TE Bvwg Erkenntnis 2021/5/27 W251 2000286-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.05.2021
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Entscheidungsdatum

27.05.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53
FPG §55

Spruch


W251 1425779-2/35E
W251 2000286-2/27E
W251 2000292-2/27E
W251 2000290-2/25E
W251 2000289-2/23E

W251 2000288-2/23E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Angelika SENFT als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1) XXXX , geboren am XXXX , 2) XXXX , geboren am XXXX , 3) XXXX , geboren am XXXX auch XXXX , 4) XXXX , geboren am XXXX , 5) XXXX , geboren am XXXX sowie 6) XXXX , geboren am XXXX , alle StA. Serbien und vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.07.2018, 1) Zl. 820236401-180267516, 2) Zl. 585076504-180326709, 3) Zl. 831820701-180326695, 4) 585076907-180326687, 5) 585077109-180326644 und 6) Zl. 585077305-180326563, nach Durchführung einer Verhandlung zu Recht:

A)       

Die Beschwerden werden abgewiesen.

B)       

Die Revision ist nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang:

1. Der Erstbeschwerdeführer ist der Lebensgefährte der Zweitbeschwerdeführerin. Diese haben gemeinsam vier leibliche Kinder, den Drittbeschwerdeführer, die Viertbeschwerdeführerin, den Fünftbeschwerdeführer sowie den Sechstbeschwerdeführer.

2. Der Erstbeschwerdeführer reiste das erste Mal im Februar 2012 mit seinem Bruder nach Österreich. Dort stellten er und sein Bruder am 27.02.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz. Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der Erstbeschwerdeführer bei der Erstbefragung an, dass er in Serbien als Bauhilfsarbeiter zu wenig verdient habe, er habe auch nicht immer eine Beschäftigung gehabt. Mit diesem Einkommen habe er seine Frau und seine Kinder nicht ernähren können. Die Kinder seien zur Schule gegangen und auch das habe viel Geld gekostet. Aus diesem Grund habe er sich entschlossen, nach Österreich zu reisen und später seine Frau (Lebensgefährtin) und die Kinder nachzuholen. Bei einer Rückkehr nach Serbien habe er jedoch nichts zu befürchten, ihm drohen bei einer Rückkehr auch keine Sanktionen.

Der Bruder des Erstbeschwerdeführers hat sich nach der Asylantragstellung dem Asylverfahren durch Untertauchen entzogen.

3. Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 20.03.2012 gab der Erstbeschwerdeführer an, dass er seinen Pass in Serbien gelassen habe, da man mit Pass leichter abgeschoben werden könne. Er könne nicht nach Serbien zurück, da er Frau und Kinder habe. Er verfüge nicht über ein ausreichendes Einkommen, er bekomme keine Sozialhilfe und auch sonst von niemandem Unterstützung. Der Erstbeschwerdeführer wurde vom Bundesasylamt darauf hingewiesen, dass wirtschaftliche Gründe nicht asylrelevant seien. Der Erstbeschwerdeführer wurde befragt, ob er – abgesehen von wirtschaftlichen Gründen – noch weitere Gründe habe, die gegen eine Rückkehr sprechen. Der Beschwerdeführer wollte sich dazu nicht weiter äußern. Auf weitere Befragung führte er aus, dass er Angst vor der Polizei in Serbien habe, da man bei Autokontrollen und Verkehrskontrollen in Serbien schlecht behandelt werde. Dies führte der Beschwerdeführer sowohl auf allgemeine Sitten als auch auf den Umstand zurück, dass er Roma sei.

4. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 23.03.2012 wurde der Antrag des Erstbeschwerdeführers auf internationalen Schutz zur Gänze abgewiesen. Der Beschwerdeführer wurde aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Serbien ausgewiesen.

Der Erstbeschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde. Er brachte in seiner Beschwerde im Wesentlichen vor, dass er aus Furcht vor polizeilichen Übergriffen geflohen und als Angehöriger der Roma Diskriminierungen ausgesetzt sei.

5. Die Zweitbeschwerdeführerin reiste mit ihren Kindern im März 2012 nach Österreich. Dort stellte sie für sich und ihre Kinder am 25.03.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz. Zu ihren Fluchtgründen befragt gab sie an, dass der Erstbeschwerdeführer in Serbien von der Polizei sowie anderen Serben schikaniert worden sei, weshalb dieser vor einem Monat nach Österreich geflüchtet sei. Da sie ohne den Erstbeschwerdeführer in Serbien nicht überleben könne, sei sie mit den Kindern zum Erstbeschwerdeführer in Österreich nachgereist. Sie selber habe keine Fluchtgründe, auch ihre Kinder haben keine eigenen Fluchtgründe.

Die Zweitbeschwerdeführerin wurde am 02.04.2012 vor dem Bundesasylamt zu ihren eigenen Fluchtgründen und den Fluchtgründen ihrer Kinder befragt. Die Zweitbeschwerdeführerin gab an, dass sie in Serbien eine Halbschwester habe. Sie könne in Serbien nicht leben. Sie sei misshandelt worden und müsse Beruhigungsmittel nehmen. Es seien Männer zu ihr ins Haus gekommen, diese haben sie geschlagen und bedroht. Der Erstbeschwerdeführer sei von der Polizei geschlagen worden. Sie und ihre Kinder seien malträtiert worden. Ihre Kinder haben jedoch keine eigenen Fluchtgründe.

Mit Bescheiden vom 03.04.2012 wurden die Anträge der Zweit- bis Sechstbeschwerdeführer zur Gänze abgewiesen und die Beschwerdeführer nach Serbien ausgewiesen.

6. Die Beschwerdeführer stellten am 27.04.2012 Anträge auf unterstützte freiwillige Rückkehr.

Sämtliche Beschwerdeführer reisten am 08.05.2012 aus Österreich aus und am 09.05.2012 nach Serbien zurück.

Das Beschwerdeverfahren des Erstbeschwerdeführers vor dem Asylgerichtshof wurde mit Verfahrensordnung vom 14.05.2012 aufgrund der freiwilligen Ausreise als gegenstandslos abgelegt.

7. Die Zweitbeschwerdeführerin reiste mit den Dritt- bis Sechstbeschwerdeführern im Dezember 2013 nach Österreich. Dort stellten diese am 11.12.2013 einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz. Bei der Erstbefragung am 11.12.2013 gab die Zweitbeschwerdeführerin an, dass sie am 08.12.2013 in Wien angekommen seien und sich dort bei einem Freund ihres Mannes aufgehalten haben. Serbien habe sie verlassen, da Roma dort unerwünscht seien. Sie werde dort von der Polizei und der Bevölkerung schikaniert. Für sie und ihre Kinder sei ein normales Leben dort nicht möglich. Seit ihrer letzten Rückkehr sei das Leben dort noch schwerer, da ihr Mann 2-mal für jeweils 3 Monate eingesperrt gewesen sei. Ihre Kinder haben dieselben Fluchtgründe wie sie.

Die Zweitbeschwerdeführerin wurde am 18.12.2013 vom Bundesasylamt zu ihren Fluchtgründen und den Fluchtgründen ihrer Kinder befragt. Die Zweitbeschwerdeführerin gab zu den Fluchtgründen an, dass ihre Kinder in der Schule beschimpft worden seien. Ihre Kinder haben nicht mehr in die Schule gehen wollen, da diese Angst vor anderen Serben haben. Nach der letzten Rückkehr sei der Erstbeschwerdeführer festgenommen worden, er sei 3 Monate im Gefängnis gewesen. Sonst haben sie keine Fluchtgründe. Der Erstbeschwerdeführer sei 10 Tage nach der Rückkehr und danach noch einmal nach ca. 2 Monaten in Schlägereien verwickelt gewesen. Sie wisse nicht, wo sich der Erstbeschwerdeführer derzeit aufhalte, dieser habe nicht nach Österreich mitkommen wollen.

Mit Bescheiden vom 19.12.2013 wurden die Anträge der Zweit- bis Sechstbeschwerdeführer auf internationalen Schutz zur Gänze abgewiesen. Die Beschwerdeführer wurden nach Serbien ausgewiesen. Einer Beschwerde wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Die Zweit- bis Sechstbeschwerdeführer erhoben gegen diesen Bescheid am 27.12.2013 Beschwerde.

