TE Bvwg Erkenntnis 2021/7/21 W117 1307953-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.07.2021
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Entscheidungsdatum

21.07.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z5
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §9 Abs1
AsylG 2005 §9 Abs4
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z4
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z5

Spruch


W117 1307953-3/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. DRUCKENTHANER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch die Caritas der Erzdiözese Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.08.2017, Zl. 356422805-2888130, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14.05.2021 zu Recht:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

Verfahrensgang und Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer (in der Folge: BF) führt die im Spruch angeführte Identität und gehört der tschetschenischen Volksgruppe an. Er ist volljährig und (nunmehr) strafgerichtlich unbescholten. Die Eltern sowie die beiden volljährigen Geschwister des BF haben in Österreich den Status der subsidiär Schutzberechtigten.

Der (damals noch minderjährige) BF reiste am 20.11.2005 gemeinsam mit seinen Eltern und Geschwistern ins Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag (vertreten durch seinen Vater als gesetzlichen Vertreter) einen Antrag auf internationalen Schutz (damals: „Asylantrag“).

Mit Bescheid des (damals zuständigen) Bundesasylamtes (in der Folge: BAA) vom 20.11.2006, Zl. 05 20.073-BAE, wurde der Asylantrag des BF gemäß (damals:) § 7 AsylG 1997 abgewiesen (Spruchpunkt I.), die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF in die Russische Föderation gemäß (damals:) § 8 Abs. 1 AsylG 1997 für zulässig erklärt (Spruchpunkt II.) und der BF gemäß (damals:) § 8 Abs. 2 AsylG 1997 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

Gegen diesen Bescheid brachte der BF (durch seinen gesetzlichen Vertreter) durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter fristgerecht das Rechtsmittel der Berufung ein.

Mit Bescheid des (damals zuständigen) Unabhängigen Bundesasylsenates (in der Folge: UBAS) vom 26.09.2007, Zl. 307.953-C1/4E-VI/17/06, wurde der Berufung des BF insoweit Folge gegeben, als dass der Bescheid des BAA vom 20.11.2006 behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das BAA zurückverwiesen wurde.

Mit (neuem) Bescheid des BAA vom 07.05.2008, Zl. 05 20.073/1-BAE, wurde der Asylantrag des BF gemäß (damals:) § 7 AsylG 1997 abgewiesen (Spruchpunkt I.), die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF in die Russische Föderation gemäß (damals:) § 8 Abs. 1 AsylG 1997 für unzulässig erklärt (Spruchpunkt II.) und dem BF gemäß (damals:) § 8 Abs. 3 iVm § 15 Abs. 2 AsylG 1997 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 07.05.2009 erteilt (Spruchpunkt III.).

Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhob der BF abermals fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde (bezeichnet als „Berufung“) an den (damals zuständigen) Asylgerichtshof (in der Folge: AsylGH). Die Spruchpunkte II. und III. erwuchsen am 24.05.2008 in Rechtskraft.

Mit Erkenntnis vom 20.10.2011, Zl. D15 307953-2/2008/16E, wies der AsylGH die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 7 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 als unbegründet ab und bestätigte damit im Ergebnis die Entscheidung der belangten Behörde. Dieses Erkenntnis (und damit auch Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides) erwuchs am 21.10.2011 in Rechtskraft.

Am 17.04.2009 beantragte der BF (durch seine Eltern als gesetzliche Vertreter) fristgerecht die Verlängerung der (mit Bescheid vom 07.05.2008 erteilten) befristeten Aufenthaltsberechtigung.

Mit Bescheid des BAA vom 04.05.2009, Zl. 05 20.073/2-BAE, wurde dem BF gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 07.05.2010 erteilt.

Am 26.04.2010 stellte der BF neuerlich fristgerecht einen Antrag auf Verlängerung der (mit Bescheid vom 04.05.2009 erteilten) befristeten Aufenthaltsberechtigung.

Mit Bescheid des BAA vom 28.05.2010, Zl. 05 20.073/3-BAE, wurde dem BF (der mit Bescheid vom 07.05.2008 zuerkannte) Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 122/2009, von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.), dem BF gemäß § 9 Abs. 4 AsylG 2005 die (mit Bescheid vom 04.05.2009 erteilte) befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter entzogen (Spruchpunkt II.) und festgestellt, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Russische Föderation gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 nicht zulässig sei (Spruchpunkt III.).

