Entscheidungsdatum
18.05.2021Norm
AsylG 2005 §5Spruch
W212 2241514-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. SINGER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX alias XXXX , geboren am XXXX , StA. Armenien, vertreten durch die BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.03.2021, Zl XXXX , zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein armenischer Staatsangehöriger, stellte am 02.02.2021 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
Der Beschwerdeführer ist im Besitz einer befristeten polnischen Aufenthaltsberechtigung, gültig von 03.04.2019 bis 31.01.2021.
Laut EURODAC-Abfrage wurde der Beschwerdeführer bereits am 16.05.2015, am 19.10.2017 und am 11.09.2018 in Österreich erkennungsdienstlich behandelt.
Der Beschwerdeführer stellte bereits am 16.06.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts zur GZ L515 2124241-1/21E bzw. L515 2155318-1/6E als unbegründet abgewiesen wurde. Sein Antrag auf internationalen Schutz vom 19.10.2017 wurde mit Bescheid vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl negativ entschieden und erwuchs am 14.07.2018 in Rechtskraft. Zuletzt wurde sein Asylantrag vom 11.09.2018 ebenfalls mit Bescheid negativ entschieden und er am 04.10.2019 nach Armenien abgeschoben.
2. Im Zuge der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 02.02.2021 gab der Beschwerdeführer zunächst an, an keinen Beschwerden oder Krankheiten zu leiden, die ihn an der Einvernahme hindern würden. Er sei am 20.07.2020 in Österreich aus der Haft entlassen worden und sofort nach Polen gereist, wo er sich bis Anfang September 2020 aufgehalten habe. Er sei dann Anfang September 2020 über Tschechien wieder nach Österreich eingereist. In Polen habe er bei der Mutter seines Sohnes gelebt. Zu dieser habe er ein sehr gutes Verhältnis, sie habe ihn auch mit seinem Sohn im Gefängnis besucht. Für Polen habe er eine Aufenthaltsberechtigung und eine Arbeitserlaubnis, die bis Jänner 2021 gültig gewesen sei, er wolle aber in Österreich leben, da er hier bereits mehrere Jahre gelebt habe und viele Freunde habe.
Zu seinem Fluchtgrund befragt, gab der Beschwerdeführer an, er sei Zeuge des Mordes an seinem Vater durch unbekannte Männer im Jahr 2003 geworden. Seitdem werde er von diesen Männern verfolgt und wollen diese ihn auch umbringen. Er leide seitdem an einer psychischen Störung und sei in psychiatrischer Behandlung. Zudem befinde sich Armenien in einem Kriegszustand mit Aserbaidschan und sein Heimatdorf sei von der Azerischen Armee eingenommen worden.
3. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 04.02.2021 ein Aufnahmegesuch gemäß Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO an Polen. Dies unter Hinweis auf die polnische Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers. Angeschlossen waren eine Kopie des armenischen Reisepasses, der polnischen Aufenthaltsberechtigung und des Berichts über die am 04.10.2019 erfolgte Abschiebung nach Armenien. Mit Schreiben vom 22.02.2021 erklärte sich die polnische Dublinbehörde gemäß Art. 12. Abs. 4 Dublin III-VO zur Übernahme des Beschwerdeführers ausdrücklich bereit.
4. Am 22.02.2021 erklärte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gegenüber der polnischen Dublinbehörde die Erstreckung der Überstellungsfrist gemäß Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO auf 12 Monate, da der Beschwerdeführer gegenwärtig inhaftiert sei.
5. Nach durchgeführter Rechtsberatung gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG fand am 17.03.2021 im Beisein einer Dolmetscherin für die armenische Sprache die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl statt. Zu seinem Gesundheitszustand gab der Beschwerdeführer an, er habe ein chronisches Wirbelsäulenleiden seit einem Autounfall in Armenien im November 2014. Zudem seien seine Blutwerte nicht in Ordnung und er müsse dauerhaft Medikamente nehmen. Er sei ins Krankenhaus eingeliefert worden, wo empfohlen worden sei ein MRT zu machen. Er würde ohne Behandlung entweder gelähmt werden oder sterben. In Polen sei er nicht zum Arzt gegangen, weil er keine Versicherung gehabt habe. Er habe mehrmals beim Roten Kreuz ehrenamtlich arbeiten wollen, sei aber nicht aufgenommen werden. Auf Vorhalt der beabsichtigten Überstellung nach Polen, erklärte der Beschwerdeführer, Polen werde ihm nicht zuhören und ihn sofort vom Flughafen aus nach Armenien zurückschicken und dort sei sein Leben in Gefahr. Die polnische Behörde wäre dann für seinen Tod verantwortlich. Außerdem gebe es in Polen keine menschlichen Möglichkeiten, wie beispielsweise medizinische Behandlung. Er liebe Österreich und wolle hierbleiben und arbeiten.
6. Am 26.03.2021 erging ein Festnahmeauftrag gegen den Beschwerdeführer gemäß § 34 Abs. 3 Z 1 BFA-VG.
7. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.03.2021, zugestellt am 30.03.2021, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass gemäß Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO Polen für die Prüfung des Antrages zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge eine Abschiebung nach Polen gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).
Zu Polen wurden folgende Feststellungen getroffen:
Allgemeines zum Asylverfahren
Letzte Änderung: 04.09.2020
In erster Instanz für das Asylverfahren in Polen zuständig ist das Office for Foreigners (Urzad do Spraw Cudzoziemcow, UDSC), das dem Innenministerium untersteht. Es gibt ein mehrstufiges Asylverfahren mit Beschwerdemöglichkeiten:
(AIDA 4.2020; für ausführliche Informationen siehe dieselbe Quelle)
In Polen hat das Asylamt, nach COVID-bedingten Einschränkungen während denen keinerlei Entscheidungen in Verwaltungsverfahren getroffen werden durften, mit 25. Mai den Parteienverkehr in Asylverfahren zumindest in Warschau wieder aufgenommen. Mit 23. Mai liefen auch die Fristen in Asylverfahren wieder weiter (ECRE 28.5.2020).
Polen hat während der Pandemie die Verlängerung der Gültigkeit von Dokumenten um bis zu 30 Tage nach Ende der COVID-Situation erklärt und Online-Anträge auf Integrations- und Sozialhilfe für Schutzberechtigte eingeführt, erlaubt Asylwerbern Arbeit ohne Verlängerung von entsprechenden Genehmigungen und hat den Zugang von Asylwerbern zu kostenfreier sozialer und medizinischer Hilfe erweitert (UNHCR 9.5.2020).
Quellen:
- AIDA – Asylum Information Database (4.2020): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights / ECRE - European Council on Refugees and Exiles: Country Report Poland, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_2019update.pdf, Zugriff 4.8.2020
- ECRE – European Council on Refugees and Exiles (28.5.2020): INFORMATION SHEET 28 MAY 2020: COVID-19 MEASURES RELATED TO ASYLUM AND MIGRATION ACROSS EUROPE, https://www.ecre.org/wp-content/uploads/2020/05/COVID-INFO-28-May.pdf, Zugriff 4.9.2020
- UNHCR - Hoher Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (9.5.2020): Regional Bureau for Europe: COVID-19 Emergency Response, Update #5 (2 – 7 May 2020), https://reliefweb.int/report/world/regional-bureau-europe-covid-19-emergency-response-update-5-2-7-may-2020, Zugriff 4.9.2020
Dublin-Rückkehrer
Letzte Änderung: 04.09.2020
(Wie in den länderspezifischen Anmerkungen beschrieben, geht das Länderinformationsblatt nicht auf die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf den Dublin-Vollzug in Polen ein. Diesbezüglich darf auf die informativen COVID-Kurzinformationen der Staatendokumentation zu Europa/Balkan und Ukraine verwiesen werden. Anm. der Staatendokumentation)
Es gibt keine Berichte über Zugangshindernisse zum Verfahren für Dublin-Rückkehrer. Personen, die im Rahmen der Dublin-Bestimmungen nach Polen zurückkehren, können bei der Grenzwache einen Asylantrag stellen oder die Wiedereröffnung eines etwaigen vorherigen Verfahrens beantragen. So eine Wiedereröffnung ist innerhalb von neun Monaten ab dessen Einstellung möglich. Sind diese neun Monate verstrichen, wird ihr Antrag als Folgeantrag betrachtet und auf Zulässigkeit geprüft. 2019 haben 294 Personen innerhalb der Neun-Monatsfrist einen Antrag auf Wiedereröffnung ihres Verfahrens gestellt. Viele Rückkehrer ziehen die freiwillige Rückkehr ins Herkunftsland einer Wiedereröffnung ihrer Verfahren vor (AIDA 4.2020).
