TE Bvwg Erkenntnis 2021/5/20 W161 2242494-1

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Veröffentlicht am 20.05.2021
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Entscheidungsdatum

20.05.2021

Norm

AsylG 2005 §5
B-VG Art133 Abs4
FPG §61

Spruch


W161 2242497-1/2E

W161 2242498-1/2E

W161 2242495-1/2E

W161 2242496-1/2E

W161 2242494-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. LASSMANN über die Beschwerden

1. des XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.04.2021, Zl. 1275009704-210257664;

2. der XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.04.2021, Zl. 1275010008-210257672;

3. des mj. XXXX , geb. XXXX , gesetzlich vertreten durch die Kindesmutter XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.04.2021, Zl. 1275010106-210257685;

4. des mj. XXXX , geb XXXX , gesetzlich vertreten durch die Kindesmutter XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.04.2021, Zl. 1275010803-210257699;

5. des mj. XXXX , geb. XXXX , gesetzlich vertreten durch die Kindesmutter XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.04.2021, Zl. 1275010901-210257702;

alle StA. Mongolei; alle vertreten durch Mag. Michael-Thomas REICHENVATER, Rechtsanwalt in 8010 Graz; zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerden werden gemäß § 5 AsylG 2005 idgF und § 61 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

Gem. § 61 Abs. 3 FPG wird die Durchführung der Außerlandesbringung der Beschwerdeführer bis acht Wochen nach der Geburt des Kindes der Zweitbeschwerdeführerin aufgeschoben.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführer, ein Ehepaar und ihre drei minderjährigen Söhne, alle Staatsangehörige der Mongolei, stellten am 23.02.2021 die vorliegenden Anträge auf internationalen Schutz.

2.1. Der Erstbeschwerdeführer gab in seiner Erstbefragung vom 23.02.2021 an, er könne der Einvernahme ohne Probleme folgen. Er habe seinen Herkunftsstaat im Februar 2019 mit dem Flugzeug nach Litauen verlassen. Er habe sich in Litauen bis August 2020 aufgehalten und sei dann über Polen und Tschechien am 20.02.2021 nach Österreich gekommen. Er habe einen mongolischen Reisepass sowie einen Aufenthaltstitel für Litauen, ausgestellt von den litauischen Behörden, das Visum sei bis 2022 gültig. In Litauen sei die Lebensqualität im Vergleich zu anderen EU-Ländern sehr schlecht, die Menschen dort seien ausländerfeindlich. Er möchte hier in Österreich bleiben. Als Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an, in der Mongolei gäbe es viel Rassismus, seine Frau sei deshalb auch belastet, weil sie mit einem „Ausländer“ verheiratet sei. Die Kinder seien im Kindergarten ausgeschlossen worden. Er und seine drei Kinder würden äußerlich anders aussehen, als die typischen Mongolen. Er habe kubanische Wurzeln. Bei einer Rückkehr in die Heimat habe er Angst, dort wieder wegen seines Aussehens beschimpft zu werden. Er sei psychisch belastet und würde dort nicht leicht einen Job finden.

2.2. Die Zweitbeschwerdeführerin gab in ihrer Erstbefragung vom 23.02.2021 an, sie sei im Juni 2019 mit dem Flugzeug aus der Mongolei ausgereist, habe sich circa zehn Tage in XXXX aufgehalten und von 25.06.2019 bis 01.08.2020 in Litauen. Von dort sei sie über Tschechien am 20.02.2021 nach Österreich gelangt. In Litauen sei die Lebensqualität nicht so gut, dort sei sehr viel Rassismus, weil nicht so viele Ausländer dort leben. Sie habe ein Visum von Litauen, ausgestellt von der litauischen Botschaft in XXXX , gültig bis 2022. Anfang Februar hätten sie ein E-Mail erhalten, dass das Visum nicht mehr gültig sei. Sie möchte in Österreich bleiben. Als Fluchtgrund gab die Zweitbeschwerdeführerin ein Rassismus-Problem gegenüber ihrem Mann und ihren Kindern an. Wenn sie dort gemeinsam auf der Straße gingen, würden die Menschen versuchen, Streit zu suchen und sie beleidigen, dass sie eine Schlampe sei, weil sie mit einem Ausländer zusammen sei. Sie sei schwanger im fünften Monat.

3. Bei der gemeinsamen niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA EAST West am 28.04.2021 gaben der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin an, sie seien einverstanden, die Einvernahme gemeinsam zu absolvieren. Sie würden sich körperlich und geistig in der Lage fühlen, die Einvernahme durchzuführen. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin gaben weiters an, ihre bisherigen Angaben im Verfahren würden der Wahrheit entsprechen. In Österreich befänden sich die Cousine und Tante des Erstbeschwerdeführers. Zu diesen bestehe kein Abhängigkeitsverhältnis.

Über Vorhalt der beabsichtigten Außerlandesbringung nach Litauen gab der Erstbeschwerdeführer an, er sei mit dieser Entscheidung schon einverstanden, aber sie hätten einen Grund, nicht nach Litauen zu gehen, weil ein Mann sie dort bedroht hätte. Er hätte in Litauen zusammen mit diesem Mann ein Geschäft gehabt, dieser sei psychisch unter Druck gesetzt worden. Der Mann habe eines Tages von ihm € 1.000 ausgeliehen und zwei Monate danach Selbstmord begangen. Bei der Polizei sei der Selbstmordfall zwar abgeschlossen worden, aber die Familie des Mannes denke, sie hätten bei etwas Illegalem, z.B. Drogenverkauf zusammengearbeitet. An dem Tag, als der Erstbeschwerdeführer dem Mann die 1.000 Euro geliehen hätte, sei dieser mit einem Russen gekommen, dieser Russe habe inzwischen öfter sein Büro besucht und um Geld gebeten. Er habe ihn dann auch zwischen 800 und 1.000 Euro gegeben, weil der Mann ihn auch bedroht hätte. Er habe das leider nicht bei der Polizei angezeigt, weil er erstens als Ausländer Angst gehabt hätte und zweitens die rechtlichen Anforderungen dort nicht kennt. Der Russe habe ihm auch gesagt, wenn er eine Anzeigeerstatte, werde er seiner Familie etwas antun. Der Erstbeschwerdeführer sei zuerst seit Oktober 2018 alleine in Litauen gewesen, ab Juli 2019 wäre auch die Familie dort gewesen. Das Ziel wäre schon ab 2016 gewesen, nach Österreich zu kommen, ab 2018 hätte er die Arbeitserlaubnis in Litauen bekommen sowie die Erlaubnis, die Familie zu holen. Für die Finanzierung wäre die Arbeit dort erforderlich gewesen und hätten sie auch ein Sparbuch gehabt. Während der Coronazeit wäre das gesparte Geld dann fast ausgegangen und hätten ihre beiden Eltern sie unterstützt. Erst nach dem Aufsperren im August hätten sie das Land verlassen können.