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass der BF während seines Aufenthaltes in Österreich bereits zweimal rechtskräftig von einem Strafgericht (wegen der Verbrechen des Raubes und des gewerbsmäßigen Diebstahles) verurteilt worden sei. Es liege jedoch ein Abschiebungshindernis vor, weil eine alleinige Rückführung des BF in die Russische Föderation aufgrund seiner individuellen Situation (insbesondere, da sowohl seine Eltern als auch seine Geschwister als subsidiär Schutzberechtigte in Österreich leben würden) in Zusammenhang mit der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat eine unzumutbare Gefährdung der Person des BF darstelle. Die allgemeine Situation im Herkunftsstaat habe sich seit dem Zeitpunkt der Refoulment-Schutzgewährung noch nicht dahingehend geändert, dass dem BF gegenwärtig eine Rückkehr dorthin zumutbar wäre und bedürfe es (mit Hinweis auf ein Judikat des Verwaltungsgerichtshofes) für die Heranziehung von Veränderungen im Herkunftsstaat auch einer Konsolidierungsphase.

Dieser Bescheid erwuchs am 15.06.2010 in Rechtskraft.

Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides (negativer Abspruch über die Frage des Vorliegens von Asyl/GFK-relevanten Gründen) erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde an den damals zuständigen Asylgerichtshof, welche dieser mit Erkenntnis, D15 307953-2/2008/16E, vom 20.11.2011 verwarf.

Am 07.04.2011 stellte der BF neuerlich einen Verlängerungsantrag gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005.

Am 15.11.2011 wurde die Aufenthaltsberechtigung des BF infolge des am 21.10.2011 in Rechtskraft erwachsenen Erkenntnisses des AsylGH vom BAA widerrufen.

In der Folge wurde dem BF eine Duldungskarte, zuletzt mit Gültigkeit bis zum 29.12.2021, ausgestellt.

Mit Schriftsatz vom 25.07.2017 brachte der BF durch seine ausgewiesene Rechtsvertretung neuerlich einen Antrag gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 ein. Begründend wurde darin ausgeführt, dass sämtliche Strafen des BF nunmehr getilgt seien und dieser somit nicht mehr „straffällig“ iSd AsylG sei. Es lägen weiterhin Abschiebungshindernisse iSd Art. 3 EMRK vor, sodass dem BF neuerlich eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen sei.

Dieser Antrag des BF wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) vom 25.08.2017, Zl. 356422805-2888130, gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 68/2013 zurückgewiesen.

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass dem BF – mangels Status eines subsidiär Schutzberechtigten – keine Antragslegitimation zukomme.

Gegen diesen Bescheid richtet sich gegenständliche – fristgerecht eingebrachte – Beschwerde, in der der BF durch seine ausgewiesene Rechtsvertretung im Wesentlichen die bereits in der Antragstellung vorgebrachten Argumente wiederholte und dazu ergänzend ausführte, dass der BF – folgte man der Entscheidung der Behörde – einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz stellen müsste, der jedoch von der Behörde zurückzuweisen wäre, weil darüber, dass dem BF wegen Gefährdung von Leib und Leben iSd Art. 3 EMRK Refoulment-Schutz zu gewähren ist, bereits (Anm.: mit Bescheid vom 28.05.2010 in Spruchpunkt III.) rechtskräftig entschieden worden sei. Der angefochtene Bescheid bewirke somit eine systemwidrige Lücke.

Beantragt wurde die Abänderung des angefochtenen Bescheides dahingehend, dass dem BF eine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG ausgestellt werde.

Das BFA legte dem Bundesverwaltungsgericht (in der Folge: BVwG) die Beschwerde sowie den Verwaltungsakt, einlangend am 28.09.2017, vor.

Am 08.06.2021 brachte das BFA eine Stellungnahme beim BVwG und beantragte die Abweisung der Beschwerde.

Am 14.05.2019 führte das BVwG unter Beiziehung eines Dolmetschers für die russische Sprache und in Anwesenheit des BF sowie seiner Rechtsvertreterin eine öffentlich mündliche Verhandlung durch.

Die Verhandlung nahm entscheidungswesentlich folgenden Verlauf:

„[…]

R: Welchen Status haben Ihre Eltern derzeit in Österreich?

BF: Derzeit haben sie Subsidiären Schutz.

