Entscheidungsdatum
24.06.2021Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W119 2230891-3/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Eigelsberger als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Mongolei, vertreten durch die Österreich-Eurasien Gesellschaft „Kulturbrücke“, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.5.2021, Zl. 1249244207/210437255 zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG iVm § 68 Abs. 1 AVG, §§ 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG, § 9, BFA-VG und §§ 52 Abs. 2 und Abs. 9, 53 und 55 FPG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Mongolei, reiste am 3.7.2019 gemeinsam mit ihrem minderjährigen Sohn (GZ W119 2230892) im Besitz eines von der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Ulan Bator ausgestellten, vom 20.6.2019 bis 4.8.2019 gültigen Besuchsvisums für die Schengener Staaten ins Bundesgebiet ein und stellte am 18.11.2019 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz.
Diesen begründete sie in einer Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 19.11.2019 sowie einer Einvernahme beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt oder belangte Behörde) am 26.2.2020 im Wesentlichen damit, dass sie in Österreich am 18.11.2019 einen mongolischen Staatsangehörigen, dem der Status eines Asylberechtigten zukomme, geheiratet habe und nunmehr bei ihrem Gatten bleiben wolle. Ihr Leben in der Mongolei sei wirtschaftlich schwierig gewesen und sie habe mit ihrem Mann in Österreich zusammenleben wollen. Die Beschwerdeführerin habe bereits 2007 eine Beziehung mit ihrem Gatten im Herkunftsland gehabt. Sie seien damals jedoch nicht verheiratet gewesen und hätten auch nicht direkt zusammengewohnt. Ihr Gatte habe 2007/2008 das Herkunftsland verlassen und sie hätten erst wieder 2017 über Facebook den Kontakt aufgenommen. Im Jänner 2018 hätten sie sich für vier oder fünf Tage in China getroffen, wobei sie dort heiraten hätten wollen. Die chinesische Polizei sei ihnen jedoch „auf die Schliche“ gekommen und habe sie in Gewahrsam genommen. Deswegen hätte sie im Herkunftsstaat Angst vor der Polizei. Konkrete Probleme in der Mongolei nach diesem Treffen verneinte die Beschwerdeführerin jedoch. Sie habe auch sonst nie in der Mongolei Probleme mit den Behörden gehabt und sei auch nicht verfolgt worden.
Im September 2018 sei sie nach Österreich gekommen und habe drei Wochen mit ihrem Gatten im Inland bzw. in Schweden verbracht, sich dabei wieder verliebt und sich dann im Herkunftsland ein Visum für die Schengener Staaten unter Vorgabe, hier Urlaub zu machen, ausstellen lassen, dabei aber bereits die Absicht gehabt, in Österreich bei ihrem Gatten zu bleiben. Sie halte sich seit Juli 2019 durchgehend in Österreich auf und wohne mit ihrem Sohn bei ihrem Gatten. Ihr Gatte arbeite und sie und ihr Sohn würden staatliche Leistungen beziehen. Bisher habe sie noch keinen Deutschkurs besucht, sei hier keiner legalen Beschäftigung nachgegangen und sei auch in keinem Verein und keiner Organisation aktiv.
Ihr Sohn besuche hier die Mittelschule. Er habe keine eigenen Fluchtgründe.
Im Herkunftsland würden sich zwei Brüder und drei Schwestern der Beschwerdeführerin aufhalten. Sie sei mit diesen im telefonischen Kontakt und habe ein gutes Verhältnis zu ihnen. Ihre Eltern seien inzwischen verstorben. In der Mongolei habe sie eine Hochschulausbildung im Bereich Technik abgeschlossen und von 2005 bis Juni 2019 als Zuständige für Technik und Wartung bei der mongolischen Eisenbahn gearbeitet.
Der Gatte der Beschwerdeführerin brachte beim Bundessamt am 26.2.2020 als Zeuge befragt im Wesentlichen an, dass er zuvor nie verheiratet gewesen sei, in der Mongolei allerdings einen erwachsenen Sohn habe. Die Beschwerdeführerin habe im Jahr 2007, als sie eine Beziehung gehabt hätten, bereits einen Sohn (GZ W119 2230892) gehabt, der nicht von ihm stamme.
Mit Bescheid des Bundesamtes vom 9.4.2020, Zahl 1249244207/191182893, wurde der Antrag auf internationalen Schutz der Beschwerdeführerin in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Mongolei hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Mongolei zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt VI.) und einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 18 Abs. 1 Ziffer 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII.).
Zu den Gründen für das Verlassen Ihres Herkunftsstaates bzw. der Situation der Beschwerdeführerin im Fall ihrer Rückkehr wurde festgestellt, dass sie ihre Heimat zur Begründung eines Familienlebens in Österreich verlassen habe. Es habe nicht festgestellt werden können, dass sie im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat einer Verfolgung aus asylrelevanten Gründen ausgesetzt oder in ihrem Recht auf Leben gefährdet, der realen Gefahr von Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder der Gefahr der Vollstreckung der Todesstrafe ausgesetzt wäre. Es habe zudem nicht festgestellt werden können, dass ihr im Herkunftsland die Lebensgrundlage gänzlich entzogen sei oder dass sie bei einer Rückkehr in die Mongolei in eine die Existenz bedrohende (oder medizinische) Notlage gedrängt werde. Weiters stehe fest, dass die Beschwerdeführerin jung, gebildet und arbeitsfähig sei und somit für den Unterhalt für sich und ihren Sohn – wie bereits auch vor der Ausreise – sorgen könne. Ferner sei sie in der Mongolei berufstätig gewesen und verfüge weiters über familiäre Anknüpfungspunkte.
Zum Privat- und Familienleben wurde festgestellt, dass die Beschwerdeführerin aktuell gemeinsam mit ihrem Sohn in einer Flüchtlingsunterkunft lebe. Sie sei mittellos und von staatlicher Unterstützung abhängig. Die Beschwerdeführerin habe in Österreich einen mongolischen Staatsangehörigen, welcher seit 24.2.2015 rechtskräftig in Österreich asylberechtigt sei, geheiratet. Sie habe bisher keinen Deutschkurs besucht und sei kein Mitglied eines Vereins oder einer Organisation.
Gegen die Spruchpunkte IV. bis VII. dieses Bescheides wurde am 6.5.2020 Beschwerde eingebracht. Dazu wurde ausdrücklich ergänzt, dass mangels Erfüllung der Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten bzw. des subsidiär Schutzberechtigten sowie für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 ausschließlich die Spruchpunkte I. bis III. der angefochtenen Bescheide unbekämpft blieben. Zur Rückkehrentscheidung wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin sich seit ihrer Einreise im Juli 2019 durchgehend im Bundesgebiet befinde und – gemeinsam mit ihrem Sohn - bei ihrem berufstätigen Mann wohne. Letzterer sei seit Februar 2015 anerkannter Flüchtling in Österreich und berufstätig. Diesbezüglich wurde ein Abrechnungsbeleg für Honorar und Kilometergeld einer Logistikfirma auf den Namen des Gatten der Beschwerdeführerin in Kopie beigelegt. Die Beschwerdeführerin kümmere sich um den Haushalt, lerne nach Möglichkeit Deutsch und sei arbeitsfähig. Sie und ihr Sohn seien nach ihrer Einreise zwar an einer anderen Adresse als ihr Gatte gemeldet gewesen, doch handle sich nur um eine Meldeadresse. Tatsächlich hätten sie von Anfang an zusammen mit dem Gatten in einer per Adresse genannten Wohnung gelebt. Da es sich bei dieser Wohnung um eine ca. 18 m² große Garconniere handle, sei die Anmeldung dort für sie nicht möglich gewesen.