Die Zweit- bis Sechstbeschwerdeführer reisten am 14.01.2014 freiwillig aus Österreich aus. Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde aufgrund der freiwilligen Ausreise für gegenstandslos erklärt.

8. Der Erstbeschwerdeführer reiste am 18.03.2018 erneut von Serbien nach Österreich. Er ist mit seinem Cousin schlepperunterstützt nach Österreich eingereist. Er stellte am 18.03.2018 in Österreich einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz. Der Erstbeschwerdeführer gab bei seiner Erstbefragung am 29.03.2018 an, dass er Serbien verlassen habe, da er dort nicht mehr leben könne. Er habe seine Familie im letzten Jahr aus Müllcontainern ernährt, weil er keine geregelte Arbeit habe. Er werde weder politisch noch religiös verfolgt. Er wolle nur ein schöneres Leben haben. Dies seien alle seine Fluchtgründe und Ereignisse. Er habe keine weiteren Gründe für seine Asylantragstellung.

Der Cousin des Erstbeschwerdeführers entzog sich durch Untertauchen dem Asylverfahren. Er reiste am 07.05.2018 freiwillig aus Österreich aus.

9. Die Zweitbeschwerdeführerin und der Drittbeschwerdeführer stellten für sich und die Viert- bis Sechstbeschwerdeführer am 04.04.2018 Asylanträge in Österreich.

Die Zweitbeschwerdeführerin gab bei ihrer Erstbefragung am 05.04.2018 an, dass sie als Roma in Serbien kein normales Leben führen könne. Sie werde ständig von Serben diskriminiert und die Polizei unternehme nichts.

Der Drittbeschwerdeführer gab bei seiner Erstbefragung am 05.04.2018 an, dass seine Mutter die Reise nach Österreich organisiert habe. Er sei 8 Jahre in die Schule gegangen. Dort seien er und seine Familie diskriminiert worden. Er habe die Schule abbrechen müssen, weil er von den Mitschülern und den Lehrern verstoßen worden sei. Roma seien in Serbien nicht geduldet.

10. Der Erstbeschwerdeführer wurde am 05.04.2018 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) einvernommen. Dort gab er an, dass er keinen Kontakt mehr zu seiner Familie habe, seit er in Österreich sei. Er stelle einen Asylantrag, da er als Zigeuner vollkommen rechtlos sei. Weder er noch seine Kinder haben ein Recht auf Schulbildung. Seine Kinder seien in der Schule angespuckt worden. Er sei als Zigeuner schikaniert worden. Er sei mehrfach von Serben und der Polizei geschlagen worden. Man habe ihm auch den Müll weggenommen, den er für den Verkauf gesammelt habe. Auch seine Kinder würden in der Schule geschlagen werden. Er habe vor zwei bis drei Monaten eine Bestätigung des Bürgermeisters erhalten, wonach er sich an die Polizei wenden solle und er nicht mehr angerührt werden dürfe.

11. Die Zweitbeschwerdeführerin wurde am 17.04.2018 beim Bundesamt einvernommen. Sie gab an, dass sie in Serbien verurteilt worden sei, da sie illegal Strom bezogen habe. Sie könne nicht nach Serbien zurück, da sie von der Polizei misshandelt worden sei. Sie sei von der Polizei gefesselt worden und habe vor Gericht alles zugeben müssen.

Der Drittbeschwerdeführer wurde ebenfalls am 17.04.2018 beim Bundesamt einvernommen. Er gab dort an, dass er erneut einen Asylantrag stelle, da die Lebensbedingungen in Serbien sehr schlecht seien. Er sei als Zigeuner beschimpft worden. Er und seine Familie seien in Serbien beschimpft und geschlagen worden. Er werde in Serbien von denen verfolgt, die ihn und seine Familie nicht mögen.

Ein ärztliches Gutachten vom 14.06.2018 ergab bei der Zweitbeschwerdeführerin eine Persönlichkeitsstörung.

Mit gegenständlichen Bescheiden des Bundesamtes vom 10.07.2018 wurden die Anträge aller Beschwerdeführer auf internationalen Schutz zur Gänze abgewiesen, es wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen sowie die Abschiebung nach Serbien für zulässig erklärt. Es wurde gegen die Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen und einer Beschwerde gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Die Beschwerdeführer erhoben gegen die Bescheide vom 10.07.2018 fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Sie brachten im Wesentlichen vor, dass sie als Angehörige der Roma Misshandlungen, Diskriminierungen sowie Beschimpfungen ausgesetzt seien. Der Erstbeschwerdeführer sowie die Zweitbeschwerdeführerin seien mehrfach physisch misshandelt worden. Von der serbischen Polizei seien diese malträtiert und diskriminiert worden. Die übrigen Beschwerdeführer seien in der Schule ebenfalls geschlagen und diskriminiert worden. Diesbezüglich gebe es in Serbien keinen effektiven Rechtsschutz. Es habe sich die Lage für Roma in Serbien verschlechtert. Zudem leide die Zweitbeschwerdeführerin an psychischen Erkrankungen, nämlich an psychischen Problemen und einer Persönlichkeitsstörung. Es bestehe bei der Zweitbeschwerdeführerin Suizidgefahr. Die Viertbeschwerdeführerin leide an Epilepsie. Die Beschwerdeführer würden in Serbien keine ausreichende Behandlung erhalten. Die beigezogenen Länderberichte seien zudem nicht aktuell und würden sich mit den Rückkehrhindernissen der Beschwerdeführer nicht ausreichend auseinandersetzen. Auch sei das Kindeswohl bei den Beschwerdeführern nicht ausreichend berücksichtigt worden. Den Beschwerdeführern stehe in Serbien kein Rechtsschutz zur Verfügung. Zudem haben die Angaben bei der Erstbefragung zu den Fluchtgründen nicht für die Beweiswürdigung herangezogen werden dürfen. Eine Rückkehrentscheidung würde in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführer eingreifen und sei nicht zulässig. Die Beschwerdeführer haben sich in Österreich nichts zu Schulden kommen lassen, sodass das Einreiseverbot rechtswidrig sei.

Die Beschwerdeführer stellten am 12.09.2018 einen Antrag auf unterstützte freiwillige Rückkehr. Das Bundesamt stimmte einer unterstützten freiwilligen Rückkehr zu und zwar der Übernahme der Reisekosten sowie einer finanziellen Starthilfe von EUR 50,00 je Beschwerdeführer.

Die Beschwerdeführer entzogen sich dem Beschwerdeverfahren. Diese waren seit 19.09.2018 von der ihnen mit Wohnsitzauflage zugewiesenen Unterkunft abwesend. Seit 20.09.2018 waren die Beschwerdeführer nicht mehr im ZMR erfasst. Die Beschwerdeführer tauchten unter und entzogen sich dem Asylverfahren.

12. Die Beschwerdeführer reisten am 22.09.2018 nach Deutschland. Dort stellten diese am 08.10.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz. Der Erstbeschwerdeführer hat in Deutschland angegeben, dass seine Frau in Serbien zweimal vergewaltigt worden sei und sie als Roma keine Rechte haben. Die Kinder seien in der Schule als Zigeuner beschimpft und bespuckt worden. Er habe Sachen gesammelt, die andere Leute weggeworfen haben, aber dies sei ihm verboten worden. Die Polizei habe ihm die Begehung von Einbrüchen vorgeworfen, die er aber nicht begangen habe. Er sei von der Polizei auch geschlagen worden. Seine Lebensgefährtin sei in Serbien vergewaltigt worden. Er habe einen der Täter mit einer Metallstange geschlagen, da er gedacht habe, dass dieser seine Lebensgefährtin vergewaltigt habe. Er sei nach seiner Rückkehr aus Österreich wieder nach Serbien eingereist. Er sei dort bedroht worden und habe daher nach 2-3 Tagen Serbien wieder verlassen und er sei mit seiner Familie nach Deutschland gereist.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat den gestellten Antrag vom 08.10.2018 zunächst als unzulässig abgelehnt, da Österreich nach der Dublin-III-VO für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz zuständig sei.

