TE Vwgh Erkenntnis 1997/1/21 95/11/0396

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Veröffentlicht am 21.01.1997
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §57 Abs1;
AVG §57 Abs2;
AVG §57 Abs3;
AVG §66 Abs4;
KFG 1967 §65;
KFG 1967 §66 Abs1;
KFG 1967 §66 Abs2 lite;
KFG 1967 §66 Abs3;
KFG 1967 §69 Abs1 lita;
KFG 1967 §73 Abs1;
KFG 1967 §73 Abs2;
KFG 1967 §73 Abs4;
KFG 1967 §74 Abs1;
KFG 1967 §75a Abs1 lita;
KFG 1967 §75a Abs1;
VStG §51 Abs6;
VwGG §28 Abs1 Z2;
VwGG §34 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des E in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 13. Oktober 1995, Zl. 11-39/Ne 17-1994, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung und Verbot des Lenkens von Motorfahrrädern, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe B entzogen und gemäß § 73 Abs. 2 leg. cit. ausgesprochen, daß ihm vor Ablauf von 2 Jahren, gerechnet ab 12. Juni 1995, keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden dürfe. Weiters wurde ihm gemäß § 75a Abs. 1 lit. a KFG 1967 das Lenken eines Motorfahrrades bis 12. Juni 1997 verboten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides aus diesen Gründen beantragt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die Zurückweisung bzw. die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde vertritt die Auffassung, die Beschwerde sei zurückzuweisen, weil darin als belangte Behörde das Amt der Steiermärkischen Landesregierung angegeben und der angefochtene Bescheid als Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung bezeichnet worden sei.

Dieser Auffassung vermag sich der Verwaltungsgerichtshof nicht anzuschließen. Sinn der Bestimmungen des § 28 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG ist es, jeden Zweifel darüber, welche Erledigung vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochten ist, auszuschließen (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 17. September 1968, Slg. Nr. 7401/A). Im Hinblick darauf, daß der angefochtene Bescheid mit Datum, Zahl und Inhalt in der Beschwerde richtig bezeichnet und der Beschwerde eine Ablichtung des Bescheides angeschlossen wurde, besteht keinerlei Zweifel daran, welcher Bescheid mit der vorliegenden Beschwerde angefochten wurde. Da aus der Fertigungsklausel des angefochtenen Bescheides zudem hervorgeht, daß dieser dem Landeshauptmann von Steiermark zuzurechnen ist, stellt auch die unzutreffende Bezeichnung der belangten Behörde keinen Zurückweisungsgrund dar (siehe die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, auf Seite 240 3. und 4. Absatz zitierte hg. Rechtsprechung).

Dem angefochtenen Bescheid liegt zugrunde, daß der Beschwerdeführer, dem mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Weiz vom 27. Oktober 1994 die Lenkerberechtigung vorübergehend (für die Dauer von 14 Monaten ab 12. April 1994, somit) bis 12. Juni 1995 entzogen worden war, am 11. November 1994 ein Motorfahrrad in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (0,74 mg/l Alkoholgehalt der Atemluft) gelenkt und dabei einen Verkehrsunfall verschuldet habe. Das Verschulden des Beschwerdeführers am Zustandekommen dieses Unfalles stehe aufgrund der rechtskräftigen Bestrafung des Beschwerdeführers wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung fest.

Bereits in den Jahren 1986 und 1988 sei es zu Anzeigen wegen Alkoholdelikten gekommen. Im Jahr 1991 sei dem Beschwerdeführer wegen eines am 31. März 1991 begangenen Alkoholdeliktes die Lenkerberechtigung vorübergehend für die Dauer von 12 Monaten entzogen worden. Am 17. März 1994 habe er ein weiteres Alkoholdelikt begangen, das zu dem oben erwähnten Entziehungsbescheid vom 27. Oktober 1994 geführt habe. Der Beschwerdeführer habe am 11. November 1994 das insgesamt fünfte Alkoholdelikt bzw. in den letzten fünf Jahren das dritte Alkoholdelikt begangen. Im Hinblick auf die Neigung des Beschwerdeführers zur Begehung von Alkoholdelikten sei mit der Wiederherstellung seiner Verkehrszuverlässigkeit nicht vor Ablauf der festgesetzten Zeit zu rechnen.

Der Beschwerdeführer macht geltend, die Erstbehörde habe über seine Vorstellung gegen den Mandatsbescheid vom 6. Dezember 1994, mit dem die Entziehung der Lenkerberechtigung verfügt worden war, kein Ermittlungsverfahren eingeleitet, weshalb dieser Bescheid zufolge § 57 Abs. 3 AVG außer Kraft getreten sei.

Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, daß die Vorstellung am 13. Jänner 1995 bei der Erstbehörde eingelangt ist und dem Beschwerdeführer bereits am 20. Jänner 1995 der Bescheid der Erstbehörde vom 17. Jänner 1995 zugestellt wurde, dessen Spruchpunkt 1. die Entziehung der Lenkerberechtigung betrifft und der insoweit als Vorstellungsbescheid anzusehen ist. Erläßt die Behörde vor Ablauf der zweiwöchigen Frist für die Einleitung des Ermittlungsverfahrens bereits den Vorstellungsbescheid, kommt ein Außerkrafttreten des Mandatsbescheides gemäß § 57 Abs. 3 AVG nicht in Betracht. Im übrigen wäre die Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides vom 17. Jänner 1995 selbst dann nicht rechtswidrig gewesen, wenn ein zuvor erlassener Mandatsbescheid gemäß § 57 Abs. 3 AVG außer Kraft getreten wäre. Das Außerkrafttreten des Mandatsbescheides nach dieser Gesetzesstelle bewirkt nämlich nicht, daß damit die betreffende Verwaltungsangelegenheit zugunsten des Vorstellungswerbers abgeschlossen und eine neuerliche Entscheidung in dieser Sache unzulässig ist (siehe die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, unter E. Nr. 16 und 17 zu § 57 AVG zitierte hg. Rechtsprechung).

Im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdeführers war ein persönliches Gespräch mit ihm für die von der belangten Behörde zu beantwortende Frage, ob er verkehrszuverlässig ist, nicht notwendig (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 15. Jänner 1991, Zl. 90/11/0160, mwN). Die belangte Behörde hatte dabei vielmehr von den im Ermittlungsverfahren festgestellten strafbaren Handlungen des Beschwerdeführers auszugehen. Es bestand für die belangte Behörde auch kein Grund daran zu zweifeln, daß der Beschwerdeführer das Alkoholdelikt vom 11. November 1994 schuldhaft begangen hat. Dies stand für die belangte Behörde im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 3. März 1995 bindend fest. Mit diesem Urteil war der Beschwerdeführer auf Grund des Vorfalles vom 11. November 1994 wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1 und 4 zweiter Deliktsfall (§ 81 Z. 2) StGB schuldig erkannt worden. Im übrigen hat der Beschwerdeführer mit seiner - in den Ausführungen zum Beschwerdegrund der inhaltlichen Rechtswidrigkeit enthaltenen - Behauptung, er habe trotz des Konsums einiger Flaschen Bier subjektiv keine Alkoholisierung verspürt, mangelndes Verschulden an dem am 11. November 1994 begangenen Alkoholdelikt nicht dargetan, weil ihm jedenfalls Zweifel an seiner Fahrtüchtigkeit hätten kommen müssen.

Mit seinen Ausführungen, die Abänderung des Bescheides durch die belangte Behörde verstoße gegen den Grundsatz der Unwiderrufbarkeit von Bescheiden, läßt der Beschwerdeführer außer acht, daß die belangte Behörde als Berufungsbehörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG berechtigt war, in der Sache selbst zu entscheiden, und dabei sowohl im Spruch als auch in der Begründung den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abändern konnte. Da der bei ihr angefochtene Bescheid der Erstbehörde vom 17. Jänner 1995 in seinem Spruchpunkt 2. das Verbot des Lenkens von Motorfahrrädern enthielt, hat sie mit ihrem diesbezüglichen Ausspruch die Sache im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG nicht überschritten. Daß der Mandatsbescheid der Erstbehörde vom 6. Dezember 1994 das Verbot des Lenkens von Motorfahrrädern nicht enthielt, macht den Spruchpunkt 2. des erstinstanzlichen Bescheides vom 17. Jänner 1995 und den im angefochtenen Bescheid enthaltenen Ausspruch betreffend das Verbot des Lenkens von Motorfahrrädern nicht rechtswidrig. Auch dann, wenn der die Entziehung der Lenkerberechtigung verfügende Mandatsbescheid vom 6. Dezember 1994 rechtskräftig geworden wäre, wäre das folgende Verbot des Lenkens von Motorfahrrädern nicht unzulässig gewesen, weil es sich dabei um eine andere Sache handelt.