Die Beschwerdeführerin wolle mit ihrem Gatten in Österreich zusammenleben, arbeiten und sich in die Gesellschaft integrieren. Das bestehende Familienleben sei aufgrund der Fluchtgründe ihres Gatten in der Mongolei nicht fortsetzbar. Eine Rückkehr bzw. Abschiebung in die Mongolei wäre für die Familie hart, zumal der Gatte gesundheitlich beeinträchtigt sei (Magenbeschwerden) und „die Pflege etc. seitens seiner Frau“ benötige. In der Mongolei hätte die Beschwerdeführerin keine Wohnung mehr, diese sei verkauft worden. Sie habe im Heimatland zwar sechs Geschwister, diese hätten jedoch alle viele Kinder in eigenen Familien und eine schwierige wirtschaftliche Situation. Im Fall einer Rückkehr würde sie deswegen keine Unterstützung bekommen können und in eine hoffnungslose Situation geraten. Die Eltern der Beschwerdeführerin seien bereits verstorben.
Am 15.5.2020 wurde von dem zwischenzeitlich bevollmächtigten Vertreter Österreich-Eurasien Gesellschaft „Kulturbrücke“ eine weitere, mit 11.5.2020 datierte, Beschwerde eingebracht, die sich zur Gänze gegen alle Spruchpunkte des bekämpften Bescheides richtete. Zu Spruchpunkt I. wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin als Fluchtgrund zu ihrem Antrag auf internationalen Schutz angeführt habe, dass sie zu ihrem Lebensgefährten nach Österreich wolle. Sie und ihr Lebensgefährte hätten bereits beschlossen eine Lebensgemeinschaft zu führen, als der Lebenspartner noch in der Mongolei in Haft gewesen sei. Somit werde diese Lebenspartnerschaft als Familie betrachtet. Obwohl sie offiziell in der Mongolei nicht verheiratet gewesen seien, werde aus der mongolischen Tradition die Lebenspartnerschaft als Mann und Frau bzw. Familie angesehen. Das Bundesamt sei davon ausgegangen, dass das Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht glaubwürdig sei, dass sie keiner ernsthaften Verfolgung oder Gefahr ausgesetzt wäre und habe ihr unterstellt, dass sie bei der Einvernahme nicht die Wahrheit gesagt hätte bzw. keine detaillierten Angaben über ihre Verfolgung aussagen habe können. Tatsächlich sei die Beschwerdeführerin jedoch sehr wohl in der Lage gewesen, detaillierte und übereinstimmende Angaben über ihre Verfolgung aussagen zu können. Aus dem Einvernahmeprotokoll sei zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Einvernahme überhaupt keine Ahnung gehabt habe, was ein Asylverfahren sei. Ihr sei anscheinend auch nicht bewusst gewesen, dass sie detailliert über ihre fluchtauslösenden Beweggründe erzählen müsse. Wenn sie bereits in der Mongolei eine Lebenspartnerschaft mit einem Häftling gehabt habe, habe für sie als enge Familienangehörige eine reale Gefahr bestanden, unter polizeilicher Kontrolle zu sein. Da eine offizielle Eheschließung in der Mongolei damals rechtlich und gesellschaftlich nicht möglich gewesen wäre, habe die Beschwerdeführerin diese Reise nach Österreich riskiert, um mit ihrem Lebensgefährten ein gemeinsames Leben zu führen. Somit habe sie diesen hier im September 2019 offiziell geheiratet. Sie sei strafrechtlich unbescholten und besuche einen Integrationsdeutschkurs Niveau A1 im Wohnheim. Ihr Gatte sei berufstätig und arbeite bei einem Logistik-Unternehmen.
Mit Erkenntnis vom 20.5.2020, GZ W182 2230891-1/6E, wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte I. – III. des bekämpften Bescheides als unzulässig zurück (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Spruchpunkte IV. – V. des bekämpften Bescheides gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005, § 9 BFA-Verfahrensgesetz, §§ 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, 46 FPG als unbegründet ab (Spruchpunkt II.). Die Spruchpunkte VI. und VII. wurden behoben. Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage 14 Tage ab Wegfall der durch die COVID-19-Pandemie bedingten Ausreisebeschränkungen (Spruchpunkt III.).
Dazu wurde insbesondere zur Zurückweisung der Beschwerden hinsichtlich der Spruchpunkte I. – III. der bekämpften Bescheide der Beschwerdeführerin und ihres Sohnes beweiswürdigend ausgeführt:
„Gegen die den Status von Asylberechtigten bzw. subsidiär Schutzberechtigten sowie einen Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005 betreffenden abweisenden Spruchpunkte I. bis III. der im Spruch genannten Bescheide wurde in der am 06.05.2020 eingebrachten Beschwerdeschrift mit der ausdrücklichen Begründung, dass die BF die Voraussetzungen dafür nicht erfüllen würden, auf eine Beschwerdeerhebung verzichtet. Dazu stehen die nachfolgenden Ausführungen in der Beschwerdeschrift vom 11.05.2020 im völligen Widerspruch. Unabhängig davon wurden in letzteren hinsichtlich der – weiter oben wiedergegeben - Beweiswürdigung in den bekämpften Bescheiden außer allgemeinen Behauptungen aber auch keine konkreten Sachverhalte aufgezeigt, die eine andere Einschätzung zulassen würden. So wurde vom Bundesamt in der Beweiswürdigung nachvollziehbar dargetan, dass von der BF1 [der Beschwerdeführerin] von sich aus – bis auf den Wunsch, mit ihren Gatten zusammenzuleben und ihre wirtschaftliche Situation zu verbessern (vgl. dazu die ausdrücklichen Angaben der BF1 zu den Gründen für ihre Ausreise in der Einvernahme vom 26.02.2020, S. 8) – keine Vorfälle dargetan wurden, die eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für eine drohende Verfolgung oder unmenschliche Behandlung im Herkunftsland erkennen lassen. Die BF1 verneinte auch auf ausdrückliche Befragung jegliche Probleme mit Behörden im Herkunftsstaat. Auch sei es laut ihren Angaben beim Bundesamt im Herkunftsstaat zu keinen Übergriffen gekommen oder sei jemals persönlich irgendwer an sie herangetreten. Auch im Zusammenhang mit der Beziehung bzw. Ehe zu/mit ihrem nunmehrigen Gatten konnte sie – trotz Nachfragens – bis auf den Vorfall in China, nach welchem sie jedoch ohne Probleme im Februar 2018 ins Herkunftsland zurückkehren konnte und sich dort auch völlig problemlos bis zur Ausreise im Juli 2019 aufhalten konnte, keine konkreten Anhaltspunkte für eine damit im Zusammenhang bestehende Befürchtung dartun (vgl. dazu Einvernahmeprotokoll vom 26.02.2020, S.11). Diesbezüglich ergaben sich zudem auch weder aus den vom Bundesamt getroffenen Feststellungen zum Herkunftsland, den mit der Beschwerdeschrift vom 06.05.2010 dargetanen Berichts des US-Departement of State vom 11.03.2020 oder den länderspezifischen Ausführungen in der Beschwerdeschrift vom 11.05.2020 irgendwelche Hinweise auf Fälle von Sippenhaftung oder sonstigen Verfolgungen von Familienangehörigen von Straftätern oder Oppositionellen in der Mongolei. Die Angaben der BF zu ihren familiären und persönlichen Verhältnissen im Inland sowie im Herkunftsland wurden vom Bundesamt der Entscheidung zugrundegelegt. In der Beschwerdeschrift wurden diesbezüglich auch keine entscheidungsrelevanten Neuerungen dargetan. Die allgemeine Behauptung in den Beschwerden, wonach die BF bei einer Rückkehr ins Herkunftsland in eine ausweglose Lage geraten würden, entbehrt zur Gänze eine nachvollziehbare Begründung. Abgesehen davon, dass – wie bereits ausgeführt - in den Beschwerden vom 06.05.2020 ausdrücklich ausgeführt wurde, dass die BF die Voraussetzungen für die Gewährung eines Status von subsidiär Schutzberechtigten nicht erfüllen würden, wurde der diesbezüglich ausführlichen Beweiswürdigung des Bundesamtes in den Beschwerden auch