R: Wer hat diesen subsidiären Schutz zuerkannt?

BF: Eisenstadt.

RV: Am 07.05.2008 wurde das zugesprochen dem BF

RV: Bringt vor: die gesamte Familie hat aufgrund des Asylantrages 2005 subsidiären Schutz erhalten, der BF am 07.05.2008 und nehme auch an die Eltern mit gleichen Datum. Auch nach der Entscheidung des Asylgerichtshofes wurde dieser Status vom BFA immer wieder verlängert und nur hinsichtlich des BF wegen der Straffälligkeit auf eine Duldung zurückgestuft.

R: Das stimmt nicht ganz. In dem Aberkennungsbescheid steht in der Begründung unter anderem auf Seite 4 von 7 das Ihnen eine Rückkehr in die Russische Föderation aktuell noch nicht zumutbar ist, weil es diesbezüglich einer Konsolidierungsphase hinsichtlich allfälliger Veränderungen im Herkunftsstaat bedarf.

RV: Ich erlaube mir darauf aufmerksam zu machen, dass der gesamten Familie des BF auch nach der Entscheidung des Asylgerichtshofes fortlaufend Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs 4 AsylG ausgestellt wurden.

R: Haben Sie die Verlängerungsbescheide da?

BF: Nein, die wurden aber letztes Jahr verlängert.

Erörtert wird auch die Rechtssituation nach unpräjudizieller Ansicht des zuständigen Einzelrichters müsste der BF schlichtweg einen neuen Antrag auf internationalen Schutz stellen, im Rahmen des Verfahrens würden dann auch die Gründe für das Vorliegen subsidiären Schutzes hinsichtlich deren Aktualität geprüft werden und ist insofern die Verwaltungsbehörde zuständig. Würde das BVwG eine Entscheidung treffen, würde dies den Instanzen zu kappen.

RV: Ich verweise auf die Ausführungen der Beschwerde, wonach der Bescheid gemäß § 9 Absatz 2 auf Basis einer Refoulement-Entscheidung getroffen wurde, die nach wie vor rechtskräftig ist. Eingedenk der Entscheidung des VwGH vom 24.01.2019 Zahl Ro 2018/21/0011 ist im Falle einer solchen rechtskräftigen Entscheidung jedenfalls die Erlassung einer Rückkehrentscheidung unzulässig. Die Entscheidung des BFA weist den Antrag des BF als unzulässig zurück und unterlässt es aber, mit dieser zurückweisenden Entscheidung eine Rückkehrentscheidung zu verbinden. Die Verwaltungsbehörde hätte daher aussprechen müssen, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung zumindest vorübergehend unzulässig ist.

Angesichts des Umstandes, dass der BF seit dem Jahre 2005 in Österreich im Familienverband lebt, unbescholten ist, in einer Lebensgemeinschaft mit einer subsidiär Schutzberechtigten lebt und mit ihr das erste gemeinsame Kind erwartet, ist in rechtlicher Hinsicht davon auszugehen, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung zum jetzigen Zeitpunkt auf Dauer unzulässig sei.

Ich rege daher an, das Gericht möge in Stattgabe der Beschwerde die zurückweisende Entscheidung des BFA beheben und in der Folge-gemäß der eingangs ausgeführten Rechtsansicht des Gerichts zur Gefährdung des BF- nach Abweisung des beschwerdegegenständlichen Antrags feststellen, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist.

R: Arbeiten Sie irgendetwas?

BF: Das ist das Problem. Ich habe keinen Arbeitsmarktzugang. Das AMS weist mich ständig ab.

R: Wollen Sie noch etwas sagen?

BF: Es würde mir auch eine Duldungskarte genügen, wenn ich arbeiten könnte, aber die lassen mich nicht.

Der RV wird der Auftrag erteilt, innerhalb von zwei Wochen die letzten Aufenthaltsberechtigungserteilungen, die Eltern, und die Schwester betreffend, vorzulegen.

[…]“

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

I. Entscheidungsgrundlagen:
?         gegenständliche Aktenlage:

?        erstinstanzlicher Verfahrensakt;

?        PV;

?        Auszug aus dem Strafregister;

?        Auszug aus dem Zentralen Melderegister;

?        Auszug aus dem Zentralen Fremdenregister;

?        Auszug aus dem GVS-Betreuungsinformationssystem;

?        im Verfahren vorgelegte Dokumente, insbesondere:

-        Verlängerungsbescheide der Familienangehörigen des BF vom 24.04.2020 und 02.06.2020

II. Würdigung der Enscheidungsgrundlagen:

Verfahrensgang und Sachverhalt können als unstrittig angesehen werden.

