkehrender Wanderarbeiter nur begrenzten Erfolg haben (CMW 27.1.2020).

Quellen:

- CMW - UN Committee on Migrant Workers (27.1.2020): Concluding observations on the third periodic report of Colombia [CMW/C/COL/CO/3], Zugriff 28.8.2020
https://www.ecoi.net/en/file/local/2026653/G2002039.pdf

- USDOS - US Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Colombia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026353.html, Zugriff 14.8.2020“

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und der vorliegenden Gerichtsakten des BVwG.

Die getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht in der mündlichen Verhandlung am 15.07.2020 und 17.03.2021 und auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt:

2.1. Die zur Identität und Staatsangehörigkeit sowie zu den persönlichen und familiären Verhältnissen und Lebensumständen der beschwerdeführenden Parteien im Herkunftsstaat und in Österreich getroffenen Feststellungen beruhen auf den diesbezüglich glaubhaften Angaben der BF1 und des BF3 vor der belangten Behörde, in der Beschwerde und in den vor dem BVwG durchgeführten mündlichen Verhandlungen. Die Identitäten der beschwerdeführenden Parteien wurden zudem durch die in Kopie in den Verwaltungsakten ersichtlichen kolumbianischen Reisepässen bestätigt, an deren Echtheit und Richtigkeit keine Zweifel entstanden sind.

Die Feststellungen zur Einreise und zum Aufenthalt der beschwerdeführenden Parteien in Österreich sowie zur Antragstellung auf internationalen Schutz beruhen auf den übereinstimmenden Angaben der BF1 und des BF3 vor der belangten Behörde und auf den diesbezüglichen Feststellungen in den angefochtenen Bescheiden, die weder in der Beschwerde noch in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG bestritten wurden. Die Angaben zu den jeweiligen Zeitpunkten der Ausreise aus Kolumbien und zur Einreise in Österreich entsprechen auch den in den Reisepässen ersichtlichen Grenzkontrollstempel-Eintragungen.

Die Feststellung, dass die BF1 von der kolumbianischen Regierung als interne Binnenvertriebene anerkannt wurde, beruht auf den glaubhaften Angaben der BF1 in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 15.07.2020, die durch die vorgelegte Bestätigung der „Abteilung für die Betreuung und vollständige Entschädigung der Opfer“ vom 10.05.2019 (Verwaltungsakt zur BF1, AS 49 und 195) belegt wird, an deren Echtheit und Richtigkeit keine Zweifel entstanden sind.

Die Feststellung zur Erkrankung des Autismus beim BF2 beruht auf den glaubhaften Angaben der BF1 und des BF3 vor der belangten Behörde und in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG, die durch die vorgelegte Bestätigung aus Kolumbien vom 25.04.2019 über das Vorliegen einer sog. „kognitiven Behinderung wegen Autismus in der Kindheit“ (Verwaltungsakt zur BF1, AS 141 und 209) belegt wird. Die Diagnosen betreffend das Vorliegen eines frühkindlichen Autismus, einer schweren Intelligenzminderung, von Gynäkomastie und eines kindlichen Plattfußes ergeben sich aus den stationären Arztbrief des XXXX vom 27.11.2019 (Gerichtsakt zur BF1, OZ 10).

Die Feststellung zur bereits in Kolumbien erfolgten Behandlung des BF2 wegen Autismus beruht auf der im Verfahren vor der belangten Behörde vorgelegten Bestätigung („Atención de consulta médica de otros profesionales“) vom 14.03.2019 (Verwaltungsakt zur BF1, AS 147), aus der hervorgeht, dass der BF2 in Kolumbien wegen seines Autismus medizinisch behandelt wurde. Hinsichtlich dieser Behandlungen führten die BF1 und der BF3 in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend als Probleme die hohen Kosten der Behandlung, die Dauer der Anreise zur Therpaie (eineinhalb Stunden) und die größeren Abstände zwischen den einzelnen Behandlungen ins Treffen.