Die Zweitbeschwerdeführerin gab befragt nach Problemen in Litauen an, in Litauen sei natürlich Rassismus sehr hoch und ihr ältester Sohn sei in der Schule ausgeschlossen und auf der Straße auch beleidigt worden. An einem Tag sei der Sohn in der Schule verletzt worden, ihm sei die Nase gebrochen worden, der Direktor habe aber gemeint, er sei gestolpert. Ihr Sohn XXXX sei in der Schule nicht ernst genommen worden. Als das mit ihrem Mann passiert wäre, habe sie das erst später erfahren und hätten sie deswegen die Wohnung gewechselt, das hätte aber nicht geholfen und da hätten sie sich entschieden, das Land zu verlassen. Sie sie auch schwanger und bekomme Anfang Juli das Baby. Befragt nach Gesundheitsproblemen durch die Schwangerschaft gab die Zweitbeschwerdeführerin an, sie habe die typischen Schwangerschaftsprobleme, Rückenschmerzen und sie könne nicht richtig gehen, weil sich der Bauch immer ziehe. Sie würden auch nicht im Familienzimmer wohnen. Vor zwei Monaten habe sie auch eine Erkältung bekommen, die noch immer bestehe. Als sie hergekommen wären, hätten sie auch Corona gehabt. Sie habe daher noch immer typische Symptome, wie Müdigkeit. Ihr Sohn XXXX sei im Kindergarten immer ausgeschlossen worden, weil sie die litauische Sprache nicht könnten und die Litauer auch nicht englisch können, so hätten sie nie etwas gemeinsam gemacht. Befragt nach eigenen Problemen ihres Sohnes XXXX gab die Zweitbeschwerdeführerin an, es sei genauso wie bei XXXX gewesen. Er wäre zwar in der Krabbelstube gewesen, habe aber die Sprache nicht können und daher immer alleine gespielt. Er sei ungerne in die Krabbelstube gegangen und habe geweint. Jetzt gehe er auch nicht so gerne in den Kindergarten, die anderen würden schon in die Schule gehen.

Der Erstbeschwerdeführer gab ergänzend an, Litauen sei ein kleines Land und die Hauptstadt, in der sie gelebt hätten, sei klein. Deswegen habe er Angst, bedroht zu werden, er habe versucht dort alleine zu leben und das Geschärft aufgemacht, aber der Rassismus sei sehr groß gewesen und habe es Probleme gegeben, weil keiner etwas gekauft habe und so sei er schnell wieder pleite gegangen. Auch deshalb möchte er nicht zurück nach Litauen und mit der Familie in Österreich leben.

4. Am 01.03.2021 wurden seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in Folge kurz: „BFA“) bezüglich der Beschwerdeführer gemäß Art. 12 Abs. 2 oder 3 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (in Folge kurz: „Dublin III-VO“) Wiederaufnahmeersuchen an Litauen gestellt.

Mit Schreiben vom 14.04.2021 stimmten die litauischen Behörden dem Wiederaufnahmeersuchen gemäß Art. 12 Abs. 1 Dublin III-VO ausdrücklich zu.

5. Mit den im Spruch genannten Bescheiden des BFA vom 29.04.2021 wurden I. die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Litauen gemäß Art. 12 Abs.1 Dublin-III-VO zuständig sei, sowie II. gemäß § 61 Abs. 1 FPG gegen die Beschwerdeführer eine Außerlandesbringung angeordnet und ausgesprochen, dass demzufolge deren Abschiebung nach Litauen zulässig sei.

Diese Bescheide legen in ihrer Begründung insbesondere auch ausführlich dar, dass in Litauen die Praxis der asylrechtlichen und subsidiären Schutzgewährung, die Grund- und Gesundheitsversorgung sowie die Sicherheitslage unbedenklich seien und den Grundsätzen des Unionsrechts genügen.

Konkret traf das BFA jeweils folgende Länderfeststellungen zu Litauen:

Allgemeines zum Asylverfahren

Es existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit (MD 25.1.2014; vgl. MD 13.3.2015, RoL 28.4.2015, FAFO 2017, USDOS 20.4.2018; für weitere Informationen siehe dieselben Quellen).

Quellen:

-FAFO - Fafo Research Foundation (2017): Anne Brunovskis (author): Asylum, integration and irregular migration in Lithuania. Policy and practice at the edge of the European Union, https://www.fafo.no/index.php/zoo-publikasjoner/fafo-rapporter/item/asylum-integration-and-irregular-migration-in-lithuania, Zugriff 2.11.2018

-MD – Migracijos Departamentas (25.1.2014): Examining an application, http://www.migracija.lt/index.php?21088311, Zugriff 29.10.2018

-MD – Migracijos Departamentas (13.3.2015): Granting of Asylum, http://www.migracija.lt/index.php?1976995706, Zugriff 29.10.2018

-RoL – Republic of Lithuania (28.4.2015): Law on the legal status of aliens, https://e-seimas.lrs.lt/portal/legalAct/lt/TAD/d7890bc0fa2e11e4877aa4fe9d0c24b0?jfwid=181l7li0hc, Zugriff 29.10.2018

-USDOS – US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Lithuania, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430320.html, Zugriff 29.10.2018

3.Dublin-Rückkehrer

Nach Art. 72 (3) des litauischen Gesetzes über den legalen Status von Fremden, muss Litauen einen Asylantrag inhaltlich prüfen, wenn es für die Abwicklung des Asylverfahrens zuständig ist. Gemäß Artikel 76 (2), ist Asylwerbern, die im Rahmen des Dublin-Abkommens nach Litauen zurückgeschickt werden, weil Litauen für deren Verfahren zuständig ist, temporäres territoriales Asyl zuzusprechen (RoL 28.4.2015).

Der Zugang zum Asylverfahren nach Dublin Rücküberstellung ist vom Stand des Verfahrens in Litauen abhängig. Wenn ein Dublin-Rückkehrer in Litauen noch keinen Antrag gestellt hat, kann er dies nach seiner Rückkehr tun (EASO 24.10.2017).

Entzieht sich ein Antragsteller dem Verfahren, wird dieses suspendiert und neun Monate später eingestellt. Wurde das Verfahren eines Rückkehrers in der Zwischenzeit eingestellt, kann ein neuer Antrag gestellt werden (EASO 24.10.2017).