Die Feststellungen zur Person des BF ergeben sich unzweifelhaft aus der Aktenlage.

Dass der BF (nunmehr) strafgerichtlich unbescholten ist, ergibt sich aus der Einsichtnahme in das österreichische Strafregister.

Dass die Eltern und Geschwister des BF in Österreich subsidiär schutzberechtigt sind, ergibt sich aus den vom BF vorgelegten Verlängerungsbescheiden betreffend seine Familienangehörigen.

Die Feststellung, wonach der Bescheid des BAA vom 28.05.2010 nicht – wie von der Behörde angenommen – am 21.10.2011, sondern bereits am 15.06.2010 in Rechtskraft erwuchs, ergibt sich aus der Aktenlage. Das BFA dürfte im gegenständlich angefochtenen Bescheid irrigerweise davon ausgegangen sein, dass der Aberkennungsbescheid Beschwerdegegenstand im Verfahren vor dem AsylGH (Zl. D15 307953-2/2008/16E) war. Dass dies nicht zutreffend ist, sondern einzig die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. (Abweisung des Asylantrages) des Bescheides des BAA vom 07.05.2008 Gegenstand des Verfahrens war, ergibt sich unzweifelhaft aus dem Erkenntnis des AsylGH vom 20.10.2011, das am 21.10.2011 in Rechtskraft erwuchs.

Die Aufnahme weiterer Beweise war wegen Entscheidungsreife nicht mehr erforderlich.

III. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht im Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 11 VwGVG sind, soweit in diesem und im vorangehenden Abschnitt nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren nach diesem Abschnitt jene Verfahrensvorschriften anzuwenden, die die Behörde in einem Verfahren anzuwenden hat, das der Beschwerde beim Verwaltungsgericht vorangeht.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984 und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in den dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gegenständlich sind die Verfahrensbestimmungen des AVG, des BFA-VG, des VwGVG und jene im AsylG 2005 enthaltenen sowie die materiellen Bestimmungen des AsylG 2005 idgF samt jenen Normen, auf welche das AsylG 2005 verweist, anzuwenden.

Zu Spruchteil A):

Der mit „Status des subsidiär Schutzberechtigten“ betitelte § 8 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF lautet:

§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,

1.       der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

2.       dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.

(3a) Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen, so hat eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.

(4) Einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, ist vom Bundesamt oder vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

(5) In einem Familienverfahren gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 gilt Abs. 4 mit der Maßgabe, dass die zu erteilende Aufenthaltsberechtigung gleichzeitig mit der des Familienangehörigen, von dem das Recht abgeleitet wird, endet.

(6) Kann der Herkunftsstaat des Asylwerbers nicht festgestellt werden, ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen. Diesfalls ist eine Rückkehrentscheidung zu verfügen, wenn diese gemäß § 9 Abs. 1 und 2 BFA-VG nicht unzulässig ist.

(7) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten erlischt, wenn dem Fremden der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird.

Der mit „Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten“ betitelte § 9 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF lautet:

§ 9. (1) Einem Fremden ist der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn

1.       die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) nicht oder nicht mehr vorliegen,

2.       er den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat oder

3.       er die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates erlangt hat und eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen neuen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention oder für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(2) Ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon aus den Gründen des Abs. 1 abzuerkennen, so hat eine Aberkennung auch dann zu erfolgen, wenn

1.       einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe vorliegt;

2.       der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt oder

3.       der Fremde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt worden ist. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht.

In diesen Fällen ist die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(3) Ein Verfahren zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist jedenfalls einzuleiten, wenn der Fremde straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3) und das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß Abs. 1 oder 2 wahrscheinlich ist.

(4) Die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist mit dem Entzug der Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu verbinden. Der Fremde hat nach Rechtskraft der Aberkennung Karten, die den Status des subsidiär Schutzberechtigten bestätigen, der Behörde zurückzustellen.

Der mit „Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme“ betitelte § 10 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF lautet:

§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

4. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

5. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.

(2) Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

(3) Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt.

Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 idgF ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, vom Bundesamt oder vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

Die Verlängerung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter kommt somit nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes nur in Betracht, wenn und solange der Antragsteller (bzw. der Fremde) den Status eines subsidiär Schutzberechtigten innehat (so auch ausdrücklich der VwGH in seinem Erkenntnis vom 30.10.2019, Ro 2019/14/0007, Rn. 51, letzter Halbsatz).

Die belangte Behörde hat daher im gegenständlich angefochtenen Bescheid zu Recht ausgesprochen, dass dem BF – infolge der rechtskräftigen Aberkennung seines Status des subsidiär Schutzberechtigen – keine Antragslegitimation iSd § 8 Abs. 4 AsylG (mehr) zukommt und den Antrag des BF folgerichtig zurückgewiesen.

Dafür, dass das BFA mit seiner zurückweisenden Entscheidung – so die Argumentation des BF in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG (vgl. hierzu S. 5 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung am 14.05.2021) – eine Rückkehrentscheidung verbinden, bzw. in weiterer Folge die (zumindest vorübergehende) Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung aussprechen hätte müssen, gibt es keine gesetzliche Grundlage.

Richtig ist, dass nach heutiger Rechtslage eine Entscheidung über die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (wie sie im gegenständlichen Verfahren mit Bescheid vom 28.05.2010 erfolgte) gemäß § 10 Abs. 1 iVm § 9 Abs. 2 AsylG, sofern ein Aufenthaltstitel gemäß 57 AsylG nicht erteilt wird, mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme (bzw. einer Rückkehrentscheidung) und der Feststellung zu verbinden ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat aufgrund des Vorliegens der realen Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention, oder des Bestehens einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit für den Fremden als Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes unzulässig ist.

Nach der Rechtslage zum Zeitpunkt der Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten galt, anders als heute, dass mit einer auf § 9 Abs. 2 AsylG gestützten Aberkennung zwar eine entsprechende Feststellung über die Unzulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat auszusprechen, aber explizit keine Rückkehrentscheidung zu erlassen war (vgl. § 10 Abs. 1 iVm § 9 Abs. 2 AsylG idF BGBl. I Nr. 122/2009). Diesen Ausspruch über die Unzulässigkeit der Abschiebung des BF in die Russische Föderation tätigte die Behörde – der damaligen Rechtslage entsprechend – in Spruchpunkt III. ihres Bescheides vom 28.05.2010.

Der Vollständigkeit halber sei ausgeführt, dass (nach heutiger wie auch nach damaliger Rechtslage) eine auf § 9 Abs. 2 AsylG gestützte Aberkennung ausdrücklich stets nur subsidiär zu einer Aberkennung nach § 9 Abs. 1 AsylG erfolgen kann – die Aberkennung mangels Schutzbedürftigkeit geht also jener mangels Schutzwürdigkeit vor. Damit indiziert eine solche auf § 9 Abs. 2 AsylG gestützte Aberkennung gleichzeitig das weitere Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen iSd § 8 Abs. 1 AsylG für die Gewährung von subsidiärem Schutz, insbesondere auch im Hinblick auf die Lage im Herkunftsstaat (vgl. § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG). Eine Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach § 9 Abs 2 AsylG ist demnach (ex lege) zwingend mit dem Ausspruch zu verbinden, dass die Abschiebung in den Herkunftsstaat unzulässig ist. Bedingt durch das Non-Refoulement-Gebot besteht ein rechtliches Abschiebehindernis. Der Fremde ist sodann gemäß § 46a Abs 1 Z 2 FPG ex lege geduldet, solange die Abschiebung unzulässig ist (vgl. auch Vera Paulhart, Die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach § 9 AsylG 2005, migraLex 2020, 10 [10 f]).

Wie der BF – in Bezugnahme auf ein Judikat des VwGH vom 24.01.2019, Ro 2018/21/0011 –zutreffend aufzeigt, geht mit einer solchen Refoulement-Beurteilung in Bezug auf den Herkunftsstaat eines Fremden eine zu beachtende Rechtskraftwirkung einher, deren Durchbrechung nur dann gerechtfertigt ist, wenn sich nach Erlassung der in Rechtskraft erwachsenen Entscheidung der Sachverhalt oder die Rechtsvorschriften wesentlich geändert haben, also eine neue Sache vorliegt, für die die Rechtskraftwirkung der ursprünglichen Entscheidung nicht mehr gilt.

