TE Bvwg Erkenntnis 2021/7/2 W104 2211561-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.07.2021
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Entscheidungsdatum

02.07.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z5
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §9 Abs1 Z1
AsylG 2005 §9 Abs2 Z2
AsylG 2005 §9 Abs2 Z3
AsylG 2005 §9 Abs4
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z4
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs5

Spruch


W104 2211561-1/21E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Christian BAUMGARTNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion XXXX , vom 14.11.2018, Zl. 1045959706-180992857, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14.6.2021 zu Recht:

A)       Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang

1. Der zum damaligen Zeitpunkt minderjährige Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Republik Österreich ein und stellte am 20.11.2014 erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet.

2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.1.2016, Zl. 1045959706-140195715, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.). Jedoch wurde ihm gemäß § 8 Abs 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs 4 AsylG bis zum 13.1.2017 erteilt (Spruchpunkt III.).

Die belangte Behörde stellte in ihrem Bescheid vom 19.1.2016 fest, der Beschwerdeführer habe Afghanistan vor etwa sechs Jahren verlassen und anschließend mit seinen Brüdern bei seiner Tante im Iran gelebt. Die Eltern des Beschwerdeführers seien bereits verstorben, der Beschwerdeführer habe keine Familienangehörigen in seinem Herkunftsland Afghanistan. Dem Beschwerdeführer drohe zwar keine asylrelevante Verfolgung in Afghanistan; allerdings wäre ihm in seinem Heimatland die Lebensgrundlage gänzlich entzogen, da er über keine sozialen oder familiären Netzwerke in Afghanistan verfüge und seine Familie im Iran lebe. Eine Rückführung nach Afghanistan erscheine daher derzeit nicht zumutbar und würde mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen. Beweiswürdigend führte die belangte Behörde aus, der festgestellte Sachverhalt ergebe sich aus der Vernehmung des Beschwerdeführers und den Feststellungen zur Lage im Herkunftsland.

In der rechtlichen Beurteilung dieses Bescheides begründete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten an den Beschwerdeführer wie folgt:

„[…] Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes geht die ho. Behörde davon aus, dass aus folgenden Gründen die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiären Schutzes gegeben sind:

Aus den Länderfeststellungen ergibt sich zwar, dass die aktuelle Situation in Afghanistan unverändert weder sicher noch stabil ist, doch variiert dabei die Sicherheitslage regional von Provinz zu Provinz und innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt.

Bezüglich der Versorgungslage und der allgemeinen Lebensbedingungen der Bevölkerung ist anzumerken, dass die Verwirklichung von grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse (Arbeit, Nahrung, Wohnraum, Gesundheitsversorgung, …) häufig nur sehr eingeschränkt möglich ist.

Die soziale Absicherung liegt traditionell bei den Familien und Stammesverbänden. Afghanen, die außerhalb des Familienverbandes oder nach einer langjährigen Abwesenheit im Ausland zurückkehren, stoßen auf große Schwierigkeiten, da ihnen das notwendige soziale und familiäre Netzwerk sowie die erforderlichen Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse fehlen.

Es muss berücksichtigt werden, dass keiner Ihrer Familienangehörigen mehr in Afghanistan lebt. Ihre Familie lebt in der Stadt XXXX , im Iran.

Da Sie in Afghanistan über keinerlei soziale oder familiäre Netzwerke verfügen, wären Sie im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan vorerst vollkommen auf sich alleine gestellt und jedenfalls gezwungen, nach einem Wohnraum zu suchen, ohne jedoch über ausreichende Kenntnisse der örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten in Afghanistan zu verfügen.

Wie aus den Länderfeststellungen ersichtlich, ist die Versorgung mit Wohnraum und Nahrungsmittel insbesondere für alleinstehende Rückkehrer ohne jeglichen familiären Rückhalt fast nicht möglich, zudem auch keine diesbezügliche staatliche Unterstützung zu erwarten ist.

In Ihrem Fall ging die Behörde davon aus, dass nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass Sie im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan einer realen Gefahr im Sinne des Art. 3 EMRK ausgesetzt wären. […].“

Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer kein Rechtsmittel ein. Der Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.1.2016, Zl. 1045959706-140195715, ist daher rechtskräftig.

3. Mit Schreiben vom 24.11.2016 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach § 8 Abs. 4 AsylG 2005. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gab diesem Antrag mit Bescheid vom 10.1.2017, Zl. 1045959706-140195715, statt und erteilte dem Beschwerdeführer die befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 bis zum 13.1.2019.

4. Das Bundesministerium für Inneres, Referat III/5/b Gesamtsteuerung Asyl- und Fremdenwesen, informierte die belangte Behörde mit Schreiben vom 9.10.2018 über eine Auslandsreise des Beschwerdeführers zu seiner Familie in den Iran von 23.5.2018 bis 21.7.2018.

5. Die belangte Behörde leitete mit Aktenvermerk vom 18.10.2018 ein Verfahren zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigen ein, da sich Anhaltspunkte dafür ergeben hätten, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung infolge geänderter persönlicher Umstände nicht bzw. nicht mehr vorliegen würden. Es sei von einer Erfüllung des Tatbestandes nach § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 auszugehen.

6. Der Beschwerdeführer wurde am 13.11.2018 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Aberkennungsverfahren niederschriftlich im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari einvernommen. Zu seinem Lebenslauf gab der Beschwerdeführer hier an, er sei in Kunduz in Afghanistan geboren. Seine Eltern seien verstorben, als der Beschwerdeführer ungefähr sieben Monate alt gewesen sei, weshalb er bei seiner Tante mütterlicherseits aufgewachsen sei. Im Alter von ungefähr acht oder neun Jahren habe der Beschwerdeführer Afghanistan mit seiner Tante mütterlicherseits verlassen und sei in den Iran gereist. Dort habe er drei Jahre lang eine afghanische Schule besucht und am Bau, als Tischler und als Bäcker gearbeitet. Zu seinen familiären Verhältnissen führte der Beschwerdeführer aus, seine Tante mütterlicherseits lebe mit ihrem Ehegatten und ihren beiden Söhnen im Iran in der Stadt XXXX . Der Beschwerdeführer habe nunmehr wieder regelmäßig Kontakt mit seiner Tante mütterlicherseits. Vor drei bis vier Monaten habe er sie im Iran besucht. Gefragt, wie es der Familie der Tante gehe, gab der Beschwerdeführer an, es gehe ihnen im Vergleich zu anderen besser. Sie hätten genug zum Essen und Leben. Außerdem würden eine weitere Tante mütterlicherseits, drei Tanten väterlicherseits und vier Onkel mütterlicherseits im Iran leben. In Afghanistan seien noch einige Cousins seines Vaters in Kunduz aufhältig, zu denen der Beschwerdeführer jedoch nie Kontakt gepflegt habe. Der Kontakt könnte allenfalls über seine Tante mütterlicherseits hergestellt werden. Befragt nach seinem Leben in Österreich, schilderte der Beschwerdeführer, er habe sechs Monate die Schule besucht. Nach der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten sei er nach XXXX gezogen. Er habe mehrere Deutschkurse besucht und sich beim AMS arbeitslos gemeldet. Er habe sich mehrfach auf freie Stellen beworben, jedoch keine Zusage bekommen. Schließlich sei er nach XXXX gezogen und habe dort für einen Araber gearbeitet. Derzeit sei er bei einer österreichischen Firma ( XXXX ) in XXXX beschäftigt. Der Beschwerdeführer habe keine in Österreich zum dauernden Aufenthalt berechtigten Verwandten und sei kein Mitglied in einem Verein. Danach gefragt, wie er seinen Lebensunterhalt in Österreich bestreite, gab der Beschwerdeführer an, das er arbeite. Auf Nachfrage, welche Befürchtungen er für den Fall einer Rückkehr nach Afghanistan habe, gab der Beschwerdeführer an, in Afghanistan würden wichtigere Leute umgebracht werden. Es gebe dort Anschläge, der Beschwerdeführer könnte entführt werden. Die Jugend fliehe aus Afghanistan, um ein besseres Leben zu haben. Der Beschwerdeführer wisse nicht, wo er in Afghanistan schlafen solle. Er kenne sich in Afghanistan nicht aus und habe dort niemanden. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies den Beschwerdeführer darauf hin, dass sich seine subjektive Lage nach Ansicht der Behörde im Vergleich zum seinerzeitigen Entscheidungszeitpunkt, als ihm subsidiärer Schutz gewährt worden sei, geändert habe. Eine Rückkehr nach Afghanistan sei ihm nunmehr zumutbar, da er insbesondere in Herat oder Mazar-e Sharif Sicherheit erlangen könne und eine zumutbare Lebenssituation vorfinde. Es sei ihm zumutbar, auch unter durchaus schweren Bedingungen am Arbeitsmarkt nach einer Beschäftigung zu suchen und allenfalls durch das Verrichten von Gelegenheitsarbeiten seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Außerdem könne der Beschwerdeführer auf die Unterstützung seiner in Afghanistan und im Iran lebenden Familie zurückgreifen. Der Beschwerdeführer gab dazu an, dass ihn niemand unterstützen würde, zumal alles teurer geworden sei. In Afghanistan gebe es keine Sicherheit, es herrsche dort seit 40 Jahren Krieg. Im Rahmen dieser Einvernahme legte der Beschwerdeführer ein Konvolut an Integrationsunterlagen vor.

7. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 14.11.2018, zugestellt am 20.11.2018, wurde dem Beschwerdeführer der ihm mit Bescheid vom 13.1.2016 zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.) und ihm die mit Bescheid vom 10.1.2017, Zl. 1045959706-140195715, erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 9 Abs. 4 AsylG 2005 entzogen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gegen den Beschwerdeführer wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 (gemeint: Z 4) FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit zwei Wochen (gemeint: 14 Tagen) ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

Begründend führte die belangte Behörde aus, die Gründe für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten würden nicht mehr vorliegen. Die subjektive Lage des Beschwerdeführers habe sich im Vergleich zum seinerzeitigen Entscheidungszeitpunkt, als ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden sei, geändert. Dem Beschwerdeführer stehe nunmehr eine taugliche innerstaatliche Fluchtalternative in Mazar-e Sharif und Herat zur Verfügung. Der Beschwerdeführer finde dort Arbeitsmöglichkeiten vor und könne seinen Lebensunterhalt bestreiten. Die belangte Behörde gehe davon aus, dass der Beschwerdeführer versucht habe, sich mit falschen Angaben Vorteile in seinem Verfahren zu erwirken. Er habe versucht, seine Berufstätigkeit im Iran zu verschleiern und tatsächlich in den verschiedensten Berufen gearbeitet. Der Beschwerdeführer sei in Afghanistan geboren und aufgewachsen und daher mit den Gebräuchen, der Kultur und den Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates vertraut. In Österreich sei der Beschwerdeführer in der Lage gewesen, Netzwerke aufzubauen und auf diese zuzugreifen, um sich dadurch Vorteile für sein weiteres Leben zu sichern. Mit dieser Fähigkeit werde es dem Beschwerdeführer auch in Afghanistan möglich sein, auf dortige bestehe Netzwerke zurückzugreifen und neuen Netzwerke aufzubauen. Weiter habe der Beschwerdeführer versucht, seine Verwandtschaft im Iran und in Afghanistan zu verschleiern. Der Beschwerdeführer stehe zwischenzeitlich wieder in Kontakt mit seiner Tante im Iran. Zudem sei hervorgekommen, dass Cousins des Vaters des Beschwerdeführers nach wie vor in Afghanistan leben würden. Zu diesen Cousins könne über die Tante des Beschwerdeführers Kontakt hergestellt werden. Der Beschwerdeführer habe angegeben, dass es seiner Tante mütterlicherseits im Iran besser gehe als den anderen Menschen, weshalb dazu auszugehen sei, dass diese den Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr finanziell unterstützen könnte. Damit verfüge der Beschwerdeführer im Gegensatz zum damaligen Entscheidungszeitpunkt, als ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden sei, über familiäre Unterstützungsmöglichkeiten. Im Übrigen sei dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 13.1.2016 der Status des subsidiär Schutzberechtigten lediglich zuerkannt worden, weil es zum damaligen Entscheidungszeitpunkt notwendig gewesen sei, dass ein Rückkehrer nach Afghanistan über familiäre Anknüpfungspunkte im Heimatland verfüge. Die subjektive Lage habe sich jedoch dahingehend geändert, dass sich die Lage in Afghanistan insbesondere in den Großstädten derart geändert habe, dass es alleinstehenden, jungen und gesunden Männern nunmehr möglich sei, ohne jegliche familiären Anknüpfungspunkte problemlos zurückzukehren. Der Beschwerdeführer sei volljährig, gesund sowie arbeitsfähig. Er habe in Österreich eine weitere Sprache erlernt und das Bildungssystem genutzt. Dadurch habe der Beschwerdeführer seien Erfahrungsschatz massiv erweitert, was ihm im Fall seiner Rückkehr zugutekommen werde. Dies sei ein weiterer wesentlicher Unterschied zum Zeitpunkt der Schutzgewährung. Zudem könne der Beschwerdeführer nun auch auf eine Vielzahl an internationalen Einrichtungen zurückgreifen, die Rückkehrer unterstützen. Der Beschwerdeführer sei nunmehr volljährig, weshalb es ihm nun zuzumuten sei, auch unter durchaus schweren Bedingungen am Arbeitsmarkt nach einer Beschäftigung zu suchen. Insgesamt sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer in der Lage sein werde, auch in seinem Heimatland eine Beschäftigung zu finden. Es sei daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan in Herat oder Mazar-e Sharif nicht vor eine unzumutbare Situation gestellt sei. Selbst fehlende familiäre oder soziale Anknüpfungspunkte bzw. Unterstützung in Mazar-e Sharif und Herat könne nicht zu einer Unzumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative führen bzw. eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK begründen. Ebenso wenig könne eine etwaige Ortsunkenntnis oder eine anfänglich möglicherweise bestehende Orientierungslosigkeit zur Feststellung führen, Herat oder Mazar-e Sharif kämen nicht als taugliche Fluchtalternativen in Frage, zumal es einem Erwachsenen durchaus zumutbar sei, sich in Großstädten seines Heimatlandes Kenntnisse der örtlichen Begebenheiten anzueignen. Im letztmaligen Entscheidungszeitpunkt sei noch davon auszugehen gewesen, dass der Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr familiärer Anknüpfungspunkte und Unterstützungsmöglichkeiten bedürfe. Nunmehr seien diese gegeben. Zudem sei der Beschwerdeführer volljährig, weshalb eine Unterstützungsmöglichkeit keine Grundvoraussetzung für eine Rückkehr mehr darstelle. Insgesamt liege keine derartige Gefährdungslage vor, welche gegen Art. 3 EMRK verstoße und daher eine Aufrechterhaltung des subsidiären Schutzes begründen könne. Der Status des subsidiär Schutzberechtigten sei dem Beschwerdeführer daher gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 abzuerkennen gewesen.

