TE Bvwg Beschluss 2021/5/21 W151 2181616-2

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Veröffentlicht am 21.05.2021
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Entscheidungsdatum

21.05.2021

Norm

ABGB §183 Abs1
ABGB §209
AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §8
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch


W151 2181616-2/10E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Doris KOHL, MCJ über die Beschwerde des XXXX , geb. am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten aufgrund des Obsorgebeschlusses durch den Magistrat der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, vom 11.06.2018, Zl. XXXX , beschlossen:

A)       Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

1. Herr XXXX (in der Folge: Beschwerdeführer), stellte am 24.11.2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz und gab an, am XXXX geboren zu sein.

2. Auf Grund von Zweifeln des Einvernahmeleiters an der Minderjährigkeit des Beschwerdeführers wurde sein Handwurzelröntgen zur Bestimmung des Knochenalters veranlasst. Die Bestimmung des Knochenalters der linken Hand ergab, dass sämtliche Epiphysenfugen an den Phalangen und den Metacarpalia geschlossen sind und, dass sich am Radius eine zarte Epiphysennarbe zeigt.

Ein vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) beauftragtes medizinisches Altersgutachten vom 11.03.2016 ergab, dass das vom Beschwerdeführer angegebene Geburtsdatum, XXXX , mit dem festgestellten Mindestalter des Asylwerbers nicht vereinbar ist. Das medizinische Gutachten nannte den XXXX als fiktives Geburtsdatum nach dem ermittelten medizinischen Mindestalter.

3. Mit Beschluss des BG XXXX vom 26.04.2016, GZ XXXX , wurde der Kinder- und Jugendwohlfahrtsträger Wien, Magistrat der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie (in Folge: Jugendamt), mit der Obsorge für den damals noch minderjährigen Beschwerdeführer betraut. Das Jugendamt übermittelte dem BFA am 13.06.2016 den Obsorgebeschluss des BG XXXX .

4. In der Einvernahme beim BFA am 20.03.2017 gab der Beschwerdeführer an, dass er keinen Beweis für sein angegebenes Geburtsdatum habe, seine Mutter habe es auf der Rückseite des Koranbuchs eingetragen.

5. Das BFA wies mit Bescheid vom 23.11.2017 den Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, erkannte dem Antragsteller einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht zu, erließ eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass eine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei und gewährte eine Frist von 14 Tagen für eine freiwillige Ausreise.

6. Das BFA stellte den Bescheid am 30.11.2017 nur an das Jugendamt, als Vertreter des Beschwerdeführers, zu. Das Jugendamt erhob am 22.12.2017 Beschwerde gegen den Bescheid an das Bundesverwaltungsgericht und gab an, den Antragsteller auf Grund des Obsorgebeschlusses gesetzlich zu vertreten.

7. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) vom 16.03.2018, GZ. XXXX wies das BVwG die Beschwerde als unzulässig zurück und erklärte die Revision für zulässig. Das BVwG stellte auf Grund des Altersfeststellungsgutachtens die Volljährigkeit des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides an das Jugendamt fest. Das im Obsorgebeschluss genannte Geburtsdatum entfalte keine Bindungswirkung für das BFA oder das BVwG. Da der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Zustellung bereits volljährig gewesen sei, entfalte die Zustellung des angefochtenen Bescheides an das Jugendamt keine Wirkung. Der Bescheid sei daher nicht wirksam erlassen worden, weshalb die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen sei.

8. Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofs vom 11.06.2018, XXXX lehnte dieser die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde ab. Der Beschluss (Punkt 7) wurde damit rechtskräftig.

9. Mit dem nunmehr beschwerdegegenständlichen Bescheid wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) ab und erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III). Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkte IV. und V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

10. Am 10.07.2018 erhob das Jugendamt unter Berufung auf die gesetzliche Vertretung aufgrund des Obsorgebeschlusses für den Beschwerdeführer Beschwerde gegen den Bescheid an das BVwG.

11. Die Beschwerde wurde am 17.07.2018 dem BVwG zur Entscheidung vorgelegt.

12. Mit Schreiben vom 20.10.2020 gab der Beschwerdeführer, nunmehr vertreten durch die ARGE Rechtsberatung, bekannt, in Österreich zum Christentum konvertiert zu sein und legte diverse Integrationsunterlagen vor. Der Beschwerdeführer beantragte die Einvernahme der Zeugin XXXX .

13. Mit Schreiben vom 11.11.2020 beantragte der Beschwerdeführer die Einvernahme des Zeugen Dr. XXXX zum Beweis seiner Konversion.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger und stellte am 24.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Beschluss des Bezirksgerichts XXXX vom 26.04.2016, GZ XXXX wurde die Obsorge für den zu diesem Zeitpunkt minderjährigen Beschwerdeführer gemäß § 209 ABGB dem Jugendamt übertragen.

Mit Beschluss des BVwG vom 16.03.2018, GZ. XXXX stellte dieses, basierend auf einem durch das BFA eingeholten medizinischen Gutachten vom 11.03.2016, das Geburtsdatum des Beschwerdeführers mit XXXX fest. Dieser Beschluss wurde rechtskräftig.

Der Beschwerdeführer erreichte am XXXX die Volljährigkeit. Die Obsorge des Jugendamts war somit mit Erreichen der Volljährigkeit des Beschwerdeführers ex lege erloschen.