Mit Aktenvermerk vom 25.10.2018 hielt das BVwG fest, dass den Beschwerden der Beschwerdeführer die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt wird.

Mit Bescheid vom 22.05.2019 wurde – nach einem Selbsteintritt und einer inhaltlichen Prüfung des Asylantrages der Beschwerdeführer durch Deutschland – der Antrag der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz zur Gänze als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Es wurde festgestellt, dass keine Abschiebungsverbote vorliegen. Die Beschwerdeführer wurden aufgefordert, innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung Deutschland zu verlassen. Es wurde ein Einreise- und Aufenthaltsverbot von 10 Monaten angeordnet.

Mit Schreiben vom 27.05.2019 teilte Deutschland mit, dass das Übernahmeersuchen gegenüber Österreich zurückgezogen werde und dass bereits ein Eintritt ins inhaltliche Asylverfahren erfolgt ist.

Die Beschwerdeführer erhoben gegen den Bescheid vom 22.05.2019 Rechtsmittel in Deutschland. Nachdem die Beschwerdeführer den Aufforderungen des Rechtsmittelgerichts nicht nachkamen, wurden die Rechtsmittelverfahren mit Beschluss vom 16.10.2019 eingestellt.

Mit Beschluss vom 05.06.2019 stellte das Bundesverwaltungsgericht das Beschwerdeverfahren ein, da sich die Beschwerdeführer dem Asylverfahren entzogen haben.

13. Am 14.11.2019 kamen die Beschwerdeführer in eine Polizeiinspektion in Österreich. Dort begehrten diese Asyl.

14. Der Erstbeschwerdeführer wurde in Österreich mit Urteil eines Bezirksgerichts vom 04.09.2020 wegen des Vergehens des Diebstahls gem. § 127 StGB rechtskräftig zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 14 Tagen, unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren, verurteilt.

15. Da die Beschwerdeführer wieder in Österreich aufhältig sind, wurde das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht fortgesetzt. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 26.01.2021 eine mündliche Verhandlung durch.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zu den Personen der Beschwerdeführer:

1.1.1. Der Erstbeschwerdeführer, XXXX , geboren am XXXX , ist der Lebensgefährte der Zweitbeschwerdeführerin, XXXX , geboren am XXXX . Der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin sind die Eltern des Drittbeschwerdeführers, XXXX , geboren am XXXX auch XXXX , der Viertbeschwerdeführerin, XXXX , geboren am XXXX , des Fünftbeschwerdeführers, XXXX , geboren am XXXX und des Sechstbeschwerdeführers, XXXX , geboren am XXXX . Die Beschwerdeführer sind serbische Staatsangehörige, christlich orthodoxen Glaubens und Angehörige der Volksgruppe der Roma. Ihre Muttersprache ist Serbisch (Verhandlungsprotokoll vom 26.01.2021, OZ 19 im Akt des Erstbeschwerdeführers = BF1).

1.1.2. Der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin wurden in XXXX in Serbien geboren und sind dort aufgewachsen (OZ 19, S. 9, 20).

Der Erstbeschwerdeführer hat mehrere Jahre eine Schule besucht. Er hat zeitweise als Bauhilfsarbeiter gearbeitet und Altstoffe gesammelt, die er verkauft hat, um den Lebensunterhalt der Familie zu sichern (OZ 19, S. 9; Akt BF1, AS 3, 17, 55).

Die Zweitbeschwerdeführerin hat mehrere Jahre eine Schule besucht und gelegentlich als Hilfskraft oder Putzfrau gearbeitet (OZ 19, S. 25, 38).

Es konnte nicht festgestellt werden, ob der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin verheiratet sind.

1.1.3. Der Drittbeschwerdeführer wurde in XXXX , Serbien geboren, ist in XXXX aufgewachsen und hat acht Jahre die Grundschule besucht. Er hat mit seinem Vater Altstoffe gesammelt (OZ 19, S. 36; Akt BF3, AS 27 f).

Die Viertbeschwerdeführerin wurde ebenfalls in XXXX , Serbien, geboren (OZ 19, S. 41). Die Viert- bis Sechstbeschwerdeführer haben in Serbien (unregelmäßig) die Schule besucht (OZ 19, S. 13).

Die Beschwerdeführer wurden nach den serbischen Gepflogenheiten sozialisiert.

1.1.4. Die Beschwerdeführer haben in Serbien in der Stadt XXXX in einem Haus gelebt (OZ 19, S. 9).

1.1.5. Die Zweitbeschwerdeführerin wurde in Serbien mehrmals mit Urteilen eines Bezirksgerichts vom 04.04.2011, 30.08.2011, 16.11.2011, 28.01.2014, 29.04.2014, 20.11.2015, 20.01.2016, 12.02.2016, 21.04.2016, 13.07.2016 und 15.11.2016 zu bedingten Freiheitsstrafen verurteilt.

Die Zweitbeschwerdeführerin hat die Stromleitung ihres Hauses vorbei an dem Messgerät illegal an das Vertriebsnetz angeschlossen und somit Strom verbraucht, ohne dafür zu bezahlen. Sie hat Schulden in Höhe von 64.599,19 Dinar (rund 550 Euro) (Akt BF2, AS 107 bis 133).

1.1.6. Die Beschwerdeführer verfügen nach wie vor über Familienangehörige in Serbien.

1.1.7. Die Zweitbeschwerdeführer leidet an einer Persönlichkeitsstörung (Akt BF2, AS 79). Sie nimmt Medikamente und besucht seit einem dreiviertel Jahr alle zwei Wochen eine Psychologin (OZ 19, S. 29). Es liegt keine akute Selbst- oder Fremdgefährdung vor (Akt BF1, OZ 20). Bei der Zweitbeschwerdeführerin bestand eine Medikamentenabhängigkeit von Benzodiazepinen (Beilage ./I). Sie ist arbeitsfähig (OZ 19, S. 27).

Die minderjährige Viertbeschwerdeführerin leidet an Epilepsie (Akt BF2, AS 52). Sie nimmt keine Medikamente und ist nicht in Behandlung (OZ 19, S. 42).

Der minderjährige Fünftbeschwerdeführer war von 28.01.2021 bis 01.02.2021 aufgrund einer idiopathisch peripheren Fazialisparese (Gesichtslähmung) stationär in einem Krankenhaus aufhältig. Der Fünftbeschwerdeführer hat einen Augenverband sowie eine Salbe und Augentropfen erhalten (Akt BF1, OZ 20).

Der minderjährige Sechstbeschwerdeführer hat an einer Angststörung mit Panikattacken und einer posttraumatischen Belastungsstörung gelitten (Beilage ./K). In Deutschland wurden ihm Medikamente verschrieben. Derzeit geht er in keine psychologische Betreuung und nimmt auch keine Medikamente (OZ 19, S. 15, 29).

Der Erstbeschwerdeführer und der Drittbeschwerdeführer leiden an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten. Sie sind gesund und arbeitsfähig (OZ 19, S. 7, 14. 38).

1.2. Zum (Privat)Leben der Beschwerdeführer in Österreich:

1.2.1. Der Erstbeschwerdeführer reiste das erste Mal im Februar 2012 mit seinem Bruder, die Zweitbeschwerdeführerin mit den Dritt- bis Sechstbeschwerdeführern im März 2012 nach Österreich. Mit Bescheiden wurden die Anträge der Beschwerdeführer zur Gänze abgewiesen und diese nach Serbien ausgewiesen. Die Beschwerdeführer stellten am 27.04.2012 Anträge auf unterstützte freiwillige Rückkehr. Sämtliche Beschwerdeführer reisten am 08.05.2012 aus Österreich aus und am 09.05.2012 nach Serbien zurück.

Die Zweitbeschwerdeführerin reiste mit den Dritt- bis Sechstbeschwerdeführer im Dezember 2013 erneut nach Österreich. Dort stellten diese am 11.12.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheiden vom 19.12.2013 wurden die Anträge der Zweit- bis Sechstbeschwerdeführer auf internationalen Schutz zur Gänze abgewiesen. Die Beschwerdeführer wurden nach Serbien ausgewiesen. Die Zweit- bis Sechstbeschwerdeführer reisten am 14.01.2014 freiwillig aus Österreich aus.