Das medizinische Personal der Grenzwache beurteilt den Gesundheitszustand eines Rückkehrers nach seiner Überstellung nach Polen, auch im Hinblick auf seine speziellen Bedürfnisse. Außerdem werden im Einvernehmen mit dem Fremdenamt (UDSC) und dem medizinischen Personal die Möglichkeiten der Anpassung der Aufenthaltsverhältnisse in Polen an die gesundheitliche Situation des Antragstellers bzw. die eventuelle Notwendigkeit, ihn in einer fachlichen medizinischen Einrichtung unterzubringen, abgesprochen. Abhängig vom Zustand der motorischen Fähigkeit des Ausländers stellt die Grenzwache den Transport eines bedürftigen Rückkehrers zum Aufnahmezentrum, einer medizinischen Einrichtung (falls er einer sofortigen Hospitalisierung bedarf) oder einer fachlichen medizinischen Einrichtung sicher. Personen mit einer vorübergehenden oder dauerhaften motorischen Behinderung, die eines Rollstuhls bedürfen, werden in einem für die Bedürfnisse der motorisch Behinderten angepassten Zentrum untergebracht. Falls der Ausländer einer Rehabilitation bedarf, wird medizinische Ausrüstung sichergestellt. Das medizinische Personal des Flüchtlingszentrums bestimmt die Bedürfnisse des Rückkehrers im Bereich der Rehabilitation und der medizinischen Ausrüstung. Es besteht die Möglichkeit, eine vom Arzt verordnete Diät anzuwenden. Das Fremdenamt garantiert einen Transport zu fachärztlichen Untersuchungen oder Rehabilitation. Der Transport zu ärztlichen Terminen in medizinischen Einrichtungen wird garantiert. Antragsteller, die schwer behindert, pflegebedürftig oder bettlägerig sind, deren Pflege in einem Flüchtlingszentrum nicht gewährleistet werden kann, werden in speziellen Pflegeanstalten oder Hospizen untergebracht. Diese Einrichtungen garantieren medizinische Leistungen samt der notwendigen Rehabilitation für Behinderte rund um die Uhr und professionell ausgebildetes Personal (VB 7.7.2017).
Quellen:
- AIDA – Asylum Information Database (4.2020): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights / ECRE - European Council on Refugees and Exiles: Country Report Poland, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_2019update.pdf, Zugriff 4.8.2020
- VB des BM.I in Polen (7.7.2017): Bericht der polnischen Asylbehörde, per E-Mail
Non-Refoulement
Letzte Änderung: 04.09.2020
2019 haben die Verwaltungsgerichte begonnen, die Vollstreckung negativer Entscheidungen während eines Beschwerdeverfahrens auszusetzen, wodurch die Antragsteller während dieser Zeit vor potentiellem Refoulement geschützt sind. Das Oberste Verwaltungsgericht hat die aufschiebende Wirkung mehrmals bestätigt (AIDA 4.2020).
Gemäß polnischem Asylgesetz gilt ein Asylantrag als unzulässig, wenn ein anderes Land existiert, in dem der Antragsteller als Flüchtling behandelt wird und dort Schutz genießen kann bzw. in anderer Form vor Refoulement geschützt ist („first country of asylum“). 2019 wurde die „first country of asylum“-Bestimmung in vier Fällen angewendet (AIDA 4.2020).
Es gibt weiterhin Berichte über sogenannte „Push-Backs“ am Grenzübergang Terespol zu Weißrussland (AIDA 4.2020; vgl. HRW 14.1.2020, AI 16.4.2020).
Der EMRK erließ einige einstweilige Anordnungen gegen die polnischen Behörden, wodurch Abschiebungen untersagt wurden. Die Abschiebungen nach Belarus fanden aber dennoch statt. Die polnischen Behörden vertreten den Standpunkt, dass die betreffenden Personen nie nach Polen eingereist seien und somit auch nicht abgeschoben worden seien und außerdem auch keine Asylanträge gestellt hätten. Auch polnische Gerichte hoben in mehreren Fällen Entscheidungen zur Verweigerung der Einreise auf, doch nach einem solchen Urteil wird für die betreffenden Personen an der Grenze ein neues Verfahren bezüglich Einreise eingeleitet, auf welches das Urteil des Gerichts nicht anwendbar ist, da es sich um ein neues Verfahren handelt. Der Betreffende erwirbt mit dem Urteil also nicht automatisch das Recht auf Einreise (AIDA 4.2020).
Quellen:
AI – Amnesty International (16.4.2020): Human Rights in Europe - Review of 2019 – Poland, https://www.ecoi.net/de/dokument/2028210.html, Zugriff 4.9.2020
- AIDA – Asylum Information Database (4.2020): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights / ECRE - European Council on Refugees and Exiles: Country Report Poland, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_2019update.pdf, Zugriff 4.8.2020
- HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 - Poland, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022775.html, Zugriff 3.9.2020
Versorgung
Letzte Änderung: 04.09.2020
Asylwerber müssen sich binnen zwei Tagen ab Antragstellung in einem Erstaufnahmezentrum registrieren, ansonsten wird das Verfahren eingestellt (2019 war das 51 Mal der Fall). Der Transport muss in der Regel auf eigene Faust und Kosten erfolgen. Nur bestimmte vulnerable Gruppen werden behördlich dorthin transportiert. Ab Registrierung im Erstaufnahmezentrum sind sie während des gesamten Asylverfahrens zu materieller Versorgung berechtigt, auch im Zulassungs- und im Dublinverfahren, sowie während laufender erster Beschwerde. (AIDA 4.2020; vgl. UDSC o.D.f).
Generell werden Unterbringung, materielle Hilfe und Gesundheitsversorgung bis zu zwei Monate nach der endgültigen Entscheidung im Asylverfahren (positiv wie negativ) gewährt. Wird das Verfahren allerdings eingestellt (z.B. in der Zulassungsphase), verkürzt sich dieser Zeitraum auf 14 Tage. Da Antragsteller mit einer abschließend negativen Entscheidung Polen binnen 30 Tagen zu verlassen haben und keine Versorgung mehr gewährt wird, wenn sie diese Frist zur freiwilligen Ausreise verstreichen lassen, werden sie in der Praxis nur für 30 Tage weiter versorgt. Nicht zu materieller Versorgung während des Verfahrens berechtigt sind: subsidiär Schutzberechtigte, die nochmals um Asyl ansuchen, Geduldete oder Personen mit humanitärem Aufenthalt, Personen mit Aufenthaltsberechtigung usw. Diese haben Versorgungsrechte auf anderer Rechtsgrundlage (AIDA 4.2020).