Wurde das Verfahren eines Rückkehrers bereits rechtskräftig abgeschlossen, kann ein neuer Antrag gestellt werden (EASO 24.10.2017).

Ist das Verfahren eines Dublin-Rückkehrers suspendiert, kann dieses fortgesetzt werden (EASO 24.10.2017).

Wenn das Verfahren eines Dublin-Rückkehrers noch läuft, etwa weil er vom Ausgang seines Verfahrens noch nicht in Kenntnis gesetzt wurde oder weil noch ein Beschwerdeverfahren anhängig ist, kann das Verfahren fortgesetzt werden (EASO 24.10.2017).

.Dublin-Rückkehrer haben in Litauen ohne Unterschied dieselben Ansprüche betreffend Unterbringung und medizinische Versorgung wie andere Asylwerber auch (EASO 24.10.2017).

Quellen:

-EASO – European Asylum Support Office (24.10.2017): EASO Query. Subject: Access to Procedures and Reception Conditions for persons transferred back from another Member State of the Dublin regulation, per E-Mail

-RoL – Republic of Lithuania (28.4.2015): Law on the legal status of aliens, https://e-seimas.lrs.lt/portal/legalAct/lt/TAD/d7890bc0fa2e11e4877aa4fe9d0c24b0?jfwid=181l7li0hc, Zugriff 29.10.2018

4.Non-Refoulement

Die litauischen Behörden erlauben Asylwerbern, die aus sicheren Herkunfts- oder Drittstaaten kommen, nicht den Zutritt zum Territorium. Stattdessen werden sie ohne inhaltliche Überprüfung des Vorbringens in selbige zurückgeschickt (USDOS 20.4.2018).

Solche Fälle gibt es pro Jahr nur wenige. Diese Regelung gilt nicht für unbegleitete Minderjährige und auch nicht bei EU-Mitgliedsstaaten, denn dann gelten die Dublin-Bestimmungen (FAFO 2017).

Quellen:

-FAFO - Fafo Research Foundation (2017): Anne Brunovskis (author): Asylum, integration and irregular migration in Lithuania. Policy and practice at the edge of the European Union, https://www.fafo.no/index.php/zoo-publikasjoner/fafo-rapporter/item/asylum-integration-and-irregular-migration-in-lithuania, Zugriff 2.11.2018

-USDOS – US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Lithuania, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430320.html, Zugriff 29.10.2018

5.Versorgung

In Litauen gibt es zwei Zentren zur Unterbringung von Fremden. Asylwerber werden bis zum Ende ihres Verfahrens im Fremdenregistrierungszentrum (FRC) in Pabrade untergebracht. Das umfasst auch eine eventuelle Beschwerdephase. Die Asylbehörde kann auch eine private Unterbringung genehmigen. Während eines Aufenthalts in einer Unterkunft, die von den Behörden der Republik Litauen zur Verfügung gestellt wird, hat ein Asylbewerber das Recht alle Aufnahmeeinrichtungen zu nutzen. Er hat das Recht auf Information über seine Rechte und Pflichten und auf staatlich garantierte Prozesskostenhilfe, kostenlose Dienste eines Dolmetschers, kostenlose medizinische Grundversorgung und soziale Leistungen in den Zentren (MIPAS 24.11.2017). Abgesehen vom offenen Bereich für Antragsteller besitzt Pabrade auch einen geschlossenen Bereich für illegale Migranten. Die

.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 7 von 13

Unterbringungsbedingungen in Pabrade haben sich in den letzten Jahren sehr verbessert und werden als sehr gut beschrieben, jedoch gibt es auch Stimmen, die es für langfristige Unterbringung als ungeeignet empfinden und weitere Verbesserungen fordern (FAFO 2017).

Die Kapazitäten der beiden Zentren betragen 98 Plätze im geschlossen Bereich von Pabrade und 88 Plätze im offenen Bereich, sowie 20 Plätze in Rukla. Alle Antragsteller in Litauen erhalten ein Taggeld in Höhe von EUR 10,- im Monat. Nahrung und Hygieneartikel werden vom Zentrum zur Verfügung gestellt (EASO 2.2016; vgl FAFO 2017).

Asylwerber haben während ihr Verfahren anhängig ist keinen Zugang zum Arbeitsmarkt (FAFO 2017).

Quellen:

-FAFO - Fafo Research Foundation (2017): Anne Brunovskis (author): Asylum, integration and irregular migration in Lithuania. Policy and practice at the edge of the European Union, https://www.fafo.no/index.php/zoo-publikasjoner/fafo-rapporter/item/asylum-integration-and-irregular-migration-in-lithuania, Zugriff 2.11.2018

-MIPAS – Platform for Migration Information and Cooperation (24.11.2017): Receipt of Asylum Seekers and Asylum System, http://mipas.lt/en/2017/11/24/receipt-of-asylum-seekers-and-asylum-system/, Zugriff 31.10.2018

5.1.Unbegleitete Minderjährige (UM) / Vulnerable

Für Vulnerable gelten besondere Aufnahmebedingungen gemäß ihrer Bedürfnisse (MIPAS 24.11.2017).

Der zweite Stock des offenen Bereichs des Fremdenregistrierungszentrums (FRC) Pabrade, wo Asylwerber bis zum Ende ihres Verfahrens untergebracht werden, ist für Familien reserviert (MIPAS 24.11.2017; vgl. FAFO 2017). Fehlende Spielmöglichkeiten für Kinder im Außenbereich werden kritisiert. Die NGO Vilnius Caritas füllt diese Lücke mit dem Caritas Day Center in Pabrade, wo verschiedene Aktivitäten angeboten werden, ist aber von EU-Finanzierung abhängig. Alle im Land aufhältigen Kinder unterliegen der Schulpflicht. Im Zentrum Pabrade untergebrachte Kinder besuchen die lokale Schule (FAFO 2017).

Im Unterbringungszentrum für Flüchtlinge in Rukla (RCR) werden unbegleitete Minderjährige (UM) und Schutzberechtigte im Integrationsprozess untergebracht (RPPC o.D.; vgl. MIPAS 24.11.2017). UM können bis zum 18. Geburtstag in einem eigenen Bereich des Zentrums untergebracht werden (RPPC o.D.a) und erhalten neben Unterbringung auch medizinische, soziale und rechtliche Versorgung, Sprachtraining und Zugang zu Kindergartenbetreuung bzw. Schulbildung in Schulen im Bezirk Jonava. Unbegleitete Minderjährige, egal welchen rechtlichen Status sie haben, erhalten einen temporären Vormund der ihr bestes Interesse zu beachten hat. Das Zentrum arbeitet mit dem Children’s Rights Protection Service Jonava

und den Schulen in Jonava und Rukla zusammen (RPPC o.D.; vgl. RPPC o.D.c). Es gibt in Rukla auch die Möglichkeit zu psychologischer Versorgung (RPPC o.D.b).