8. Dagegen richtet sich die am 14.12.2018 bei der belangten Behörde eingelangte vollumfängliche Beschwerde wegen unrichtiger Tatsachenfeststellungen, unrichtiger rechtlicher Beurteilung infolge tatsachenwidriger Feststellungen sowie wegen Verfahrensmängeln. Nach einer Zusammenfassung des Sachverhalts und des bisherigen Verfahrensganges führt die Beschwerde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe nach wie vor niemanden in Afghanistan, weshalb eine Rückkehr nach Afghanistan für ihn eine unzumutbare Härte darstelle. Aus den Länderinformationen sei jedoch ersichtlich, dass die Existenz sozialer Netzwerke in Afghanistan nach wie vor von großer Bedeutung ist. Zudem habe sich die Sicherheitslage in Afghanistan seit dem Jahr 2016 verschlechtert. Die belangte Behörde habe sich lediglich auf die Tatsache gestützt, dass der Beschwerdeführer wieder Kontakt mit seiner Familie im Iran habe. Es sei jedoch nicht überprüft worden, ob die Familie ihn derart unterstützen könnte, dass ihm eine Rückkehr zumutbar wäre. Auch sei nicht geprüft worden, ob der Beschwerdeführer im Gebiet der angenommenen innerstaatlichen Schutzalternative auf Dauer in Sicherheit leben könnte.

9. Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Entscheidung vorgelegt. In einem verzichtete die belangte Behörde auf die Durchführung und Teilnahme an einer mündlichen Beschwerdeverhandlung und beantragte die Abweisung der Beschwerde.

10. Die belangte Behörde übermittelte dem Bundesverwaltungsgericht am 21.2.2019 eine Verständigung der Staatsanwaltschaft XXXX von der Anklageerhebung gegen den Beschwerdeführer wegen § 146 StGB.

11. Am 25.2.2019 leitete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem erkennenden Gericht den Abschlussbericht der Landespolizeidirektion XXXX vom 31.1.2019 weiter, wonach der Beschwerdeführer des Betruges verdächtigt wird.

12. Mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom 25.4.2019 (rechtskräftig seit 30.4.2019) wurde der Beschwerdeführer zur Zahl 17 U 55/19f wegen des Vergehens des Betruges nach § 146 StGB zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 4,00 € verurteilt. Für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe wurden 60 Tage Ersatzfreiheitsstrafe festgelegt.

13. Am 8.7.2019 übermittelte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht eine Verständigung des Landesgerichts XXXX von der Verhängung der Untersuchungshaft über den Beschwerdeführer. Dieser Verständigung ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer am 2.7.2019 wegen § 27 Abs. 2a SMG, § 15 StGB in Untersuchungshaft genommen wurde. Weiter leitete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem erkennenden Gericht am selben Tag eine Verständigung der Staatsanwaltschaft XXXX von der Anklageerhebung gegen den Beschwerdeführer wegen § 27 Abs. 2a SMG, § 15 StGB weiter.

14. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 29.7.2019 (rechtskräftig seit 29.7.2019) wurde der Beschwerdeführer zur Zahl 82 Hv 93/19z wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 2a SMG, § 15 StGB nach § 27 Abs. 2a SMG zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, welche unter Setzung einer Probezeit in der Dauer von drei Jahren gemäß § 43 Abs. 1 StGB bedingt nachgesehen wurde.

15. Am 10.12.2019 leitete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Bundesverwaltungsgericht eine Meldung der Landespolizeidirektion XXXX vom 9.12.2019 weiter, wonach der Beschwerdeführer am 9.12.2019 wegen Verdachts nach § 27 SMG angezeigt wurde.

16. Am 26.1.2021 langte eine Verständigung der Staatsanwaltschaft XXXX vom Rücktritt von der Verfolgung wegen § 27 Abs. 1 SMG ein.

17. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 25.2.2021 wurde die gegenständliche Rechtssache der erkennenden Gerichtsabteilung zugewiesen.

18. Das Bundesverwaltungsgericht beraumte mit Schreiben vom 3.5.2021 eine mündliche Beschwerdeverhandlung für den 14.6.2021 an, brachte Länderberichte in das Verfahren ein und gab dem Beschwerdeführer sowie der belangten Behörde Gelegenheit zur Stellungnahme.

19. Am 12.5.2021 langte eine Vollmachtbekanntgabe der BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH für den Beschwerdeführer beim Bundesverwaltungsgericht ein.

20. Die bisherige Rechtsvertretung des Beschwerdeführers gab die Auflösung des Vollmachtverhältnisses mit Schreiben vom 17.5.2021 bekannt.

21. Das Bundesverwaltungsgericht führte zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts am 14.6.2021 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer, sein bevollmächtigter Rechtsvertreter und eine Dolmetscherin für die Sprache Dari teilnahmen. Die belangte Behörde blieb der mündlichen Verhandlung fern.

In der mündlichen Verhandlung wurde der Beschwerdeführer zu seinem Leben in Österreich, seinen strafrechtlichen Verurteilungen und seinen Familienverhältnissen in Afghanistan bzw. im Iran befragt.

Zu seinem Leben in Österreich gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen zusammengefasst an, er habe Deutschkurse besucht und eine Deutschprüfung auf Niveau A2 des gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprache abgelegt. Er sei erwerbstätig und arbeite derzeit seit Dezember 2019 als Abwäscher und Hilfskoch bei der XXXX . Der Beschwerdeführer sei dort von Montag bis Freitag beschäftigt und zufrieden mit seiner Arbeit. Wenn er sich seinen zukünftigen Job aussuchen könnte, würde er gerne als Security arbeiten. Der Beschwerdeführer lebe gemeinsam mit einem Freund, der eine Ausbildung mache, in einer Mietwohnung. Gefragt, ob er bereits im Iran etwas gelernt habe, gab der Beschwerdeführer an, er habe dort drei Jahre lang bei einer iranischen Frau das Lesen und Schreiben gelernt. Weiter habe er als Straßenverkäufer, in einer Bäckerei und auf einer Baustelle als Hilfsarbeiter gearbeitet. Auf seine strafrechtlichen Verurteilungen angesprochen, gab der Beschwerdeführer an, er sei nicht drogensüchtig und rauche nur Zigaretten. Er habe nur einmal in seinem Leben Drogen verkauft, weil er damals auf der Suche nach einer Arbeit gewesen sei, aber nichts gefunden habe. Er lebe seit ungefähr sieben Jahren in Österreich, habe einmal den Fehler gemacht, Drogen zu verkaufen und sei auch gleich erwischt worden. Damals habe er sechs Monate lang keine finanzielle Unterstützung (Mindestsicherung) vom Staat bekommen. Jetzt arbeite er regelmäßig und verdiene sein Geld selbst. Auf die Anzeige vom 9.12.2019 wegen des Verdachts auf ein Suchtgiftdelikt angesprochen, gab der Beschwerdeführer an, das Verfahren sei eingestellt worden. Ein Freund aus XXXX habe ihn damals besucht, der einen Joint bei sich gehabt habe und kontrolliert worden sei. Die Polizei habe dann den Beschwerdeführer verdächtigt, weil er schon einmal Drogen verkauft habe. Er habe sich jedoch nichts zu Schulden kommen lassen. Auch falls er seinen Job verlieren sollte, werde er keine Drogen mehr verkaufen. Zu seinen Familienverhältnissen führte der Beschwerdeführer aus, zwei Brüder und eine Tante mütterlicherseits, bei der er aufgewachsen sei, würden im Iran in der Stadt XXXX leben. Er unterstütze seine Familie ungefähr alle vier bis fünf Monate finanziell, wenn sie dringend Geld benötige. In Afghanistan habe er keine Familie und keine Verwandten. Selbst, wenn es dort jemanden geben sollte, kenne er diese nicht. Er habe keinen Kontakt nach Afghanistan. Danach gefragt, ob es richtig sei, dass Cousins seines Vaters in Kunduz leben, gab der Beschwerdeführer an, es könne sein, dass diese dort sind. Er habe Afghanistan jedoch als junges Kind verlassen und diese Cousins danach nie gesehen. Wenn er ihnen jetzt begegnen würde, würden sie einander nicht wiedererkennen. Ein Bruder des Beschwerdeführers arbeite im Iran auf einer Baustelle. Der andere Bruder lerne derzeit Lesen und Schreiben.