Die Beschwerdeführer reisten im März (Erstbeschwerdeführer) bzw. April (Zweit- bis Sechstbeschwerdeführer) 2018 erneut nach Österreich. Sie reisten anschließend nach Deutschland, wo sie ebenfalls einen Antrag auf internationalen Schutz stellten, der als offenbar unbegründet abgewiesen wurde. Es wurde ein Einreise- und Aufenthaltsverbot von 10 Monaten angeordnet. Sie halten sich zumindest seit November 2019 wieder in Österreich auf.

1.2.2. Der Erstbeschwerdeführer wurde in Österreich mit Urteil eines Bezirksgerichts vom 11.08.2020 wegen des Vergehens des Diebstahls gem. § 127 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 14 Tagen, bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren, verurteilt. Er ist nicht geständig (Akt BF1, OZ 15; OZ 19, S. 16).

Die Zweitbeschwerdeführerin stand im Verdacht, am 14.01.2014 ihre unmündigen Kinder zum Diebstahl diverser Lebensmittel im Wert von 36,77 Euro angestiftet zu haben. Die Zweitbeschwerdeführerin wurde dabei beobachtet, ihren Kindern Anweisungen erteilt zu haben, Lebensmittel einzustecken und diese, ohne sie zu bezahlen, aus dem Geschäft zu bringen und in einem Spint zwischenzulagern (Akt BF2, AS 185 ff).

Der Drittbeschwerdeführer hat am 03.09.2020 aus einem Lebensmittelgeschäft Getränkedosen und Fertigsandwiches in seinem Rucksack verwahrt und anschließend das Geschäft verlassen, ohne die Waren an der Kasse zu bezahlen. Der Drittbeschwerdeführer wurde anhand der Videoüberwachung ausfindig gemacht. Ihm wurde aufgetragen, gemeinnützige Arbeit zu verrichten. Diese hat er bis dato nicht verrichtet (OZ 19, S. 39; Akt BF3, OZ 16).

1.2.3. Der Erstbeschwerdeführer hat in Österreich einen Alphabetisierungskurs besucht (OZ 19, S. 14). Er verfügt lediglich über geringe Deutschkenntnisse, geht keiner Erwerbstätigkeit nach und verrichtet in Österreich keine gemeinnützige Arbeit, er ist auch nicht Mitglied in einem Verein (OZ 19, S. 14).

Die Zweitbeschwerdeführerin verfügt über lediglich geringe Deutschkenntnisse auf Niveau A1. Sie geht in Österreich keiner Erwerbstätigkeit nach und verrichtet keine gemeinnützige Arbeit, sie ist auch nicht Mitglied in einem Verein (OZ 19, S. 26 f).

Der Drittbeschwerdeführer hat einen Alphabetisierungskurs abgeschlossen und besucht einen Deutschkurs für Niveau A1 (OZ 19, S. 38, Beilage ./A). Er geht keiner Erwerbstätigkeit nach, ist auch nicht Mitglied in einem Verein und verrichtete keine gemeinnützige Arbeit.

Die Viert- und der Fünftbeschwerdeführer besuchen in Österreich eine Neue Mittelschule (Beilagen ./B und C). Im Sommer 2020 besuchten die Viert- bis Sechstbeschwerdeführer die Sommerschule (Beilagen ./ D bis F).

Die Viertbeschwerdeführerin konnte während ihrem Aufenthalt in Österreich freundschaftliche Kontakte, insbesondere zu SchulkollegInnen, knüpfen (OZ 19, S. 42). Die Beschwerdeführer haben in Österreich keine Verwandten und keine engen sozialen Anknüpfungspunkte in Österreich.

Die Beschwerdeführer wohnen derzeit in Österreich in einem gemeinsamen Haushalt (OZ 19, S. 14, Beilage ./I)

1.3. Zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführer:

1.3.1. Die Zweitbeschwerdeführerin wurde in Serbien nicht vergewaltigt. Der Erstbeschwerdeführer wurde von dem Mann, der die Zweitbeschwerdeführerin vergewaltigt haben soll, nicht bedroht und der Bruder der Zweitbeschwerdeführerin nicht von diesem Mann umgebracht.

1.3.2. Die Zweitbeschwerdeführerin wurde in Serbien nicht von der Polizei gefesselt und misshandelt.

1.3.3. Die Beschwerdeführer wurden in Serbien aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Roma nicht verfolgt, misshandelt oder von der Polizei malträtiert.

Ihnen droht weder aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit noch aus anderen Gründen in Serbien physische oder psychische Gewalt. Sie sind keiner Verfolgung oder Lebensgefahr ausgesetzt.

Im Fall der Rückkehr nach Serbien droht den Beschwerdeführern weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in ihre körperliche Integrität durch staatliche Organe oder durch andere Personen.

1.4. Zu einer möglichen Rückkehr der Beschwerdeführer in den Herkunftsstaat:

Den Beschwerdeführern droht weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in ihre körperliche Unversehrtheit in Serbien.

Den Beschwerdeführern ist es möglich, ihre grundlegenden und notwendigen Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, in Serbien zu befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

Der Erstbeschwerdeführer kann in Serbien einer Arbeit nachgehen und für den Lebensunterhalt der Familie sorgen. Er kann in Serbien auch Sozialleistungen beziehen und von Verwandten unterstützt werden.

Auch die Zweit- und der Drittbeschwerdeführer können in Serbien einer Arbeit nachgehen und dadurch zum Lebensunterhalt der Familie beitragen.

Die Viert- bis Sechstbeschwerdeführer können in Serbien eine Schule besuchen und ihre Schulbildung fortsetzen bzw. eine Berufsausbildung beginnen.

1.5. Zur aktuell vorliegenden Pandemie aufgrund des Corona-Virus:

COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet. In Österreich gibt es mit Stand 27.05.2021, 639.124 bestätigte Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen und 10.573 Todesfälle (https://www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus/Neuartiges-Coronavirus-(2019-nCov).html); in Serbien wurden zu diesem Zeitpunkt 710.729 Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen, wobei 6.801 diesbezügliche Todesfälle bestätigt wurden (https://covid19.who.int/region/euro/country/rs).

Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten, Immunschwächen, etc.) auf.

1.6. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat:

Die Länderfeststellungen zur Lage in Serbien basieren auf nachstehenden Quellen:

-        Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Serbien vom 05.06.2020 mit Kurzinformation vom 01.07.2020 (LIB)

-        ACCORD Anfragebeantwortung zu Serbien vom 05.09.2019 „Behandlungsmöglichkeiten für paranoide Schizophrenie, Verfügbarkeit von Seroquel, Risperidon o.ä; Behandlungskosten; Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher (ACCORD)

-        Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Serbien vom 28.01.2020 „Depressionen und diverse Krankheiten; Medikation“ (AB Depression)

-        Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Serbien vom 07.07.2020 „Psychiatrische Erkrankungen, Polytoxikomanie“ (AB Psychiatrische Erkrankungen)

-        Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Serbien vom 01.09.2020 „COPD, Epilepsie, Diabetes u.a., Medikamente, Pflegeeinrichtungen“ (AB Epilepsie)

1.6.1. Sicherheits- und Politische Lage (LIB):

Serbien gilt als sicherer Herkunftsstaat.

Die Stärkung der serbischen Wirtschaft ist seit Jahren eines der innenpolitischen Hauptthemen. Als EU-Beitrittskandidat strebt Serbien nach Anpassung an die EU-Standards. Armut in Serbien ist v.a. ein ländliches Phänomen und betrifft außerdem sozial benachteiligte Gruppe überproportional, unter anderem Roma. Anspruch auf Sozialhilfe haben in Serbien Bürger, die arbeitsunfähig sind und auch sonst keine Mittel zum Unterhalt haben.