nicht substantiell entgegengetreten. So wurden unter Zugrundelegung der Verhältnisse im Herkunftsstaat keine Gründe dargetan, die geeignet wären, auch nur ansatzweise eine Wahrscheinlichkeit dafür darzutun, dass die BF1 in eine aussichtlose existenzbedrohende Notlage im Herkunftsstaat geraten würden. Die BF sind gesund. Die arbeitsfähige BF1 ist zudem bereits aufgrund eines technischen Hochschulabschlusses und langjähriger Berufserfahrung in einer privilegierten Position. Hinzu tritt aber noch ein breites familiäres Band von fünf Geschwistern, zu denen Kontakt besteht und das Verhältnis im Ergebnis unbelastet ist. Die vom Bundesamt zur Lage in der Mongolei getroffenen Feststellungen basieren auf Berichten angesehener staatlicher und nichtstaatlicher Einrichtungen und stellen angesichts des bereits Ausgeführten im konkreten Fall eine ausreichende Basis zur Beurteilung des Vorbringens der BF dar. Hierbei ist anzumerken, dass es sich bei der Mongolei um einen Staat handelt, der zwar im Hinblick auf rechtsstaatliche Standards bzw. Korruption Defizite aufweist, darüber hinaus aber weder von bürgerkriegsähnlichen Zuständen noch Kampfhandlungen betroffen ist, und auch sonst nicht – etwa im Vergleich zu Krisenregionen wie Afghanistan, Irak, Somalia, Yemen, Syrien, Ukraine u.v.a. - als Staat mit sich rasch ändernder Sicherheits- und/oder Versorgungslage auffällig wurde, sondern sich im Wesentlichen über die letzten Dekaden als relativ stabil erwiesen hat (vgl. dazu etwa VfGH 21.09.2017, Zl. E 1323/2017-24, VwGH 13.12.2016, Zl. 2016/20/0098). Auch unter Zugrundelegung des mit der Beschwerdeschrift vom 06.05.2020 dargetanen Berichts des US-Departement of State vom 11.03.2020 können keine Anhaltspunkte erkannt werden, wonach sich die Situation im Herkunftsland seit dem Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung in den gegenständlich relevanten Punkten entscheidungswesentlich verändert hat. Auch im Hinblick auf die weltweite Ausbreitung des COVID-19 Erregers kann unter Zugrundelegung der medial ausführlich kolportierten Entwicklungen auch im Herkunftsland bislang keine derartige Entwicklung erkannt werden, die im Hinblick auf eine Gefährdung nach Art. 3 EMRK eine entscheidungsrelevante Lageänderung erkennen lässt“
Am 3.6.2020 stellte die Beschwerdeführerin beim Bundesamt einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 2 AsylG.
Dieser wurde laut Antragsformular im Wesentlichen wie bisher mit ihrem Familienleben mit ihrem in Österreich asylberechtigten Ehegatten, der ein monatliches Einkommen von € 1.200 erwirtschafte und für sie unterhaltspflichtig sei, begründet. Die Beschwerdeführerin sei in Österreich krankenversichert. Zur Integration wurde angegeben, dass sie seit Juli 2019 in Österreich aufhältig sei und über Deutschkenntnisse A1 verfüge.
In einem Schreiben durch den rechtsfreundlichen Vertreter zur „Antragsbegründung zum Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 der EMRK“ wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich die Beschwerdeführerin seit Juli 2009 ununterbrochen im Bundesgebiet aufhalte. Sie habe zahlreiche österreichische Freunde und Bekannte. Im Falle einer Rückkehr in die Mongolei wäre die Beschwerdeführerin einer sehr prekären Situation ausgesetzt, da sie dort keine Existenzmöglichkeit, keine Wohnung, keine Arbeit, keine Sicherheit vor Verfolgung und keine Krankenversicherung um medizinische Hilfe zu erhalten hätte. Außerdem würde die Ausweisung eine gewaltsame Trennung von ihrem Ehegatten bedeuten. Sie sei mit diesem seit November 2019 nach österreichischem Recht offiziell verheiratet, beherrsche die deutsche Sprache mindestens auf einem Niveau von A1 und habe einen Integrationsdeutschkurs der Stufe A1 besucht, welchen sie jedoch wegen COVID-Schutzmaßnahmen vorzeitig abbrechen habe müssen. Zum vorhergehenden Asylverfahren wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin ihre Verfolgungsgründe wahrheitsgetreu vor dem Bundesamt dargelegt habe, über ihren Antrag jedoch negativ entschieden, wobei eine Bescheidbeschwerde mit Hilfe des VMÖ eingebracht worden sei. Diese wäre jedoch ohne sich mit ihr abzusprechen verfasst und an das Bundesverwaltungsgericht abgeschickt worden. Die Rechtswidrigkeit dieser Bescheidbeschwerde bestehe darin, dass die damalige Rechtsvertretung die Hauptbeschwerdepunkte I. – III. der bekämpften Bescheide nicht bekämpft habe und die Beschwerdeführerin als Folge ein negatives Erkenntnis erhalten habe, obwohl sie gute Gründe für die Zuerkennung des internationalen Schutzes gehabt hätte. In der Mongolei könne sich die Beschwerdeführerin ein Familienleben nicht vorstellen. Ihr Gatte dürfe nicht in die Mongolei, da er internationalen Schutz in Österreich genieße. Sie seien offiziell verheiratet und dürften gemeinsam nicht im Herkunftsstaat leben. Auch wenn die Beschwerdeführerin allein in die Mongolei zurückkehren würde, würde sie wegen ihres Ehegatten, der internationalen Schutz vor Verfolgung durch die mongolischen Behörden in Österreich genieße, große Schwierigkeiten und Repressalien erleiden. Auch ihre Familienangehörigen in der Mongolei könnten wegen ihr Schwierigkeiten mit den Behörden bekommen. Die Beschwerdeführerin würde sich erhoffen, dass die Behörde das bestehende enge Familienleben mit einem Asylberechtigten, den Grad ihrer Integration, Ihre Sprachkenntnisse und die strafrechtliche Unbescholtenheit bei der Entscheidung berücksichtige und stelle daher aus den genannten Gründen den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK.
Dem Schreiben beigelegt waren in Kopie u.a. ein Meldezettel der Beschwerdeführerin und ihres Sohnes, eine Schulbesuchsbestätigung des Sohnes, Sozialversicherungskarten der Beschwerdeführerin und ihres Sohnes, eine Heiratsurkunde sowie Lohnzettel des Ehegatten der Beschwerdeführerin.
Mit Bescheid des Bundesamtes vom 10.12.2020, Zl.1249244207/200451072, wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikels 8 EMRK vom 3.0.2020 gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 zurückgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), weiters festgestellt, dass gemäß § 52 Abs. 9 FPG ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Mongolei zulässig sei (Spruchpunkt III.) und gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine Frist von 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für ihre freiwillige Ausreise festgelegt (Spruchpunkt IV.).
Dazu wurde im Wesentlichen festgestellt, dass keine maßgebliche Änderung des Sachverhalts, bezogen auf das Privat- und Familienleben seit Erlassung der rechtskräftigen Rückkehrentscheidung eingetreten sei.
Hinsichtlich der Feststellungen zum Privat- und Familienleben wurde beweiswürdigend im Wesentlichen ausgeführt, aus der Antragsbegründung gehe hervor, dass der Sachverhalt im Bezug auf ein schützenswertes Privat- und Familienleben in Österreich bereits vor der Rechtskraft der erlassenen Rückkehrentscheidung bestanden habe. Es seien keine neuen Tatsachen hervorgekommen, die eine neuerliche Prüfung im Sinne des Art. 8 EMRK für den gesamten Zeitraum des Aufenthalts der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet erforderlich gemacht hätten. Da die Rückkehrentscheidung erst knapp sieben Monate zurückliege, sei auch nicht zu erwarten, dass eine maßgebliche Änderung des Sachverhaltes eingetreten sei.