Der Beschwerdeführer legte im Lauf des Verfahrens folgende Dokumente vor:

?        Schülerausweis der Neuen XXXX Mittelschule XXXX , gültig bis September 2016;

?        Schulbesuchsbestätigung der Neuen XXXX Mittelschule XXXX , Schuljahr 2014/15 vom 3.7.2015 samt ergänzender differenzierender Leistungsbeschreibung;

?        Bestätigung der XXXX über Teilnahme am Sprachkurs Deutsch, Stufe A1 im Zeitraum 20.6.2016 bis 29.9.2016 vom 29.9.2016;

?        Bestätigung der XXXX über Teilnahme am Sprachkurs Deutsch im Zeitraum 12.3.2019 bis 15.6.2018 vom 13.4.2018;

?        ÖSD Zertifikat A1 (gut bestanden) vom 12.5.2017;

?        ÖSD Zertifikat A2 (bestanden) vom 22.8.2017;

?        Verdienstnachweis für Oktober 2018 (Arbeitgeber: XXXX );

?        Dienstvertrag vom 25.10.2018, abgeschlossen zwischen der XXXX als Arbeitsgeber und dem Beschwerdeführer als Arbeitnehmer, Beginn des Arbeitsverhältnisses am 29.10.2018 samt Überlassungsmitteilung vom 4.7.2018;

?        Lohn-/Gehaltsabrechnung für Oktober 2018 bis Jänner 2019 (Arbeitgeber: XXXX );

?        Lohn-/Gehaltsabrechnungen für September und Oktober 2019 (Arbeitgeber XXXX );

?        Bestätigung über die erfolgte Anmeldung beim Sozialversicherungsträger vom 23.5.2019 (Dienstgeber: XXXX );

?        Arbeitsvertrag (undatiert), abgeschlossen zwischen der XXXX als Arbeitgeber und dem Beschwerdeführer als Arbeitnehmer, Beginn des Arbeitsverhältnisses am 5.12.2019;

?        Bestätigung der XXXX über aufrechtes Dienstverhältnis seit 5.12.2019 vom 13.3.2020;

?        Lohnabrechnungen für Dezember 2019 bis Mai 2021 (Arbeitgeber: XXXX );

?        Bestätigung der Meldung aus dem Zentralen Melderegister vom 11.2.2016.

II.      Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Beweisaufnahme:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

?        Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl;

?        Einvernahme des Beschwerdeführers im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht;

?        Einsichtnahme in die Informationen der Staatendokumentation (Stand: 1.4.2021, Version 3) und die Informationen der Word Health Organization (WHO) zur aktuell maßgeblichen Situation aufgrund der COVID-19-Pandemie;

?        Einsichtnahme in die vom Beschwerdeführer vorgelegten Dokumente und Berichte.

2.       Feststellungen:

2.1.    Zur Person und den Lebensumständen des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen und wurde am XXXX in der afghanischen Provinz Kunduz geboren. Er ist Staatsbürger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari. Er beherrscht diese Sprache in Wort und Schrift. Weiter spricht der Beschwerdeführer Deutsch zumindest auf Niveau A2 des gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen. Er ist ledig und kinderlos.

Der Beschwerdeführer wurde in der afghanischen Provinz Kunduz im Dorf XXXX geboren. Die Eltern des Beschwerdeführers verstarben, als der Beschwerdeführer noch ein Kleinkind war. Er wuchs bei seiner Tante mütterlicherseits im afghanischen Familienverband mit seinen beiden jüngeren Brüdern auf. Im Alter von ungefähr acht bis neun Jahren verließ der Beschwerdeführer mit seiner Tante mütterlicherseits und seinen Brüdern Afghanistan und reiste in den Iran. Dort lebte der Beschwerdeführer bis zu seiner Ausreise Richtung Europa in der iranischen Stadt XXXX in einem Miethaus.

Der Beschwerdeführer besuchte weder in Afghanistan, noch im Iran eine offizielle Schule. Er erhielt im Iran ungefähr drei Jahre lang gemeinsam mit anderen afghanischen Kindern Unterricht von einer iranischen Lehrerin. Der Beschwerdeführer hat keinen Beruf erlernt und verrichtete im Iran mehrere Gelegenheitsjobs unter anderem auf Baustellen, als Straßenverkäufer und in einer Bäckerei.

Die Eltern des Beschwerdeführers sind bereits verstorben. Seine Tante mütterlicherseits, ihr Ehemann und die Brüder des Beschwerdeführers leben nach wie vor in der iranischen Stadt XXXX . Der Beschwerdeführer steht in regelmäßigem Kontakt mit dieser Tante mütterlicherseits und seinen Brüdern. Ein Bruder des Beschwerdeführers arbeitet im Iran als Hilfsarbeiter. Der zweite Bruder des Beschwerdeführers lernt bei einer iranischen Lehrerin Lesen und Schreiben. Die finanzielle Situation der Familie des Beschwerdeführers ist schlecht. Der Beschwerdeführer unterstützt seine Tante mütterlicherseits und seine Brüder ab und zu finanziell. Die Familie des Beschwerdeführers wäre nicht in der Lage, den Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan vom Iran aus finanziell zu unterstützen. Weiter leben drei Tanten väterlicherseits, eine weitere Tante mütterlicherseits und vier Onkel mütterlicherseits des Beschwerdeführers im Iran. Zu diesen hatte der Beschwerdeführer jedoch nie engeren Kontakt. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass Cousins des Vaters des Beschwerdeführers noch in Afghanistan in der Provinz Kunduz leben. Der Beschwerdeführer kann zu diesen jedoch keine näheren Angaben machen und pflegt seit seiner Ausreise aus Afghanistan im Kindesalter keinen Kontakt zu diesen Cousins. Selbst für den Fall, dass der Kontakt über die Tante mütterlicherseits des Beschwerdeführers hergestellt werden könnte, ist nicht mit einer finanziellen Unterstützung des Beschwerdeführers durch diese Cousins seines Vaters zu rechnen. Sonstige – allenfalls auch entfernten – Verwandten oder sonstige Bezugspersonen des Beschwerdeführers leben nicht in Afghanistan. Er verfügt daher über kein soziales oder familiäres unterstützungsfähiges Netzwerk in Afghanistan.

Der Beschwerdeführer stellte am 20.11.2014 seinen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich und hält sich – abgesehen von einer Reise in den Iran zu seiner Familie von 23.5.2018 bis 21.7.2018 – durchgehend in Österreich auf.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.1.2016, Zl. 1045959706-140195715, wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigen zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 13.1.2017 erteilt. Tragende Gründe für die Gewährung des subsidiären Schutzes waren das Fehlen eines familiären oder sozialen Netzwerks in Afghanistan, die mangelnde Kenntnis der örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten in Afghanistan und die allgemein prekäre Sicherheits- und Versorgungslage.

Diese Aufenthaltsberechtigung wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.1.2017, Zl. 1045959706-140195715, mit Gültigkeit bis zum 13.1.2019 verlängert.