Die Feststellung zur Behandelbarkeit dieser Erkrankungen des BF2 und zur Zugänglichkeit von Behandlungen in Kolumbien beruht auf den im Verfahren eingebrachten herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen. Im Hinblick auf die zur Lage des Gesundheitssystems in Kolumbien vorliegenden Informationsquellen ist festzuhalten, dass eine angemessene schulische Betreuung sowie medizinische und therapeutische Behandlung von Autismus und geistigen Behinderungen auch in Kolumbien jedenfalls verfügbar sind, und zwar sowohl in öffentlichen Gesundheitseinrichtungen als auch in privaten. Dass eine gezielt auf Autismus gerichtete schulische Betreuung bzw. medizinische oder therapeutische Behandlung in Kolumbien allenfalls nicht in jener Intensität oder Qualität sichergestellt sein sollte, wie dies etwa derzeit in Österreich der Fall sei, vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern, solange eben eine grundsätzliche Verfügbarkeit von Betreuungs- und Behandlungsmöglichkeiten gegeben ist und deren Inanspruchnahme, selbst wenn diese nicht kostenfrei sein sollte oder sogar vollständig ohne staatliche Unterstützung privat bezahlt werden müsste, den beschwerdeführenden Parteien auch zugemutet werden kann, was hier der Fall ist. Die BF1 gab sowohl vor der belangten Behörde als auch in der Verhandlung vor, dass eine schulische Betreuung bzw. therapeutische Behandlung in Kolumbien sehr wohl möglich gewesen wäre. Überdies gab die BF1 in der Einvernahme vor dem BFA am 04.09.2019 an, dass aufgrund einer im Jahr 2018 erfolgten Entscheidung alle Schulen einen integrativen Unterricht für alle Kinder mit Behinderung anbieten müssten, was es vorher nicht gegeben habe. Viele Eltern würden ihre Kinder aber nicht in die Schule bringen, weil Kinder mit Behinderung oft „gehänselt“ werden würden.

Die Feststellung zum Schulbesuch des BF2 in Österreich beruht auf den Angaben der BF1 in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG sowie auf der Schulnachricht einer Allgemeinen Sonderschule für das Schuljahr 2019/20 vom 07.02.2020 (Gerichtsakt zur BF1, OZ 10).

Die Feststellung zum Fehlen berücksichtigungswürdiger privater Bindungen und zum Nichtvorliegen von Anhaltspunkten für die Annahme einer umfassenden Integration in Österreich beruht auf den diesbezüglichen Feststellungen in den angefochtenen Bescheiden und darauf, dass auch in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG keine Umstände vorgebracht wurden, die eine andere Beurteilung zugelassen hätten.

Die Feststellungen zu den besuchten Deutschkursen der BF1 und des BF3 in Österreich beruhen auf den diesbezüglich glaubhaften Angaben der BF1 in der mündlichen Verhandlung am 15.07.2020 und des BF3 am 17.03.2021.

Die Feststellung zum Einstellungsangebot des BF3 für eine Saisonarbeitsstelle (Küchenmitarbeiter) beruht auf dem im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 17.03.2021 vorgelegten als Einstellungsangebot bezeichneten und vom Geschäftsführer des Unternehmens unterzeichneten Schriftstückes vom 14.03.2021.

Die oben getroffenen Feststellungen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie beruhen auf folgenden Erwägungen: Dem in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 17.03.2021 vorgebrachten Risiko einer Ansteckung mit COVID-19 und der höheren Sterblichkeit in Kolumbien ist entgegenzuhalten, dass auch Österreich, wo sich die beschwerdeführenden Parteien derzeit aufhalten, in einem solchen Ausmaß von diesem Virus betroffen ist, dass strenge Maßnahmen zur Eindämmung von COVID-19 für das gesamte Bundesgebiet gesetzlich erlassen wurden. Es wurde nicht schlüssig dargelegt, weshalb die Gefahr einer Ansteckung mit dem Corona-Virus (SARS-CoV-2) in Kolumbien höher sein sollte als in Österreich, zumal die derzeitige Situation rund um COVID-19 und die weltweite Ausbreitung nicht nur Kolumbien betrifft, sondern das Virus aktuell besonders auch in Europa und in Österreich aktiv ist. Durch Einhaltung der entsprechenden präventiven Schutz- und Hygienemaßnahmen, die gleichsam allgemein und weltweit Gültigkeit haben und deren Einhaltung auch den beschwerdeführenden Parteien – ebenso wie in Österreich – zugemutet werden kann, ist das Risiko einer Ansteckung der beschwerdeführenden Parteien mit COVID- 19 daher in Kolumbien nicht maßgeblich höher als in Österreich.

Außerdem ist festzuhalten, dass sowohl die BF1 als auch der BF2 bereits im Dezember 2020 positiv auf das Corona-Virus getestet wurden, und auch der BF3 in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 17.03.2021 angab, dass er davon ausgehe, ebenso bereits am Corona-Virus erkrankt zu sein, da auch er die typischen Symptome wie Geschmacksverlust und Fieber gehabt hätte, er aber erst später – und zu diesem Zeitpunkt negativ – getestet worden sei. Mittlerweile sind die beschwerdeführenden Parteien jedenfalls als genesen anzusehen.