Die politische Lage ist stabil. Die Verfassung sieht eine unabhängige Justiz vor. Serbien hat im Bereich der Justiz einige Fortschritte erzielt, aber die Gerichte bleiben weiterhin anfällig für Korruption und politischen Einfluss. Prinzipiell kann sich jede Person in Serbien, die sich privaten Verfolgungshandlungen ausgesetzt sieht, sowohl an die Polizei wenden als auch direkt an die Staatsanwaltschaft oder schriftlich eine Anzeige einbringen.

Die Polizei des Landes untersteht der Aufsicht des Innenministeriums, wobei die Behörden eine wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte ausüben. Die Effektivität der Polizei variiert.

Korruption gehört zu den zentralen politischen Problemen in Serbien, mit weitreichenden negativen Auswirkungen auf das Funktionieren vom politischen System, staatlichen Institutionen und der serbischen Wirtschaft. Systemische Korruption findet sich heute vor allem bei der Vergabe öffentlicher Aufträge und der Verteilung anderer staatlicher Haushaltsmittel, sowie im Gesundheits- und Bildungswesen. Korruption in der Wirtschaft findet v.a. an den Schnittstellen zu staatlichen Institutionen statt.

Die rechtlichen und institutionellen Rahmen für die Wahrung der Grundrechte sind weitgehend vorhanden. Die Lage der Menschenrechte in Serbien ist insgesamt gut.

1.6.2. Medizinische Situation:

Eine medizinische Versorgung nach deutschem Standard ist in Serbien, vor allem außerhalb der größeren Städte, nicht landesweit gewährleistet. Auch Krankenhäuser verfügen nicht immer über eine adäquate Ausstattung und sind mitunter nicht in der Lage, Patienten mit bestimmten Krankheitsbildern angemessen medizinisch zu versorgen (LIB).

Das Gesundheits- und Krankenversicherungssystem ist in zwei Gruppen aufgeteilt: Öffentlich (kostenlos) und privat. Behandlungen und Medikamente sind gänzlich kostenlos für alle Bürger, die im öffentlichen Krankenversicherungssystem registriert sind. Eine flächendeckende Versorgung mit der notwendigen medizinischen Ausrüstung ist nunmehr landesweit gegeben (LIB).

Für folgende Bürger sind Kosten und Leistungen von der Krankenversicherung abgedeckt: Neugeborene und Kinder bis zu sechs Jahren, einschließlich präventive und regelmäßige Check-Ups, Impfungen und spezielle Gesundheitspflege, Schulkinder und junge Erwachsene bis zu 19 Jahren wie Kinder bis sechs; Frauen: volle medizinische Leistungen abgedeckt; Erwachsene: volle medizinische Leistungen abgedeckt. Einfache medizinische Einrichtungen können in ganz Serbien in fast jedem Ort gefunden werden. Die größten Krankenhäuser in Serbien befinden sich in Novi Sad, Belgrad, Kragujevac und Nis. Um kostenlos behandelt zu werden, muss der Patient im Besitz einer staatlichen Krankenversicherung sein. Alle Medikamente sind erhältlich und die meisten Arzneimittel haben ähnliche Preise wie in anderen europäischen Ländern. Abhängig von der Art der Krankenversicherung sowie der Anspruchsberechtigung, kann die Behandlung entweder kostenlos oder nur teilweise gedeckt sein. Der öffentliche Krankenversicherungsfond wird durch Pflichtbeiträge aller erwerbstätigen Bürger oder Arbeitgeber im privaten Sektor finanziert. Arbeitslose Bürger besitzen eine Krankenversicherung auf Kosten des Staates. Sollte einer der Familienmitglieder eine Krankenversicherung besitzen, sind Familienmitglieder unter 26 Jahren automatisch versichert.

Rückkehrende Personen müssen das Anmeldeformular ausfüllen und gültige Ausweisdokumente beim öffentlichen Krankenversicherungsfond einreichen um den Zugang zum Gesundheitswesen haben zu können (AB Psychiatrische Erkrankungen).

Psychische Erkrankungen, u.a. Depressionen, Traumata, Schizophrenie, posttraumatische Belastungsstörungen (medikamentöse und psychologische Behandlung) und Epilepsie sind in Serbien behandelbar. Psychische Krankheiten werden in Serbien vorwiegend medikamentös behandelt. Es besteht jedoch (wenn auch in begrenztem Umfang) auch die Möglichkeit anderer Therapieformen, so gibt es z. B. für die Teilnahme an Gruppenpsychotherapie Wartelisten (LIB, AB Psychiatrische Erkrankungen). Neben dem Therapiezentrum in der Wojwodina existieren mittlerweile weitere Therapiezentren in Vranje, Leskovac und Bujanovac (Südserbien). Es gibt Kliniken für die Behandlung von Suchtkrankheiten (LIB).

Die Grundversorgung mit häufig verwendeten, zunehmend auch mit selteneren Medikamenten, ist gewährleistet. Spezielle Präparate sind jedoch in staatlichen Apotheken nicht immer verfügbar, können aber innerhalb weniger Tage auch aus dem Ausland bestellt werden, wenn sie für Serbien zugelassen sind (AB Psychiatrische Erkrankungen).

Das Gesundheitssystem ist, wie in den meisten traditionellen Systemen in der Erkennung, Diagnose und Behandlung von psychischen Zuständen gut entwickelt. Medikamente sind mit den Verschreibungen/Rezepten erhältlich. Die Psychotherapie ist im privaten Sektor gut entwickelt (AB Depressionen).

1.6.3. Zur Minderheit der Roma:

Roma sind, wie alle Einwohner der Republik Serbien, vor dem Gesetz gleich. In Serbien gibt es entsprechende Stellen auf Republiksebene (Ministerium für Menschen- und Minderheitenrechte, Staatsverwaltung und lokale Selbstverwaltungs-Abteilung für Menschen- und Minderheitenrechte), als auch auf der lokalen Ebene (Stadtgemeinden-Ombudsmann), an die sich Roma im Falle erlittenen Unrechts wenden können. Weiters bestehen auch zahlreiche NGOs, welche sich mit Rechten der nationalen Gemeinschaften befassen (LIB).

Es gibt in Serbien keine „besonderen“ Rechtsschutzmittel betreffend Übergriffe gegen Roma-Angehörige. Diese sind, wie alle Einwohner der Republik Serbien, vor dem Gesetz gleich (LIB).

In der serbischen Öffentlichkeit sind Vorbehalte und Vorurteile gegen Angehörige bestimmter Minderheiten, darunter auch Roma, unverändert weit verbreitet. Allerdings sind in bestimmten Bereichen auch Fortschritte zu verzeichnen (z.B. höhere Einschulungsquote von Roma-Kindern, Einsatz pädagogischer Assistenten und Roma-Mediatorinnen oder Anerkennung von Schulbüchern in Minderheitensprachen). Im März 2016 verabschiedete die Regierung eine neue Strategie für die Inklusion von Roma (2016-2025), im Juni 2017 den zugehörigen Aktionsplan. Dieser ist Teil der Verpflichtungen aus EU-Verhandlungskapitel 23 (Justiz und Grundrechte). Die Strategiedokumente gelten als gut ausgearbeitet, die Umsetzung (und Finanzierung) bleibt fraglich. Roma haben, sofern sie mit einem ständigen Wohnsitz registriert sind, grundsätzlich Zugang zu allen staatlichen Einrichtungen und Dienstleistungen. Allerdings stellt die Registrierung in der Praxis ein ernsthaftes Hindernis beim Zugang zu Sozialleistungen, Gesundheitsfürsorge, Bildungseinrichtungen und Wohnraum dar. Serbiens Regierung ist in den vorigen Jahren das Problem der „rechtlichen Unsichtbarkeit“ von Roma angegangen: Seit 2012 ist mit dem Gesetz über dauerhaften und temporären Wohnsitz die Registrierung in einem Sozialamt möglich. Dennoch gestalten sich Einzelfälle oft schwierig. Insgesamt hat sich in den letzten Jahren die Situation der Roma verbessert. Staatliche Programme wie die Beschäftigung von Roma-Gesundheitsmediatorinnen, Zugang zu „Gesundheitsbüchlein“ und damit zum Gesundheitssystem - auch für nicht registrierte Personen - sowie die Einstellung von Pädagogischen Assistenten an Schulen zeigen erste Erfolge (LIB).