Der Beschwerdeführer hat seit seiner Einreise an mehreren Deutsch-, Integrations- und Basisbildungskursen teilgenommen. Im Schuljahr 2014/15 besuchte er die Neue XXXX Mittelschule XXXX von 25.3.2015 bis 3.7.2015 als außerordentlicher Schüler. Der Beschwerdeführer legte bereits zwei Prüfungen zu seinen Deutschkenntnissen auf Niveau A1 bzw. A2 des gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen erfolgreich ab. Er lebt in Österreich in XXXX gemeinsam mit einem Freund in einer eigenen Mietwohnung und hat im Bundesgebiet einige soziale Kontakte – auch zu österreichischen Staatsbürgern – geknüpft. Der Beschwerdeführer bemühte sich seit seiner Einreise um die Erlangung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit. Im Oktober 2018 war der Beschwerdeführer kurzzeitig für die XXXX tätig und arbeitete anschließend von Ende Oktober 2018 bis Jänner 2019 bei dem Personalvermittlungsunternehmen XXXX . Im Rahmen dieser Anstellung wurde der Beschwerdeführer der XXXX als Helfer für das Abfüllen, Verpacken und allgemeine Hilfstätigkeiten überlassen. Ab Mai 2019 war der Beschwerdeführer kurzzeitig bei der XXXX und im September und Oktober 2019 bei der XXXX beschäftigt. Seit 5.12.2019 arbeitet der Beschwerdeführer als Abwäscher bei der XXXX . Der Beschwerdeführer ist erwerbstätig und bezieht keine Leistungen auf der staatlichen Grundversorgung. In seiner Freizeit trifft sich der Beschwerdeführer gerne mit seinen Freunden oder spielt Fußball.

In Österreich leben keine Verwandten oder sonstige wichtige Bezugspersonen des Beschwerdeführers. Es besteht weder eine Lebensgemeinschaft des Beschwerdeführers in Österreich noch gibt es in Österreich geborene Kinder des Beschwerdeführers.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich bescholten.

Mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom 25.4.2019 (rechtskräftig seit 30.4.2019) wurde der Beschwerdeführer zur Zahl 17 U 55/19f verurteilt, weil er in XXXX mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, die XXXX im Zeitraum von 1.10.2018 bis 30.11.2018 durch Unterlassen einer Meldung eines Dienstverhältnisses zu einer Leistung, nämlich zur Weiterzahlung der Sozialleistungen in einer den Betrag von 5.000,00 € nicht übersteigenden Höhe, obwohl er in diesem Zeitraum keinen Anspruch darauf hatte, verleitet und dadurch die XXXX mit diesem Betrag am Vermögen geschädigt hat. Hierfür wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des Betruges nach § 146 StGB zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 4,00 € verurteilt. Für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe wurden 60 Tage Ersatzfreiheitsstrafe festgelegt. Bei der Strafzumessung wurden der bisherige ordentliche Lebenswandel, die Begehung der Tat durch Unterlassung und das Alter unter 21 Jahren mildernd berücksichtigt. Als erschwerend wurde kein Umstand gewertet.

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 29.7.2019 (rechtskräftig seit 29.7.2019) wurde der Beschwerdeführer zur Zahl 82 Hv 93/19z verurteilt, weil er am 30.6.2019 in XXXX vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Cannabiskraut (Wirtstoff THCA/Delta-9-THC) an einem allgemein zugänglichen Ort, nämlich am XXXX im Bereich der U-Bahn-Stationen XXXX und XXXX , öffentlich gegen Entgelt jemanden überlassen hat, nämlich drei Säckchen mit 2,3 g an eine dritte Person, und zu überlassen versucht hat, indem er weitere vier Säckchen mit 3,2 g am oben genannten Ort hinter einem Gebüsch zum unmittelbaren Verkauf an potentielle Suchtgiftabnehmer bereit hielt. Hierfür wurde der Beschwerdeführer wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 2a SMG, § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten verurteilt. Gemäß § 43 Abs. 1 StGB wurde die verhängte Freiheitsstrafe unter Setzung einer Probezeit in der Dauer von drei Jahren bedingt nachgesehen. Gemäß § 38 Abs. 1 Z 1 StGB wurde die Vorhaft vom 30.6.2019, 19.05 Uhr bis 29.7.2019, 10.40 Uhr auf die verhängte Freiheitsstrafe angerechnet. Bei der Strafzumessung wurden der ordentliche Lebenswandel und das vollinhaltliche reumütige Geständnis berücksichtigt. Als erschwerend wurde kein Umstand gewertet.

Seither verhält sich der Beschwerdeführer wohl und hat sich nichts zu Schulden kommen lassen. Er konsumiert keine Drogen und sieht das Unrecht seiner Taten ein. Es besteht keine Wiederholungsgefahr. Der Beschwerdeführer stellt keine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich dar.

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig.

2.2.    Zur Änderung der Umstände seit der Gewährung von subsidiärem Schutz

Seit dem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.1.2016, Zl. 1045959706-140195715, mit welchem dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, ist es weder zu einer nachhaltigen maßgeblichen Änderung seiner subjektiven bzw. persönlichen Situation noch zu einer Verbesserung der Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan gekommen. Die Umstände, die zur Gewährung des subsidiären Schutzes mit Bescheid vom 19.1.2016, Zl. 1045959706-140195715, geführt haben (Fehlen eines familiären oder sozialen Netzwerks in Afghanistan, mangelnde Kenntnis der örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten in Afghanistan, allgemein prekäre Sicherheits- und Versorgungslage) haben sich seit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten an den Beschwerdeführer insgesamt nicht wesentlich und nachhaltig verändert bzw. verbessert.

2.3.    Zur Lage im Herkunftsstaat

Die folgenden Länderfeststellungen zur Lage in Afghanistan basieren auf nachstehenden Quellen:

?        Länderinformationsblatt Afghanistan der Staatendokumentation, Stand 1.4.2021 (im Folgenden: LIB);

?        European Asylum Support Office (EASO): Country Guidance: Afghanistan, Dezember 2020 (im Folgenden: EASO);

https://easo.europa.eu/country-guidance-afghanistan-2020;

?        UNHCR Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 30.8.2018 (im Folgenden: UNHCR);

?        European Asylum Support Office (EASO): Country of Origin Information Report: Afghanistan, Individuals targeted by armed actors in the conflict, December 2017 (im Folgenden: EASO Individuals); https://www.easo.europa.eu/information-analysis/country-origin-information/country-reports;

?        European Asylum Support Office (EASO): Bericht Afghanistan Netzwerke (Übersetzung durch Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Staatendokumentation), Stand Jänner 2018 (im Folgenden: EASO Netzwerke);

https://www.easo.europa.eu/information-analysis/country-origin-information/country-reports;

?        Landinfo, Informationszentrum für Herkunftsländer: Afghanistan: Der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne (Arbeitsübersetzung durch Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Staaten-dokumentation), 23.8.2017 (im Folgenden: Landinfo 1);

https://landinfo.no/asset/3590/1/3590_1.pdf;

?        Homepage der Word Health Organization (WKO), letzter Zugriff jeweils am 29.6.2021 (im Folgenden: WHO);

https://www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/question-and-answers-hub/q-a-detail/coronavirus-disease-covid-19;

https://covid19.who.int/region/emro/country/af;

?        ACCORD, Austrian Centre for Country of Origin & Asylum Research and Documentation, Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Lokale Sicherheits- und Versorgungslage in der Stadt Masar-e Sharif und Umgebung; Besonderheiten aufgrund der Corona-Pandemie vom 30.4.2020 (im Folgenden: ACCORD Masar-e Sharif);

https://www.ecoi.net/de/dokument/2030099.html

?        ACCORD, Austrian Centre for Country of Origin & Asylum Research and Documentation, Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Lokale Sicherheits- und Versorgungslage in der Stadt Herat; Besonderheiten aufgrund der Corona-Pandemie vom 23.4.2020 (im Folgenden: ACCORD Herat);

https://www.ecoi.net/de/dokument/2030080.html

Allgemeine Sicherheitslage

Afghanistan ist ein Zentralstaat mit 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind. Auf einer Fläche von 652.860 Quadratkilometern leben ca. 32,9 Millionen bis 39 Millionen Menschen (LIB, Kapitel Politische Lage).