Wurde ohne Schuld des Antragstellers nach sechs Monaten noch keine Entscheidung in seinem Asylverfahren getroffen, hat er unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt. In der Praxis ist der Zugang zum Arbeitsmarkt aber eingeschränkt, weil die Unterbringungszentren weit von Arbeitsmöglichkeiten entfernt oder in strukturschwachen Gegenden liegen, weil Arbeitgeber sich scheuen Asylwerber einzustellen oder wegen der Sprachbarriere (AIDA 4.2020; vgl. USDOS 11.3.2020).
Auf der Webseite der Behörde ist eine Liste mit mehr als 20 Organisationen verfügbar, welche Asylwerbern/Fremden verschiedenste Hilfestellung bieten (UDSC o.D.a).
Quellen:
- AIDA – Asylum Information Database (4.2020): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights / ECRE - European Council on Refugees and Exiles: Country Report Poland, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_2019update.pdf, Zugriff 4.8.2020
- UDSC – Urz?d do Spraw Cudzoziemców (o.D.a): Rights and obligations – applicant, https://udsc.gov.pl/en/uchodzcy-2/uchodzcy/prawa-i-obowiazki/prawa/, Zugriff 3.9.2020
- UDSC – Urz?d do Spraw Cudzoziemców (o.D.f): Who can obtain assistance and when, https://udsc.gov.pl/en/uchodzcy-2/pomoc-socjalna/system-pomocy-socjalnej/kto-i-kiedy-moze-uzyskac-pomoc/, Zugriff 4.9.2020
- USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Poland, https://www.ecoi.net/en/document/2027536.html, Zugriff 3.9.2020
Unterbringung
Letzte Änderung: 04.09.2020
Asylwerber, die in einem Zentrum leben, erhalten Unterkunft, medizinische Versorgung, Mahlzeiten (oder PLN 9,-/Tag für Selbstverpflegung), Taschengeld (PLN 50,-/Monat), Geld für Hygieneartikel (PLN 20,-/Monat) und eine Einmalzahlung für Bekleidung (PLN 140,-). Asylwerber, die außerhalb der Zentren leben, erhalten eine finanzielle Beihilfe (von PLN 25,-/Tag für eine Einzelperson; bis hin zu PLN 12,50/Tag und Person für Familien mit vier oder mehr Familienmitgliedern). Beide Gruppen erhalten einen Polnisch-Sprachkurs und Unterrichtsmaterialien, Unterstützung für Schulkinder (plus außerschulische Aktivitäten), Geld für notwendige Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln und medizinische Versorgung. 2019 erhielten durchschnittlich 1.276 Asylwerber Versorgung innerhalb der Zentren und 1.595 außerhalb der Zentren. Die Höhe der Unterstützung für Asylwerber liegt unter dem sogenannten „sozialen Minimum” und wird als zu gering kritisiert, um in Polen außerhalb der Zentren einen angemessenen Lebensstandard führen zu können. Vor allem Mieten in Warschau, wo die meisten AW ihr Asylverfahren abwickeln, sind damit schwer bis unmöglich abzudecken. Asylwerber außerhalb der Zentren wohnen daher oft zu mehreren in beengten Wohnungen und unsicheren Verhältnissen (AIDA 4.2020; vgl. UDSC o.D.c).
Die Unterstützung für ein Leben außerhalb eines Zentrums wird durch die Post ausgezahlt, das geschieht aber mitunter unregelmäßig, was zu Problemen bei Deckung von Mieten oder Lebenshaltungskosten führen kann (AIDA 4.2020).
In Polen gibt es zehn Unterbringungszentren mit insgesamt 1.962 Plätzen. Zwei der Zentren (D?bak und Biala Podlaska) dienen der Erstaufnahme, das Zentrum in Warschau dient speziell der Unterbringung von alleinstehenden Müttern. Mit Überbelegung gibt es keine Probleme. Alle Zentren unterstehen der polnischen Asylbehörde UDSC, sechs der Zentren werden von Vertragspartnern geführt. Die Unterbringungsbedingungen in den Zentren sind unterschiedlich. Gewisse Grundlagen müssen vertraglich erfüllt werden, der Rest ist abhängig vom Willen und den finanziellen Möglichkeiten des Vertragspartners. Die Unterbringungsbedingungen werden von den Untergebrachten generell eher niedrig bewertet, die meisten Beschwerden gibt es über das Essen. Alle diese Zentren sind offen, das bedeutet sie dürfen bis 23.00 Uhr frei verlassen und betreten werden (AIDA 4.2020).
Polen verfügt außerdem über sechs geschlossene Unterbringungszentren (guarded centers) mit zusammen 527 Plätzen, von denen Ende 2019 insgesamt 91 belegt waren (AIDA 4.2020; vgl. USDOS 11.3.2020).
Quellen:
- AIDA – Asylum Information Database (4.2020): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights / ECRE - European Council on Refugees and Exiles: Country Report Poland, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_2019update.pdf, Zugriff 4.8.2020
- UDSC – Urz?d do Spraw Cudzoziemców (o.D.c): Types of assistance, https://udsc.gov.pl/en/uchodzcy-2/pomoc-socjalna/system-pomocy-socjalnej/rodzaje-przyznawanej-pomocy/, Zugriff 3.9.2020
- USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Poland, https://www.ecoi.net/en/document/2027536.html, Zugriff 3.9.2020
Medizinische Versorgung
Letzte Änderung: 04.09.2020
MedCOI bearbeitet grundsätzlich keine medizinischen Anfragen zu EU-Mitgliedsstaaten, da die medizinischen Mitarbeiter von MedCOI (Ärzte) davon ausgehen, dass medizinische Behandlungsmöglichkeiten in der EU generell in ausreichendem Maße verfügbar sind. Ausnahmen von dieser Regel sind nur in sehr spezifischen Einzelfällen möglich (MedCOI 14.12.2016).
Asylwerber in Polen haben ab Antragstellung das Recht auf medizinische Versorgung, das auch dann weiterbesteht, wenn die materielle Versorgung, aus welchen Gründen auch immer, reduziert oder eingestellt wird. Gesetzlich garantiert ist medizinische Versorgung im selben Ausmaß wie für versicherte polnische Staatsbürger. Die medizinische Versorgung von AW wird öffentlich finanziert. Die medizinische Grundversorgung wird über die Krankenreviere der Unterbringungszentren gewährleistet, in denen der Arzt pro 120 Asylwerber sechs Ordinationsstunden und die Pflegekraft 20 Ordinationsstunden leisten. Für je 50 weitere Asylwerber sind je 3 Stunden mehr für Arzt und Pflegekraft vorgesehen. Zusätzlich sind für je 50 Kinder im Zentrum vier Ordinationsstunden/Woche für einen Kinderarzt mit zusätzlichen zwei Stunden für je 20 weitere Kinder vorgesehen (AIDA 4.2020).
Asylwerber in Polen mit laufendem Asylverfahren haben bezüglich medizinischer Versorgung, mit der Ausnahme von Kurbehandlungen, dieselben Rechte wie polnische Staatsbürger. Aufgrund einer Vereinbarung mit der polnischen Asylbehörde ist die Firma Petra Medica für die medizinische Versorgung von Asylwerbern verantwortlich, genauer für medizinische Basisversorgung, Spezialbehandlung, Zahnbehandlung, Versorgung mit Medikamenten und psychologische Betreuung. Die psychologische Betreuung steht sowohl in den Asylzentren, wenn Asylwerber dort wohnhaft sind, aber auch in den Beratungsstellen der Asylbehörde in Warschau, für die diejenige, die außerhalb der Zentren wohnen, zur Verfügung. Die folgenden Leistungen werden im Rahmen der psychologischen Betreuung angeboten: psychologische Unterstützung, Bildungsaktivitäten, Psychotherapie in Form einer kognitiven Verhaltenstherapie und Krisenintervention. Die erwähnten Maßnahmen basieren auf Standards der polnischen Psychologischen Vereinigung. Wenn die Notwendigkeit einer fachärztlichen Behandlung festgestellt wird, wird der Patient entsprechend seines Alters in eine Klinik für psychische Gesundheit für Kinder oder Erwachsene eingewiesen (UDSC 19.6.2017).