In der dagegen erhobenen Beschwerde wurde im Wesentlichen neu vorgebracht, dass die Beschwerdeführerin einen A1 Kurs besuche und bei einer Österreichisch-Mongolischen Gesellschaft sowie dem Verein Konvention der Weltmongolen in der EU, beide mit Sitz in Wien, aktiv an allen kulturellen und gesellschaftlichen Veranstaltungen teilnehme.
Der Beschwerde waren in Kopie Lohn/Gehaltsabrechnungen des Gatten der Beschwerdeführerin, eine Bestätigung über den Besuch eines Deutschkurses A1 durch die Beschwerdeführerin sowie Mitgliedsbestätigungen der vorgenannten Vereinigungen beigelegt.
Mit Erkenntnis vom 23.2.2021, GZ W182 2230891-2/2E, wurde diese Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Begründend stellte das Bundesverwaltungsgericht dabei Folgendes fest:
„Die BF, eine Mutter und ihr 14-jähriger Sohn, sind Staatsangehörige der Mongolei. Sie sind im Juli 2019 mit einem vom 20.06.2019 bis 04.08.2019 gültigen Visum in das Bundesgebiet eingereist. Die BF1 [Beschwerdeführerin] hat dabei die Absicht verfolgt, mit einem mongolischen Staatsangehörigen, dem in Österreich seit 2015 der Status eines Asylberechtigten zukommt, ein Familienleben zu begründen.
Die BF1 heiratete letzteren noch 2019 in Österreich, wobei sie im Herkunftsstaat zuletzt 2007/2008 Kontakt zu ihm gehabt hat und den Kontakt erst ab 2017 über elektronische Medien wiederaufgenommen hat. Beide haben sich 2018 für ein paar Tage in der Volksrepublik China getroffen. Die BF leben mit dem Gatten der BF1 im Bundesgebiet zusammen. Der Gatte ist in Österreich berufstätig.
Die BF sind gesund. Die BF1 konnte bisher keine abgeschlossenen Deutschprüfungen nachweisen und geht auch keiner legalen Erwerbstätigkeit nach. Der BF2 [Sohn der Beschwerdeführerin] besucht in Österreich die Schule. Die BF beziehen Grundversorgung. Sie sind unbescholten.
Die BF1 verfügt über eine technische Hochschulausbildung und war im Herkunftsland von 2005 bis 2019 durchgehend in einem technischen Beruf erwerbstätig. Der BF2 hat im Herkunftsland sieben Jahre die Schule besucht. In der Mongolei halten sich zwei Brüder und drei Schwestern der BF1 sowie der Vater des BF2 auf. Zu letzterem besteht kein Kontakt.
Die BF haben aus wirtschaftlichen Gründen das Herkunftsland verlassen. Nicht festgestellt werden kann, dass die BF im Herkunftsland der realen Gefahr einer Verfolgung oder sonstigen unmenschlichen Behandlung ausgesetzt sind.
Diese Feststellungen lagen bereits den Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.05.2020 (zugestellt am 20.05.2020), Zlen. W182 2230891-1/6E (BF1) und W182 2230892-1/6E (BF2), zugrunde.
Die BF stellten am 03.06.2020 neuerlich beim Bundesamt Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 2 AsylG.
Diese wurden im Wesentlichen mit den gleichen Gründen wie im Verfahren über die Anträge auf internationalen Schutz vom 18.11.2019 begründet.
Die BF1 besucht inzwischen in Österreich als Mitglied kulturelle und gesellschaftliche Veranstaltungen von zwei Vereinigungen mit kulturellem Bezug zur Mongolei.
Zur Situation im Herkunftsland wird von den zutreffenden, weiter oben wiedergegebenen Feststellungen des Bundesamtes in den Bescheiden vom 09.04.2020 sowie den angefochtenen Bescheid ausgegangen. Die Situation im Herkunftsland hat sich weder seit rechtskräftigen Abschluss der Verfahren über die Anträge der BF vom 18.11.2019 noch dem Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung in den gegenständlich relevanten Punkten entscheidungswesentlich verändert, sodass ein neuerlicher Vorhalt im Beschwerdeverfahren unterbleiben konnte. […]“
Am 31.3.2021 stellte die Beschwerdeführerin im Bundesgebiet den gegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz.
Diesen begründete sie im Rahmen ihrer Erstbefragung im Wesentlichen damit, sie habe einen negativen Bescheid bekommen. Auf Raten ihres Anwalts stelle sie nun einen neuen Antrag. Hauptgrund sei, dass sie bei einer Rückkehr in die Mongolei direkt ins Gefängnis käme. Sie habe bei einem Bahnunternehmen in Ulan Bator gearbeitet, wo es zu einem großen Unfall gekommen wäre. Sie hätte dafür die Schuld bekommen. Bei einer Rückkehr drohe ihr eine Haftstrafe, die Polizei frage nach wie vor, wo sich die Beschwerdeführerin aufhalte.
Nachgefragt, seit wann ihr die Änderungen der Situation bzw. ihrer Fluchtgründe bekannt seien, antwortete die Beschwerdeführerin ausdrücklich: „An meiner Situation hat sich nichts geändert.“
Sie hätte Angst, weil ihre Geschwister von der Polizei bedroht worden wären. Sie hätten ihr gesagt, sie solle nicht mehr in die Mongolei kommen, weil sie sonst direkt ins Gefängnis müsse.
Im Rahmen ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt am 14.4.2021 gab die Beschwerdeführerin im Wesentlichen zunächst an, dass sie und ihr Kind gesund seien.
Ihren neuen Asylantrag begründete sie damit, seit sie hier sei, fürchte sie sich in der Mongolei verfolgt bzw. von Polizisten gesucht zu werden. Sie habe auch zu ihrer Verwandtschaft in der Mongolei Kontakt und diese habe ihr gesagt, dass nach ihr noch intensiv gesucht würde.
Nachgefragt, ob sich seit ihren Fluchtgründen seit Rechtskraft mit 6.5.2020 etwas geändert habe, antwortete die Beschwerdeführerin, 2019 die Mongolei verlassen zu haben. Seit dieser Zeit würden ihr die Polizisten die Schuld geben und hätten eine falsche Anzeige erstellt, dass sie damals nicht rechtzeitig bei der Polizei gewesen wäre. Grund sei, dass in der Firma, in der sie tätig gewesen sei, ein Unfall passiert wäre. Es habe sich um eine Eisenbahnfirma gehandelt, es sei wirklich ein großer Unfall für das Land gewesen und man hätte von ihr Schadenersatz verlangt. Damals sei sie für die Sicherheit der Lastzüge zuständig gewesen. Die ersten beiden Gerichtsverhandlungen hätten aber nicht die Zugsicherheit, sondern die Schienen behandelt und bei der zweiten Verhandlung wäre es dann so gewesen, dass die Züge aus technischen Gründen nicht hätten fahren dürfen. Sie habe das beim ersten Antrag deshalb nicht so konkret angegeben, weil sie so schockiert gewesen wäre.
Es sei damals nicht die Sicherheit der Waggons die Ursache gewesen, trotzdem hätte sie die Schuld auf sich nehmen müssen. Inzwischen hätte sie erfahren, dass auf sie eine schwere Geldstrafe und Gefängnisstrafe warte. Umgerechnet wären das 200 000 Millionen Tugrug und eine fünf bis zehnjährige Gefängnisstrafe. Im März habe ihre Schwester in der Mongolei ein Schreiben bekommen, dass „ich nicht anwesend war“. Dieses habe sie heute mitgebracht. Die erste Gerichtsverhandlung sei wegen der Schienensicherheit gewesen, die zweite wegen der technischen Sicherheit der Züge, also die Gruppe, die sie kontrolliert habe, und bei der letzten Gerichtsverhandlung sei sie dann alleine schuld gewesen und hätte aus diesem Grund soviel Geldstrafe bekommen. Die erste Gerichtsverhandlung habe am 20.5.2018 bei der Eisenbahnfirma stattgefunden. Nach Rückübersetzung korrigierte sich die Beschwerdeführerin dahingehend, dass es sich um eine Vorsitzendenverhandlung der Firma, eine Fachkommissionsverhandlung, gehandelt habe. Im Oktober habe es dann eine große Firmensitzung mit allem Drum und Dran gegeben. Dazwischen sei sie auch zweimal bei der Polizei gewesen.