Die Auffassung der belangten Behörde, daß beim Beschwerdeführer im Hinblick auf die Zahl der von ihm begangenen Alkoholdelikte von der mangelnden Verkehrszuverlässigkeit ausgegangen werden müsse, kann nicht als rechtswidrig erkannt werden. Mit seiner Behauptung, er sei einsichtig und willens, sich den Vorschriften der StVO entsprechend zu verhalten, kann der Beschwerdeführer angesichts der ihm zur Last liegenden Alkoholdelikte keine Verkennung der Rechtslage durch die belangte Behörde aufzeigen. Ob und in welchem Ausmaß den bei dem Unfall vom 11. November 1994 verletzten Fußgänger ein Verschulden daran trifft, ist im Hinblick auf die Zahl und die zeitliche Lagerung der vom Beschwerdeführer begangenen Alkoholdelikte und die Erfolglosigkeit der bisher erfolgten Bestrafungen und verfügten Entziehungsmaßnahmen im vorliegenden Verfahren nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Im Hinblick auf diese Umstände ist auch die der Entscheidung der belangten Behörde zugrundeliegende Prognose, der Beschwerdeführer werde die Verkehrszuverlässigkeit nicht vor Ablauf der von der belangten Behörde festgesetzten Zeit wiedererlangen, nicht als verfehlt anzusehen. Damit kam aber eine neuerliche (bloß) vorübergehende Entziehung der Lenkerberechtigung nach § 74 Abs. 1 KFG 1967 nicht in Betracht.

Der Beschwerdeführer räumt zutreffend ein, daß das von der belangten Behörde anzuwendende AVG kein Verbot der reformatio in peius kennt. Für die teilweise Anwendung dieses im Verwaltungsstrafverfahren geltenden Verbotes (§ 51 Abs. 6 VStG) in Verfahren betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung und Verbot des Lenkens von Motorfahrrädern besteht keinerlei Handhabe, auch wenn die davon betroffenen Personen diese Maßnahmen als Strafen empfinden sollten.

Im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdeführers ist in der Festsetzung der Dauer des Verbotes des Lenkens von Motorfahrrädern keine Rechtswidrigkeit gelegen. Solange nämlich beim Beschwerdeführer angenommen werden muß, er werde die Verkehrssicherheit insbesondere durch Trunkenheit gefährden (§ 66 Abs. 1 lit. a KFG 1967), entspricht es den Erfordernissen der Verkehrssicherheit, ihm das Lenken eines Motorfahrrades zu verbieten (§ 75a Abs. 1 lit. a KFG 1967). Daß an die geistige und körperliche Fähigkeit zum Lenken von Motorfahrrädern geringere Anforderungen gestellt werden können als an die geistige und körperliche Fähigkeit zum Lenken der im § 65 KFG 1967 genannten Gruppen von Kraftfahrzeugen, hat mit der für die Entscheidung der belangten Behörde maßgebenden Frage der mangelnden Verkehrszuverlässigkeit im Sinne des § 66 KFG 1967 nichts zu tun.

Da - wie bereits ausgeführt wurde - die der Entscheidung der belangten Behörde zugrunde liegende Prognose, der Beschwerdeführer werde seine Verkehrszuverlässigkeit nicht vor dem 12. Juni 1997 wiedererlangen, nicht als verfehlt anzusehen ist, ist es nicht rechtswidrig, wenn die gemäß § 73 Abs. 2 KFG 1967 festgesetzte Zeit bis zu diesem Zeitpunkt dauert. Dadurch, daß der Beginn der Entziehungszeit mit Ablauf der vorübergehenden Entziehungsdauer (aufgrund des Bescheides vom 27. Oktober 1994) festgesetzt wurde, werden Rechte des Beschwerdeführers nicht verletzt. Das Verbot des Lenkens von Motorfahrrädern gilt - was der Beschwerdeführer zu übersehen scheint - aufgrund des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung einer Berufung im erstinstanzlichen Bescheid vom 17. Jänner 1995 ohnedies seit dessen mit der Zustellung am 20. Jänner 1995 erfolgten Erlassung. Berufliche Interessen des Beschwerdeführers an der Verwendung eines Motorfahrrades haben bei der gemäß § 75a Abs. 1 KFG 1967 im Interesse der Verkehrssicherheit zu treffenden Entscheidung ebenso außer Betracht zu bleiben wie bei der Entziehung der Lenkerberechtigung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 1992, Zl. 91/11/0135, mwN).

Da sich nach dem Gesagten die Beschwerde als unbegründet erwiesen hat, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Umfang der Abänderungsbefugnis Reformatio in peiusBeschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Bindung an den Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens Allgemein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995110396.X00

Im RIS seit

19.03.2001

Zuletzt aktualisiert am

27.06.2016
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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