Der gegenständliche Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 14.06.2018 durch Hinterlegung zugestellt und wurde ihm gegenüber damit erlassen. Dem Beschwerdeführer kommt das Beschwerderecht zu. Am 10.07.2018 langte die gegenständliche Beschwerde beim BFA ein, darin berief sich das Jugendamt auf seine gesetzliche Vollmacht, inklusive Vertretungsvollmacht, gemäß Obsorgebeschluss für den Beschwerdeführer und brachte für diesen die Beschwerde ein.

Da die Obsorge des Jugendamts mit Erreichen der Volljährigkeit des Beschwerdeführers ex lege, somit vor Erlassung des Bescheides am 14.06.2018, erloschen war, lag zum Zeitpunkt der Einbringung der Beschwerde keine gesetzliche Vertretung für den Beschwerdeführer durch das Jugendamt vor und wurde die Beschwerde von einem nicht mehr dazu befugten Vertreter rechtsunwirksam eingebracht.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich zweifelsfrei aus den Akten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowie des Bundesverwaltungsgerichts.

3. Rechtliche Beurteilung:

§ 28 Abs. 1 VwGVG normiert, dass das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen hat, sofern die Beschwerde nicht zurückgewiesen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen des Bundesverwaltungsgerichtes, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, durch Beschluss.

Zu A) Zurückweisung der Beschwerde:

Gegenständlich wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts XXXX vom 26.04.2016, GZ XXXX die Obsorge für den zu diesem Zeitpunkt minderjährigen Beschwerdeführer gemäß § 209 ABGB dem Jugendamt übertragen.

Mit Beschluss des BVwG vom 16.03.2018, GZ. XXXX stellte dieses, basierend auf einem durch das BFA eingeholten medizinischen Gutachten vom 11.03.2016, das Geburtsdatum des Beschwerdeführers mit XXXX rechtskräftig fest. Der Beschwerdeführer erreichte folglich am XXXX die Volljährigkeit.

Der VwGH hat in seiner Judikatur das Abweichen des BVwG von einem im Obsorgebeschluss festgestellten Geburtsdatum nach einer im Asylverfahren zur Feststellung des Alters durchgeführten multifaktoriellen Altersdiagnose, womit ein Wegfall der gesetzlichen Vertretungsbefugnis des Kinder- und Jugendhilfeträgers einherging, nicht beanstandet (vgl. VwGH vom 09.01.2020, Ro 2019/19/0010).

Gemäß § 183 Abs. 1 ABGB erlischt die Obsorge für ein Kind mit dessen Volljährigkeit. Somit ist die Obsorge des Jugendamts mit Erreichen der Volljährigkeit des Beschwerdeführers ex lege, somit vor Erlassung des Bescheides am 14.06.2018, erloschen.

Der bekämpfte Bescheid wurde dem Beschwerdeführer durch Hinterlegung zugestellt und ist ihm gegenüber damit erlassen, er hat das alleinige Recht zur Erhebung der Beschwerde.

Da der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Erhebung der gegenständlichen Beschwerde bereits volljährig war, kommt eine gesetzliche Vertretung durch das Jugendamt für den Beschwerdeführer aufgrund des zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung erloschenen Obsorge nicht mehr in Betracht und konnte das Jugendamt für den Beschwerdeführer nicht mehr rechtswirksam Beschwerde erheben.

Zum Absehen vom Vorgehen nach § 13 Abs. 3 AVG:

Gemäß § 13 Abs. 3 AVG ermächtigen Mängel schriftlicher Anbringen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels innerhalb einer angemessenen Frist mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht.

Das Fehlen einer Vollmacht stellt kein verbesserungsfähiges Formgebrechen im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG dar, da nur der Mangel des Nachweises, nicht aber der Mangel der Bevollmächtigung selbst, behebbar ist (vgl. VwGH vom 19.02.2014, Zl. 2011/10/0014; vom 09.09.2009, Zl. 2004/10/0116; vom 08.07.2004, Zl. 2004/07/0101, vom 26.03.2003, Zl. 2003/17/0096 und vom 26.06.2002, Zl. 2001/04/0209).

Da das Jugendamt sein Einschreiten in der eingebrachten Beschwerde auf den oben genannten Obsorgebeschluss stützte, liegt kein verbesserungsfähiges Formgebrechen vor, da es sich hierbei nicht um den Mangel eines Nachweises, sondern um den Mangel der durch Eintritt der Volljährigkeit des Antragstellers ex lege erloschenen Bevollmächtigung selbst handelt. Es war somit nicht gemäß § 13 Abs. 3 AVG vorzugehen.

Es wird darauf hingewiesen, dass es dem Beschwerdeführer offen steht, einen allfällig während seines Aufenthalts in Österreich durch eine Konversion zum Christentum entstandenen Nachfluchtgrund im Wege eines Folgeantrages beim BFA geltend zu machen.

Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist.

Aufgrund der Zurückweisung der Beschwerde aus den dargestellten Gründen konnte eine Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen. Zudem war auf Grund des unbestrittenen Akteninhalts durch eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das hg. Erkenntnis hält sich an die darin zitierte Judikatur des VwGH.

Schlagworte

Altersfeststellung Beschwerdelegimitation Jugendamt Obsorge Volljährigkeit Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W151.2181616.2.00

Im RIS seit

06.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

06.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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