Am 28.4.2021 wurde die Beschwerdeführerin ergänzend niederschriftlich einvernommen und erlärte, die Chefs dieser Eisenbahnfirma hätten immer die gebrauchten Waggons aus dem Ausland gebracht. Sie hätte wegen dieser abgelaufenen Waggons Berichte geschrieben, dass sie unbenutzbar seien, weil sie beim Controlling gearbeitet habe. Die Chefs hätten immer so viel Geldwäsche gemacht und wenn ein Unfall passiert sei, hätten sie allen Mitarbeitern die Schuld gegeben. Der letzte Unfall sei so gewesen, dass die Vorgesetzten die verbotenen Sachen gemacht hätten, wie die abgelaufenen Waggons holen, und dann die Mitarbeiter alle Schuld auf sich nehmen müssten. Deswegen hätte die Beschwerdeführerin auch das Problem, soviel Schadenersatz zahlen zu müssen. Während der Zeit, als sie dort tätig gewesen sei, sei sie wegen dieser Sache dann vom Chef bedroht und es sei ihr was vom Lohn abgezogen worden, ohne Grund. Manchmal hätte sie sogar zwei Nächte Überstunden gemacht und diese trotzdem nicht bezahlt bekommen. Für sie sei es ein bedrohliches Problem gewesen, mehr als 70 Stunden wöchentlich ohne Zeitausgleich und bezahlte Überstunden zu arbeiten. Sie hätte öfter mit ihrem Chef darüber diskutiert, der sie aufgefordert hätte, den Mund zu halten. Weil er mächtiger wäre, könnte sie nichts machen. Sie habe sogar ein paar Mal Anzeige bei der Polizei gegen ihn erstattet, aber er sei freigesprochen worden, weil er so viele Bekanntschaften in der Regierung und der juristischen Abteilung der Behörde habe. Wenn man gegen diese Vorstände die Wahrheit sage, werde man immer bedroht und es sei ihr auch angedroht worden, sie hinaus zu schmeißen. Jedes Mal bei der Zertifizierungsprüfung hätten sie versucht, sie durchfallen zu lassen. Nachdem sie auf Facebook alles über den Chef gepostet habe, hätte sie richtig Probleme mit ihm bekommen. Sie habe die ganze Schuld auf sich nehmen müssen, obwohl sie die technische Prüfung schon gemacht hätte und diese Arbeit für sie nicht weiter vorgesehen gewesen wäre. Dies sei 2018 gewesen.
Nach dem großen Unfall im Mai 2018 habe sie ab Oktober 2018 ein Mann bedroht, damit sie die ganze Schuld auf sich nehme, ansonsten werde es bei ihrem Sohn oder der Familie was Schlechtes geben. Er hätte sie sogar geschubst und es seien dort viele große Steine gewesen, weshalb die Beschwerdeführerin auch verletzt worden wäre.
Zu allfälligen Änderungen bezüglich ihres Privat- und Familienlebens befragt, brachte die Beschwerdeführerin vor, dass ihr Ehegatte in Tirol lebt. Vor zwei Jahren hätten sie hier geheiratet.
Vorgelegt wurde eine Deutschkurs-Teilnahmebestätigung.
Mit gegenständlich bekämpftem Bescheid des Bundesamtes vom 10.5.2021 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG hinsichtlich des Status der Asylberichtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status der subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Weiters wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Mongolei zulässig sei (Spruchpunkt V.), festgestellt, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist zur freiwilligen Ausreise besteht (Spruchpunkt VI.) und gemäß § 53 FPG gegen die Beschwerdeführerin ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).
Begründend führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin habe im Erstverfahren auf ihren Mann in Österreich verwiesen und darüber hinaus ihre wirtschaftlichen Verhältnisse in der Mongolei als schwierig beschrieben. Weitere Asylgründe habe sie ausdrücklich verneint. Im gegenständlichen Antrag habe sie Probleme in Verbindung mit einem Unfall 2018 und somit Probleme, die bereits im Vorverfahren bestanden hätten und ihr auch bekannt gewesen seien, geschildert. Somit habe sie keine neuen Ausreisegründe bzw. Gründe nach Rechtskraft des Vorverfahrens im gegenständlichen zweiten Asylantrag vorgebracht.
Da die Beschwerdeführerin konkret nicht in der Lage sei, die Mittel für ihren Unterhalt aus Eigenem nachzuweisen – der Unterhalt sei nur durch ihren Mann gewährleistet – und es sei mangels Aufenthaltsrechts und daher auch ohne Möglichkeit, einer legalen Beschäftigung nachgehen zu können, in einer Gesamtbeurteilung des Verhaltens der Beschwerdeführerin, ihrer Lebensumstände sowie der familiären und privaten Anknüpfungspunkte in einer Gesamtabwägung davon auszugehen, dass die Erlassung des Einreiseverbotes in der Dauer von zwei Jahren notwendig ist, um eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu verhindern.
Dagegen wurde Beschwerde in vollem Umfang erhoben.
Zu den Spruchpunkten I. und II. wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe bei der Antragstellung ausgesagt, ganz neue Beweismittel zu ihren Verfolgungsgründen zu haben und als Nachweis hätte sie ein Schriftstück vorgelegt. Die Beschwerdeführerin habe ihre aktuellen Verfolgungsgründe wahrheitsgetreu dargestellt und ausgesagt, tatsächlich nicht zu wissen, warum jetzt nach ihr in der Mongolei gefahndet werde. Sie könne nur vermuten, dass die Justizbehörden wegen eines Verschuldens, von dem sie bis dato nichts gewusst hätte, eine Ermittlung eingeleitet haben könnten.
Es bestehe definitiv eine enge familiäre Beziehung in Österreich und die gewaltsame Trennung der Ehegattin von ihrem Ehegatten und die gewaltsame Trennung des Kindes von seinem Vater, der in Österreich internationalen Schutz genieße, sei ein direkter Eingriff nach Art. 8 EMRK. Die Beschwerdeführerin sei strafrechtlich unbescholten, besuche einen Integrationskurs Niveau A1 im Wohnheim, ihr Ehegatte sei berufstätig und arbeite bei einer Logistikfirma, wozu Lohnzettel vorgelegt wurden. Der Sohn besuche die Neue Mittelschule mit Themenschwerpunkt Technik, eine Schulbesuchsbestätigung liege vor. Auch stelle die Beschwerdeführerin, die gute enge Beziehungen und Kontakte zu zahlreichen österreichischen Mitbürgerinnen habe und im Rahmen ihrer Möglichkeit ehrenamtliche Tätigkeiten leistete, keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage sämtlicher Asylanträge der Beschwerdeführerin sowie des Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gem. § 52 Abs. 2, der Einvernahmen vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und des Bundesamts, der bislang ergangenen Entscheidungen der belangten Behörde und des Bundesverwaltungsgerichts, der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid, der im Verfahren vorgelegten Schriftsätze sowie der Einsichtnahme in die Verwaltungs- und Gerichtsakten sowie das Grundversorgungsinformationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:
Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige der Mongolei. Sie reiste mit ihrem minderjährigen Sohn (GZ W119 2230892) im Juli 2019 mit einem vom 20.6.2019 bis 4.8.2019 gültigen Visum in das Bundesgebiet ein. Sie hat dabei die Absicht verfolgt, mit einem mongolischen Staatsangehörigen, dem in Österreich seit 2015 der Status eines Asylberechtigten zukommt, ein Familienleben zu begründen.