Für Personen mit psychischen Problemen arbeiten in allen Zentren Psychologen im Ausmaß von zumindest vier Wochenstunden pro 120 Asylwerber mit zusätzlich einer Stunde für je 50 weitere AW. Diese Psychologen bieten jedoch nur grundlegende Konsultationen. Weiterführend können die Patienten an einen Psychiater oder ein psychiatrisches Krankenhaus überwiesen werden. Nach Ansicht einiger Experten und vieler NGOs ist eine spezialisierte Behandlung von Folteropfern bzw. traumatisierten Asylwerbern in der Praxis nicht verfügbar. NGOs beklagen unzureichende Behandlungsmöglichkeiten für Personen mit PTBS, da die verfügbare psychologische Unterstützung als Intervention und nicht als reguläre Therapie betrachtet wird. Es mangelt an Psychologen, die darauf vorbereitet sind, mit schutzbedürftigen und traumatisierten Asylwerbern zu arbeiten. Es gibt nur drei spezialisierte NGOs, die psychologische Konsultationen und Behandlungen für AW anbieten. Im Jahr 2019 haben NGOs in drei Unterbringungszentren psychologische Unterstützung bereitgestellt (AIDA 4.2020).
Seit Juli 2015 wird die medizinische Versorgung von Asylwerbern durch die Firma Petra Medica gewährleistet, mit der die Behörde einen Vertrag abgeschlossen hat, dessen Umsetzung auch überwacht wird. Dennoch gibt es Kritik an der Qualität der medizinischen Versorgung in den Zentren. Insbesondere wird Asylbewerbern gelegentlich der Zugang zu teureren Behandlungen verweigert und erst nach Interventionen von NGOs und monatelangem Streit gewährt. Besonders schwierig ist der Zugang zu einer Behandlung für HIV-positive Asylwerber. Eine der größten Hürden beim Zugang zu medizinischer Versorgung sind mangelnde interkulturelle Kompetenz und Sprachkenntnisse. Ebenfalls ein Problem ist, dass einige der Spitäler, die mit Petra Medica in der Behandlung von Asylwerbern zusammenarbeiten, weit von den Unterbringungszentren entfernt liegen, während die nächstgelegenen medizinischen Einrichtungen von Asylwerbern nur im Notfall frequentiert werden dürfen. Für AW, die außerhalb der Zentren leben, wird die medizinische Versorgung in den Woiwodschaftshauptstädten gewährleistet. Dazu müssen sie sich mit der Hotline von Petra Medica bezüglich Terminen und Rezepten in Verbindung setzen. 2019 hat die polnische Asylbehörde 13 Beschwerden von Asylwerbern registriert, die alle die medizinische Versorgung betrafen (AIDA 4.2020).
Petra Medica ist gemäß Vertrag mit der Ausländerbehörde UDSC für die Organisation des medizinischen Versorgungssystems für Asylwerber in Polen zuständig. Für Ausländer, die einen Flüchtlingsstatus beantragen und sich beim Sozialamt gemeldet haben, ist die medizinische Versorgung kostenlos, unabhängig davon, ob sie in einem Zentrum für Ausländer oder außerhalb des Zentrums leben. Die von Petra Medica koordinierten Gesundheitsdienste umfassen medizinische Versorgung in Aufnahmezentren, einschließlich ein epidemiologischer Filter, der die Implementierung von Früherkennung für Tuberkulose-, Infektions-, Geschlechts- und Parasitenkrankheiten gewährleistet; medizinische Versorgung in Wohnheimen durch den Betrieb von medizinischen Zentren in deren Räumlichkeiten grundlegende Gesundheits- und psychologische Versorgungsleistungen erbracht werden; medizinische Versorgung von Asylwerbern, die außerhalb eines Zentrums leben, auf der Grundlage eigener Ressourcen und eines Netzwerks an Partnerinstitutionen. Bei gesundheitlichen Problemen meldet sich der Patient beim Medical Center des nächstgelegenen Ausländerzentrums oder vereinbart einen Termin in einer kooperierenden Einrichtung unter der Helpline-Nummer (22) 112 02 06. Dort werden gegebenenfalls Überweisungen an Fachärzte ausgestellt bzw. autorisiert. Im Falle einer plötzlichen Gefahr für Gesundheit und Leben ist jedes nächstgelegene Krankenhaus etc. ansprechbar. Spezialisierte Dienstleistungen werden in Petra Medica Medical Centers oder anderen medizinischen Einrichtungen erbracht, die vertraglich gebunden sind oder den geltenden Regeln für die Erbringung medizinischer Dienstleistungen unterliegen, die aus öffentlichen Mitteln finanziert werden. Patienten profitieren von der Zahnpflege in Zahnarztpraxen, mit denen Petra Medica Verträge hat. Die Zentren für Ausländer haben ein entwickeltes System der psychologischen Versorgung. Psychologische Hilfe wird vor Ort angeboten. In besonderen Fällen werden Ausländer an spezialisierte psychologische oder psychiatrische Kliniken überwiesen. Stationäre Behandlung in Einrichtungen, die einen Vertrag mit der Krankenkasse oder Petra Medica haben, ist auf der Grundlage einer Überweisung möglich. Rehabilitation wird von der Behörde auf der Grundlage der Meinung eines Facharztes genehmigt und finanziert (PM o.D.).
Quellen:
- AIDA – Asylum Information Database (4.2020): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights / ECRE - European Council on Refugees and Exiles: Country Report Poland, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_2019update.pdf, Zugriff 4.8.2020
- MedCOI – Medical Country of Origin Information (14.12.2016): Auskunft MedCOI, per E-Mail
- PM – Petra Medica (o.D.): Opieka medyczna dla Cudzoziemców, https://www.petramedica.pl/nasza-oferta/oferta-dla-pacjentow-indywidualnych/opieka-medyczna-dla-cudzoziemcow, Zugriff 3.9.2020
- UDSC – Urz?d do Spraw Cudzoziemców (19.6.2017): Auskunft der polnischen Asylbehörde, per E-Mail
Begründend wurde ausgeführt, dass Polen einer Rückübernahme des Beschwerdeführers gemäß Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO ausdrücklich zugestimmt habe. Aus den eigenen Angaben des Beschwerdeführers ergebe sich weder eine schwere körperliche oder ansteckende Krankheit, noch eine krankheitswerte psychische Störung. Das Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend einer sofortigen Abschiebung nach Armenien und unzureichender medizinischer Versorgung im Falle einer Rückkehr nach Polen werde mangels Substanz als nicht glaubhaft erachtet. Der Beschwerdeführer habe auch sonst keine Bedrohung glaubhaft gemacht, die von der Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit der polnischen Behörden nicht erfasst wäre. Es könne auch nicht davon ausgegangen werde, dass der Beschwerdeführer konkret Gefahr liefe, in Polen Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden. Es bestehe schon aufgrund der Kürze seines Aufenthalts keine besondere Integrationsverfestigung in Österreich. Zudem verfüge der Beschwerdeführer in Österreich über keinerlei familiäre Anknüpfungspunkte, die einer Außerlandesbringung entgegenstünden.
Vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wurden ferner auch Feststellungen in Zusammenhang mit der aktuell vorliegenden Pandemie aufgrund des Corona-Virus getroffen.
7. Gegen den gegenständlichen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl erhob der Beschwerdeführer am 12.04.2021 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde in der zusammengefasst vorgebracht wurde, dass die Behörde eine Einzelfallprüfung unterlassen habe, ob dem Beschwerdeführer in Polen die Verletzung seiner durch Art. 3 EMRK gewährsteten Rechte drohe. Die belangte Behörde hätte sich genauer über die Situation in Polen bezüglich medizinischer Versorgung und adäquater Unterbringung informieren müssen. Zudem gehe aus Berichten hervor, dass es in Polen zu vorschriftswidrigen Inhaftierungen von Dublin-Rückkehrern komme und hätte die belangte Behörde zu der Feststellung kommen müssen, dass der Beschwerdeführer in Polen rassistischen Übergriffen ausgesetzt wäre und unter unzumutbaren Bedingungen leben müsste. Die Zuständigkeit des Mitgliedstaates ergebe sich alleine aufgrund des Vorhandenseins eines gültigen Visums. Die Behörde habe aber nicht geprüft, ob das Visum des Beschwerdeführers noch gültig oder schon abgelaufen sei. Sie hätte zum Schluss kommen müssen, dass keine Zuständigkeit Polens gemäß Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO bestehe.
8. Die Beschwerdevorlage langte am 16.04.2021 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
9. Während der Dauer des anhängigen Beschwerdeverfahrens wurden die aktuellen Entwicklungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie begleitend beobachtet.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer, ein volljähriger armenischer Staatsangehöriger, stellte am 02.02.2021 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
Nach negativen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.08.2017 zur GZ L515 2124241-1/21E bzw. L515 2155318-1/6E und des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 12.06.2018 (rechtskräftig am 14.07.2018) und vom 15.01.2019 (rechtskräftig am 31.01.2019) wurde der Beschwerdeführer zuletzt am 04.10.2019 aufgrund einer Abschiebeanordnung nach Armenien überstellt.
Seit seiner erneuten Rückkehr in das Gebiet der „Dublinstaaten“ wurde dieses vom Beschwerdeführer zwischenzeitig nicht mehr verlassen.
Im Zeitpunkt der Stellung des gegenständlichen Asylantrages war der Beschwerdeführer im Besitz eines am 31.01.2021 abgelaufenen polnischen Aufenthaltstitels.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl stellte am 04.02.2021 ein Wiederaufnahmegesuch nach Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO an Polen. Mit Schreiben vom 22.02.2021 stimmte Polen der Übernahme gemäß Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO ausdrücklich zu und gab an, die Aufenthaltsberechtigung sei dem Beschwerdeführer am 29.09.2020 entzogen worden. Die Frist zur Überstellung wurde, wegen der Inhaftierung des Beschwerdeführers, auf 12 Monate verlängert.
Ein Sachverhalt, der die Zuständigkeit Polens wieder beendet hätte, liegt nicht vor.
Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Lage im Mitgliedstaat Polen an.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Überstellung nach Polen Gefahr liefe, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe beziehungsweise einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.
Zur aktuell vorliegenden Pandemie aufgrund des Corona-Virus ist notorisch:
COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet. In Österreich gab es mit Stand 05.05.2021, 619.234 bestätigte Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen und 10.014 Todesfälle; in Polen wurden zu diesem Zeitpunkt 2.808.052 Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen und wurden bisher 68.133 Todesfälle bestätigt (WHO, 05.05.2021).
Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck) auf.
Da sich die epidemiologische Lage innerhalb der EU zunehmend verbessert, wurden die Reisebeschränkungen, die eingeführt worden waren, um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen, wieder schrittweise aufgehoben.
Für die Einreise nach Polen aus dem Schengenraum ist unabhängig von der Wahl des Verkehrsmittels die Vorlage eines maximal 48 Stunden alten PCR- oder Antigentests erforderlich. Das öffentliche Leben in Polen ist aufgrund der COVID-19-Maßnahmen stark eingeschränkt, es gilt im ganzen Land wieder die generelle Maskenpflicht. Für das ganze Land gilt die Sicherheitsstufe 6 (Reisewarnung) (BMEIA, 05.05.2021).
Der 30-jährige Beschwerdeführer gab an, unter Rückenproblemen zu leiden, in ärztlicher Behandlung zu stehen und Medikamente zu nehmen. Befunde und Rezepte legte er nicht vor. Es kann nicht festgestellt werden, dass es sich dabei um eine akut lebensbedrohliche Krankheit handelt, welche in Polen nicht behandelbar wäre. Eine stationäre Behandlung benötigte er nicht. Der Beschwerdeführer fällt auch nicht unter die oben genannten Risikogruppen.
Der Beschwerdeführer hat in Österreich keine Angehörigen oder sonstigen Verwandten zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis beziehungsweise eine besonders enge Beziehung besteht. In Polen leben sein Sohn und dessen Mutter.
Der Beschwerdeführer weist folgende Verurteilungen auf:
01) BG DONAUSTADT 032 U 55/2017i vom 31.05.2017 RK 06.06.2017
Datum der (letzten) Tat 15.02.2017
Freiheitsstrafe 4 Wochen, bedingt, Probezeit 3 Jahre
zu BG DONAUSTADT 032 U 55/2017i RK 06.06.2017
Bedingte Nachsicht der Strafe wird widerrufen
LG WR.NEUSTADT 042 HV 1/2020w vom 06.04.2020
02) LG F.STRAFS.WIEN 085 HV 58/2018y vom 10.10.2018 RK 10.10.2018
§ 15 StGB § 105 (1) StGB
Datum der (letzten) Tat 20.08.2018
Freiheitsstrafe 3 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre
zu LG F.STRAFS.WIEN 085 HV 58/2018y RK 10.10.2018
Bedingte Nachsicht der Strafe wird widerrufen
LG WR.NEUSTADT 042 HV 1/2020w vom 06.04.2020
03) LG WR.NEUSTADT 042 HV 1/2020w vom 06.04.2020 RK 06.04.2020
§ 88 (3) StGB
Datum der (letzten) Tat 19.12.2019
Freiheitsstrafe 7 Monate
zu LG WR.NEUSTADT 042 HV 1/2020w RK 06.04.2020 zu LG F.STRAFS.WIEN 085 HV 58/2018y RK 10.10.2018 zu BG DONAUSTADT 032 U 55/2017i RK 06.06.2017
Aus der Freiheitsstrafe entlassen am 06.07.2020, bedingt, Probezeit 3 Jahre LG WR.NEUSTADT 053 BE 92/2020d vom 23.04.2020
zu LG WR.NEUSTADT 042 HV 1/2020w RK 06.04.2020 zu LG F.STRAFS.WIEN 085 HV 58/2018y RK 10.10.2018 zu BG DONAUSTADT 032 U 55/2017i RK 06.06.2017
Bedingte Nachsicht der Strafe wird widerrufen
LG WR.NEUSTADT 037 HV 86/2020h vom 17.11.2020
04) LG WR.NEUSTADT 037 HV 86/2020h vom 17.11.2020 RK 21.11.2020
§§ 127, 130 (1) 1. Fall StGB
Datum der (letzten) Tat 26.09.2020 Freiheitsstrafe 18 Monate
Derzeit ist er in der Justizanstalt XXXX inhaftiert.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zum Reiseweg und den Anträgen auf internationalen Schutz in Österreich ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers in Zusammenschau mit den vorliegenden EURODAC-Treffermeldungen und dem Verwaltungsakt.