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor volatil. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, die Provinzhauptstädte, die meisten Distriktzentren und die meisten Teile der wichtigsten Transitrouten. Mehrere Teile der wichtigsten Transitrouten sind umkämpft, wodurch Distriktzentren bedroht sind. Seit Februar 2020 haben die Taliban ein hohes Maß an Gewalt gegen die ANDSF (Afghan National Defense Security Forces) aufrechterhalten, vermeiden aber gleichzeitig Angriffe gegen Koalitionstruppen, welche in der Nähe von Provinzhauptstädten stationiert sind. Unabhängig davon begann IS/ISKP im Februar 2020 (zum ersten Mal seit dem Verlust seiner Hochburg in der Provinz Nangarhar im November 2019) Terroranschläge gegen die ANDSF und die Koalitionstruppen durchzuführen (LIB, Kapitel Sicherheitslage).

Drei Ministerien verantworten die Sicherheit in Afghanistan: Das afghanische Innenministerium (Afghanistan’s Ministry of Interior - MoI), das Verteidigungsministerium (Ministry of Defense - MoD) und der afghanische Geheimdienst (NDS). Das Innenministerium ist primär für die interne Ordnung zuständig, dazu zählt auch die ANP (Afghan National Police) und die ALP (Afghan Local Police). Die ANA (Afghanische Nationalarmee) untersteht dem Verteidigungsministerium und ist für die externe Sicherheit zuständig, ihre primäre Aufgabe ist jedoch die Bekämpfung der Aufständischen innerhalb Afghanistans. Das National Directorate of Security (NDS) fungiert als Geheimdienst und ist auch für die Untersuchung von Kriminalfällen zuständig, welche die nationale Sicherheit betreffen. Die Ermittlungsabteilung des NDS betreibt ein Untersuchungsgefängnis in Kabul. Die afghanischen Sicherheitskräfte werden teilweise von US-amerikanischen bzw. Koalitionskräften unterstützt (LIB, Kapitel Sicherheitsbehörden).

In Afghanistan sind unterschiedliche regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv - insbesondere die Grenzregion zu Pakistan bleibt eine Zufluchtsstätte für unterschiedliche Gruppierungen, wie Taliban, Islamischer Staat, al-Qaida, Haqqani-Netzwerk, Lashkar-e Tayyiba, Tehrik-e Taliban Pakistan, sowie Islamic Movement of Uzbekistan und stellt nicht nur für die beiden Länder eine Sicherheitsherausforderung dar, sondern eine Bedrohung für die gesamte regionale Sicherheit und Stabilität (LIB, Kapitel Regierungsfeindliche Gruppierungen).

Aktuelle Entwicklungen

Die afghanischen Regierungskräfte und die US-Amerikaner können die Taliban, die über rund 60.000 Mann verfügen, nicht besiegen. Aber auch die Aufständischen sind nicht stark genug, die Regierungstruppen zu überrennen, obwohl sie rund die Hälfte des Landes kontrollieren oder dort zumindest präsent sind. 2020 fanden die ersten ernsthaften Verhandlungen zwischen allen Parteien des Afghanistan-Konflikts zur Beendigung des Krieges statt. Das lang erwartete Abkommen zwischen den Vereinigten Staaten und den Taliban wurde Ende Februar 2020 unterzeichnet - die afghanische Regierung war an dem Abkommen weder beteiligt, noch unterzeichnete sie dieses. Das Abkommen zwischen den Vereinigten Staaten und den Taliban enthält das Versprechen der US-Amerikaner, ihre noch rund 13.000 Armeeangehörigen in Afghanistan innerhalb von 14 Monaten abzuziehen. Auch die verbliebenen nicht amerikanischen NATO-Truppen sollen abgezogen werden (LIB, Kapitel Politische Lage).

Der Konflikt in Afghanistan befindet sich nach wie vor in einer "strategischen Pattsituation", die nur durch Verhandlungen zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban gelöst werden kann. Die afghanische Regierung führte zum ersten Mal persönliche Gespräche mit den Taliban, inhaltlich wurde über den Austausch tausender Gefangener verhandelt. Diese Gespräche sind ein erster Schritt Richtung inner-afghanischer Verhandlungen, welche Teil eines zwischen Taliban und US-Amerikanern unterzeichneten Abkommens sind (LIB, Kapitel Sicherheitslage).

Der Abzug der ausländischen Truppenangehörigen, von denen die meisten Beratungs- und Ausbildungsfunktionen wahrnehmen, ist abhängig davon, ob die Taliban ihren Teil der Abmachung einhalten. Sie haben im Abkommen zugesichert, terroristischen Gruppierungen wie etwa Al-Qaida keine Zuflucht zu gewähren. Die Taliban verpflichteten sich weiter, innerhalb von zehn Tagen nach Unterzeichnung Gespräche mit einer afghanischen Delegation aufzunehmen. Die Taliban haben die politische Krise im Zuge der Präsidentschaftswahlen derweil als Vorwand genutzt, um den Einstieg in Verhandlungen hinauszuzögern. Sie werfen der Regierung vor, ihren Teil der am 29.2.2020 von den Taliban mit der US-Regierung geschlossenen Vereinbarung weiterhin nicht einzuhalten, und setzten ihre militärische Kampagne gegen die afghanischen Sicherheitskräfte mit hoher Intensität fort. Die Kämpfe zwischen den afghanischen Regierungstruppen, den Taliban und anderen bewaffneten Gruppen hielten an und forderten in den ersten neun Monaten des Jahres fast 6.000 zivile Opfer (LIB, Kapitel Politische Lage).

Im September 2020 starteten die Friedensgespräche zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban in Katar (LIB, Kapitel Politische Lage). Die Gespräche fanden vor dem Hintergrund anhaltender Gewalt im Land statt. Vom 1.1.2020 bis zum 31.12.2020 verzeichnete UNAMA die niedrigste Zahl ziviler Opfer seit 2013. Laut AAN (Afghanistan Analysts Network) war 2020 in Afghanistan genauso gewalttätig wie 2019, trotz des Friedensprozesses und der COVID-19-Pandemie. Die Taliban starteten wie üblich eine Frühjahrsoffensive, wenn auch unangekündigt, und verursachten in den ersten sechs Monaten des Jahres 2020 43 Prozent aller zivilen Opfer. Afghanistans National Security Council (NSC) zufolge nahmen die Talibanattacken im Juni 2020 deutlich zu. Gemäß NATO Resolute Support (RS) nahm die Anzahl an zivilen Opfern im zweiten Quartal 2020 um fast 60% gegenüber dem ersten Quartal und um 18% gegenüber dem zweiten Quartal des Vorjahres zu. Obwohl sich die territoriale Kontrolle kaum verändert hat, scheint es eine geografische Verschiebung gegeben zu haben, mit mehr Gewalt im Norden und Westen und weniger in einigen südlichen Provinzen, wie Helmand (LIB, Kapitel Sicherheitslage).

Ein Waffenstillstand steht ganz oben auf der Liste der Regierung und der afghanischen Bevölkerung, wobei einige Analysten sagen, dass die Taliban wahrscheinlich noch keinen umfassenden Waffenstillstand vereinbaren werden, da Gewalt und Zusammenstöße mit den afghanischen Streitkräften den Aufständischen ein Druckmittel am Verhandlungstisch geben. Die Rechte der Frauen sind ein weiteres Brennpunktthema. Doch bisher (Stand 10.2020) hat es keine Fortschritte gegeben, da sich die kriegführenden Seiten in Prozessen und Verfahren verzettelt haben, so diplomatische Quellen. Die neue amerikanische Regierung warf den Taliban im Januar 2021 vor, gegen das im Februar 2020 geschlossene Friedensabkommen zu verstoßen und sich nicht an die Verpflichtungen zu halten, ihre Gewaltakte zu reduzieren und ihre Verbindungen zum Extremistennetzwerk Al-Qaida zu kappen. Nach einer mehr als einmonatigen Verzögerung inmitten eskalierender Gewalt sind die Friedensgespräche zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung am 22.2.2021 in Katar wieder aufgenommen worden (LIB, Kapitel Politische Lage).