Die Beschwerdeführerin heiratete letzteren noch 2019 in Österreich, wobei sie im Herkunftsstaat zuletzt 2007/2008 Kontakt zu ihm gehabt und den Kontakt erst ab 2017 über elektronische Medien wiederaufgenommen hat. Beide haben sich 2018 für ein paar Tage in der Volksrepublik China getroffen. Die Beschwerdeführerin lebt mit ihrem Gatten und ihrem von einem anderen Vater stammenden Sohn im Bundesgebiet zusammen. Der Gatte ist in Österreich berufstätig.
Die Beschwerde ihres Sohnes wurde ebenfalls mit Erkenntnis des heutigen Tages abgewiesen und gleichzeitig eine Rückkehrentscheidung gegen ihn erlassen.
Eine maßgebliche Änderung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat seit rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens über den letzten Antrag auf internationalen Schutz der Beschwerdeführerin kann ebensowenig festgestellt werden, wie das Vorliegen einer maßgeblichen Bedrohung in der Mongolei.
Seit dem Abschluss des Vorverfahrens sind keine Umstände eingetreten, wonach der Beschwerdeführerin allein aufgrund der allgemeinen Sicherheitslage ohne Hinzutreten individueller Faktoren in der Mongolei aktuell mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ihrer Person drohen würde oder ihr im Falle einer Rückkehr die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre.
Die Beschwerdeführerin ist gesund. Sie verfügt über eine heimatliche technische Hochschulausbildung und war im Herkunftsland von 2005 bis 2019 durchgehend in einem technischen Beruf erwerbstätig. In der Mongolei halten sich zwei Brüder und drei Schwestern von ihr auf.
Hinweise auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen kamen nicht hervor.
Festgestellt wird, dass sich seit dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.2.2021 die Integration der Beschwerdeführerin nicht verfestigt hat.
Im Übrigen werden die Ausführungen im Verfahrensgang der Entscheidung zugrunde gelegt.
Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:
Zur Situation im Herkunftsland wird von den zutreffenden Feststellungen des Bundesamtes im angefochtenen Bescheid ausgegangen. Die Situation im Herkunftsland hat sich weder seit rechtskräftigem Abschluss des Vorverfahrens noch dem Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung in den gegenständlich relevanten Punkten entscheidungswesentlich verändert, sodass ein neuerlicher Vorhalt im Beschwerdeverfahren unterbleiben konnte.
Mongolei COVID-19:
„COVID-19 ist eine durch das Coronavirus SARS-CoV-2 verursachte Infektionskrankheit. Sie wurde erstmals 2019 in Metropole Wuhan (Provinz Hubei) beschrieben, entwickelte sich im Januar 2020 in der Volksrepublik China zur Epidemie und breitete sich schließlich zur weltweiten COVID-19-Pandemie aus. Die genaue Ausbruchsquelle ist derzeit noch unbekannt. Es wird angenommen, dass sich das Virus wie andere Erreger von Atemwegserkrankungen hauptsächlich durch Tröpfcheninfektion verbreitet (vgl. https://www.sozialministerium.at/Themen/Gesundheit/Uebertragbare-Krankheiten/Infektionskrankheiten-A-Z/Neuartiges-Coronavirus.html, abgerufen am 30.10.2020).
Die meisten Menschen, die mit dem COVID-19-Virus infiziert sind, leiden an leichten bis mittelschweren Atemwegserkrankungen und erholen sich ohne besondere Behandlung. Ältere Menschen und Menschen mit zugrunde liegenden medizinischen Problemen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, chronischen Atemwegserkrankungen und Krebs, entwickeln mit größerer Wahrscheinlichkeit schwere Krankheiten (vgl. https://www.who.int/health-topics/coronavirus#tab=tab_1, abgerufen am 30.10.2020).
In der Mongolei gab es zum Stichtag 30.10.2020 340 bestätigte COVID-19 Fälle und keinen einzigen Todesfall (vgl. https://covid19.who.int/region/wpro/country/mn, abgerufen am 30.10.2020).“
Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 20.10.2020:
COVID-19
Die Mongolei ist seit dem 9. Januar 2020 mit dem neuartigen Coronavirus Sars-CoV-2 konfrontiert. Im Land wurden sehr schnell strenge Sicherheitsmaßnahmen ergriffen (LIP 7.2020d). Kaum ein anderes Land hat so früh und so diszipliniert auf die Bedrohung reagiert wie die bitterarme und wirtschaftlich fast völlig von China abhängige Mongolei (DS 5.6.2020).
Nach wie vor bewegen sich die Fallzahlen im niedrigen dreistelligen Bereich. Dabei handelt es sich ausschließlich um aus dem Ausland importierte Fälle im staatlichen Quarantänesystem (AA 14.10.2020). Ende März 2020 hat die Regierung ein Paket von Hilfsmaßnahmen eingebracht, das insbesondere kleinen und mittelständischen Unternehmen bei der Bewältigung der Coronakrise helfen soll (GTAI 10.8.2020).
Der bei den Parlamentswahlen Ende Juni im Amt bestätigte Premierminister Ukhnaagiin Khurelsukh bezifferte den Umfang des Unterstützungspakets auf umgerechnet rund 1,8 Milliarden US-Dollar (USD). Ein Anfang August 2020 im Parlament eingebrachter Nachtragshaushalt ermöglicht, dass mehrere der ursprünglich auf drei oder sechs Monate befristeten Maßnahmen länger gelten werden (GTAI 10.8.2020).
Aufgrund der Verbreitung des Coronavirus (COVID-19) sind vorläufig alle Flugverbindungen in das Ausland eingestellt. Auch eine Einreise auf dem Landweg ist derzeit nicht mehr möglich (BMEIA 8.5.2020).
Quellen:
- AA – Auswärtiges Amt (14.10.2020): Mongolei: Reise- und Sicherheitshinweise, Aktuell, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/mongolei-node/mongoleisicherheit/222842, Zugriff 19.10.2020
- BMEIA – Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten (19.10.2020): Mongolei (Mongolei), Aktuelle Hinweise, Stand 19.10.2020 (Unverändert gültig seit: 09.05.2020), https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/mongolei/, Zugriff 19.10.2020
- DS – Der Standard (5.6.2020): Warum die Mongolei inmitten der Corona-Krise Schafe nach China schickte, https://www.derstandard.at/story/2000117887198/warum-die-mongolei-inmitten-der-corona-krise-schafe-nach-china, Zugriff 19.10.2020
- GTAI – German Trade & Invest (10.8.2020): Covid-19: Maßnahmen der Regierung, https://www.gtai.de/gtai-de/trade/specials/special/mongolei/covid-19-massnahmen-der-regierung-238750, Zugriff 19.10.2020
- LIP – LIPortal, Das Länderinformationsportal (7.2020d): Mongolei, Alltag, https://www.liportal.de/mongolei/ueberblick/#c57158, Zugriff 25.9.2020
Politische Lage
Die Mongolei ist ein Binnenstaat zwischen Russland und der Volksrepublik China. Mit einer Bevölkerung von 3,2 Mio. Menschen auf einer Fläche von knapp über 1,5 Mio. Quadratkilometern ist sie einer der am dünnsten besiedelten Staaten der Welt. In der Hauptstadt Ulaanbaatar leben (20187.2020) ca. 1,5 Mio. Menschen (CIA 10.9.2020; vgl. ÖB Peking 12.2019).