Quellen:

-FAFO - Fafo Research Foundation (2017): Anne Brunovskis (author): Asylum, integration and irregular migration in Lithuania. Policy and practice at the edge of the European Union, https://www.fafo.no/index.php/zoo-publikasjoner/fafo-rapporter/item/asylum-integration-and-irregular-migration-in-lithuania, Zugriff 2.11.2018

-MIPAS – Platform for Migration Information and Cooperation (24.11.2017): Receipt of Asylum Seekers and Asylum System, http://mipas.lt/en/2017/11/24/receipt-of-asylum-seekers-and-asylum-system/, Zugriff 31.10.2018

-RPPC – Homepage des Flüchtlingsaufnahmezentrums Rukla (o.D.): Arriving foreigners, http://www.rppc.lt/3733/, Zugriff 31.10.2018

-RPPC – Homepage des Flüchtlingsaufnahmezentrums Rukla (o.D.a): General information about centre, http://www.rppc.lt/3221/activity.html, Zugriff 31.10.2018

-RPPC – Homepage des Flüchtlingsaufnahmezentrums Rukla (o.D.b): State support for integration for FGA in Center. Psychological assistance, http://www.rppc.lt/9906/services/state-support-for-integration-for-fga-in-center.html, Zugriff 31.10.2018

-RPPC – Homepage des Flüchtlingsaufnahmezentrums Rukla (o.D.c): Activity with unaccompanied minors, http://www.rppc.lt/9919/services/activity-with-unaccompanied-minors.html, Zugriff 31.10.2018

5.2.Medizinische Versorgung

Asylwerber erhalten im Rahmen der allgemeinen Krankenversorgung notwendige medizinische Versorgung (zum Unterschied von lediglich Notfallversorgung einerseits und vollem Zugang zu medizinischer Versorgung andererseits). Vulnerable Antragsteller haben Zugang zu psychologischer Unterstützung (EASO 2.2016).

Während eines Aufenthalts in einer Unterkunft, die von den Behörden der Republik Litauen zur Verfügung gestellt wird, hat ein Asylbewerber das Recht auf kostenlose medizinische Grundversorgung im Zentrum (MIPAS 24.11.2017).

Im Unterbringungszentrum für Flüchtlinge in Rukla (RCR) erhalten Schutzberechtigte und unbegleitete Minderjährige medizinische Versorgung (RPPC o.D.).

MedCOI bearbeitet grundsätzlich keine medizinischen Anfragen zu EU-Mitgliedsstaaten, da die medizinischen Mitarbeiter von MedCOI (Ärzte) davon ausgehen, dass medizinische Behandlungsmöglichkeiten in der EU generell in ausreichendem Maße verfügbar sind. Ausnahmen von dieser Regel sind nur in sehr spezifischen Einzelfällen möglich (MedCOI 14.12.2016).

Quellen:

-EASO – European Asylum Support Office (2.2016): Quality Matrix Report: Reception conditions, per E-Mail

-MedCOI – Medical Country of Origin Information (14.12.2016): Auskunft MedCOI, per E-Mail


-MIPAS – Platform for Migration Information and Cooperation (24.11.2017): Receipt of Asylum Seekers and Asylum System, http://mipas.lt/en/2017/11/24/receipt-of-asylum-seekers-and-asylum-system/, Zugriff 31.10.2018

-RPPC – Homepage des Flüchtlingsaufnahmezentrums Rukla (o.D.): Arriving foreigners, http://www.rppc.lt/3733/, Zugriff 31.10.2018

6.Schutzberechtigte

Anerkannte Flüchtlinge erhalten zunächst eine Aufenthaltserlaubnis für fünf Jahre, subsidiär Schutzberechtigte eine solche für zwei Jahre (FAFO 2017). Für Schutzberechtigte beginnt im Unterbringungszentrum für Flüchtlinge in Rukla (RCR) die erste Integrationsphase. Diese umfasst medizinische Versorgung, Bildung, soziale und andere Leistungen sowie finanzielle Unterstützung. Mehrere Ministerien und NGOs sind in die Integration Schutzberechtigter involviert (MIPAS 24.11.2017). Während der Integrationsphase erhalten Schutzberechtigte EUR 71,40 im Monat als Handgeld. Die Unterbringungsbedingungen in Rukla liegen über jenen in Pabrade, es gibt dort auch sowohl innen wie auch im Außenbereich ein umfangreiches Freizeitangebot für Erwachsene und Kinder (FAFO 2017).

Das RCR Rukla ist zuständig für die Unterbringung und soziale Integration von Schutzberechtigten sowie für die temporäre Unterbringung von unbegleiteten Minderjährigen während ihres Verfahrens (RPPC o.D.a: vgl. UNHCR 9.2014). Integrationsunterstützung in Rukla wird normalerweise für drei Monate gewährt, kann aber unter Umständen auf sechs Monate verlängert werden, besonders bei Vulnerabilität (FAFO 2017). In Rukla erhalten die Schutzberechtigten neben Unterbringung auch medizinische und soziale Versorgung, sowie intensives Sprach- und Jobtraining. Die Mitarbeiter des Zentrums helfen bei der Arbeitssuche und der Integration (RPPC o.D.; vgl. UNHCR 9.2014). Nach dem Verlassen des Zentrums Rukla ist für Schutzberechtigte Integrationsunterstützung in einer Gemeinde für 12 Monate möglich (RPPC o.D.d; vgl. UNHCR 9.2014). Die Integration in den Gemeinden wird vom Litauischen Roten Kreuz betreut. Die teilnehmenden Schutzberechtigten erhalten für die ersten sechs Monate EUR 204,-- und für die folgenden sechs Monate EUR 102,-- an Integrationsunterstützung, was als zu niedrig kritisiert wird. Die meisten Schutzberechtigten verlassen jedoch Litauen bald nachdem sie ein Reisedokument erhalten haben. Es gibt Berichte über Schwierigkeiten bei der Suche nach Wohnung und Arbeit (FAFO 2017).