COVID-19

COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet. Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 20 % der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen (60 Jahre oder älter) und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Bluthochdruck, Herz- und Lungenproblemen, Diabetes, Fettleibigkeit oder Krebs) auf, einschließlich Verletzungen von Herz, Leber oder Nieren (WHO).

Der erste offizielle Fall einer COVID-19 Infektion in Afghanistan wurde am 24.2.2020 in Herat festgestellt. Aufgrund begrenzter Ressourcen des öffentlichen Gesundheitswesens und der Testkapazitäten, der Testkriterien, des Mangels an Personen, die sich für Tests melden, sowie wegen des Fehlens eines nationalen Sterberegisters werden bestätigte Fälle von und Todesfälle durch COVID-19 in Afghanistan wahrscheinlich insgesamt unterrepräsentiert. Die Infektionen steigen weiter an und bis zum 17.3.2021 wurden der WHO 56.016 bestätigte Fälle von COVID-19 mit 2.460 Todesfällen gemeldet (LIB, Kapitel COVID-19).

Das afghanische Gesundheitsministerium (MoPH) hat verschiedene Maßnahmen zur Vorbereitung und Reaktion auf COVID-19 ergriffen. „Rapid Response Teams“ (RRTs) besuchen Verdachtsfälle zu Hause. Die Anzahl der aktiven RRTs ist von Provinz zu Provinz unterschiedlich, da ihre Größe und ihr Umfang von der COVID-19-Situation in der jeweiligen Provinz abhängt. Sogenannte „Fix-Teams“ sind in Krankenhäusern stationiert, untersuchen verdächtige COVID-19-Patienten vor Ort und stehen in jedem öffentlichen Krankenhaus zur Verfügung. Ein weiterer Teil der COVID-19-Patienten befindet sich in häuslicher Pflege (Isolation). Allerdings ist die häusliche Pflege und Isolation für die meisten Patienten sehr schwierig bis unmöglich, da die räumlichen Lebensbedingungen in Afghanistan sehr begrenzt sind. Zu den Sensibilisierungsbemühungen gehört die Verbreitung von Informationen über soziale Medien, Plakate, Flugblätter sowie die Ältesten in den Gemeinden. Gegenwärtig gibt es in den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif keine Ausgangssperren. Das afghanische Gesundheitsministerium hat die Menschen jedoch dazu ermutigt, einen physischen Abstand von mindestens einem Meter einzuhalten, eine Maske zu tragen, sich 20 Sekunden lang die Hände mit Wasser und Seife zu waschen und Versammlungen zu vermeiden. Derzeit verkehren Busse, Sammeltaxis und Flugzeuge zwischen den Provinzen und Städten. Die derzeitige Situation führt zu keiner Einschränkung der Bewegungsfreiheit. Laut IOM sind Hotels, Teehäuser und andere Unterkunftsmöglichkeiten derzeit (März 2021) nur für Geschäftsreisende geöffnet. Da die Hotels bzw. Teehäuser die Gäste benötigen, um wirtschaftlich überleben zu können, fragen sie nicht genau nach. Die Taliban erlauben den Zugang für medizinische Helfer in Gebieten unter ihrer Kontrolle im Zusammenhang mit dem Kampf gegen COVID-19 (LIB, Kapitel COVID-19).

Im Februar 2021 hat Afghanistan mit seiner COVID-19-Impfkampagne begonnen, bei der zunächst Mitglieder der Sicherheitskräfte, Mitarbeiter des Gesundheitswesens und Journalisten geimpft werden. Bis zum 10.3.2021 wurden insgesamt 34.743 Impfstoffdosen verabreicht. Indien hat zugesagt, 500.000 Dosen seines eigenen Impfstoffs zu spenden, erste Lieferungen sind bereits angekommen. 100.000 weitere Dosen sollen über COVAX (COVID-19 Vaccines Global Access) verteilt werden (LIB, Kapitel COVID-19).

Allgemeine Wirtschaftslage

Die afghanische Wirtschaft ist stark von internationalen Hilfsgeldern abhängig. Das Budget zur Entwicklungshilfe und Teile des operativen Budgets stammen aus internationalen Hilfsgeldern. Die afghanische Wirtschaft stützt sich hauptsächlich auf den informellen Sektor (einschließlich illegaler Aktivitäten), der 80 bis 90 % der gesamten Wirtschaftstätigkeit ausmacht und weitgehend das tatsächliche Einkommen der afghanischen Haushalte bestimmt. Lebensgrundlage für rund 80% der Bevölkerung ist die Landwirtschaft. Seit 2014 verzeichnet die afghanische Wirtschaft ein langsames Wachstum, was mit dem Rückzug der internationalen Sicherheitskräfte, der damit einhergehenden Kürzung der internationalen Zuschüsse und einer sich verschlechternden Sicherheitslage in Verbindung gebracht wird (LIB, Kapitel Grundversorgung und Wirtschaft).

Zusätzlich belastet die COVID-19-Krise mit einhergehender wirtschaftlicher Rezession die privaten Haushalte stark. Laut einem Bericht der Weltbank zeigen die verfügbaren Indikatoren Anzeichen für eine stark schrumpfende Wirtschaft in der ersten Hälfte des Jahres 2020, was die Auswirkungen der COVID-19-Krise im Kontext der anhaltenden Unsicherheit widerspiegelt. Die Auswirkungen von COVID-19 auf den Landwirtschaftssektor waren bisher gering. Bei günstigen Witterungsbedingungen während der Aussaat wird erwartet, dass sich die Weizenproduktion nach der Dürre von 2018 weiter erholen wird. Lockdown-Maßnahmen hatten bisher nur begrenzte Auswirkungen auf die landwirtschaftliche Produktion und blieben in ländlichen Gebieten nicht durchgesetzt. Die Produktion von Obst und Nüssen für die Verarbeitung und den Export wird jedoch durch Unterbrechung der Lieferketten und Schließung der Exportwege negativ beeinflusst (LIB, Kapitel COVID-19). Für 2020 geht die Weltbank COVID-19-bedingt von einer Rezession (bis zu -8% BIP) aus. Eine Reihe von U.S.-Wirtschafts- und Sozialentwicklungsprogrammen haben ihre Ziele für das Jahr 2020, aufgrund COVID-19-bedingter Einschränkungen nicht erreicht (LIB, Kapitel Grundversorgung und Wirtschaft).

Armut und Lebensmittelunsicherheit:

Afghanistan ist nach wie vor eines der ärmsten Länder der Welt. Die Grundversorgung ist für große Teile der Bevölkerung eine tägliche Herausforderung, dies gilt in besonderem Maße für Rückkehrer. Diese bereits prekäre Lage hat sich seit März 2020 durch die COVID-19-Pandemie stetig weiter verschärft. Es wird erwartet, dass 2021 bis zu 18,4 Millionen Menschen (2020: 14 Mio. Menschen) auf humanitäre Hilfe angewiesen sein werden. Auch die Weltbank prognostiziert einen weiteren Anstieg, da das Wirtschaftswachstum durch die hohen Geburtenraten absorbiert wird. Das Gefälle zwischen urbanen Zentren und ländlichen Gebieten bleibt eklatant. Während in ländlichen Gebieten bis zu 60% der Bevölkerung unter der Armutsgrenze leben, sind es in urbanen Gebieten rund 41,6% (LIB, Kapitel Grundversorgung und Wirtschaft, Unterkapitel Armut und Lebensmittelunsicherheit).