Von einer nachträglichen Änderung der Sache ist der Fall zu unterscheiden, dass der Sachverhalt anders rechtlich beurteilt wird oder neue Tatsachen oder Beweismittel bekannt werden, die bereits im Zeitpunkt der Erlassung der Entscheidung vorgelegen, aber erst später bekannt geworden sind. Die schon vor Erlassung der Entscheidung bestehende Sachlage ist von der Rechtskraft des Bescheides erfasst und bindet Gerichte und Behörde, solange diese Entscheidung dem Rechtsbestand angehört (zur Beachtung rechtskräftiger Entscheidungen vgl. VwGH 18.01.2017, Ra 2016/18/0293; VwGH 13.09.2016, Ro 2015/03/0045; VwGH 24.05.2016, Ra 2016/03/0050).

In seinem Erkenntnis vom 24.01.2019, Ro 2018/21/0011, nahm der VwGH – hinsichtlich der grundsätzlich zu beachtenden Rechtskraftwirkung von Refoulement-Beurteilungen – Bezug auf das Verhältnis zwischen einer Feststellung über die Unzulässigkeit (insbesondere) einer Abschiebung nach § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG 2005 (im zugrundeliegenden Fall: infolge der Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Aberkennung des Status des Asylberechtigten) zu einer späteren Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG (in Zusammenhang mit einer Rückkehrentscheidung infolge der Nichtzuerkennung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG) und führte dazu aus, dass die Rechtskraftwirkung der früheren Refoulement-Beurteilung im gegebenen Zusammenhang nicht anders zu beurteilen sei, als generell: § 52 Abs. 9 FPG ordne zwar nach seinem Wortlaut für den Fall der Erlassung einer Rückkehrentscheidung ausnahmslos an, es sei gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist und werde insoweit von dem die materielle Rechtskraft kennzeichnenden Umstand der "Unwiederholbarkeit" abgegangen. Dass das auch für die "Unabänderlichkeit" – "das bedeutendste Merkmal der Rechtskraftwirkung" (Hengstschläger/Leeb, AVG § 68 Rz 16 [Stand April 2018] mit Verweis auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes) – gelte, lasse sich dem Gesetz jedoch nicht entnehmen. Im Gegenteil zeige § 51 Abs. 5 FPG, dass eine rechtskräftige Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in einen bestimmten Staat nur dann geändert werden könne, wenn sich der maßgebliche Sachverhalt wesentlich geändert hat. […]

Im Sinne dieser Judikatur entfaltet der Ausspruch über die Unzulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF in die Russische Föderation mit Bescheid vom 28.05.2010 daher Rechtskraft im Hinblick auf künftige Refoulement-Beurteilungen.

Dies vermag jedoch nicht zu begründen, warum der BF – dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten rechtskräftig aberkannt wurde – im Hinblick auf § 8 Abs. 4 AsylG (entgegen dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes) antragslegitimiert sein sollte, bzw. warum die belangte Behörde (oder das BVwG) mit der (zurückweisenden) Entscheidung über einen Antrag gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine Rückkehrentscheidung verbinden, bzw. eine solche für (vorübergehend oder dauerhaft) unzulässig erklären sollte.

Beim Verfahren über die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und beim Verfahren über den Antrag auf Verlängerung (bzw. Erteilung) der befristeten Aufenthaltsberechtigung handelt es sich um zwei unterschiedliche Verfahren, bei keinem dieser Verfahren handelt es sich um ein Verfahren über einen Antrag auf internationalen Schutz. Insbesondere wird das Verlängerungsverfahren auf Antrag eingeleitet und bezieht sich auf die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung, während das Aberkennungsverfahren amtswegig eingeleitet wird und den subsidiären Schutzstatus selbst zum Verfahrensgegenstand hat. Die Aberkennung wirkt ex nunc (vgl. VwGH 30. 10. 2019, Ro 2019/14/0007 Rn. 39, 50).

Dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach rechtskräftiger Aberkennung desselben infolge der Tilgung der strafgerichtlichen Verurteilungen des BF quasi automatisch „wieder aufleben“ würde (so sinngemäß die Argumentation in der verfahrensgegenständlichen Beschwerde), kann weder dem Gesetz, noch der höchstgerichtlichen Judikatur entnommen werden.