In Serbien ist ein breites Angebot an Schulen vorhanden. Es besuchen 98% aller Kinder in Serbien die Grundschule, bei den Kinder der Roma-Minderheit sind es rund 84% (LIB).

1.6.5. Sonstiges:

Serbische Staatsangehörige, die zurückgeführt wurden, können nach ihrer Ankunft unbehelligt in ihre Heimatstädte fahren. Eine Befragung durch die Polizei u.ä. findet nicht statt, sofern nicht in Serbien aus anderen Gründen Strafverfahren anhängig sind.

In Serbien wird konkrete Unterstützung bei der Reintegration von Rückkehrenden angeboten. Außerdem stellt das DIMAK Beratungszentrum (Deutsches Informationszentrum für Migration, Ausbildung und Karriere in Serbien) durch sein “Build Your Future”-Programm immaterielle Unterstützung bei der Reintegration zur Verfügung. Zusätzlich organisiert DIMAK in Zusammenarbeit mit Firmen, die neues Personal suchen, regelmäßig Berufsmessen in Serbien. Nach der Rückkehr kann die rückkehrende Person sich bei relevanten Behörden und Stellen (wieder) anmelden, sich für die (staatliche) Krankenversicherung/Rentenversicherung anmelden, Sozialhilfe beantragen, Stellen kontaktieren - die bei der Arbeits- und Wohnungssuche unterstützen – sowie die Anmeldung bei Kinderbetreuung, Schule und weitere Bildungsinstitutionen in die Wege leiten.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in die Verwaltungsakten sowie in die Gerichtsakten, insbesondere durch Einsicht in die von Deutschland übermittelten Unterlagen, durch Einvernahme der Erst- bis Viertbeschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung und durch Einsichtnahme in die in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Urkunden.

Die Feststellungen basieren auf den in den Klammern angeführten Beweismitteln.

2.1. Zu den Feststellungen zur Person der Beschwerdeführer:

2.1.1 Die Feststellungen zum Namen und zum Geburtsdatum der Beschwerdeführer ergeben sich aus ihren dahingehend übereinstimmenden Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in der Beschwerde und in der mündlichen Beschwerdeverhandlung sowie aus den im Verfahren vorgelegten kosovarischen Reisepässen der Zweit- bis Sechstbeschwerdeführer. Die getroffenen Feststellungen zum Namen und zum Geburtsdatum der Beschwerdeführer gelten ausschließlich zur Identifizierung der Personen der Beschwerdeführer im Verfahren.

Zu dem in der mündlichen Beschwerdeverhandlung genannten Geburtsdatum des Drittbeschwerdeführers ist festzuhalten, dass dieser vor dem Bundesamt angab, am XXXX geboren zu sein (Akt BF3, AS 1, 25). Sowohl in dem in Deutschland geführten Verfahren als auch in der mündlichen Beschwerdeverhandlung erklärte er, am XXXX geboren zu sein (OZ 19, S. 35). Auch der im Akt einliegenden Kopie des abgelaufenen Reisepasses des Drittbeschwerdeführers ist das Geburtsdatum XXXX zu entnehmen. Den Widerspruch vorgehalten gab der Drittbeschwerdeführer an, dass „die in Traiskirchen einen Fehler gemacht [haben]“ (OZ 19, S. 35). Da der Drittbeschwerdeführer sowohl in seinem Verfahren in Deutschland als auch in der mündlichen Beschwerdeverhandlung das gleiche Geburtsdatum nannte und dieses auch jenem in der Reispasskopie entspricht, sind die Angaben des Drittbeschwerdeführers hinsichtlich seines korrigierten Geburtsdatums glaubhaft und plausibel.

2.1.2. Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführer, ihrer Herkunft, ihrer Religions- und Volksgruppenzugehörigkeit und ihrer Muttersprache gründen sich auf die diesbezüglich unbestrittenen Feststellungen des Bundesamtes in den angefochtenen Bescheiden sowie auf die diesbezüglich schlüssigen und stringenten Angaben der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt und dem Bundesverwaltungsgericht. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im gesamten Verfahren gleich gebliebenen Aussagen zu zweifeln.

2.1.3. Aufgrund der widersprüchlichen Angaben des Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin vor dem Bundesverwaltungsgericht konnte nicht festgestellt werden, ob diese (traditionell) verheiratet sind oder lediglich in einer Lebensgemeinschaft zusammenleben.

Sowohl der Erstbeschwerdeführer als auch die Zweitbeschwerdeführerin gaben in der mündlichen Beschwerdeverhandlung nach ihrem Familienstand befragt an, dass sie weder standesamtlich noch nach einer Roma-Tradition geheiratet hätten (OZ 19, S. 9, 21):

„R: Sind Sie verheiratet, oder leben Sie in einer Lebensgemeinschaft?

BF1: Ich bin nicht standesamtlich Verheiratet. Ich habe die BF2 auch nicht nach einer Roma-Tradition geheiratet, wir haben nie geheiratet. […]

R: Sind Sie verheiratet, oder leben Sie in einer Lebensgemeinschaft?

BF2: Ich habe meinen Ehemann, aber wir sind nicht standesamtlich verheiratet. Er ist mein erster Mann.

R: Haben Sie die Ehe nach einem Roma-Ritual geschlossen?

BF1: Nein, wir sind Roma, aber wir haben keine Ehe nach irgendwelcher Roma-Art geschlossen (OZ 19, S. 9, 21).

Die Zweitbeschwerdeführerin gab – ebenso in der Beschwerdeverhandlung – , danach befragt, wer für ihren Lebensunterhalt aufgekommen ist, völlig widersprüchlich dazu an:

„R: Wer ist dann für den Lebensunterhalt aufgekommen?

BF2: Mein Bruder und ich blieben alleine. Dann habe ich XXXX geheiratet“ (OZ 19, S. 21).

Auch im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt im Jahr 2012 erklärte die Zweitbeschwerdeführerin, dass sie ihren Ehemann nach einer Roma-Tradition geheiratet hätte.

Es ist nicht plausibel, dass der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin bezüglich ihres Familienstatus keine einheitlichen Angaben machen können und die Zweitbeschwerdeführerin einmal angibt, nicht verheiratet zu sein, jedoch einige Fragen später erklärt, den Erstbeschwerdeführer geheiratet zu haben. Aufgrund der derart widersprüchlichen Aussagen der Zweitbeschwerdeführerin konnte nicht festgestellt werden, ob der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin verheiratet sind.

2.1.4. Die Feststellungen hinsichtlich der Schulausbildung und der Arbeitstätigkeit des Erstbeschwerdeführers ergeben sich aus seinen Angaben im Verfahren. Da der Erstbeschwerdeführer bezüglich der Länge seiner Schulausbildung stets abweichende Angaben machte, konnte die genaue Dauer seines Schulbesuches nicht festgestellt werden.

In seiner Erstbefragung am 19.03.2018 gab er an, dass er fünf Jahre die Grundschule besucht hätte, während er in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt am 05.04.2018 angab, vier Jahre die Grundschule besucht zu haben (Akt BF1, AS 17, 55). In seinem ersten Asylverfahren in Österreich im Jahr 2012 erklärte der Erstbeschwerdeführer, dass er die Grundschule von 1986 bis 1992 – sohin sechs Jahre – besucht hätte. In seinem Asylverfahren in Deutschland gab der Erstbeschwerdeführer an, dass er vier Jahre die Schule besucht hätte (Akt BF1, OZ 13), während er wiederum widersprüchlich dazu in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht zu Protokoll gab, dass er nur für drei Jahre die Schule besucht hätte (OZ 19, S. 9).

Es ist nicht nachvollziehbar, dass der Erstbeschwerdeführer nicht gleichbleibend angeben kann, ob er drei, vier, fünf oder sechs Jahre lang die Grundschule besucht hat. Seine Angaben bezüglich der Dauer seines Schulbesuches sind daher nicht glaubhaft. Da der Erstbeschwerdeführer jedoch stets angab, eine Grundschule besucht zu haben, konnte von Seiten des erkennenden Gerichts davon ausgegangen werden, dass der Erstbeschwerdeführer mehrere Jahre eine Schule besuchte, die genaue Dauer konnte aufgrund der derart widersprüchlichen und nicht nachvollziehbaren Angaben jedoch nicht festgestellt werden.