Nach Angaben der Vereinten Nationen lag die Zahl der Menschen, die von akuter Ernährungsunsicherheit betroffen sind, im Zeitraum von August bis Oktober 2020 bei etwa 36% der untersuchten Bevölkerung (LIB, Kapitel Grundversorgung und Wirtschaft, Unterkapitel Armut und Lebensmittelunsicherheit). Die sozioökonomischen Auswirkungen von COVID-19 beeinflussen die Ernährungsunsicherheit, die inzwischen ein ähnliches Niveau erreicht hat wie während der Dürre von 2018. In der ersten Hälfte des Jahres 2020 kam es zu einem deutlichen Anstieg der Lebensmittelpreise, die im April 2020 im Jahresvergleich um rund 17% stiegen, nachdem in den wichtigsten städtischen Zentren Grenzkontrollen und Lockdown-Maßnahmen eingeführt worden waren. Der Zugang zu Trinkwasser war jedoch nicht beeinträchtigt, da viele der Haushalte entweder über einen Brunnen im Haus verfügen oder Trinkwasser über einen zentralen Wasserverteilungskanal erhalten. Die Preisanstiege scheinen seit April 2020 nach der Verteilung von Weizen aus strategischen Getreidereserven, der Durchsetzung von Anti-Preismanipulationsregelungen und der Wiederöffnung der Grenzen für Nahrungsmittelimporte nachgelassen zu haben. Die Lebensmittelpreise haben sich mit Stand März 2021 auf einem hohen Niveau stabilisiert (LIB, Kapitel COVID-19).

In städtischen Gebieten werden die geringere Verfügbarkeit von Einkommensmöglichkeiten während des Winters, unterdurchschnittliche Rücküberweisungen und überdurchschnittliche Nahrungsmittelpreise wahrscheinlich den Zugang zu Nahrung und Einkommen für viele arme Haushalte einschränken, wobei während des gesamten Zeitraums bis Mai 2021 ohne Hilfe eine Bewertung mit IPC Stufe 3 ("Crisis") des von FEWS NET verwendeten fünfstufigen Klassifizierungssystems erwartet wird. Wenn die Umsetzung des COVID-19-Hilfsprogramms voranschreitet, werden sich die Haushalte, welche humanitäre Hilfe erhalten, wahrscheinlich auf IPC Stufe 2 ("Stressed") verbessern, bis sie die Hilfe ausschöpfen. Die meisten ländlichen Gebiete haben IPC Stufe 2 ("Stressed") und es wurde erwartet, dass dies während des gesamten Zeitraums bis Mai 2021 bestehen bleibt (LIB, Kapitel Grundversorgung und Wirtschaft, Unterkapitel Armut und Lebensmittelunsicherheit).

Wohnungsmarkt und Lebenserhaltungskosten:

In den Städten besteht grundsätzlich die Möglichkeit, sicheren Wohnraum zu mieten. Es existieren auch sog. Teehäuser, die etwa von Tagelöhnern zur Übernachtung genutzt werden (LIB, Kapitel Grundversorgung und Wirtschaft, Unterkapitel Wohnungsmarkt und Lebenserhaltungskosten). Dabei handelt es sich um einfache, große Zimmer, wo Tee und einfaches, billiges Essen aufgetischt wird. Man muss niemanden kennen, um eingelassen zu werden und es ist nichts Ungewöhnliches, dass Gäste alleine kommen. Nach Angaben einer diplomatischen Quelle sind Teehäuser ein Männern vorbehaltener Ort; es wäre eine Seltenheit, würden Frauen ein chai khana (Teehaus) unter Tags besuchen; dass Frauen über Nacht bleiben, ist undenkbar (EASO Netzwerke, Kapitel 4.2.). Laut IOM sind Hotels, Teehäuser und andere Unterkunftsmöglichkeiten derzeit (März 2021) nur für Geschäftsreisende geöffnet. Da die Hotels bzw. Teehäuser die Gäste benötigen, um wirtschaftlich überleben zu können, fragen sie jedoch nicht genau nach (LIB, Kapitel COVID-19).

Die Miete für eine Wohnung im Stadtzentrum von Kabul liegt durchschnittlich zwischen 200 USD und 350 USD im Monat, wobei die COVID-19-Pandemie keine besonderen Auswirkungen auf die Miet- und Kaufpreise in Kabul hatte. Für einen angemessenen Lebensstandard muss zudem mit durchschnittlichen Lebenshaltungskosten von bis zu 350 USD pro Monat (Stand 2020) gerechnet werden. Auch in Mazar-e Sharif stehen zahlreiche Wohnungen zur Miete zur Verfügung. Dies gilt auch für Rückkehrer. Die Höhe des Mietpreises für eine Drei-Zimmer-Wohnung in Mazar-e Sharif schwankt unter anderem je nach Lage zwischen 100 USD und 300 USD monatlich. Es existieren auch andere Unterbringungsmöglichkeiten wie Hotels und Teehäuser, die etwa von Tagelöhnern zur Übernachtung genutzt werden. Betriebs- und Nebenkosten wie Wasser und Strom kosten in der Regel nicht mehr als 40 USD pro Monat. Abhängig vom Verbrauch können die Kosten allerdings höher liegen. In ländlichen Gebieten kann man mit mind. 50 % weniger Kosten für die Miete und den Lebensunterhalt rechnen. Wohnungszuschüsse für sozial Benachteiligte oder Mittellose existieren in Afghanistan nicht (LIB, Kapitel Grundversorgung und Wirtschaft, Unterkapitel Wohnungsmarkt und Lebenserhaltungskosten).

Nach jüngsten Informationen leben etwa 8 Millionen (24,4 %) der afghanischen Bevölkerung in städtischen Gebieten und etwa 23,4 Millionen (71 %) in ländlichen Gebiete. Die große Mehrheit (72 %, basierend auf den ALCS-Zahlen für 2016-2017) der städtischen Bevölkerung Afghanistans lebt in Slums oder in unzureichenden Wohnungen. Im Allgemeinen lebt der Großteil der Afghanen in sehr schlechten Wohnverhältnissen und hat kaum Zugang zu Wohnraumfinanzierung (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, 5.)

Arbeitsmarkt:

Die Schaffung von Arbeitsplätzen bleibt eine zentrale Herausforderung für Afghanistan. 80% der afghanischen Arbeitskräfte befinden sich in "prekären Beschäftigungsverhältnissen", mit hoher Arbeitsplatzunsicherheit und schlechten Arbeitsbedingungen. Schätzungsweise 16% der prekär Beschäftigten sind Tagelöhner. Letzten Schätzungen zufolge sind 1,9 Millionen Afghan/innen arbeitslos - Frauen und Jugendliche haben am meisten mit dieser Jobkrise zu kämpfen. Jugendarbeitslosigkeit ist ein komplexes Phänomen mit starken Unterschieden im städtischen und ländlichen Bereich. Der afghanische Arbeitsmarkt ist durch eine starke Dominanz des Agrarsektors, eine Unterrepräsentation von Frauen und relativ wenigen Möglichkeiten für junge Menschen gekennzeichnet. Bei der Arbeitssuche spielen persönliche Kontakte eine wichtige Rolle. Ohne Netzwerke ist die Arbeitssuche schwierig (LIB, Kapitel Grundversorgung und Wirtschaft, Unterkapitel Arbeitsmarkt).

In Afghanistan existiert keine finanzielle oder sonstige Unterstützung bei Arbeitslosigkeit. Lediglich beratende Unterstützung wird vom Ministerium für Arbeit und Soziale Belange und der NGO ACBAR

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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