Die Feststellungen zum Verfahrensgang, den früheren negativ abgeschlossenen Asylverfahren, der erfolgten Abschiebung am 04.10.2019 und insbesondere zum Konsultationsverfahren und der Erstreckung der Überstellungsfrist, ergeben sich aus dem im Verwaltungsakt und dem sich darin befindlichen Schriftwechsel zwischen der österreichischen und der polnischen Dublinbehörde.
Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der gegenständlichen Asylantragstellung in Österreich im Besitz eines abgelaufenen polnischen Aufenthaltstitels war, beruht auf seinen eigenen Angaben und der Kopie der polnischen Aufenthaltsberechtigungskarte im Verwaltungsakt.
Die Feststellungen zur Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat resultieren aus den durch Quellen belegten Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, welche auf alle entscheidungsrelevanten Fragen eingehen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat in seiner Entscheidung neben Ausführungen zur allgemeinen Versorgungslage von Asylwerbern auch Feststellungen zur dortigen Rechtslage und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen (darunter konkret auch im Hinblick auf Rückkehrer nach der Dublin III-VO und Refoulementschutz) getroffen. Sofern Quellen älteren Datums herangezogen wurden, ist davon auszugehen, dass sich die Lage in Polen nicht maßgeblich geändert hat.
Aus den dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Länderinformationen ergeben sich keine ausreichend begründeten Hinweise darauf, dass das polnische Asylwesen grobe systemische Mängel aufweisen würde. Insofern war aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichts insbesondere in Bezug auf die Durchführung des Asylverfahrens, sowie auf die Versorgungslage von Asylsuchenden in Polen den Feststellungen der verwaltungsbehördlichen Entscheidung zu folgen.
Eine den Beschwerdeführer individuell konkret treffende Bedrohungssituation in Polen wurde nicht ausreichend substantiiert vorgebracht (vgl. hierzu die weiteren Ausführungen unter Punkt 3.1.2.1. des gegenständlichen Erkenntnisses).
Die getroffenen notorischen Feststellungen zur aktuell vorliegenden Pandemie aufgrund des Corona-Virus ergeben sich aus den unbedenklichen tagesaktuellen Berichten und Informationen. Die Länderfeststellungen sind grundsätzlich ausreichend aktuell, sie zeichnen allerdings – angesichts der derzeit sich schnell ändernden Gegebenheiten in Zusammenhang mit dem Ausbruch von COVID-19 – naturgemäß ein Bild der Versorgung von Asylwerbern in Polen, welches sich auf den Zeitraum vor Ausbruch der Pandemie bezieht. Demnach ist nicht zu erkennen, dass sich die Situation in Polen schlechter darstellt als in Österreich.
Es ist notorisch, dass die Mitgliedstaaten allesamt - wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß - vom Ausbruch der Pandemie betroffen sind, weshalb auch entsprechende Maßnahmen gesetzt werden beziehungsweise wurden (beispielsweise die Verhängung von Ausgangsbeschränkungen und Quarantänemaßnahmen sowie die Vornahme von Grenzschließungen und Einschränkungen im Personen- und Warenverkehr), um die Ausbreitung von COVID-19 hintanzuhalten und gleichzeitig die medizinische Versorgung der Bevölkerung - seien es nun eigene Staatsbürger oder dort ansässige Fremde - möglichst sicherstellen zu können. In diesem Sinne wurde in den Mitgliedstaaten der EU auch die Durchführung von Überstellungen beziehungsweise die Übernahme von Dublin-Rückkehrern temporär ausgesetzt.
Nachdem sich die epidemiologische Lage innerhalb der EU weitgehend stabilisiert hat und vor dem Hintergrund der sukzessiven Aufhebungen von Reisebeschränkungen, sind zahlreiche Mitgliedstaaten, die im regen Austausch miteinander stehen, mittlerweile aber dazu übergegangen, Überstellungen von Dublin-Rückkehrern (sowohl „in“ als auch „out“) wieder durchzuführen.
Zwar verkennt das Gericht nicht, dass die Pandemie noch nicht überstanden ist, es ist aber davon auszugehen, dass etwaig daraus resultierende erneute Überstellungshindernisse jedenfalls in der Maximalfrist der Verordnung (vgl. die in Art. 29 Dublin III-VO geregelte grundsätzliche sechsmonatige Überstellungfrist) überwunden sein werden.
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers basieren im Wesentlichen auf seinen eigenen Angaben, wonach er ein chronisches Wirbelsäulenleiden aufgrund eines Autounfalls in Armenien habe, deswegen in ärztlicher Behandlung sei und Medikamente nehme. Eine akut lebensbedrohliche Krankheit konnte nicht erkannt werden. Auch wurden während des Verfahrens keinerlei medizinischen Befunde oder Rezepte vorgelegt, aus denen Gegenteiliges hervorginge. Der Beschwerdeführer war auch nicht in der Lage die Namen seiner Medikamente zu nennen. Hinsichtlich seines Vorbringens in der Erstbefragung an psychischen Problemen zu leiden wurde vom Beschwerdeführer ebenfalls kein Befund vorgelegt.
Die getroffenen Feststellungen hinsichtlich der privaten, familiären und beruflichen Anknüpfungspunkte in Österreich ergeben sich aus den gleichbleibenden Angaben des Beschwerdeführers. Dass sich in Polen sein Sohn sowie seine (Ex-)Lebensgefährtin leben, ergibt sich aus seinen glaubwürdigen Angaben.
Die Feststellungen zu seinen Vorstrafen und seiner derzeitigen Haftstrafe ergeben sich aus der aktuellen Strafregisterauskunft und dem Verwaltungsakt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
Die maßgeblichen Bestimmungen des nationalen Rechts sind §§ 5 und 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005, § 9 BFA-VG und § 61 FPG; unionsrechtlich sind primär Art. 3, 7, 13, 16, 17, 18, 21, 22 und 25 Dublin III-VO relevant.
3.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (Zurückweisung des Antrags auf internationalen Schutz):
3.1.1. In materieller Hinsicht ist die Zuständigkeit Polens zur Prüfung des gegenständlichen Antrages auf internationalen Schutz in Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO begründet, da der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Asylantragstellung am 02.02.2021 in Besitz eines polnischen Aufenthaltstitels, der weniger als zwei Jahre zuvor abgelaufen war und das Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten seit seiner Einreise nicht mehr verlassen hat.
Die Verpflichtung zur Wiederaufnahme des Beschwerdeführers basiert weiters auf der ausdrücklichen Zustimmung der polnischen Dublinbehörde und auf Grundlage des Art. 18 Abs. 1 lit. a der Dublin III-VO, da Polen gemäß Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz des zuständig ist. Es sind im gegenständlichen Fall keine Mängel im Konsultationsverfahren hervorgekommen und alle von der Dublin III-VO normierten Fristen eingehalten worden.
Für die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates als Polen finden sich keine Anhaltspunkte. Die Zuständigkeit Polens ist auch nicht etwa zwischenzeitig wieder erloschen.
Die Ausführungen in der Beschwerde, wonach gegenständlich von einer Zuständigkeit Österreichs auszugehen sei, sind unzutreffend. Wenn in der Beschwerde auf Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO Bezug genommen wird, um eine Zuständigkeit Österreichs zu begründen, ist dem entgegenzuhalten, dass sich gegenständlich der zuständige Mitgliedstaat an Hand der Kriterien der Dublin III-VO sehr wohl bestimmen lässt. Die Regelung des Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO, wonach im Falle, dass sich der zuständige Mitgliedstaat anhand der Kriterien dieser Verordnung nicht bestimmen lässt, der erste Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig ist, hat hier somit keinen Anwendungsbereich.