Auch vermag das erkennende Gericht nicht nachzuvollziehen, weshalb – wie vom BF behauptet – ein neuerlicher Antrag des BF auf internationalen Schutz (jedenfalls) zurückgewiesen werden müsste. Zum einen besteht im Falle des BF insofern eine geänderte Sachlage, als dass er (anders als zum Zeitpunkt seiner ersten Antragstellung) nunmehr volljährig ist und sich allfällige (Flucht-)Gründe iSd §§ 3, 8 AsylG (anders als im damaligen Familienverfahren) nicht mehr von seinem Vater ableiten ließen, sondern originär zu beurteilen wären, zum anderen haben sich die persönlichen Umstände des BF seit der rechtskräftigen Aberkennung des subsidiären Schutzstatus insofern geändert, als dass er zwischenzeitlich strafgerichtlich verurteilt und ihm in der Folge der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wurde, er nunmehr aber (infolge der Tilgung seiner Verurteilungen) strafgerichtlich (wieder) unbescholten ist. Vor diesem Hintergrund wäre nach Ansicht des erkennenden Gerichts über einen neuerlichen Antrag des BF auf internationalen Schutz jedenfalls inhaltlich abzusprechen, wobei die Behörde – sofern sich keine maßgeblichen Veränderungen der Situation im Herkunftsstaat ergeben haben – iSd oben ausgeführten Erwägungen zur Rechtskraftwirkung von (Refoulement-)Entscheidungen an ihren entsprechenden Ausspruch im Bescheid vom 28.05.2010 gebunden wäre.

Es sei der Vollständigkeit halber darauf hingewiesen, dass nach Ansicht des erkennenden Gerichts eine allfällige Gefährdung des BF iSd § 8 Abs. 1 AsylG zum Zeitpunkt der Erlassung des Aberkennungsbescheides aufgrund seiner zwischenzeitlich eingetretenen Volljährigkeit und, damit eingehergehend, des Wegfalls der Familienangehörigeneigenschaft iSd § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 135/2009 – im Sinne einer diesbezüglich wohl tatsächlich vorliegenden systemwidrigen Lücke (da ansonsten die Anwendung des § 9 Abs 2 AsylG 2005 auf einen Straftäter, der den Status des subsidiär Schutzberechtigten im Familienverfahren erhalten hat, unabhängig von einer tatsächlich bestehenden Gefahr stets zu einer "Ex-lege-Feststellung" einer Gefahr führen würde, vgl. hierzu Vera Paulhart, Die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach § 9 AsylG 2005, migraLex 2020, 10 [11 f] zur aktuellen, diesbezüglich aber inhaltsgleichen Rechtslage) – in einschränkender Auslegung des § 9 Abs. 2 AsylG – wohl eine "originäre" Prüfung eigener Zuerkennungsgründe des BF vorzunehmen gewesen wäre.

Da der Bescheid vom 28.05.2010 jedoch in Rechtskraft erwachsen ist, ändert dies nichts daran, dass die Refoulement-Beurteilung der Behörde iSd oben zitierten Judikatur Bindungswirkung entfaltet, zumal der BF zum Zeitpunkt der Erlassung des Aberkennungsbescheides bereits volljährig war und insofern keine geänderten Verhältnisse in Bezug auf seine Schutzbedürftigkeit vorliegen.

Darüber hinaus steht es dem BF auch frei, einen Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 ff AsylG 2005 zu beantragen.

Eine systemwidrige Lücke – wie sie nach Ansicht des BF durch gegenständlich angefochtenen Bescheid angeblich bewirkt würde – vermag das erkennende Gericht daher nicht zu erblicken.

Die Entscheidung des BFA, mit dem der verfahrensgegenständliche Antrag des BF zurückgewiesen wurde, war daher im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchteil B):

Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil sich die zu lösenden Rechtsfragen an eine klaren und eindeutigen Rechtslage zu messen waren, die keine Auslegungsprobleme aufwarf.

Schlagworte

Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten Einreiseverbot Einzelfallentscheidung Einzelfallprüfung freiwillige Ausreise geänderte Verhältnisse Gefährdungsprognose Interessenabwägung non refoulement öffentliche Interessen Privat- und Familienleben Resozialisierung Rückkehrentscheidung Voraussetzungen Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W117.1307953.3.00

Im RIS seit

06.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

06.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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