Quellen:

-FAFO - Fafo Research Foundation (2017): Anne Brunovskis (author): Asylum, integration and irregular migration in Lithuania. Policy and practice at the edge of the European Union, https://www.fafo.no/index.php/zoo-publikasjoner/fafo-rapporter/item/asylum-integration-and-irregular-migration-in-lithuania, Zugriff 2.11.2018

-MIPAS – Platform for Migration Information and Cooperation (24.11.2017): Receipt of Asylum Seekers and Asylum System, http://mipas.lt/en/2017/11/24/receipt-of-asylum-seekers-and-asylum-system/, Zugriff 31.10.2018

-RPPC – Homepage des Flüchtlingsaufnahmezentrums Rukla (o.D.): Arriving foreigners, http://www.rppc.lt/3733/, Zugriff 31.10.2018

-RPPC – Homepage des Flüchtlingsaufnahmezentrums Rukla (o.D.a): General information about centre, http://www.rppc.lt/3221/activity.html, Zugriff 31.10.2018

-RPPC – Homepage des Flüchtlingsaufnahmezentrums Rukla (o.D.d): State support for integration for FGA in municipalities. http://www.rppc.lt/9925/services/state-support-for-integration-for-fga-in-municipalities.html, Zugriff 31.10.2018

-UNHCR – United Nations High Commissioner for Refugees (9.2014): Integration of refugees in Lithuania, Participation and Empowerment, http://www.refworld.org/pdfid/58a486e34.pdf, Zugriff 3.5.2017

Derzeit herrscht weltweit die als COVID-19 bezeichnete Pandemie. COVID-19 wird durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursacht. In LITAUEN wurden bisher 244.555 Fälle von mit diesem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen, wobei bisher diesbezügliche 3900 Todesfälle bestätigt wurden (https://coronavirus.jhu.edu/map.html, abgerufen am 29.04.2021).

Wie gefährlich der Erreger SARS-CoV-2 ist, kann derzeit noch nicht genau beurteilt werden. Man geht aber von einer Sterblichkeitsrate von bis zu drei Prozent aus, wobei v.a. alte Menschen und immungeschwächte Personen betroffen sind (https://www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus/Coronavirus---Haeufig-gestellte-Fragen.html, abgerufen am 29.04.2021).

Soweit sich das Bundesamt im gegenständlichen Bescheid auf Quellen älteren Datums beziehe, werde angeführt, dass diese aufgrund der sich nicht geänderten Verhältnisse in 27Deutschland – nach wie vor als aktuell bezeichnet werden können.

Begründend wurde hervorgehoben die Beschwerdeführer seien Staatsangehörige der Mongolei. Im Verfahren sei kein im besonderen Maße substantiiertes glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen besonderer, bescheinigter außergewöhnlicher Umstände, die die Gefahr einer Verletzung der EMRK im Falle einer Überstellung ernstlich möglich erscheinen lassen, hervorgekommen. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG treffe daher zu. Die Beschwerdeführer wären in Litauen keiner Verfolgung oder Misshandlung ausgesetzt. Die Beschwerdeführer würden an keinen schweren, lebensbedrohlichen Krankheiten leiden und seien nicht immungeschwächt. Sie würden gemeinsam als Familie reisen und hätten in Österreich keine weiteren nahen Angehörigen oder sonstige Verwandte, zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis bzw. eine besonders enge Bindung bestehe. Sie hätten in Österreich auch keine sozialen Kontakte, die sie an Österreich binden würden. Die Beschwerdeführer wären bereits im Mitgliedsstaat Litauen aufhältig gewesen (Visum, Aufenthaltstitel). Mit Zustimmung vom 14.04.2021 habe sich Litauen gemäß Art. 12 Abs. 1 der Dublin-III-VO für zuständig erklärt.

6. Gegen diese Bescheide richten sich die im Namen jedes Beschwerdeführers eingebrachten, inhaltlich jedoch gleich lautenden Beschwerden. Darin wird insbesondere jeweils vorgebracht, dem angefochtenen Bescheid sei nicht zu entnehmen, ob Litauen überhaupt bereit sei, die Beschwerdeführer zurückzunehmen bzw. aufzunehmen. Auch sei darauf zu verweisen, dass der Erstbeschwerdeführer darauf verwiesen habe, dass er in Litauen bedroht worden wäre, insbesondere auch, dass Rassismus in Litauen ein Problem darstelle, insbesondere der älteste Sohn sei aus der dortigen Schule ausgeschossen worden. Zudem befänden sich die Tante und die Cousine des Erstbeschwerdeführers im Bundesgebiet und bestehe jedenfalls eine familienrechtliche Bande, wenn gleich kein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis vorliege, zumal die Beschwerdeführer auch den Aufenthalt im Bundesgebiet der Republik Österreich finanzieren können. Unter einem sei darauf hinzuweisen, dass die Zweitbeschwerdeführerin im Juni 2021 ein Kind erwarte, sohin im hochschwangeren Zustand sei und stelle dies auch einen Grund dar, eine Abschiebung für unzulässig zu erklären. Zudem gehe der minderjährige Drittbeschwerdeführer in Österreich zur Schule. All dies würde jedenfalls Gründe darstellen, die es rechtfertigen, den Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet der Republik Österreich zuzulassen, sohin das Verfahren in der Sache selbst im Bundesgebiet der Republik Österreich abzuführen, anstelle die gegenständliche Formalentscheidung zu treffen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Alle fünf Beschwerdeführer verließen ihren Heimatstaat Mongolei legal mit einem für Litauen gültigem Visum. Alle Beschwerdeführer verfügen aktuell über einen gültigen Aufenthaltstitel in Litauen. Der Erstbeschwerdeführer war seit 2018 mit einer Arbeitserlaubnis in Litauen. Im Jahr 2019 erhielt er die Erlaubnis, seine Familie nachzuholen und folgten die Zweitbeschwerdeführerin sowie die drei gemeinsamen Kinder im Februar 2019. Im August 2020 verließen die Beschwerdeführer Litauen und begaben sich über Polen und Tschechien nach Österreich, wo sie am 20.02.2021 ankamen und in der Folge am 23.02.2021 jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz stellten.

Das BFA richtete am 01.03.2021 ein auf Art. 12 Abs. 1 oder 3 Dublin-III-VO gerichtetes Wiederaufnahmeersuchen an Litauen.

Mit Schreiben vom 14.04.2021 stimmten die litauischen Behörden der Wiederaufnahme der BF gemäß Art. 12 Abs. 1 Dublin-III-VO ausdrücklich zu.

Besondere, in der Person der Beschwerdeführer gelegene Gründe, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung in Litauen sprechen würden, liegen nicht vor.

Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den oben wiedergegebenen Feststellungen der angefochtenen Bescheide zur Allgemeinsituation im Mitgliedstaat Litauen an.