Nach Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO ist der Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, der den weniger als zwei Jahre zuvor abgelaufenen Aufenthaltstitel erteilt hat, solange der Antragsteller das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht verlassen hat (vgl. Filzwieser/Sprung, Dublin III-Verordnung, K18 zu Art. 12 Abs. 4).
Fallgegenständlich befand sich der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt seiner Antragstellung in Österreich am 02.02.2021, im Besitz eines am 31.01.2021 abgelaufenen polnischen Aufenthaltstitels (Gültigkeitszeitraum: 03.04.2019 bis 31.01.2021). Auch unter Zugrundelegung, dass laut der polnischen Dulbinbehörde, die Aufenthaltsberechtigung dem Beschwerdeführer am 29.09.2020 entzogen wurde, ändert nichts an der Anwendbarkeit von Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO. In beiden Fällen ist der Aufenthaltstitel weniger als zwei Jahre vor der Antragstellung abgelaufen.
Hinsichtlich des Vorbringens in der Beschwerde, die belangte Behörde habe nicht geprüft ob das Visum des Beschwerdeführers noch gültig sei, ist festzuhalten, dass sich aus den Kopien des Reisepasses des Beschwerdeführers, die im Verwaltungsakt aufliegen, eindeutig ergibt, dass seine Schengenvisa der Kategorie C am 30.05.2019 respektive am 31.12.2017 abgelaufen sind. Zudem erfolgte die Ermittlung der Zuständigkeit Polen nicht aufgrund der Schengenvisa oder eines anderen Visums des Beschwerdeführers, sondern aufgrund seiner polnischen Aufenthaltsberechtigung.
Auch aus Art. 16 (abhängige Personen) und Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO (humanitäre Klausel) ergibt sich mangels familiärer Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet keine Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung des Antrages des Beschwerdeführers.
Nach der Rechtsprechung der Höchstgerichte ist aus innerstaatlichen verfassungsrechtlichen Gründen das Selbsteintrittsrecht zwingend auszuüben, sofern die innerstaatliche Überprüfung der Auswirkungen einer Überstellung ergeben sollte, dass Grundrechte des betreffenden Asylwerbers bedroht wären.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat von der Möglichkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO keinen Gebrauch gemacht. Es ist daher zu prüfen, ob von diesem im gegenständlichen Verfahren ausnahmsweise zur Vermeidung einer Verletzung der EMRK oder der GRC zwingend Gebrauch zu machen wäre:
3.1.2. Mögliche Verletzung von Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK:
Die bloße Möglichkeit einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigenden notorischen Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der EU in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.09.2005, 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter, auf den betreffenden Fremden bezogene Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung in Bezug auf seine Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 09.05.2003, 98/18/0317; 26.11.1999, 96/21/0499; vgl. auch 16.07.2003, 2003/01/0059). "Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art. 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist." (VwGH 23.01.2007, 2006/01/0949).
Die Vorlage allgemeiner Berichte ersetzt dieses Erfordernis in der Regel nicht (vgl. VwGH 17.02.1998, 96/18/0379; EGMR 04.02.2005, 46827/99 und 46951/99, Mamatkulov und Askarov/Türkei Rz 71-77), eine geringe Anerkennungsquote, eine mögliche Festnahme im Falle einer Überstellung, ebenso eine allfällige Unterschreitung des verfahrensrechtlichen Standards des Art. 13 EMRK, sind für sich genommen nicht ausreichend, die Wahrscheinlichkeit einer hier relevanten Menschenrechtsverletzung darzutun. Relevant wäre dagegen etwa das Vertreten von mit der GFK unvertretbaren rechtlichen Sonderpositionen in einem Mitgliedstaat oder das Vorliegen einer massiv rechtswidrigen Verfahrensgestaltung im individuellen Fall, wenn der Asylantrag im zuständigen Mitgliedstaat bereits abgewiesen wurde. Eine ausdrückliche Übernahmeerklärung des anderen Mitgliedstaates hat in die Abwägung einzufließen (VwGH 25.04.2006, 2006/19/0673; 31.05.2005, 2005/20/0025; 31.03.2005, 2002/20/0582), ebenso weitere Zusicherungen der europäischen Partnerstaaten Österreichs (zur Bedeutung solcher Sachverhalte Filzwieser/Sprung, Dublin II-Verordnung³, K 13 zu Art. 19).
Der EuGH sprach in seinem Urteil vom 10.12.2013, C-394/12, Shamso Abdullahi/Österreich Rz 60, zur Dublin II-VO aus, dass in einem Fall, in dem ein Mitgliedstaat der Aufnahme eines Asylbewerbers nach Maßgabe des in Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO festgelegten Kriteriums zugestimmt hat, der Asylbewerber der Heranziehung dieses Kriteriums nur damit entgegentreten kann, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, welche ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC ausgesetzt zu werden.
Zudem hat der EuGH in seinem Urteil vom 07.06.2016, C-63/15, Gezelbash (Große Kammer), festgestellt, dass Art. 27 Abs. 1 Dublin-III-VO im Licht des 19. Erwägungsgrundes dieser Verordnung dahin auszulegen ist, dass […] ein Asylbewerber im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung über seine Überstellung die fehlerhafte Anwendung eines in Kapitel III dieser Verordnung festgelegten Zuständigkeitskriteriums […] geltend machen kann.
Mit der Frage, ab welchem Ausmaß von festgestellten Mängeln im Asylsystem des zuständigen Mitgliedstaates der Union ein Asylwerber von einem anderen Aufenthaltsstaat nicht mehr auf die Inanspruchnahme des Rechtsschutzes durch die innerstaatlichen Gerichte im zuständigen Mitgliedstaat und letztlich den EGMR zur Wahrnehmung seiner Rechte verwiesen werden darf, sondern vielmehr vom Aufenthaltsstaat zwingend das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO auszuüben ist, hat sich der EuGH in seinem Urteil vom 21.12.2011, C-411/10 und C-493/10, N.S. ua/Vereinigtes Königreich, befasst und - ausgehend von der Rechtsprechung des EGMR in der Entscheidung vom 02.12.2008, 32733/08, K.R.S./Vereinigtes Königreich, sowie deren Präzisierung mit der Entscheidung vom 21.01.2011 (GK), 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland - ausdrücklich ausgesprochen, dass nicht jede Verletzung eines Grundrechtes durch den zuständigen Mitgliedstaat, sondern erst systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat die Ausübung des Selbsteintrittsrechtes durch den Aufenthaltsstaat gebieten.
Somit ist zum einen unionsrechtlich zu prüfen, ob im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen für Asylwerber vorherrschen, und zum anderen aus verfassungsrechtlichen Erwägungen, ob die beschwerdeführende Partei im Falle der Zurückweisung ihres Antrages auf internationalen Schutz und ihrer Außerlandesbringung gemäß §§ 5 AsylG und 61 FPG – unter Bezugnahme auf ihre persönliche Situation – in ihren Rechten gemäß Art. 3 und/oder Art. 8 EMRK verletzt werden würde, wobei der Maßstab des "real risk" anzulegen ist. (vgl dazu auch näher Baumann/Filzwieser in Filzwieser/Taucher [Hrsg.], Asyl- und Fremdenrecht – Jahrbuch 2018, Seiten 213ff.).