2.1.5. Die Feststellungen zum Schulbesuch der Zweitbeschwerdeführerin und ihrer Arbeitserfahrung ergeben sich aus ihren eigenen sowie den Angaben des Drittbeschwerdeführers im Verfahren vor dem Bundesamt und dem Bundesverwaltungsgericht sowie den Angaben der Zweitbeschwerdeführerin im deutschen Asylverfahren.

Die Zweitbeschwerdeführerin gab sowohl in ihrer Erstbefragung am 05.04.2018 als auch in der Einvernahme vor dem Bundesamt am 17.04.2018 an, dass sie sieben Jahre die Grundschule besucht hätte und Hausfrau gewesen wäre. Manchmal habe sie auch Plastik gesammelt (Akt BF2, AS 2, 53).

Im deutschen Asylverfahren gab die Zweitbeschwerdeführerin an, dass sie vier Jahre die Schule besucht und keinen Beruf erlernt hätte. Den Lebensunterhalt hätte ihr Lebensgefährte sichergestellt (Akt BF1, OZ 13).

In der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gab sie an, dass sie sechs Jahre die Schule besucht und nicht gearbeitet hätte (OZ 19, S. 21). Danach befragt, ob sie irgendwelchen Hilfstätigkeiten nachgegangen sei, erklärte die Zweitbeschwerdeführerin:

„R: Haben Sie auch irgendwelche Tätigkeiten oder Hilfstätigkeiten, gegen eine Bezahlung ausgeübt?

BF2: Ich bin ab und zu mit meinem Mann mitgegangen und habe auch gesammelt. Ich habe nie etwas gestohlen.

R: Haben Sie daher nie für andere Leute geputzt, oder in der Landwirtschaft gearbeitet?

BF2: Ich habe in Privathäusern gearbeitet.

R: Was meinen Sie damit?

BF2: Ich habe geputzt und einmal habe ich mich um eine ältere Oma gekümmert“ (OZ 19, S. 25).

Die Zweitbeschwerdeführerin erklärte auch im Rahmen ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt im Jahr 2012, dass sie als Putzfrau gearbeitet und eine alte Frau gepflegt habe, wodurch sie 5000 Dinar verdient habe.

Auch wenn der Erstbeschwerdeführer zu den Tätigkeiten seiner Lebensgefährtin befragt angab, dass diese nie gearbeitet oder Hilfstätigkeiten ausgeführt hätte (OZ 19, S. 13), bestätigte der Drittbeschwerdeführer die Angaben der Zweitbeschwerdeführerin in der mündlichen Beschwerdeverhandlung:

„R: Hat Ihre Mutter bisher in Serbien eine Arbeit ausgeübt oder hat nur Ihr Vater verdient?

BF3: Nur mein Vater. Meine Mutter hat sich um uns gekümmert.

R: Ihre Mutter war nicht bei anderen Personen putzen oder hat geholfen beim Gemüse oder Obst ernten?

BF3: Doch, aber nur, wenn man sie gebraucht hat“ (OZ 19, S. 38).

Aufgrund der unterschiedlichen und widersprüchlichen Angaben der Zweitbeschwerdeführerin zur Dauer ihres Schulbesuches konnte nicht festgestellt werden, wie lange die Zweitbeschwerdeführerin die Schule besucht hat. Da sie jedoch stets angab, die Schule besucht zu haben, geht das erkennende Gericht davon aus, dass die Zweitbeschwerdeführerin mehrere Jahre die Schule besuchte. Auch hinsichtlich ihrer Arbeitstätigkeit geht das erkennende Gericht aufgrund ihrer eigenen Angaben sowie der Angaben des Drittbeschwerdeführers davon aus, dass die Zweitbeschwerdeführerin keiner regelmäßigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist, jedoch gelegentlich Hilfsarbeiten ausgeführt hat.

2.1.6. Dass die Dritt- bis Sechstbeschwerdeführer die Schule besucht haben, ergibt sich aus den Angaben des Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin im gesamten Verfahren sowie den Angaben des Dritt- und der Viertbeschwerdeführerin in der mündlichen Beschwerdeverhandlung.

Nicht glaubhaft ist, dass der Erstbeschwerdeführer die Schuljause für seine Kinder nicht hätte bezahlen können, da er kein Geld gehabt hätte und keine soziale Unterstützung erhalten hätte (OZ 19, S. 13), da er selbst angab, Geld (etwa 1000 Euro) für die Ausreise angespart zu haben (Akt BF1, OZ 13; OZ 19, S. 18). Es ist nicht glaubhaft, dass der Erstbeschwerdeführer 1000 Euro ansparen, sich jedoch die Jause für seine Kinder nicht hätte leisten können. Die diesbezüglichen Angaben des Erstbeschwerdeführers sind daher nicht glaubhaft.

2.1.7. Dass die Beschwerdeführer mit den serbischen Gepflogenheiten vertraut sind, ergibt sich daraus, dass diese in Serbien mit ihren serbischen Familien aufgewachsen sind, sie dort zur Schule gegangen sind bzw. der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin in Serbien einer Arbeit nachgegangen sind. Der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin haben Serbien erst verlassen, als sie bereits volljährig waren, sodass sie nach den serbischen Gepflogenheiten sozialisiert wurden. Die Dritt- bis Sechstbeschwerdeführer haben zudem in Österreich mit dem Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin zusammengewohnt, sodass diese auch in Österreich im serbischen Familienverband sozialisiert wurden. Es ist für das Gericht kein Grund ersichtlich, dass diese Gepflogenheiten bei den Beschwerdeführern in Vergessenheit geraten sein sollen.

2.1.8. Die Feststellung, dass die Beschwerdeführer in Serbien in einem Haus gewohnt haben, ergibt sich aus Folgenden Umständen:

Der Erstbeschwerdeführer gab in der Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht an:

„BF1: Ich hatte einen Reisepass. Den habe ich bei der Polizei abgegeben. Das Haus wo wir gewohnt haben, war kein Lager, sondern eine Baracke. Dieses wurde niedergebrannt und meine Dokumente vernichtet. […]

R: Haben Sie in einer Wohnung oder einem Haus gelebt?

BF1: Wir haben in einem aus Blech selbstgebautem Haus gelebt. Aber man kann das nicht wirklich Haus nennen, sondern eher eine Baracke. […]

R: Haben Sie in Serbien jemals in einer Wohnung gelebt?

BF1: Nein“ (OZ 19, S. 9).

Auch die Zweitbeschwerdeführer erklärte in der Beschwerdeverhandlung, dass sie in einem Haus gelebt hätte, das jedoch niedergebrannt sei. Anschließend hätten sie – wenn sie Geld gehabt hätten – eine Wohnung gemietet, wenn nicht, hätten sie in einem Container gelebt (OZ 19, S. 22). In diesem Container hätte es nichts gegeben – auch keinen Strom (OZ 19, S. 23).

Nicht nachvollziehbar ist, dass die Zweitbeschwerdeführerin angab, in einer Wohnung gewohnt zu haben, für die sie Miete bezahlt hätten, wenn sie genügend Geld gehabt hätten, der Erstbeschwerdeführer jedoch explizit erklärte, nie in einer Wohnung gewohnt zu haben. Auch der Drittbeschwerdeführer erwähnte eine Wohnung im Rahmen seiner Einvernahme nicht.

Nicht glaubhaft ist, dass das Haus, in dem die Beschwerdeführer gewohnt haben, abgebrannt ist und alle Papiere des Erstbeschwerdeführers verbrannt wären. Der Erstbeschwerdeführer erklärte in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt in seinem ersten Asylverfahren nämlich, dass er seinen Pass in Serbien gelassen habe, da man mit Pass leichter abgeschoben werden könne. Es wird daher davon ausgegangen, dass das Haus der Beschwerdeführer nach wie vor bewohnbar ist und die Papiere des Erstbeschwerdeführers nicht verbrannt sind.