Die Mongolei ist eine parlamentarische Demokratie mit einem Mehrparteiensystem (ÖB Peking 12.2019; vgl. USDOS 11.3.2020). Seit 1990 finden regelmäßig allgemeine, freie und faire Wahlen statt, die Regierungswechsel verlaufen friedlich (BMZ o.D.). In den vergangenen 20-30 Jahren wurden in der Mongolei 16 erfolgreiche Präsidentschafts-, und Parlamentswahl (USDOS 19. 6.2020). Die Verfassung von 1992 basiert auf den Grundprinzipien Demokratie, Gerechtigkeit, Freiheit, Gleichheit, nationale Einheit, Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung (ÖB Peking 12.2019; vgl. AA 9.2020a).
Das Staatsoberhaupt ist der Präsident, der in einer Direktwahl für vier Jahre gewählt wird und der selbst den Premierminister nominieren kann. Das Präsidentenamt kann für maximal zwei Amtsperioden bekleidet werden (ÖB Peking 12.2019). Das Parlament (Großer Staats-Chural) ist ein Einkammerparlament mit 76 Sitzen (ÖB Peking 12.2019). Die 76 Abgeordneten werden für vier Jahre gewählt (ÖB 12.2019).
Nach der Revolution im Jahr 1990 hat sich in der Mongolei insgesamt eine stabile Demokratie mit einem Mehrparteiensystem, freien Wahlen und Gewaltenteilung etabliert. Geprägt wurde diese positive Entwicklung jedoch auch durch extrem häufige Regierungswechsel. Skandale um Korruption in Politik und Wirtschaft haben in den vergangenen Jahren immer wieder das Land erschüttert. Laut Meinung von Experten werden Wahlen in dem Land mittlerweile vor allem dazu genutzt, „aus Frustration über die nicht erfüllten Versprechen“ jene Partei abzuwählen, „die derzeit das Parlament kontrolliert“. In den vergangenen Jahrzehnten spielten insbesondere zwei Parteien eine wesentliche Rolle in der mongolischen Politik: Die ehemals kommunistische Staatspartei, die Mongolische Volkspartei (MVP), sowie die aus unterschiedlichen Oppositionsgruppen hervorgegangene Demokratische Partei (DP) (KAS 6.2020).
Bei der Parlamentswahl vom 24. Juni 2020 erhielt die Regierungspartei Mongolische Volkspartei (MVP) von Premierminister Ukhnaa Khurelsukh 62 der 76 Parlamentssitze (LIP 7.2020a; vgl. BAMF 22.6.2020, GW 25.8.2020). Die oppositionelle Demokratische Partei erzielte elf Sitze. Damit wurde erstmals seit der ersten Mehrparteien-Parlamentswahl 1990 eine Regierungspartei wiedergewählt. Unter den neu gewählten Abgeordneten befinden sich 13 Frauen (LIP 7.2020a; vgl. BAMF 22.6.2020). Die Wahlbeteiligung betrug 73% (BAMF 29.6.2020).
Die Parlamentswahl fand wegen COVID-19 unter Einhaltung von entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen, wie Abstandsregeln und Messung der Körpertemperatur statt (BAMF 29.6.2020).
Der alte und neue Premierminister der im Juli 2020 gebildeten Regierung heißt Ukhnaagiin Khurelsukh. Nachdem er in den Parteigremien mit 100% Zustimmung für das Amt nominiert worden war, stimmte am 2.7.2020 auch die große Mehrheit der Staatsversammlung dem Vorschlag zu. Der Regierung Khurelsukh gehören drei Frauen an (LIP 7.2020a).
Noch profitiert die MVP-Regierung von ihrer strikten und frühzeitigen Präventionspolitik (KAS 4.5.2020). Doch steigt in Folge der COVID-19-Krise auch der Druck auf die Regierung (GW 25.8.2020). Durch frühzeitige Restriktionen konnte eine unkontrollierte Verbreitung bislang verhindert werden. Die beschlossenen Maßnahmen führten in den vergangenen Monaten in der Konsequenz allerdings zu einem massiven Einbruch der mongolischen Wirtschaft (KAS 6.2020; vgl. GW 25.8.2020). Ein Beibehalten der Restriktionen würde die wirtschaftliche Krise verstärken, die gerade den ärmsten Teil der Bevölkerung trifft. Andererseits würde ein Aufheben der Maßnahmen die Mongolei dem Risiko einer sprunghaften Ausbreitung und damit einer angesichts des unterentwickelten Gesundheitssystems unabwendbaren Katastrophe aussetzen. Noch hat es die Regierung durch umfangreiche Hilfspakete geschafft, öffentliche Kritik an ihrem Vorgehen abzuwenden (KAS 6.2020).
Quellen:
- AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (9.2020a): Mongolei – Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/mongolei-node/-/222882, Zugriff 21.9.2020
- BMZ – Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (o.D.): Mongolei, Situation und Zusammenarbeit, https://www.bmz.de/de/laender_regionen/asien/mongolei/index.jsp, Zugriff 23.9.2020
- BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (29.6.2020): Briefing Notes 29. Juni 2020, https://www.ecoi.net/en/file/local/2033951/briefingnotes-kw27-2020.pdf, Zugriff 22.9.2020
- CIA – Central Intelligence Agency (10.9.2020): The World Factbook – Mongolia, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/mg.html, Zugriff 25.9.2020
- GW – Gardaworld) (25.8.2020): Mongolia Country Report, Executive Summary, https://www.garda.com/crisis24/country-reports/mongolia, Zugriff 23.9.2020
- LIP – LIPortal, Das Länderinformationsportal (7.2020a): Mongolei, Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/mongolei/geschichte-staat/, Zugriff 22.9.2020
- KAS – Konrad-Adenauer-Stiftung (6.2020): Parteien zwischen Corona und Korruption, https://www.ecoi.net/en/file/local/2031677/Die+Mongolei+vor+den+Parlamentswahlen.pdf, Zugriff 22.9.2020
- KAS – Konrad-Adenauer-Stiftung (4.5.2020): Corona-Krise in der Mongolei, https://www.kas.de/de/laenderberichte/detail/-/content/corona-krise-in-der-mongolei, Zugriff 22.9.2020
- KAS – Konrad-Adenauer-Stiftung (6.2020): Parteien zwischen Corona und Korruption, https://www.ecoi.net/en/file/local/2031677/Die+Mongolei+vor+den+Parlamentswahlen.pdf, Zugriff 22.9.2020
- ÖB Peking (12.2019): Asylländerbericht 2019 Mongolei
- USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Mongolia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026429.html, Zugriff 21.9.2020
Sicherheitslage
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, von der sie bis dahin vollständig abhängig war, baute die Mongolei schnell und konfliktfrei demokratische und marktwirtschaftliche Strukturen auf. Obwohl sich alle politischen Akteure über den demokratischen und marktwirtschaftlichen Kurs des Landes einig sind, gibt es viele Herausforderungen zu bewältigen. Die Regierungsführung ist noch schwach und die Leistungsfähigkeit der staatlichen Institutionen gering (BMZ o.D.).
Nach der innenpolitischen Krise 2018 war die Mongolei von einer Reihe von innenpolitischen Reformen zur Sicherung der Stabilität des Landes gekennzeichnet (BMEIA 25.6.2020). Der Staat hat im gesamten Staatsgebiet das unangefochtene Gewaltmonopol. Die gesamte Bevölkerung der Mongolei akzeptiert den Nationalstaat als legitim. Es gibt keine organisierten Gruppen, die stark genug wären, das staatliche Gewaltmonopol herauszufordern. Alle bedeutenden politischen Akteure bekennen sich zur Demokratie. Eine geringe Zahl antidemokratischer Akteure wie hypernationalistische Parteien oder Banden haben keinen Einfluss auf die Öffentlichkeit oder die Regierung und werden ausgegrenzt. Die Armee hatte in der Vergangenheit kein Interesse, politische Kontrolle zu übernehmen und es gibt keine Hinweise, dass sie es derzeit hätte (Bertelsmann 29.4.2020). In der Mongolei gibt es einige kleine extrem nationalistischer Gruppen, die gelegentlich chinesische Staatsbürger angreifen. Die Existenz mongolischer Terrororganisationen ist nicht bekannt (GW 3.7.2020).