Es kann nicht erkannt werden, dass im litauischen Asyl- und Rechtssystem relevante systemische Mängel bestehen würden. Ebenso kann nicht erkannt werden, dass die litauischen Behörden Sonderpositionen gegenüber Antragstellern aus der Mongolei vertreten würden.

Die BF leiden an keinen akuten lebensbedrohlichen Erkrankungen, die eine Überstellung nach Litauen als reale Gefahr iSd Art. 3 EMRK erscheinen lassen könnten. Die Zweitbeschwerdeführerin ist schwanger. Eigenen Angaben zufolge ist der Geburtstermin Anfang Juli 2021.

Die BF haben in Österreich keine besonderen privaten oder familiären Bindungen.

Die aktuelle Situation hinsichtlich der COVID-19-Pandemie begründet keine Unmöglichkeit einer Rückkehr der Beschwerdeführer nach Litauen.

Wie bereits in den angefochtenen Bescheiden festgestellt, handelt es sich bei Covid-19 um eine durch das Corona-Virus SARS-COV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet. Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15 % der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung so schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck) auf.

Die Erst- bis Drittbeschwerdeführer wurden bereits am 24.02.2021 mittels PCR-Test jeweils positiv auf Corona getestet.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Reiseweg der BF gründen sich auf die Aktenlage und ihre Angaben im Verfahren. Die BF reisten gemeinsam in Österreich ein und stellten zeitgleich Anträge auf internationalen Schutz in Österreich.

Die Feststellungen zu den Aufenthaltstiteln der Beschwerdeführer in Litauen gründen sich auf deren Angaben im Verfahren sowie die im Akt erliegenden entsprechenden Auszüge.

Die Feststellungen zur Zustimmung Litauens zur Wiederaufnahme der Beschwerdeführer ergibt sich aus der in den Akten erliegenden Korrespondenz mit den litauischen Dublin-Behörden, die der Wiederaufnahme der Beschwerdeführer ausdrücklich gemäß Art. 12 Abs. 1 Dublin-III-VO zugestimmt haben.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand der BF beruhen auf der Aktenlage und den Angaben der BF. Diesbezüglich wurde kein Vorbringen erstattet, welches geeignet wäre, den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu tangieren.

Die Schwangerschaft der Zweitbeschwerdeführerin sowie der Geburtstermin ergeben sich aus ihren eigenen Angaben im Verfahren. Von ihr wurden diesbezüglich keine ärztlichen Unterlagen bzw. ein Mutter-Kind-Pass vorgelegt. Besondere Komplikationen in der Schwangerschaft wurden von der Zweitbeschwerdeführerin nicht angegeben.

Die festgestellten persönlichen Verhältnisse der BF folgen aus den eigenen Angaben und der damit im Einklang stehenden Aktenlage.

Eine die BF konkret betreffende Bedrohungssituation in Litauen wurde nicht ausreichend substantiiert und glaubhaft vorgebracht.

Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat ergibt sich aus den umfangreichen und durch ausreichend aktuelle Quellen belegte Länderfeststellungen der angefochtenen Bescheide, die auf alle entscheidungswesentlichen Fragen eingehen.

Die unter Pkt. II.1. getroffenen unstrittigen Feststellungen zur aktuell vorliegenden Pandemie aufgrund des Corona-Virus ergeben sich aus den unbedenklichen tagesaktuellen Berichten und Informationen.

Ein bei einer Überstellung der Beschwerdeführer nach Litauen vorliegendes „real risk“ einer Verletzung des Art. 3 EMRK ist somit auch hierzu nicht erkennbar.

Mögliche Verletzung von Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK:

Gemäß Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK darf niemand Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigende notorische Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der EU in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.09.2005, Zl. 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter auf den betreffenden Fremden bezogener Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall seiner Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 26.11.1999, Zl 96/21/0499, VwGH 09.05.2003, Zl. 98/18/0317; vgl. auch VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059): "Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art. 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist." (VwGH 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949).

Die Vorlage allgemeiner Berichte ersetzt dieses Erfordernis in der Regel nicht (vgl. VwGH 17.02.1998, Zl. 96/18/0379; EGMR Mamatkulov & Askarov v Türkei, Rs 46827, 46951/99, 71-77), eine geringe Anerkennungsquote, eine mögliche Festnahme im Falle einer Überstellung ebenso eine allfällige Unterschreitung des verfahrensrechtlichen Standards des Art. 13 EMRK sind für sich genommen nicht ausreichend, die Wahrscheinlichkeit einer hier relevanten Menschenrechtsverletzung darzutun. Relevant wäre dagegen etwa das Vertreten von mit der GFK unvertretbaren rechtlichen Sonderpositionen in einem Mitgliedstaat oder das Vorliegen einer massiv rechtswidrigen Verfahrensgestaltung im individuellen Fall, wenn der Asylantrag im zuständigen Mitgliedstaat bereits abgewiesen wurde (Art. 16 Abs. 1 lit e Dublin II VO). Eine ausdrückliche Übernahmeerklärung des anderen Mitgliedstaates hat in die Abwägung einzufließen (VwGH 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582, VwGH 31.05.2005, Zl. 2005/20/0025, VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/19/0673), ebenso andere Zusicherungen der europäischen Partnerstaaten Österreichs.

Mit der Frage, ab welchem Ausmaß von festgestellten Mängeln im Asylsystem des zuständigen Mitgliedstaates der Union ein Asylwerber von einem anderen Aufenthaltsstaat nicht mehr auf die Inanspruchnahme des Rechtsschutzes durch die innerstaatlichen Gerichte im zuständigen Mitgliedstaat und letztlich den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zur Wahrnehmung seiner Rechte verwiesen werden darf, sondern vielmehr vom Aufenthaltsstaat zwingend das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-Verordnung (nunmehr Art. 17 Abs. 1 Dublin III-Verordnung) auszuüben ist, hat sich der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 21.12.2011, C-411/10 und C-493/10, N.S./Vereinigtes Königreich, (zu vergleichbaren Bestimmungen der Dublin II-VO) befasst und, ausgehend von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in der Entscheidung vom 02.12.2008, 32733/08, K.R.S./Vereinigtes Königreich, sowie deren Präzisierung mit der Entscheidung des EGMR vom 21.01.2011, 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland, ausdrücklich ausgesprochen, dass nicht jede Verletzung eines Grundrechtes durch den zuständigen Mitgliedstaat, sondern erst systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat die Ausübung des Selbsteintrittsrechtes durch den Aufenthaltsstaat gebieten (Rn. 86). An dieser Stelle ist auch auf das damit in Einklang stehende Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 14.11.2013 in der Rechtssache C-4/11, Bundesrepublik Deutschland/Kaveh Puid zu verweisen (Rn. 36, 37).