3.1.2.1. Kritik am polnischen Asylwesen/die Situation in Polen
Der angefochtene Bescheid enthält für den gegenständlichen Fall hinreichende Feststellungen zum polnischen Asylwesen. Diese stammen von der Staatendokumentation, die zur Objektivität verpflichtet ist und der Beobachtung eines Beirates unterliegt. Sie stützen sich auf verlässliche und unzweifelhafte aktuelle Quellen von angesehenen staatlichen und nicht staatlichen Einrichtungen, und wurden ausgewogen zusammengestellt. Im Übrigen ist hinsichtlich der Feststellungen älteren Datums anzumerken, dass sich in Bezug auf gegenständliches Beschwerdevorbringen keine entscheidungswesentlichen Änderungen ergeben haben und sich die Lage in der Slowakei in diesen Zusammenhängen im Wesentlichen unverändert darstellt.
Vor dem Hintergrund der gegenständlich herangezogenen Länderberichte und der verwaltungsbehördlichen Erwägungen kann folglich nicht erkannt werden, dass im Hinblick auf Asylwerber, die von Österreich im Rahmen der Dublin III-VO nach Polen überstellt werden, aufgrund der polnischen Rechtslage und/oder Vollzugspraxis systematische Verletzungen von Rechten gemäß der EMRK erfolgen würden, oder dass diesbezüglich eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit im Sinne eines "real risk" für den Einzelnen bestehen würde.
Eine wie in der Entscheidung des EGMR vom 21.01.2011 in der Rechtssache M.S.S./Belgien und Griechenland in Bezug auf Griechenland beschriebene Situation systematischer Mängel im Asylverfahren in Verbindung mit schweren Mängeln bei der Aufnahme von Asylwerbern kann in Polen im Hinblick auf die behördlichen Länderfeststellungen nicht erkannt werden. Des Weiteren vermögen einzelne Grundrechtsverletzungen, respektive Verstöße gegen Asylrichtlinien, die Anwendung der Dublin II-VO (und nunmehr der Dublin III-VO) demgegenüber unionsrechtlich nicht zu hindern und bedingen keinen zwingenden, von der Beschwerdeinstanz wahrzunehmenden, Selbsteintritt (EuGH C-411/10 und C-493/10).
Wenn der Beschwerdeführer behauptet, es gebe in Polen keine „menschlichen Möglichkeiten“ beispielsweise in Bezug auf medizinische Versorgung, ist auszuführen, dass dies keinerlei Deckung in den Länderberichten findet. Generell werden Unterbringung, materielle Hilfe und Gesundheitsversorgung bis zu zwei Monate nach einer endgültigen Entscheidung im Asylverfahren gewährt. Auf der Webseite der Behörde ist zudem eine Liste mit mehr als 20 Organisationen verfügbar, welche Asylwerbern verschiedenste Hilfestellungen bieten. Asylwerbern, die in einem Zentrum leben, erhalten neben der Unterkunft auch medizinische Versorgung, Mahlzeiten, Taschengeld, Geld für Hygieneartikel und eine Einmalzahlung für Bekleidung. Asylwerber, die außerhalb der Zentren leben, erhalten eine finanzielle Beihilfe. Zudem erhalten Asylwerber Zugang zu Polnisch-Sprachkursen, Unterrichtsmaterialien und Geld für notwendige Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Asylwerber in Polen haben ab Antragstellung das Recht auf medizinische Versorgung im selben Ausmaß wie versicherte polnische Staatsbürger und wird diese über die Krankenreviere der Unterbringungszentren gewährleistet. In allen Zentren arbeiten auch Psychologen, wobei diese nur grundlegende Konsultationen anbieten. Überweisungen an Psychiater oder ein psychiatrisches Krankenhaus sind jedoch möglich.
Hinsichtlich des Vorbringens des Beschwerdeführers, er würde bei einer Rückkehr nach Polen „direkt vom Flughafen nach Armenien geschickt werden“, wo ihm Gefahr für Leib und Leben drohe, ist festzuhalten, dass den Länderberichten keine Berichte über Zugangshindernisse zum Asylverfahren für Dublin-Rückkehrer zu entnehmen sind. In Polen ist darüber hinaus ein mehrstufiges Asylverfahren mit Beschwerdemöglichkeiten etabliert. Der Beschwerdeführer kann bei der Grenzwache einen Asylantrag stellen und steht ihm dann dieselbe Versorgung zur Verfügung wie allen anderen Antragstellern. Selbst wenn der Antrag des Beschwerdeführers negativ entschieden würde, kann dieser Umstand alleine nicht dazu führen, das polnische Asyl- und Refoulement-Verfahren in Frage zu stellen. Negative Entscheidungen in Asylverfahren ergehen auch in anderen europäischen Staaten, einschließlich Österreich – wo der Beschwerdeführer bereits mehrere negative Entscheidungen erhalten hat. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass die polnischen Behörden im Allgemeinen und auch im gegenständlichen Fall kein ordnungsgemäßes Verfahren führen würden, beziehungsweise unsachlich vorgehen oder systematisch menschenrechtswidrige rechtliche Sonderpositionen vertreten würden.
Den Länderberichten kann nicht entnommen werden, dass Dublin-Rückkehrer in Polen systematisch inhaftiert werden würden. Im Fall einer Inhaftierung stehen den Betroffenen Rechtsbehelfe offen. Diesbezügliche, in der Beschwerde in den Raum gestellte Befürchtungen, gehen dementsprechend ins Leere.
In der Beschwerde wurden ebenfalls Befürchtungen geäußert, der Beschwerdeführer könne in Polen Diskriminierungen und rassistischen Ressentiments ausgesetzt sein. Dazu ist auszuführen, dass sich weder aus den Länderberichten noch aus den in Beschwerde zitierten Quellen ergibt, dass Asylwerbern Versorgungs- oder Unterstützungsleistungen aus rassistischen Gründen verweigert werden. Auch brachte der Beschwerdeführer, befragt zu seiner Rückkehr nach Polen, nicht vor, dass er dort Opfer von Rassismus oder Diskriminierungen geworden wäre. Vielmehr wurde ihm ein befristeter Aufenthaltstitel inklusive Arbeitserlaubnis erteilt. Sollte der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Polen rassistischen Beschimpfungen oder Handlungen ausgesetzt sein, ließe das noch keinen Rückschluss darauf zu, dass Asylwerber in Polen generell Opfer von solchen Vorfällen werden. Zudem könnte er sich in solchen Fällen an die Polizei wenden.
Es bleibt letztlich festzuhalten, dass Asylwerber/innen im Zuge der Feststellung des für das Asylverfahren zuständigen Dublin-Staates nicht jenen Mitgliedstaat frei wa?hlen ko?nnen, in welchem sie die – ihres Erachtens nach – bestmo?gliche Unterbringung und Versorgung erwarten ko?nnen. Es ist auf den Hauptzweck der Dublin-III-VO zu verweisen, wonach eine im Allgemeinen von individuellen Wu?nschen der Asylwerber/innen losgelo?ste Zusta?ndigkeitsregelung zu treffen ist.
Das Asyl- und Refoulementschutzverfahren in Polen und die Situation von Asylwerbern dort geben im Ergebnis verfahrensgegenständlich keinen Anlass, ein „real risk“ einer Verletzung von Art. 3 EMRK zu befürchten.
Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer im Falle der Gewährung internationalen Schutzes in Polen aufgrund der dortigen Lebensumstände, die Ihn als international Schutzberechtigten erwarten würden, einem ernsthaften Risiko ausgesetzt wäre, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC zu erfahren, weil er sich im Fall der Überstellung unabhängig von seinem Willen und seinen persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände (vgl. EuGH 19.03.2019, C-163/17, Jawo).
Auch im Übrigen konnte der Beschwerdeführer keine individuellen und detaillierten besonderen Gründe, welche fü