Sozioökonomische Konflikte - primär zwischen der städtischen und ländlichen Bevölkerung - hatten bisher kein Eskalationspotential (GW 4.7.2020), sind jedoch aufgrund einer instabilen politischen Umgebung, angeheizt durch Populismus und Kampagnen in den sozialen Medien, im Ansteigen begriffen (Bertelsmann 29.4.2020).
Es kommt mitunter zu gewalttätigen Übergriffen auf chinesische, koreanische und vietnamesische Staatsbürger, die in der Mongolei leben (ÖB Peking 12.2019) durch Ultranationalisten (ÖB Peking 12.2019). Anfang 2020 führte die Regierung eine Reihe von Zwangsausweisungen nordkoreanischer Staatsbürger in Übereinstimmung mit den einschlägigen Resolutionen des UN-Sicherheitsrates durch (USDOS 11.3.2020; vgl. ÖB Peking 12.2019).
Die Mongolei ist außenpolitisch um ein gutes und ausgewogenes Verhältnis zu den beiden großen Nachbarstaaten Russland und China bemüht (BMEIA 25.6.2020) und betreibt eine „Politik des dritten Nachbarn“ als Gegengewicht der möglichen Vereinnahmung durch ihre unmittelbaren Nachbarn. Die Mongolei nutzt die guten Beziehungen sowohl zu Nord- als auch Südkorea für eine Vermittlerrolle auf der koreanischen Halbinsel. Stabile Außenbeziehungen unterhält die Mongolei auch zu Japan (LIP 7.2020a; vgl. AA 2.9.2020, GW 3.7.2020).
Als eines der ersten Länder hat die Mongolei im Jänner 2020 ihre Grenzen für Reisende aus Hochrisikoländern geschlossen, um den Import von Infektionen mit COVID-19 zu verhindern (WKO 5.2020). Die Schließung von internationalen Flug- und Bahnverbindungen aufgrund der COVID-19-Pandemie wurden mehrmals, zuletzt bis zum 31. Oktober 2020 durch die Regierung verfügt (GW 27.8.2020; vgl. MSZ o.D.) und bleibt vorläufig weiterhin aufrecht. Auch eine Einreise auf dem Landweg ist derzeit nicht möglich (BMEIA 25.9.2020).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (2.9.2020): Mongolei: Politisches Portrait, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/mongolei-node/politisches-portraet/222882, Zugriff 23.9.2020
- Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report Mongolia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029517/country_report_2020_MNG.pdf, Zugriff 22.9.2020
- BMEIA – Bundesministerium Europäische und internationale Angelegenheiten (25.9.2020): Mongolei (unverändert gültig seit 9.5.2020), https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/mongolei/, Zugriff 25.9.2020
- BMEIA – Bundesministerium für Europäische und internationale Angelegenheiten (25.6.2020): Außen- und Europapolitischer Bericht 2019, Bericht des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten, https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/III/III_00150/imfname_806473.pdf, Zugriff 24.9.2020
- BMZ – Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (o.D.): Mongolei, Situation und Zusammenarbeit, https://www.bmz.de/de/laender_regionen/asien/mongolei/index.jsp, Zugriff 23.9.2020
- GW – Gardaworld (27.8.2020): Mongolia: International flights and rail services canceled until September 15 /update 13, https://www.garda.com/crisis24/news-alerts/373106/mongolia-international-flights-and-rail-services-canceled-until-september-15-update-13, Zugriff 23.9.2020
- GW – Gardaworld (25.8.2020): Mongolia Country Report, Executive Summary, https://www.garda.com/crisis24/country-reports/mongolia, Zugriff 23.9.2020
- GW – Gardaworld (4.7.2020): Mongolia Country Report, Social Stability, https://www.garda.com/crisis24/country-reports/mongolia, Zugriff 23.9.2020
- GW – Gardaworld (3.7.2020): Mongolia Country Report, Terrorism, https://www.garda.com/crisis24/country-reports/mongolia, Zugriff 23.9.2020
- GW – Gardaworld (3.7.2020): Mongolia Country Report, War Risks, https://www.garda.com/crisis24/country-reports/mongolia, Zugriff 23.9.2020
- LIP – LIPortal, Das Länderinformationsportal (7.2020a): Mongolei, Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/mongolei/geschichte-staat/, Zugriff 22.9.2020
- MSZ - Ministerstwo Spraw Zagranicznych (o.D.): Powrot Mongolia, https://www.gov.pl/web/dyplomacja/mongolia, Zugriff 5.10.2020
- ÖB Peking (12.2019): Asylländerbericht 2019 Mongolei
- USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Mongolia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026429.html, Zugriff 21.9.2020
- USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Mongolia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026429.html, Zugriff 21.9.2020
- WKO – Wirtschaftskammer Österreich (5.2020): Wirtschaftsbericht Mongolei, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/mongolei-wirtschaftsbericht.pdf, Zugriff 23.9.2020
Rechtsschutz / Justizwesen
Das mongolische Rechtssystem orientiert sich am römisch-germanischen System und kennt eine Unterscheidung zwischen Verwaltungs- und Zivilrecht (ÖB Peking 12.2019). Die Verfassung der Mongolei sieht eine Gewaltenteilung vor, die Justiz ist formell unabhängig. Diese Unabhängigkeit wird jedoch durch systemimmanente Korruption geschwächt (ÖB Peking 12.2019; vgl. FH 4.3.2020, USDOS 11.3.2020).
Soum-, Intersoum- und Bezirksgerichte sind Gerichte 1. Instanz und für kleinere Verbrechen sowie für Zivilverfahren unter einem Streitwert von zehn Mio. Tögrök (MNT) zuständig. Aimag-Gerichte sind die Erstinstanz für schwerwiegendere Verbrechen und Zivilverfahren mit einem Streitwert von über zehn Mio. MNT, sowie die Berufungsgerichte für die unteren Gerichte. Der Oberste Gerichtshof ist für alle anderen Verfahren zuständig. Der Verfassungsgerichtshof (Tsets) kann vom Parlament, dem Staatspräsidenten, dem Premier, dem Obersten Staatsanwalt, auf Eigeninitiative oder durch Petitionen durch Bürger befasst werden. Die neun Richter werden durch das Parlament für sechs Jahre ernannt. (ÖB Peking 12.2019).
Der Präsident ernennt die Richter des Obersten Gerichtshofes. Der Judicial General Council (JGC) ist für die Nominierung sowie die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit von Richtern verantwortlich. Er ist jedoch politisch abhängig und hat nicht die Befugnis, bei Vorwürfen von richterlichem Fehlverhalten zu ermitteln (Bertelsmann 29.4.2020). Die unabhängige Gerichtsbarkeit sowie das Recht auf ein faires, öffentliches Verfahren ohne Verzögerungen wird in der Regel durchgesetzt. Doch haben die Verabschiedung von Gesetzesänderungen über die Rechtsstellung der Richter die Unabhängigkeit der Justiz geschwächt. Für Angeklagte gilt die Unschuldsvermutung und sie haben das Recht, über die Vorwürfe gegen sie in Kenntnis gesetzt zu werden. Angeklagte können einen Rechtsbeistand selbst auswählen oder erhalten auf Staatskosten einen solchen gestellt (USDOS 11.3.2020).
NGOs und Privatunternehmen berichten, dass Korruption und Einflussnahme im Justizsystem stattfindet (USDOS 11.3.2020; vgl. Bertelsmann 29.4.2020). Die Rechte von Angeklagten wie die Befragung und Einberufung von Zeugen würden in manchen Fällen missachtet. NGOs berichten weiters über Einschüchterung von Zeugen und mangelnde Transparenz bei der Urteilsfindung (USDOS 11.3.2020). Jedoch wurden der Mongolei deutliche Fortschritte bei der Verbesserung