Somit ist zum einen unionsrechtlich (im Hinblick auf die Urteile des EuGH vom 10.12.2013, C-394/12, Shamso Abdullahi/Österreich, sowie jeweils vom 07.06.2016, C-63/15, Gezelbash, und C-155/15, Karim) zu prüfen, ob im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen für Asylbewerber vorherrschen, und zum anderen, ob die BF im Falle der Zurückweisung ihrer Anträge auf internationalen Schutz und ihrer Außerlandesbringung nach Litauen gemäß den §§ 5 AsylG 2005 und 61 FPG - unter Bezugnahme auf deren persönliche Situation - in ihren Rechten gemäß Art. 3 und/oder 8 EMRK verletzt würden, wobei der Maßstab des "real risk" anzulegen ist.

Die angefochtenen Bescheide enthalten- wie oben dargestellt - ausführliche Feststellungen zum litauischen Asylwesen. Diese Länderberichte basieren auf einer Zusammenstellung der Staatendokumentation des BFA, zu den einzelnen Passagen sind jeweils detaillierte Quellenangaben angeführt. Soweit ältere Quellen herangezogen wurden, kann davon ausgegangen werden, dass diesbezüglich keine Änderungen eingetreten sind.

Schon vor dem Hintergrund der jüngsten Lagebeurteilung durch UNHCR und der erstinstanzlichen Erwägungen kann nicht erkannt werden, dass im Hinblick auf Asylwerber, die von Österreich im Rahmen der Dublin III-VO nach Litauen überstellt werden, aufgrund der dortigen Rechtslage und/oder Vollzugspraxis systematische Verletzungen von Rechten gemäß der EMRK erfolgen würden oder dass diesbezüglich eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit im Sinne eines „real risk“ für den Einzelnen bestehen würde.

Eine wie in der Entscheidung des EGMR vom 21.01.2011 in der Rechtssache M.S.S./Belgien und Griechenland in Bezug auf Griechenland beschriebene Situation systematischer Mängel im Asylverfahren in Verbindung mit schweren Mängeln bei der Aufnahme von Asylwerbern kann in Litauen im Hinblick auf die erstinstanzlichen Länderfeststellungen nicht erkannt werden. Des Weiteren vermögen einzelne Grundrechtsverletzungen, respektive Verstöße gegen Asylrichtlinien, die Anwendung der Dublin II-VO (und nunmehr der Dublin III-VO) demgegenüber unionsrechtlich nicht zu hindern und bedingen keinen zwingenden, von der Beschwerdeinstanz wahrzunehmenden, Selbsteintritt (EuGH C-411/10 und C-493/10).

Als Dublin-Rückkehrer haben die Beschwerdeführer nach den Länderfeststellungen Zugang zum Asylverfahren, zu kostenloser Gesundheitsversorgung, Unterbringung und Verpflegung.

Dass Litauen hinsichtlich bestimmter Personengruppen Sonderrechtspositionen vertreten würde, kann hinsichtlich des Mitgliedstaates der Europäischen Union nicht angenommen werden. Litauen beachtet das Non-Refoulment-Gebot, es existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit und ist (medizinische) Versorgung gegeben.

Den Beschwerdeführern ist es im Verfahren nicht gelungen, darzutun, dass das litauische Asylsystem an systemimmanenten Mängeln leiden würde und Litauen nicht in der Lage wäre, ihnen im konkreten Anlassfall Schutz zu gewähren. Sie haben die Möglichkeit, sich bei tatsächlichen Angriffen in Litauen an die zuständigen Behörden zu wenden und entsprechende Anzeigen zu erstatten.

Medizinische Krankheitszustände, Behandlung in Litauen:
Bezüglich des Gesundheitszustandes der Beschwerdefüher ist unbestritten, dass nach der allgemeinen Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK und Krankheiten, die auch im vorliegenden Fall maßgeblich ist, eine Überstellung nach Litauen nicht zulässig wäre, wenn durch die Überstellung eine existenzbedrohende Situation drohen würde. In einem solchen Fall wäre das Selbsteintrittsrecht gemäß Dublin-VO zwingend auszuüben.

Im Hinblick auf gesundheitliche Beeinträchtigungen von Antragstellern ist auf ein diesbezügliches Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH vom 06.03.2008, Zl: B 2400/07-9) zu verweisen, welches die aktuelle Rechtsprechung des EGMR zur Frage der Vereinbarkeit der Abschiebung Kranker in einen anderen Staat mit Art. 3 EMRK festhält (D. v. the United Kingdom, EGMR 02.05.1997, Appl. 30.240/96, newsletter 1997,93; Bensaid, EGMR 06.02.2001, Appl. 44.599/98, newsletter 2001,26; Ndangoya, EGMR 22.06.2004, Appl. 17.868/03; Salkic and others, EGMR 29.06.2004, Appl. 7702/04; Ovdienko, EGMR 31.05.2005, Appl. 1383/04; Hukic, EGMR 29.09.2005, Appl. 17.416/05; EGMR Ayegh, 07.11.2006; Appl. 4701/05; EGMR Goncharova & Alekseytsev, 03.05.2007, Appl. 31.246/06).

Zusammenfassend führt der VfGH aus, dass sich aus den erwähnten Entscheidungen des EGMR ergibt, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (Fall D. v. the United Kingdom).

Von den Beschwerdeführern wurden weder schwere Erkrankungen behauptet noch entsprechende ärztliche Unterlagen vorgelegt.

Aus den zu Grunde gelegten Länderfeststellungen folgt zudem, dass in Litauen ausreichende kostenlose medizinische Versorgung zur Verfügung steht. Wie bereits erwähnt, ist somit davon auszugehen, dass bei Bedarf erforderliche ärztliche Untersuchungen und notwendige Behandlungen auch in Litauen vorgenommen werden können.

Auch im Übrigen konnten die BF keine auf sich selbst bezogenen konkreten Gründe, welche für eine reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK sprechen würden, glaubhaft machen, weshalb die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 zur Anwendung kommt, wonach ein Asylwerber im zuständigen Mitgliedstaat Schutz vor Verfolgung findet.

Schlussendlich hätten die Beschwerdeführer die Möglichkeit, etwaige konkret drohende oder eingetrentene Verletzungen ihrer Rechte, etwa durch eine unenschliche Behandlung iSd Art. 3 EMRK bei den zuständigen Behörden in Litauen und letztlich beim EGMR geltend zu machen.