Der Drittbeschwerdeführer gab in der Beschwerdeverhandlung an:

„R: Wo haben Sie in Serbien gewohnt?

BF3: XXXX .

R: Mit wem haben Sie dort gewohnt?

BF3: Mit meiner Mutter und meinem Vater.

R: Haben Sie in einem Haus oder Wohnung gelebt?

BF3: Wir haben in einer Art Baracke gewohnt.

R: Haben Sie immer dort gewohnt?

BF3: Ja.

R: Welche Adresse hatte diese Unterkunft?

BF3: Dort gab es keine Adressen.

R: Können Sie diese Unterkunft näher beschreiben?

BF3: Dort wo die Mülldeponie war, war das.

R: Wie hat die Unterkunft genau ausgesehen?

BF3: Es war gebaut aus Blech und Holz und hatte ein Zimmer.

R: Hatten Sie dort Strom?

BF3: Nein, wir hatten dort keinen Strom.

R: Sie haben also immer in dieser einen Unterkunft gewohnt und hatten nie Strom?

BF3: In dieser Baracke hatten wir nie Strom, aber wir hatten Strom wo der Bruder meiner Mutter war und die Polizei gekommen ist. In dem Haus des Bruders meiner Mutter gab es Strom.

Obwohl der Drittbeschwerdeführer angab, stets in der Baracke gewohnt zu haben, wo es keinen Strom gegeben und die keine Adresse gehabt hätte, gaben sowohl der Erst- als auch die Zweitbeschwerdeführerin bei ihrer Erstbefragung im Jahr 2018 eine Wohnadresse in Serbien an. Der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin gaben auch bei ihrer Erstbefragung im Jahr 2012 bzw. 2013 eine Wohnadresse an. Es ist daher davon auszugehen, dass die Beschwerdeführer in einem Haus mit Wohnadresse und Stromanschluss gewohnt haben.

Es ist zudem nicht plausibel, dass die Zweitbeschwerdeführerin mehrfach (insgesamt elf Mal) über einen Zeitraum von mehr als fünf Jahren von einem serbischen Gericht verurteilt wurde, illegal Strom bezogen zu haben, obwohl der Drittbeschwerdeführer angab, stets in einer Baracke ohne Strom gewohnt zu haben. Dass es sich dabei nicht um das Haus des Bruders (wie vom Drittbeschwerdeführer angegeben) handeln kann, ergibt sich einerseits daraus, dass die Zweitbeschwerdeführerin nach der Wohnsituation ihres Bruders in Serbien befragt angab, dass dieser in einer Gemeindewohnung gelebt hätte. Zum anderen ist es nicht plausibel, dass die Beschwerdeführer nur in der Wohnung des Bruders Strom gehabt hätten, der Drittbeschwerdeführer aber angab, stets in der Baracke ohne Strom gewohnt zu haben, obwohl die Zweitbeschwerdeführerin über einen Zeitraum von mehr als fünf Jahren illegal Strom bezog. Zudem gab die Zweitbeschwerdeführerin in der Beschwerdeverhandlung auf Nachfrage der erkennenden Richterin an, dass sie niemals mit ihrem Bruder (als sie bereits mit ihrem Lebensgefährten zusammengelebt habe) zusammengewohnt hätten. Die Angaben des Drittbeschwerdeführers zu der Wohnsituation der Familie sind daher nicht glaubhaft.

Dazu kommt, dass die Zweitbeschwerdeführerin angab, nach einer Verletzung ihres Sohnes von der Schule und nach der angeblichen Ermordung ihres Bruders von der Nachbarin telefonisch kontaktiert worden zu sein. Auch vor dem Hintergrund, dass die Zweitbeschwerdeführerin telefonisch kontaktiert worden ist, was wiederum voraussetzt, dass dieser Zugang zu einer Stromversorgung in ihrem Haus gehabt hat, ist nicht glaubhaft, dass die Beschwerdeführer in einem Container ohne Strom gelebt haben.

Aufgrund der derart widersprüchlichen Angaben der Erst- bis Drittbeschwerdeführer sowie aufgrund der in das Verfahren eingebrachten Strafurteile der Zweitbeschwerdeführerin geht das erkennende Gericht davon aus, dass die Beschwerdeführer stets in einem Haus gewohnt haben, in dem sie Zugang zu Strom hatten. Es ist nicht plausibel, dass die Beschwerdeführer in einem Container oder einer Baracke gewohnt haben, da die Zweitbeschwerdeführerin dort nicht illegal Strom abzweigen hätte können. Es ist daher davon auszugehen, dass die Beschwerdeführer versuchen, ihre Wohnsituation schlechter darzustellen, um ihre Chancen im Verfahren zu erhöhen.

Die Feststellung der strafgerichtlichen Verurteilungen der Zweitbeschwerdeführerin in Serbien ergeben sich aus den von ihr im Verfahren vorgelegten Strafurteilen und Zahlungsverpflichtungen sowie aus ihren Angaben in der Beschwerdeverhandlung.

2.1.9. Die Feststellung, dass die Beschwerdeführer nach wie vor über Familienangehörige in Serbien verfügen, die sie unterstützen können, ergibt sich folgenden Gründen:

Der Erstbeschwerdeführer gab bei seiner Erstbefragung im Jahr 2012 an, mit seinem Bruder, XXXX , nach Österreich gereist zu sein. Im Jahr 2018 reiste der Erstbeschwerdeführer seinen eigenen Angaben zufolge mit seinem Cousin, XXXX nach Österreich ein. In seinem deutschen Asylverfahren gab der Erstbeschwerdeführer an, dass er zwei Geschwister habe, zu denen er jedoch keinen Kontakt mehr habe.

Die Zweitbeschwerdeführerin gab in ihrer Erstbefragung im Jahr 2013 an, dass sie in Serbien eine Schwester, XXXX , habe. Ihr Bruder, XXXX , würde sich in Deutschland befinden. In ihrer Erstbefragung im Jahr 2018 erklärte die Zweitbeschwerdeführerin, dass sie mit ihrem Bruder, XXXX , nach Österreich gereist sei. Ihr Bruder XXXX sei nach wie vor in Serbien aufhältig.

In der mündlichen Beschwerdeverhandlung erklärte der Erstbeschwerdeführer, dass die Zweitbeschwerdeführerin einen Bruder, XXXX , habe. Dieser sei jedoch getötet worden. Sie habe außerdem Halbgeschwister, wie viele, wisse er jedoch nicht. Er würde auch deren Aufenthaltsorte nicht kennen.

In der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gab der Erstbeschwerdeführer an:

„R: Wie viele Geschwister haben Sie?

BF1: Ich habe keine leiblichen Geschwister. Ich habe aber Cousins, zu welchen ich keinen Kontakt pflegte. Sie haben nicht in XXXX gelebt, sondern weiter weg.

R: Haben Sie Halbgeschwister?

BF1: Nein.

R: Haben Ihre Eltern Geschwister?

BF1: Ganz ehrlich, dass weiß ich nicht. Ich kann mich nicht einmal an meine Mutter erinnern. Meine Eltern sind verstorben, als ich sehr klein war.

R: Hatten Sie jemals Kontakt zu Ihren Cousins oder Cousinen?

BF1: Nein.

R: Das heißt, Sie haben Ihre Cousins und Cousinen nie kennengelernt?

BF1: Ich hatte gehört, dass es sie gibt, aber kennengelernt habe ich sie nie.

Nachdem der Erstbeschwerdeführer mit seinem Bruder bzw. seinem Cousin nach Österreich reiste, ist davon auszugehen, dass der Erstbeschwerdeführer – entgegen seiner Angaben – Familienangehörige in Form von Geschwistern bzw. Cousins im Herkunftsstaat hat und diese in seinem Asylverfahren nicht angeben möchte. Die Angaben des Erstbeschwerdeführers zu seinen Familienangehörigen sind aufgrund der massiven Widersprüchlichkeiten nicht glaubhaft und plausibel. Es ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführer ein familiäres Netzwerk in Serbien haben, dass sie im Asylverfahren zu verschleiern versuchen

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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