2.2. Das Vorbringen der BF1 und des BF3 zu den Gründen für das Verlassen ihres gemeinsamen Herkunftsstaates und zu ihrer Situation im Fall einer Rückkehr nach Kolumbien (Fluchtgründe) beruht auf deren Angaben in der jeweiligen Erstbefragung vor einem Organ der Bundespolizei am 11.06.2019 (BF1) bzw. am 11.02.2020 (BF3) und in der jeweiligen Einvernahme vor dem BFA am 04.09.2019 (BF1) und am 05.06.2020 (BF3), auf den Ausführungen in der Beschwerde sowie im Besonderen auf deren Angaben in den mündlichen Verhandlungen am 15.07.2020 und 17.03.2021.

Die BF1 hat zu den Gründen für das Verlassen ihres Herkunftsstaates Kolumbien – auf das Wesentliche zusammengefasst – vorgebracht, dass sie aufgrund von gewalttätigen Aktivitäten einschließlich Tötungen durch eine Guerrilla-Gruppe in ihrer Heimatregion und später auch in jenem Ort, in den sie danach gezogen seien, vertrieben worden seien bzw. in einen anderen Ort ziehen hätten müssen; auch sei ihr Bruder im Jahr 2006 getötet worden. Er sei als sogenannter „falso positivo“ getötet worden. Das bedeute, dass Soldaten jemanden töten und diesem dann die Uniform der Guerrilla anziehen und eine Waffe an dessen Seite legen würden; dann würden sie ein Foto machen, damit sie für diesen getöteten Guerrillero Urlaub oder Geld bekommen. Am 05.12.2006 hätte die BF1 die Nachricht erhalten, dass ihr Bruder getötet worden sei. Auf die Frage in der Verhandlung, wer jetzt konkret für den Tod ihres Bruders verantwortlich gewesen sei, antwortete die BF1, dass sie nicht sagen könne, wer dafür verantwortlich sei. Im Sommer 2007 sei sie dann nach Bogotá gezogen. Auf Vorhalt, weshalb 14 Jahre nach dem Tod ihres Bruders eine Bedrohung gegen die BF1 bestehen sollte, erwiderte die BF1, dass ihre Familie und sie nie hinsichtlich des Todes ihres Bruders nachgefragt hätten. Erst als sie von ihrer ersten Reise nach Österreich wieder nach Kolumbien zurückgekommen sei, hätten sie auf Anraten eines Rechtsanwaltes Nachforschungen angestellt und ihr Recht auf Nachfrage bei den Behörden in Anspruch genommen. Danach hätte sie, aber auch ihre Mutter, im April oder Mai 2019 telefonische Drohungen erhalten, dass sie nicht weiterfragen solle. Auch sei im Mai 2019 ein Unfall passiert, wo sie am Rückweg von Bogotá auf dem Motorrad von einem weißen Auto verfolgt worden sei, das einen Unfall verursacht hätte, bei dem die BF1 auch schwer verletzt worden, dem BF2 jedoch nichts passiert sei. Eine Person sei dann auf die BF1 zugegangen und habe ihr gedroht, dass das eine Warnung gewesen sei. Dann seien die Leute wieder eingestiegen und weggefahren. An die Polizei habe sich die BF1 aber nie gewandt.

Der BF3 gab seinerseits an, Kolumbien einzig mit der Absicht verlassen zu haben, um bei seiner Familie in Österreich zu sein. Das Bestehen einer gegen ihn gerichteten Bedrohung oder Verfolgungsgefahr in Kolumbien verneinte er ausdrücklich. Hinsichtlich seiner Person brachte der BF3 auch keine eigenen Rückkehrbefürchtungen vor.

Die belangte Behörde hat das Vorbringen der BF1 im angefochtenen Bescheid als nicht glaubhaft und in rechtlicher Hinsicht jedenfalls als nicht asylrelevant beurteilt. Im angefochtenen Bescheid der BF1 (S. 54 bis 65) wurde umfassend dargelegt, weshalb sie dem Vorbringen der BF1 zu den Fluchtgründen keinen Glauben schenkte, insbesondere weil das Vorbringen widersprüchlich, vage, nicht hinreichend detailliert und daher nicht glaubhaft sei. Eine Schutzunfähigkeit oder Schutzunwilligkeit seitens des Herkunftsstaates seien weder aus dem Vorbringen vor der Behörde noch aus den Erkenntnisquellen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat ersichtlich.

Das erkennende Gericht schließt sich im Ergebnis der Beurteilung der belangten Behörde an, wonach das Vorbringen der BF1 zu einer konkret gegen sie und ihre Familie im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat Kolumbien gerichteten und aktuellen Bedrohungssituation bzw. Verfolgungsgefahr – etwa aus einem der in der GFK abschl

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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