Die Zweitbeschwerdeführerin ist jedoch schwanger und ergibt sich aus ihren Angaben im Verfahren Anfang Juli 2021 als errechneter Geburtstermin. Es liegen keinerlei Hinweise für das Vorliegen einer Risikoschwangerschaft vor.

In den §§ 3 und 5 Mutterschutzgesetz, BGBl Nr. 221/1979 idgF (MSchG) wird für Frauen (im Falle einer Spontangeburt von Einlingen) ein Beschäftigungsverbot von acht Wochen vor der voraussichtlichen Entbindung bis acht Wochen nach der Entbindung normiert (Mutterschutz). Die hinter dieser Bestimmung liegende generelle Wertung, dass schwangere Frauen in diesem Zeitraum einer körperlichen Schonung bedürfen, kann auch auf Ausweisungen im Asylrecht übertragen werden.

Der Beginn der Schutzfrist liegt mit dem heutigen Tage bereits vor, weshalb ein Durchführungsaufschub auszusprechen war. Nachdem von einer ausreichenden medizinischen Behandlung in Litauen auszugehen ist, und keine Bedenken bestehen, dass nötige Untersuchungen oder (Nach-) Behandlungen der Zweitbeschwerdeführerin auch in Litauen durchgeführt werden können, spricht nichts dagegen, dass diese nach Ablauf von acht Wochen nach der Geburt ihres Kindes und unter Schonung ihres Gesundheitszustandes gemeinsam mit den übrigen Beschwerdeführern nach Litauen überstellt wird.

Schließlich ist auch darauf hinzuweisen, dass die Fremdenpolizeibehörde bei der Durchführung einer Abschiebung im Falle von bekannten Erkrankungen des Fremden durch geeignete Maßnahmen dem jeweiligen Gesundheitszustand Rechnung zu tragen hat. Insbesondere erhalten kranke Personen eine entsprechende Menge der verordneten Medikamente. Anlässlich einer Abschiebung werden von der Fremdenpolizeibehörde auch der aktuelle Gesundheitszustand und insbesondere die Transportfähigkeit beurteilt sowie gegebenenfalls bei gesundheitlichen Problemen entsprechende Maßnahmen gesetzt.

Mögliche Verletzung von Art. 7 GRC bzw. Art. 8 EMRK:

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in Ausübung dieses Rechts ist gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst zwar nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse gemeinsame Intensität erreichen. Als Kriterien hierfür kommen etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes oder die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht. In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (vgl. EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; siehe auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (vgl. EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel und Tante und Neffen bzw. Nichten (vgl. EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1989, 761; Rosenmayer ZfV 1988, 1).

Vom Erstbeschwerdeführer wurden eine Cousine und eine Tante als in Österreich aufhältige Familienangehörige angegeben. Ein Abhängigkeitsverhältnis zu diesen wurde verneint und kann ein solches weder in finanzieller noch in sonstiger Hinsicht dem Akteninhalt nicht entnommen werden.

Es liegt somit kein im Sinne des Art. 8 EMRK schützenswertes Familienleben in Österreich vor, welches durch eine Überstellung der BF nach Litauen beeinträchtigt werden könnte.

Im Verhältnis der Beschwerdeführer untereinander liegt ein Familienverfahren vor, sodass es durch eine Rückführung nach Litauen auch zu keinem Eingriff in das in Art. 8 EMRK geschützte Familienleben kommt.

Es liegen auch keine Hinweise auf eine bereits erfolgte außergewöhnliche Integration in Österreich, etwa aufgrund sehr langer Verfahrensdauer, vor (vgl. VfGH 26.02.2010 Zl.1802, 1803/06-11).

Aus der Rechtsprechung des VwGH ergibt sich, dass etwa ab einem zehnjährigen Aufenthalt im Regelfall die privaten Interessen am Verbleib im Bundesgebiet die öffentlichen Interessen überwiegen können (09.05.2003, 2002/18/0293).

Gleiches gilt für einen siebenjährigen Aufenthalt, wenn eine berufliche und soziale Verfestigung vorliegt (05.07.2005, 2004/21/1024).

Der durch die Ausweisung der Beschwerdeführer aus dem Bundesgebiet erfolgende Eingriff in deren Privatleben ist durch ein Überwiegen des öffentlichen Interesses im Vergleich zu deren Privatinteresse am Verbleib im Bundesgebiet gedeckt. Deren nunmehriger, nur wenige Monate umfassender Aufenthalt im Bundesgebiet war zudem nur ein vorläufig berechtigter Aufenthalt. Da die Verfahren nicht zugelassen waren, bestand lediglich faktischer Abschiebeschutz. Die Beschwerdeführer mussten sich des Status ihrer lediglich vorläufigen Aufenthaltsberechtigung bewusst sein.

Folglich würde die Überstellung der Beschwerdeführer nach Litauen keinen unzulässigen Eingriff in die durch Art. 8 EMRK verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechte auf Achtung des Privat- und Familienlebens bedeuten.

Das Bundesverwaltungsgericht gelangt daher insgesamt zum Ergebnis, dass im vorliegenden Fall keine Verletzung von Bestimmungen der GRC oder der EMRK zu befürchten ist. Daher bestand auch keine Veranlassung, von dem in Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO vorgesehenen Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen und eine inhaltliche Prüfung der Anträge auf internationalen Schutz vorzunehmen.

Nach § 21 Abs. 6a und 7 BFA-VG konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

Eine gesonderte Erwägung bezüglich einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 17 BFA-VG konnte angesichts der erfolgten Sachentscheidung entfallen.

Es ist festzustellen, dass die Anordnung zur Außerlandesbringung zum Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide rechtmäßig ist.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 Satz 1 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des VwGH abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des VwGH nicht einheitlich beantwortet wurde.

Im vorliegenden Fall ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, da die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Die tragenden Elemente der Entscheidung liegen allein in der Bewertung der Asyl- und Aufnahmesituation im Mitgliedstaat, welche sich aus den umfassenden und aktuellen Länderberichten ergibt, weiters in der Bewertung der Intensität ihrer privaten und familiären Interessen und demgemäß in Tatbestandsfragen.

Hinsichtlich der Einordnung des Sachverhaltes konnte sich das Bundesverwaltungsgericht insbesondere auf die Rechtsprechung der Höchstgerichte und des EGMR bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den rechtlichen Erwägungen wiedergegeben.

Schlagworte

Außerlandesbringung medizinische Versorgung real risk Rechtsschutzstandard Versorgungslage

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W161.2242494.1.00

Im RIS seit

06.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

06.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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